Abkommen (0.974.219.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und dem Ministerrat von Bosnien und Herzegowina über technische, wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit sowie humanitäre Hilfe Abgeschlossen am 28. März 2003 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 6. Februar 2004 (Stand am 6. Februar 2004) ¹ Übersetzung des englischen Originaltextes.
Der Schweizerische Bundesrat und der Ministerrat von Bosnien und Herzegowina, BiH
im Folgenden «die Vertragsparteien» genannt,
im Bewusstsein der Bedeutung der bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zwischen ihren beiden Ländern,
vom Wunsch geleitet, diese Beziehungen zu stärken und eine fruchtbare technische, wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu entwickeln,
in Anerkennung der Tatsache, dass eine Weiterentwicklung dieser technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern dazu beitragen wird, in BiH den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformprozess sowie den Integrationsprozess zu unterstützen und dadurch die Lebens­bedingungen der Bevölkerung zu verbessern,
im Bewusstsein, dass der Ministerrat von BiH sich zur Fortführung der Reformen verpflichtet mit dem Ziel, eine Marktwirtschaft unter demokratischen Bedingungen zu errichten,
in Beteuerung ihrer Verpflichtung für eine pluralistische Demokratie, die auf den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte beruht,
haben Folgendes vereinbart:
Art. 1 Allgemeine Bestimmungen
Die Achtung der demokratischen Grundsätze und der grundlegenden Menschenrechte, wie sie insbesondere in der Europäischen Menschenrechtskonvention² nieder­gelegt sind, leitet die Innen- und Aussenpolitik der beiden Vertragsparteien und bildet einen wesentlichen Bestandteil des vorliegenden Abkommens, der mit seinen Zielen gleichzusetzen ist.
² SR 0.101
Art. 2 Ziele
2.1  Die Vertragsparteien fördern im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung die Durchführung von technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Hilfsprojekten in BiH. Mit diesen Projekten soll der in BiH eingeschlagene politische, wirtschaftliche und soziale Reformkurs unterstützt und die durch den Transitionsprozess bedingten wirtschaftlichen und sozialen Kosten eingedämmt werden.
2.2  Das vorliegende Abkommen legt ebenfalls die Bestimmungen und Vorgehensweisen für die Planung und Durchführung dieser Projekte fest.
2.3  Das Abkommen soll zudem die humanitäre Hilfe und die Nothilfe der Schweiz in BiH erleichtern, falls der Ministerrat von BiH darum ersucht.
Art. 3 Formen der Zusammenarbeit
Formen
3.1  Die Zusammenarbeit erfolgt in Form von technischer, wirtschaftlicher und finanzieller Unterstützung oder in Form von humanitärer Hilfe und Nothilfe.
3.2  Eine solche Zusammenarbeit kann bilateral oder in Zusammenarbeit mit anderen Gebern oder multilateralen Organisationen erfolgen.
3.3  Die Zusammenarbeit kann über private oder öffentliche nationale, internationale oder multilaterale Organisationen und Institutionen erfolgen.
Technische Zusammenarbeit
3.4  Die technische Unterstützung erfolgt in Form von Know-how-Transfer (Ausbildung und Beratung) sowie durch das zur Verfügung stellen der für die erfolgreiche Projektdurchführung notwendigen Ausrüstung und des dafür erforderlichen Mate­rials.
3.5  Projekte, die in BiH im Rahmen der technischen Zusammenarbeit durchgeführt werden, sollen zur Lösung von spezifischen politischen, sozialen und wirtschaft­lichen Problemen des Transitionsprozesses beitragen:
– Unterstützung der sozialen Transition mit besonderem Fokus auf Reformen im Bereich der sozialen Netzwerke und des Gesundheitswesens;
– Unterstützung der wirtschaftlichen Transition, insbesondere die Entwicklung des aufkommenden Privatsektors;
– Umweltschutz und Wiederherstellung naturnaher Zustände mit besonderem Fokus auf der Wasserbewirtschaftung;
– Stärkung der Zivilgesellschaft und des Demokratisierungsprozesses;
– Förderung des wissenschaftlichen und kulturellen Austausches;
– Förderung der Produktion, des Handels und der Investitionen und der dafür notwendigen Rahmenbedingungen.
Finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung
3.6  Die finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung erfolgt durch die Finanzierung (Zuwendungen, Darlehen oder eine Kombination von beiden) von Gütern und Dienstleistungen schweizerischer Herkunft, die für vorrangige Infrastrukturprojekte bestimmt sind.
3.7  Die finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung kann auch in Form von Dienstleistungen und der Finanzierung (durch Darlehen, Kapitalbeteiligung, Zuwen­dungen oder eine Kombination aller) von Vorhaben zur Förderung von Inves­titionen und Handel erfolgen.
Humanitäre Hilfe und Nothilfe
3.8  Die Bestimmungen dieses Abkommens finden ebenfalls Anwendung auf schweizerische Einsätze der humanitären Hilfe und Nothilfe in BiH, die im Fall menschlicher Not geleistet und von Fall zu Fall definiert werden auf der Grundlage von international identifizierten dringlichen Bedürfnissen der Bevölkerung, die von Naturkatastrophen oder menschengemachten Katastrophen betroffen ist.
Art. 4 Bedingungen
Um die Durchführung der Projekte im Rahmen dieses Abkommens zu erleichtern, verpflichtet sich der Ministerrat von BiH folgende Vorrechte und Befreiungen zu gewähren:
a) Die gesamte vom Schweizerischen Bundesrat in Form von Geschenken gelieferte Ausrüstung sowie Dienstleistungen und Material für Vorhaben im Rahmen dieses Abkommens werden von Steuern, Zollgebühren, Abgaben und anderen obligatorischen Gebühren befreit.
b) Die notwendige Bewilligung für die Ein- und Ausfuhr der für die Projektdurchführung erforderlichen Ausrüstung und Fahrzeuge wird unentgeltlich erteilt.
c) Die ausländischen Experten, die im Rahmen von Projekten dieses Abkommens tätig sind, und deren Familien erhalten unentgeltlich die erforderliche Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Sie werden von jeglichen Steuern auf Einkommen und Vermögen oder anderen Abgaben, von Steuern und Zollgebühren für die vorübergehende Einfuhr und Wiederausfuhr von persönlichen und beruflichen Gütern sowie Abgaben auf allen weiteren Vergütungen während ihres Einsatzes befreit.
d) BiH ist einverstanden, dass für die Zahlungsabwicklung bei finanziellen Unterstützungsprojekten die beiden Projektpartner im gemeinsamen Einvernehmen Finanzagenten bestimmen können, die im Auftrag der jeweiligen Projektpartner von BiH operieren. Für Zahlungen in lokaler Währung und/oder Gegenwertfonds können gemäss der Gesetzgebung von BiH spezielle Konten bei diesen Finanzagenten eröffnet werden. Die Projektpartner entscheiden gemeinsam über die Verwendung dieser hinterlegten Mittel.
e) BiH erleichtert das Verfahren bei internationalen Transfers mit ausländischen Devisen, die im Rahmen der Projekte oder durch ausländische Experten getätigt werden.
f) BiH gewährt dem Kooperationsbüro und seinen Vertretern, sofern diese nicht Bürger von BiH sind, die Privilegien und die Immunität gemäss dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961³.
³ SR 0.191.01
Art. 5 Anti-Korruptionsklausel
Zwischen den Vertragspartnern besteht Konsens betreffend der Bekämpfung von Korruption, da diese einer guten Regierungsführung im Wege steht, den zweck­dienlichen Einsatz der für die Entwicklung notwendigen Ressourcen behindert und zudem den freien, auf Qualität, Angebot und Nachfrage basierenden Wettbewerb hemmt. Sie erklären daher, die Korruption mit vereinten Kräften zu bekämpfen und weder im Hinblick auf den Abschluss noch im Rahmen der Ausführung des vorliegenden Abkommens, noch bei der Vergabe von Aufträgen, weder direkt noch indirekt Angebote irgendwelcher Art, seien es Geschenke, Zahlungen, Belohnungen oder sonstige Vorteile, anzubieten oder sich anbieten zu lassen, welche als widerrechtliche Handlung oder als Korruptionspraxis eingestuft werden. Jedes Verhalten dieser Art ist hinreichender Grund, um die Auflösung des vorliegenden Abkommens oder die Ergreifung jeder anderen im anwendbaren Recht vorgesehenen Massnahme zu rechtfertigen.
Art. 6 Umfang und Anwendung
6.1  Die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens werden angewendet
a) für Projekte, die von beiden Vertragsparteien im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen wurden;
b) für Projekte mit Körperschaften oder Institutionen des öffentlichen oder privaten Rechts beider Länder, für welche die beiden Vertragsparteien oder ihre Bevollmächtigten gemeinsam die Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens mutatis mutandis vereinbart haben.
6.2  Dieses Abkommen ist ebenfalls anwendbar auf die laufenden Projekte oder Projekte, die in der Vorbereitungsphase standen, bevor dieses Abkommen in Kraft getreten ist.
Art. 7 Zuständige Behörden, Koordination und Vorgehen
7.1  Die für die Durchführung von technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Vorhaben zuständigen schweizerischen Behörden sind:
1) Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten,
2) Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements.
Beide Institutionen werden in Bosnien und Herzegowina durch das Schweizer Kooperationsbüro in Sarajevo vertreten.
7.2  Die für die Durchführung von technischen Vorhaben zuständigen Behörden von BiH sind:
1) das Ministerium für Aussenhandel und wirtschaftliche Beziehungen von BiH;
2) das Ministerium für zivile Angelegenheiten von BiH;
3) das Ministerium für Flüchtlinge und Menschenrechte von BiH;
4) das Finanzministerium von BiH.
Auf der Seite von BiH ist das Ministerium für Aussenhandel und wirtschaftliche Beziehungen für die gesamte Koordination der Umsetzung dieses Abkommens zuständig.
7.3  Unterstützungsgesuche der Regierung von BiH werden an das Schweizer Kooperationsbüro in Sarajevo weitergeleitet und von dort an die zuständigen Stellen in der Schweiz. Das Kooperationsbüro stellt zudem die Verbindung zwischen den schweizerischen Behörden und denjenigen von BiH für die Durchführung und das Monitoring der Projekte sicher.
7.4  Im Bereich der Nothilfe und der humanitären Hilfe wird die Schweiz durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten vertreten.
7.5  Jedes Projekt wird auf der Grundlage des vorliegenden Abkommens Gegen­stand eines Sonderabkommens zwischen den Projektpartnern, das im Detail die Rechte und Pflichten jedes Projektpartners bestimmt und festhält.
7.6  Zur Vermeidung von Wiederholungen und Überschneidungen bei Projekten, die von anderen Gebern durchgeführt werden, und zur Gewährleistung einer maximalen Wirkung der Projekte, werden die Parteien alle notwendigen Mittel und Informationen liefern und teilen, damit eine effiziente Koordination der internationalen Hilfe garantiert ist.
7.7  Die Vertragsparteien verpflichten sich zur gegenseitigen umfassenden Information über die im Rahmen dieses Abkommens lancierten Projekte. Sie tauschen ihre Meinungen aus und treffen sich aufgrund gemeinsamer Vereinbarung regelmässig, um über die technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenarbeitsprogramme zu diskutieren, um diese zu evaluieren und angemessene Verbesserungsmassnahmen zu treffen. Bei dieser Gelegenheit können die Vertragsparteien unter Berücksichtigung der Evaluationsergebnisse Änderungen vorschlagen in den oben erwähnten Bereichen der Zusammenarbeit und/oder der Abläufe.
Art. 8 Änderungen des Abkommens und Streitbeilegung
8.1  Dieses Abkommen kann im schriftlichen Einverständnis zwischen den beiden Vertragsparteien abgeändert oder ergänzt werden.
8.2  Allfällige Streitigkeiten, die aus der Anwendung dieses Abkommens erwachsen könnten, werden auf diplomatischem Weg beigelegt.
Art. 9 Inkrafttreten und Dauer
9.1  Dieses Abkommen tritt am Tag in Kraft, an dem sich die Vertragsparteien gegenseitig darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass sie die verfassungsmässigen Bedingungen im Zusammenhang mit dem Abschluss und dem Inkrafttreten inter­nationaler Abkommen erfüllt haben. Dieses Abkommen ist von der Unterzeichnung an gemäss nationaler Gesetzgebung beider Länder vorübergehend anwendbar. Das Abkommen bleibt 5 Jahre in Kraft. Danach wird es stillschweigend von Jahr zu Jahr erneuert, sofern es nicht von einer der beiden Vertragsparteien schriftlich mindestens sechs Monate vor Ablauf gekündigt wird.
9.2  Im Falle der Nichtbeachtung der Grundsätze in Artikel 1 ist jede Partei zum Ergreifen angemessener Massnahmen ermächtigt. Ausser im Falle besonderer Dringlichkeit liefert jene Vertragspartei, die das Ergreifen von Massnahmen beabsichtigt, der anderen zuvor alle Informationen, die eine eingehende Prüfung der Situation erlauben und zum Ausarbeiten einer Lösung notwendig sind. Bei den zu treffenden Massnahmen sollte die Wahl vorwiegend auf solche fallen, welche die Umsetzung der einzelnen und speziellen Abkommen am wenigsten beeinträchtigen. Die andere Vertragspartei wird unverzüglich über diese Massnahmen informiert. Sie kann zudem verlangen, dass über dieselben beraten wird.
Um eine richtige Auslegung und eine praktische Umsetzung dieses Abkommens zu garantieren, vereinbaren die Vertragsparteien, dass «besondere Dringlichkeit» im Sinne von Artikel 9.2 bei einer schwerwiegenden Verletzung eines wesentlichen Bestandteils oder eines Ziels dieses Abkommens durch eine der beiden Vertragsparteien vorliegt.
9.3  Im Falle seiner Beendigung bleiben die Bestimmungen dieses Abkommens für alle Projekte, die vor der Kündigung vereinbart wurden, in Kraft.
Geschehen in Sarajevo, am 28. März 2003, in zwei Originalen in englischer Sprache.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Walter Fust

Für den Ministerrat von Bosnien und Herzegowina:

Mila Gadzic

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