Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Marok... (0.975.254.9)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Marokko über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

Abgeschlossen am 17. Dezember 1985 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 12. April 1991 (Stand am 12. April 1991) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes.
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung des Königreichs Marokko,
vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zu verstärken,
in Anerkennung der wichtigen Rolle der ausländischen Privatinvestitionen im wirtschaftlichen Entwicklungsprozess sowie des Rechts jeder Vertragspartei, diese Rolle näher zu bestimmen und die Bedingungen festzulegen, unter denen ausländische Investitionen an diesem Prozess teilnehmen können,
in der Erkenntnis, dass ein angemessener zwischenstaatlicher Kapitalfluss nur durch ein beidseitig befriedigendes Investitionsklima geschaffen und erhalten werden kann und dass die Investoren hiezu beitragen können, indem sie die Souveränität und die Gesetze des Gastlandes, dessen Rechtshoheit sie unterworfen sind, achten und indem sie ferner in einer mit den Politiken und Prioritäten des Gastlandes vereinbaren Weise handeln und sich bemühen, zu dessen Entwicklung beizutragen,
im Bestreben, in beiden Staaten günstige Bedingungen für Kapitalanlagen zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen Staatsangehörigen und privaten oder öffentlich‑rechtlichen Gesellschaften beider Länder namentlich auf den Gebieten der Technologie, der Industrialisierung und der Produktivität zu verstärken,
in der Erkenntnis der Notwendigkeit, Investitionen der Staatsangehörigen und Gesellschaften beider Staaten zu schützen sowie den Kapitaltransfer zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes beider Staaten zu fördern,
haben folgendes vereinbart:
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Abkommens
(a) sind unter «Staatsangehörigen» natürliche Personen zu verstehen, die gemäss der Gesetzgebung der jeweiligen Vertragspartei als deren Staatsbürger betrachtet werden;
(b) bezeichnet der Begriff «Gesellschaften» aa) mit Bezug auf die Schweizerische Eidgenossenschaft: Gesellschaften, Niederlassungen oder Stiftungen mit Rechtspersönlichkeit sowie Kollektiv‑ oder Kommanditgesellschaften und sonstige Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, an denen schweizerische Staatsangehörige direkt oder indirekt ein überwiegendes Interesse haben;
bb) mit Bezug auf das Königreich Marokko: jede Gesellschaft, die in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung des Königreichs Marokko gegründet, errichtet oder sonstwie organisiert ist und an der natürliche Personen, die Staatsangehörige des Königreichs Marokko sind, oder das Königreich Marokko und seine Institutionen ein wesentliches Interesse haben;
(c) umfasst der Begriff «Investitionen» alle Arten von Vermögenswerten und Guthaben, im besondern, aber nicht ausschliesslich aa) bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche dinglichen Rechte wie Hypotheken, Pfandrechte, Nutzniessungen und ähnliche Rechte;
bb) Anteile und andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften;
cc) Geldforderungen und Ansprüche auf irgendwelche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen,
dd) Urheberrechte, gewerbliche Eigentumsrechte (wie Erfindungspatente, Fabrik- und Handelsmarken, gewerbliche Muster), Know‑how, Handelsnamen und Goodwill;
ee) Konzessionen oder andere Rechte, die von den Behörden der Vertragsparteien gewährt werden, einschliesslich solcher zur Prospektion, Gewinnung und Verwertung von natürlichen Ressourcen;
(d) bezeichnet der Begriff «Einkommen» diejenigen Beträge, die als Nettoerträge oder Zinsen im Zusammenhang mit einer Investition innerhalb eines bestimmten Zeitraumes anfallen.
Art. 2 Förderung, Zulassung
Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Gebiet nach Möglichkeit Investitionen von Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen, Verordnungen und übrigen Rechtsvorschriften zu.
Art. 3 Schutz
Jede Vertragspartei schützt auf ihrem Gebiet die in Übereinstimmung mit ihrer Gesetzgebung von Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei getätigten Investitionen und unterlässt es, die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutzniessung, die Erweiterung, den Verkauf und allenfalls die Liquidation solcher Investitionen durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Massnahmen zu behindern. Jede Vertragspartei ist bestrebt, die erforderlichen Bewilligungen im Zusammenhang mit solchen Investitionen zu erteilen, und bewilligt im Rahmen ihrer Gesetzgebung die Durchführung von Lizenzverträgen sowie von Verträgen über technische, kommerzielle oder administrative Unterstützung. Jede Vertragspartei ist ferner bestrebt, die Bewilligungen zu erteilen, die gegebenenfalls erforderlich sind für die Tätigkeit von Beratern und Experten, die von Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei angestellt wurden.
Art. 4 Behandlung
(1)  Jede Vertragspartei stellt auf ihrem Gebiet eine gerechte und billige Behandlung der Investitionen der Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei sicher.
(2)  Diese Behandlung darf nicht weniger günstig sein als jene, welche die Vertragspartei Investitionen angedeihen lässt, die auf ihrem Gebiet von eigenen Staatsangehörigen oder Gesellschaften getätigt wurden, oder als die Behandlung, die Investitionen von Staatsangehörigen oder Gesellschaften der am meisten begünstigten Nation geniessen, sofern diese Behandlung günstiger ist.
(3)  Diese Behandlung bezieht sich jedoch nicht auf Vorteile, die eine Vertragspartei den Staatsangehörigen und Gesellschaften eines Drittstaates aufgrund deren Mitgliedschaft bei oder der Assoziation mit einer Zollunion, einem gemeinsamen Markt oder einer Freihandelszone zukommen lässt.
Art. 5 Transfer
Jede Vertragspartei, auf deren Gebiet Staatsangehörige und Gesellschaften der anderen Vertragspartei Investitionen getätigt haben, gewährt diesen Staatsangehörigen oder Gesellschaften ohne ungerechtfertigte Verzögerung den Transfer in konvertierbarer Währung von Zahlungen im Zusammenhang mit diesen Investitionen, namentlich von:
(a) Zinsen, Dividenden, Gewinnen und anderen laufenden Erträgen;
(b) Lizenzgebühren und anderen Zahlungen aus Verträgen über Lizenzrechte und über kommerzielle, administrative und technische Unterstützung;
(c) Zahlungen aus andern Verträgen, einschliesslich Amortisationszahlungen oder Rückzahlungen von Finanz‑ oder Handelsdarlehen;
(d) Erlösen aus dem Verkauf oder der teilweisen oder vollständigen Liquidation einer Investition, einschliesslich allfälliger Wertzunahmen;
(e) Entschädigungen für Enteignungen, Verstaatlichungen oder Massnahmen entsprechender Art oder Wirkung.
Art. 6 Verstaatlichung/Enteignung
Verstaatlichungs‑, Enteignungs‑ oder andere Massnahmen von derselben Art oder derselben Wirkung, die von den Behörden einer Vertragspartei gegenüber Investitionen getroffen werden könnten, die Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei gehören, müssen in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften vorgenommen werden, dürfen keinen diskriminierenden Charakter haben und nicht aus anderen Gründen als jenen des öffentlichen Interesses erfolgen. Die Vertragspartei, die derartige Massnahmen getroffen hat, überweist dem Begünstigten ohne ungerechtfertigte Verzögerung eine wertentsprechende und tatsächlich verwertbare Entschädigung.
Art. 7 Günstigere Bedingungen
Günstigere Bedingungen als jene des vorliegenden Abkommens, die zwischen einer Vertragspartei und Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei vereinbart worden sind, werden vom vorliegenden Abkommen nicht berührt.
Art. 8 Subrogationsprinzip
Hat eine der Vertragsparteien für eine Investition, die durch einen Staatsangehörigen oder eine Gesellschaft auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei getätigt wurde, eine finanzielle Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken gewährt und wurde aufgrund dieser Garantie eine Zahlung geleistet, so anerkennt die andere Vertragspartei aufgrund des Subrogationsprinzips den Übergang der Rechte des Investors auf die erste Vertragspartei.
Art. 9 Schiedsverfahren
(1)  Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Aus­legung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind auf diplomatischem Wege beizulegen.
(2)  Falls die beiden Vertragsparteien sich nicht innerhalb von neun Monaten verständigen können, ist die Streitigkeit auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter, diese beiden Schiedsrichter ernennen einen Angehörigen eines Drittstaates zum Obmann.
(3)  Falls eine Vertragspartei ihren Schiedsrichter nicht bezeichnet und der Aufforderung der andern Vertragspartei, innerhalb von zwei Monaten diese Bezeichnung vorzunehmen, nicht nachkommt, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen der letzteren Vertragspartei vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(4)  Können sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bezeichnung auf die Wahl des Obmanns einigen, so wird dieser auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(5)  Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den in Absatz 3 und Absatz 4 dieses Artikels erwähnten Fällen an seiner Mandatsausübung verhindert, oder ist er Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen vom Vizepräsidenten vorgenommen. Ist auch dieser verhindert oder Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen durch das amtsälteste Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist.
(6)  Sofern die Vertragsparteien nichts anderes bestimmen, regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selber.
(7)  Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.
Art. 10 Protokoll
Das Protokoll im Anhang bildet einen integrierenden Bestandteil dieses Abkommens.
Art. 11 Inkrafttreten, Verlängerung, Kündigung
(1)  Das vorliegende Abkommen tritt am Tage in Kraft, an dem sich die beiden Regierungen mitteilen, dass die verfassungsmässigen Vorschriften für die Inkraftsetzung von internationalen Abkommen erfüllt sind. Es gilt für eine anfängliche Dauer von zehn Jahren, anschliessend durch stillschweigende Weiterführung für jeweils weitere zwei Jahre. Jede Vertragspartei kann das vorliegende Abkommen durch schriftliche Mitteilung sechs Monate vor dem Zeitpunkt seines Auslaufens kündigen.
(2)  Im Falle der Kündigung dieses Abkommens werden für Investitionen, die vor seiner Kündigung getätigt wurden, die in den Artikeln 1 bis 10 enthaltenen Bestimmungen noch während der Dauer von zehn Jahren angewandt.
Geschehen in Rabat, am 17. Dezember 1985, in vier Originalen, je zwei in französischer und arabischer Sprache, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Adolf Lacher

Für die Regierung
des Königreichs Marokko:

Abdellatif Jouahri

Protokoll

Die bevollmächtigten Vertreter beider Vertragsparteien haben die nachstehenden Bestimmungen vereinbart, die einen integrierenden Bestandteil des Abkommens bilden:
Art. 1 Vor dem Abkommen getätigte Investitionen
(1)  Das Abkommen ist auch auf Investitionen anwendbar, die vor seiner Inkraftsetzung auf dem Gebiet einer Vertragspartei durch Staatsangehörige oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei rechtmässig getätigt worden sind.
(2)  Die Transferbestimmungen von Artikel 5 Buchstaben d) und e) des Abkommens sind vor der Inkraftsetzung dieses Abkommens von schweizerischen Staatsangehörigen oder Gesellschaften in Marokko getätigten Investitionen soweit anwendbar, als diese Investitionen durch Einlagen in konvertierbaren Währungen finanziert wurden. Was die Investitionen betrifft, die durch nichtkonvertierbare Währungen finanziert wurden, sind bezüglich der in Artikel 5 Buchstaben d) und e) des Abkommens vorgesehenen Transferfälle die für Investitionen geltenden devisenrechtlichen Bestimmungen anwendbar.
Art. 2 Behandlung
Schweizerische Staatsangehörige und Gesellschaften können sich nicht auf die Inländerbehandlung gemäss Artikel 4 Absatz 2 des Abkommens berufen, um in den Genuss von Förderungsmassnahmen zu kommen (Krediterleichterungen, Geschenke, Ausrüstungsbeihilfen, Garantien oder Versicherungen), die von der Regierung des Königreichs Marokko in Anwendung seiner Gesetzgebung im Bereich der nationalen Entwicklungspolitik den eigenen Staatsangehörigen und Gesellschaften gewährt werden, wobei Einvernehmen darüber besteht, dass solche Massnahmen die Investitionen von schweizerischen Staatsangehörigen und Gesellschaften in ihrem Daseinsgrund nicht beeinträchtigen dürfen.
Art. 3 Transfer
Die Bestimmungen des Artikels 5 des Abkommens hindern die Vertragsparteien nicht daran, ihre Gesetzgebung auf dem Gebiet der Steuern und bezüglich verwaltungsmässiger Formalitäten für die Bewilligung des Transfers von Zahlungen im Zusammenhang mit Investitionen anzuwenden, wobei diese Verfahren keinesfalls ungerechtfertigte Verzögerungen zur Folge haben dürfen.
Geschehen in Rabat, am 17. Dezember 1985, in vier Originalausfertigungen, je zwei in französischer und arabischer Sprache, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Adolf Lacher

Für die Regierung
des Königreichs Marokko:

Abdellatif Jouahri

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