Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und der Republik Uruguay (0.353.977.6)
CH - Schweizer Bundesrecht

Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und der Republik Uruguay

Abgeschlossen am 27. Februar 1923 Von der Bundesversammlung genehmigt am 9. April 1924³ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 3. Juni 1927 In Kraft getreten am 15. Juli 1927 ¹  AS 43 127 und BS 12 258; BBl 1923 II 589 ; 1927 I 20 ² Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ AS 43 125
Der Schweizerische Bundesrat und Seine Exzellenz, der Präsident der Republik Uruguay
haben zur Erleichterung einer gleichmässigen, raschen und wirksamen Justizpflege und Verbrechensverfolgung den Abschluss eines Vertrages über die Auslieferung von Verbrechern sowie über die Regelung gewisser damit zusammenhängender Fragen als zweckmässig erachtet und als ihre Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Artikel vereinbart haben:
Art. 1
Die hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich, nach Massgabe der in den nachstehenden Artikeln aufgestellten Vorschriften sich gegenseitig die von den zuständigen Behörden des einen der beiden Staaten als Täter oder Teilnehmer einer der in Artikel 2 aufgeführten Handlung verfolgten oder verurteilten und auf dem Gebiete des andern Staates sich aufhaltenden Personen auszuliefern, wenn immer die ihnen zur Last gelegten Handlungen als gemeinrechtliche Gesetzesverletzungen sowohl nach dem Rechte des Zufluchtsortes als nach dem des ersuchenden Staates strafbar sind.
Art. 2
Die strafbaren Handlungen, für welche die Auslieferung gewährt werden soll, sind folgende:
1. Tötung, umfassend Mord, Totschlag, Elternmord, Kindesmord, Vergiftung;
2. ...⁴
3. absichtliche Körperverletzung, welche den Tod oder einen bleibenden Nachteil, dauernde Arbeitsunfähigkeit oder eine schwere Verstümmelung eines Gliedes oder Organes des Körpers verursacht hat;
4. Notzucht, gewalttätiger Angriff auf die Schamhaftigkeit, Kuppelei;
5. mit oder ohne Gewalt verübter Angriff auf die Schamhaftigkeit von Kindern beider Geschlechter unter 14 Jahren;
6. Doppelehe;
7. Menschenraub und widerrechtliche Gefangenhaltung von Personen, Unterdrückung des Personenstandes, Unterschiebung von Kindern;
8. Aussetzung und bösliches Verlassen von Kindern oder hilflosen Personen, Entführung von Minderjährigen;
9. Fälschung oder Verfälschung von Münzen oder Papiergeld, von Banknoten oder andern Kreditpapieren mit gesetzlichem Kurs, von Aktien und andern Wertpapieren, die der Staat, Körperschaften, Gesellschaften oder Einzelpersonen ausgegeben haben; Fälschung oder Verfälschung von Postwertzeichen, Stempeln, Marken oder Siegeln des Staates oder öffentlicher Stellen; betrügerischer Gebrauch der gefälschten oder verfälschten Gegenstände der genannten Art; Einführung, Ausgabe oder Inverkehrbringen derselben in betrügerischer Absicht; betrügerischer Gebrauch oder Missbrauch von Siegeln, Stempeln und Marken;
10. Fälschung von öffentlichen oder privaten Urkunden, Verfälschung von amtlichen Urkunden oder aller Art Handelspapieren; betrügerischer Gebrauch solcher gefälschter oder verfälschter Urkunden; Unterschlagung von Urkunden;
11. falsches Zeugnis, Verleitung von Zeugen zu falscher Aussage, Meineid in Zivil- und Strafsachen;
12. Bestechung von öffentlichen Beamten;
13. Veruntreuung im Amte oder Unterschlagung öffentlicher Gelder; Erpressung, verübt durch Beamte oder Verwalter;
14. vorsätzliche Brandstiftung; Missbrauch von Sprengstoffen;
15. vorsätzliche Handlungen, welche die Zerstörung oder Beschädigung von Eisenbahnen, Dampfschiffen, Postwagen, elektrischen Apparaten oder Leitungen (Telegrafen und Telefone) und die Gefährdung ihres Betriebes bewirken können;
16. Raub, Erpressung, Diebstahl, Hehlerei;
17. Seeräuberei, vorsätzliche Handlungen, welche das Sinken, die Strandung, die Zerstörung, Unbrauchbarmachung oder Beschädigung eines Schiffes bewirken, sofern dabei eine Gefahr für andere Menschen entstehen kann;
18. Betrug;
19. Veruntreuung und Unterschlagung;
20. betrügerischer Bankerott.
In den vorbezeichneten strafbaren Handlungen sind der Versuch und die Begünstigung, sofern sie nach der Gesetzgebung der beiden Länder strafbar sind, inbegriffen.
Durch die Aufstellung der vorstehend genannten Deliktsgattungen werden die vertragschliessenden Teile nicht gehindert, unter Vorbehalt des Gegenrechts die Auslieferung von verfolgten oder verurteilten Personen wegen anderer Handlungen zu verlangen und zu gewähren, vorausgesetzt, dass die Gesetzgebung des ersuchten Staates dem nicht entgegensteht.
Die Auslieferung findet nicht statt:
a. bei Verurteilten, wenn die Gesamtdauer der ausgesprochenen Strafen weniger als ein Jahr Gefängnis beträgt;
b. bei Angeschuldigten, wenn das Höchstmass der auf die eingeklagte Handlung angedrohten Strafe sowohl nach dem Recht des ersuchenden wie des ersuchten Staates weniger als zwei Jahre Gefängnis beträgt.
⁴ Aufgehoben durch Art. 1 des Zusatzprot. vom 26. Nov. 1926, von der Bundesversammlung genehmigt am 25. März 1927 und ratifiziert am 3. Juni 1927 ( AS 43 136 126 ; BBl 1927 I 20 ).
Art. 3
Die Auslieferung findet nicht statt:
a. wegen politischer Straftaten oder Handlungen, welche mit solchen im Zusammenhang stehen;
b. wenn die Straftat auf dem Gebiete des ersuchten Staates begangen worden ist;
c. wenn dem Auslieferungsbegehren die gleiche Gesetzesverletzung zugrunde liegt, für welche die beanspruchte Person im ersuchten⁵ Staate bereits abgeurteilt, bestraft oder freigesprochen worden ist;
d. wenn die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung, von der letzten richterlichen Handlung oder der Verurteilung an gerechnet, nach der Gesetz­gebung des ersuchten oder⁶ des ersuchenden Staates verjährt ist, bevor das Verhafts‑ oder Auslieferungsbegehren der Regierung des angegangenen Staates zugekommen ist.
⁵ Berichtigung der in der AS veröffentlichten Übersetzung gemäss Originaltext.
⁶ Berichtigung der in der AS veröffentlichten Übersetzung gemäss Originaltext.
Art. 4
Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, die eigenen Angehörigen, seien sie es durch Geburt oder Einbürgerung, selbst dann nicht auszuliefern, wenn die Einbürgerung nach Begehung der strafbaren Handlung erlangt worden sein sollte.
Die Behörden des Begehungsstaates können solchenfalls die strafbare Handlung unter Vorlage der Beweisakten den Behörden des Heimatstaates zur Anzeige bringen, welche die verfolgte Person vor ihre eigenen Gerichte ziehen werden.
Eine zweite Verfolgung findet im Staat, in welchem die strafbare Handlung verübt wurde, nicht statt, wenn die verfolgte Person im Heimatstaate freigesprochen oder rechtskräftig verurteilt wurde und, in letzterem Fall, die Strafe verbüsst oder Verjährung eingetreten ist.
Art. 5
Wenn die strafbare Handlung, welche den Gegenstand des Auslieferungsbegehrens gebildet hat, ausserhalb des Gebietes des ersuchenden Staates verübt wurde, so ist dem Begehren unter Vorbehalt von Artikel 3 Buchstabe b zu entsprechen, wenn die Gesetze der vertragschliessenden Teile die Strafverfolgung solcher im Ausland begangener Handlungen zulassen.
Art. 6
Die Person, deren Auslieferung gewährt wurde, darf für vor der Auslieferung begangene Gesetzesverletzungen oder damit im Zusammenhang stehende Handlungen nur verfolgt oder bestraft werden, wenn der Auslieferungsstaat hierzu seine Zustimmung erteilt und Straftaten in Frage kommen, die in Artikel 2 vorgesehen sind.
Die Regierung des Auslieferungsstaates kann die Vorlage der in Artikel 9 erwähnten Dokumente verlangen.
Die ausgelieferte Person darf nicht ohne das Einverständnis der Regierung dieses Landes an einen dritten Staat weitergeliefert werden, der die Person wegen anderer Straftaten beansprucht als jene, für die ihre Auslieferung gewährt wurde.
Diese Einschränkungen kommen nicht zur Geltung:
1. wenn der Ausgelieferte, in Kenntnis der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages, sich ausdrücklich mit seiner Verfolgung und Bestrafung wegen einer früher begangenen und im Auslieferungsbegehren nicht erwähnten Straftat einverstanden erklärt;
2. wenn er in die Weiterlieferung an einen dritten Staat einwilligt;
3. wenn er im verurteilenden Staate drei Monate verbleibt, vom Tage an gerechnet, da er seine Strafe erstanden hat oder ihm diese durch Begnadigung erlassen und er in Freiheit gesetzt wurde, oder wenn er in der Folge auf das Gebiet dieses Staates zurückkehren sollte.
In den unter den Ziffern 1 und 2 des vorstehenden Absatzes genannten Fällen muss das Original oder eine beglaubigte Abschrift der Zustimmungserklärung der ausgelieferten Person der Regierung des Auslieferungsstaates unterbreitet werden.
Art. 7
Die Auslieferung wird nur unter der Bedingung bewilligt, dass der Auszuliefernde nicht vor ein Ausnahmegericht gestellt werde.
Art. 8
Die vertragschliessenden Teile sind übereingekommen, die Auslieferung einer Person, auf welche die Todesstrafe anwendbar ist, nur unter der Bedingung der Umwandlung dieser Strafe in eine Freiheitsstrafe zu gewähren.
Art. 9
Das Auslieferungsbegehren ist auf diplomatischem Weg oder, in Ermangelung diplomatischer Agenten, durch den im Range höchststehenden Konsul des ersuchenden Staates oder, wenn kein Konsul vorhanden ist, direkt von Regierung zu Regierung zu stellen.
Dem Auslieferungsbegehren ist, wenn es sich um einen Verurteilten handelt, das Original oder eine beglaubigte Abschrift des ergangenen Urteils, oder bei Angeschuldigten ein von der zuständigen Behörde erlassener Haftbefehl, enthaltend eine ausführliche Darstellung der zur Last gelegten Straftat und den Zeitpunkt ihrer Begehung, beizugeben.
Diese Schriftstücke sind, wenn sie in spanischer, deutscher oder italienischer Sprache abgefasst sind, von einer französischen Übersetzung begleitet und im Original oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen. Wird das Auslieferungsbegehren auf diplomatischem Weg gestellt, so ist eine konsularische Beglaubigung nicht nötig.
Dem Auslieferungsbegehren sind alle zur Identifizierung der beanspruchten Person nötigen Aufklärungen und Schriftstücke sowie eine Abschrift der im ersuchenden Staat auf die eingeklagte Handlung anwendbaren Strafbestimmungen beizulegen.
Handelt es sich um die Auslieferung eines entwichenen Strafgefangenen, so ist die Vorlage eines von der zuständigen Verwaltungsbehörde erlassenen Schriftstückes erforderlich, das eine Wiedergabe des ergangenen Urteils, die Urteilsnotifikation an diese Verwaltungsbehörde, die zur Anwendung gelangten strafgesetzlichen Bestimmungen, sowie Angaben über die Dauer der noch zu erstehenden Strafe, den Zeitpunkt und die Verumständungen der Flucht und die erforderlichen Auskünfte über die Identität der beanspruchten Person enthält.
Art. 10
In dringenden Fällen können die vertragschliessenden Teile durch die Post oder den Telegrafen die vorläufige administrative Festnahme des Verfolgten und die Beschlagnahme der mit der Straftat im Zusammenhang stehenden Gegenstände verlangen; einem solchen Begehren ist immer stattzugeben, wenn das Vorhandensein eines Urteils oder eines Haftbefehls geltend gemacht werden kann und wenn es sich um eine in Artikel 2 vorgesehene Straftat handelt.
Die Verhaftung findet in den Formen und gemäss den gesetzlichen Bestimmungen des ersuchten Landes statt; die Haft, sofern sie nicht aus andern Gründen weiterzudauern hat, wird aufgehoben, wenn 90 Tage nach ihrem Beginn dem ersuchten Staat die in Artikel 9 erwähnten Schriftstücke nicht zugekommen sind.
Art. 11
Die Prüfung des Auslieferungsbegehrens und die Bewilligung der Auslieferung richten sich nach den gesetzlichen Bestimmungen des ersuchten Staates.
Erachtet dieser das Auslieferungsbegehren formell oder materiell als mit den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages nicht im Einklang stehend, so kann er vom ersuchenden Staate alle zur Aufklärung notwendigen Auskünfte und Ergänzungen verlangen, worauf er über das Auslieferungsbegehren entscheidet. Sind die ergänzenden Auskünfte dem ersuchten Staate nicht innert 90 Tagen, vom Zeitpunkt des Ersuchens an gerechnet, zugekommen, so kann die beanspruchte Person freigelassen werden. Sie kann aus dem Grunde, der zu dem Auslieferungsbegehren Anlass gab, nicht neuerdings verhaftet werden.
Art. 12
Die beanspruchte Person, welche im Zufluchtsstaate verfolgt wird oder dort eine Strafe verbüsst, die ihr wegen einer andern als der das Auslieferungsbegehren begründenden Straftat auferlegt wurde, wird erst nach Fällung des rechtskräftigen Urteils ausgeliefert, und im Falle der Verurteilung, nachdem die Strafe verbüsst oder durch Begnadigung erlassen wurde.
Die von der beanspruchten Person allfällig eingegangenen privatrechtlichen Verbindlichkeiten können die Auslieferung nicht hindern.
Art. 13
Wenn die auf Grund des gegenwärtigen Vertrages beanspruchte Person noch von einer oder mehreren andern Regierungen für in ihren Ländern verübte Straftaten verlangt wird, so wird die Auslieferung demjenigen Staate gewährt werden, auf dessen Gebiet die schwerste Straftat begangen wurde, und bei gleicher Schwere demjenigen, der das Auslieferungsbegehren zuerst gestellt hat.
Art. 14
Wenn innert drei Monaten seit dem Tage, an dem die beanspruchte Person dem ersuchenden Staate zur Verfügung gestellt wurde, dieser die Übernahme nicht geregelt hat, so wird der Verfolgte freigelassen und kann wegen des nämlichen Grundes nicht neuerdings verhaftet werden.
Art. 15
Alle aus der strafbaren Handlung herrührenden oder zu ihrer Verübung verwendeten Gegenstände sowie die als Beweisstücke dienlichen Papiere oder andern, durch das Eingreifen der Behörden bei der beanspruchten Person oder bei Dritten gefundenen oder beschlagnahmten Gegenstände sind der ersuchenden Behörde aushinzugeben.
Die Übergabe hat selbst dann stattzufinden, wenn die Auslieferung infolge des Todes oder der Flucht des Verfolgten nicht erfolgen kann.
Die Rechte Dritter an den in Betracht kommenden Gegenständen bleiben vorbehalten; diese sind ihnen nach Beendigung des Prozesses kostenfrei zurückzustellen.
Art. 16
Die Durchlieferung einer durch einen dritten Staat an den andern Vertragsstaat auszuliefernden Person durch das Gebiet eines der vertragschliessenden Teile wird auf die einfache, in Original oder beglaubigter Abschrift erfolgte Vorlage eines der in Artikel 9 bezeichneten Schriftstücke gewährt, sofern der Verfolgte nicht Angehöriger des Transitstaates ist, die das Auslieferungsbegehren begründende Handlung im gegenwärtigen Vertrage vorgesehen ist und nicht unter die in Artikel 3 festgesetzten Ausnahmen fällt.
Die Durchlieferung hat auf schnellstem Wege, unter Aufsicht von Polizeiagenten des ersuchten Landes und auf Kosten des ersuchenden Staates stattzufinden.
Art. 17
Die durch die Haft, den Unterhalt und den Transport der auszuliefernden Person, sowie die durch die Verwahrung und den Transport der gemäss Artikel 15 auszufolgenden oder zurückzugebenden Gegenstände entstehenden Kosten sind, soweit sie innerhalb des Gebietes des einzelnen Vertragstaates entstehen, von diesem Staate zu tragen.
Die Transport‑ und andern Kosten auf den Gebieten der Zwischenstaaten fallen dem ersuchenden Lande zur Last.
Art. 18
Wenn in einem Strafverfahren wegen einer in Artikel 2 erwähnten Straftat eine der beiden Regierungen die Einvernahme von im andern Staate wohnenden Zeugen, oder die Vornahme irgendwelcher anderen Untersuchungshandlungen für notwendig erachtet, so ist zu diesem Zwecke auf den in Artikel 9 vorgesehenen Wegen ein Ersuchschreiben einzusenden, dem gemäss den Gesetzen des ersuchten Landes beförderlichst Folge zu geben ist.
Die Ersuchschreiben und die Begleitakten sind, wenn die Ersuchen in der Schweiz vollzogen werden sollen, mit einer französischen, wenn sie in Uruguay vollzogen werden sollen, mit einer spanischen Übersetzung zu versehen.
Werden diese Aktenstücke auf diplomatischem Wege übermittelt, so ist eine konsularische Beglaubigung nicht notwendig.
Die Vertragstaaten verzichten auf jede Vergütung der ihnen aus dem Vollzug der Ersuchschreiben erwachsenden Kosten, sofern es sich nicht um Auslagen für Gutachten krimineller, kommerzieller oder medizinischer Natur handelt.
Ebensowenig kann eine Ersatzforderung Platz greifen für die Kosten gerichtlicher Handlungen, die von den Beamten eines der Vertragstaaten freiwillig zur Verfolgung oder Feststellung von Straftaten vorgenommen werden, welche auf ihrem Gebiete von einem Ausländer begangen wurden, der nachher in seinem Heimatstaate zur Verantwortung gezogen wird.
Art. 19
Wenn in einer Strafsache wegen eines in Artikel 2 aufgezählten Deliktes das persönliche Erscheinen eines Zeugen als notwendig oder zweckmässig erachtet wird, so wird die Regierung des Aufenthaltstaates ihn einladen, der ihm zugestellten Vorladung Folge zu leisten. Kommt er der Ladung nach, so wird ihm die Regierung des ersuchenden Staates vom Zeitpunkt seiner Abreise an die Reise‑ und Aufenthaltskosten gemäss den in dem Lande, wo er erscheinen soll, geltenden Tarifen vergüten, wenn sie sich nicht für verpflichtet erachtet, dem Zeugen eine höhere Entschädigung auszurichten.
Keine Person, welcher Staatsangehörigkeit sie auch sein mag, die, in einem der beiden Länder als Zeuge vorgeladen, freiwillig vor den Gerichten des andern Landes erschienen ist, darf daselbst wegen strafbarer Handlungen, oder zwecks Vollzug zivilrechtlicher, krimineller oder korrektioneller Urteile, die vor ihrem Weggang aus dem ersuchten Lande ergangen sind, noch endlich unter dem Vorwand der Mitschuld an den den Gegenstand des Prozesses, in dem sie als Zeuge auftritt, bildenden Handlungen verfolgt oder verhaftet werden.
Art. 20
Wenn in einer nichtpolitischen, militärischen oder fiskalischen Strafsache die eine der beiden Regierungen die Zustellung eines Prozessaktes oder eines Urteils an eine im andern Lande wohnende Person für nötig erachtet, so wird ihr das Aktenstück durch den zuständigen Beamten zugestellt; das Original des Aktenstückes, begleitet von der Zustellungsbescheinigung, wird an die ersuchende Regierung zurückgesandt, ohne dass irgendwelche Kosten berechnet werden dürfen.
Die zuzustellenden Aktenstücke können in der Sprache der ersuchenden Behörde abgefasst sein. Jedoch soll der Regierung des ersuchten Staates, in deren Landessprache oder in französischer Sprache, bei der Übermittlung des Aktenstückes dessen Inhalt erwähnt werden.
Art. 21
Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich zur gegenseitigen Mitteilung der Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen jeder Art, die von den Gerichten des einen der vertragschliessenden Staaten gegen Angehörige des andern Landes ausgesprochen worden sind. Diese Mitteilung erfolgt auf diplomatischem Wege durch Übersendung eines Auszugs aus dem rechtskräftig gewordenen Urteile.
Art. 22
Der gegenwärtige Vertrag ist gemäss der Verfassung und den Gesetzen jedes der beiden vertragschliessenden Länder zu ratifizieren und tritt sechs Wochen nach Austausch der Ratifikationsurkunden, welcher sobald als möglich in Bern stattfinden soll, in Kraft.
Die Dauer des Vertrages ist unbegrenzt; jeder vertragschliessende Teil hat das Recht, ihn in irgendwelchem Zeitpunkt zu kündigen; die Kündigung tritt sechs Monate nach ihrer Mitteilung in Kraft.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag errichtet und ihn mit ihren Unterschriften und Siegeln versehen.
Also geschehen in Montevideo, den siebenundzwanzigsten Februar tausendneunhundertunddreiundzwanzig.

Egger

J. A. Buero

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