Übereinkunft betreffend die Polizeitransporte (354.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkunft betreffend die Polizeitransporte

vom 23. Juni 1909 (Stand am 1. Januar 1980)
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ¹ und die Polizeidirektionen sämtlicher Kantone ²
haben nachstehende Vereinbarung über das polizeiliche Transportwesen getroffen.
¹ Ermächtigung zum Beitritt zu dieser Vereinbarung gemäss Ziff. 2 des BRB vom 23. Juni 1909 (BS 1 143). ² Der Kt. Jura ist der Übereinkunft auf den 1. Jan. 1980 beigetreten ( AS 1980 166 ).
§ 1 ³
¹ Zu den Polizeitransporten im Sinne dieser Übereinkunft gehören alle von der Poli­zei angeordneten Transporte mit Einschluss der Armentransporte, welche die Abschiebung oder Heimschaffung gesunder oder kranker Personen aus einem Kanton nach einem andern (dem Heimatkanton) oder nach dem Auslande, oder aus dem Auslande nach dem schweizerischen Heimatkanton betreffen.
² Die Beförderung von Personen gemäss dem Reglement betreffend den Transport inländischer Armer auf den schweizerischen Transportanstalten bleibt vorbehalten.
³ Siehe auch die Abschn. 2 Ziff. 20 und 28 (Polizeitransporte) und 4 Ziff. 40 und 46 (Bedürftige) des Tarifs 630 der Schweizerischen Transportunternehmungen vom 1. Nov. 1964.
§ 2
¹ Die Behörde, welche einen Polizeitransport anordnet, sorgt dafür:
a. dass der zu Transportierende vorerst auf seine Transportfähigkeit untersucht und in bezug auf Haut- und Ungezieferreinheit und Bekleidung transport­fähig ge­macht wird;
b. dass die Identität des Transportanden wenn möglich festgestellt wird;
c. dass seine Ausweisschriften und seine Effekten dem Transport beigefügt werden.
² Jedem Polizeitransport, sei derselbe begleitet oder nicht, ist ein Transportbefehl nach einheitlichem Formular mitzugeben.
§ 3
Die von den Kantonen angeordneten Polizeitransporte zerfallen mit Bezug auf die Verteilung der Fahrkosten in drei Kategorien:
I.  Die Kosten des Transportes werden vom empfangenden Kanton getragen:
a. wenn einem Kanton eine von ihm requirierte Person oder eine solche, deren straf­rechtliche Verfolgung ihm obliegt, zugeführt wird;
b. wenn ausgewiesene oder ausgeschaffte (gesunde oder kranke) schweize­rische Angehörige vom Ausland her an der Grenze eintreffen und von dort ihrem Hei­matkanton zugeschoben werden.
II.  Die Kosten der Abschub- und Heimschaffungstransporte (gesunder und kranker Personen) aus der Schweiz nach dem Ausland trägt der Bund.
III.  Die Kosten der übrigen Transporte trägt der absendende Kanton. Hierher gehö­ren u.a. auch alle Heimschaffungen von schweizerischen (gesunden oder kranken) Armen aus dem Aufenthalts- oder Niederlassungskanton nach dem Heimatkanton.
§ 4
¹ Die Abfertigung der Polizeitransporte seitens der Bahnverwaltungen erfolgt, ohne sofortige Taxzahlung, auf Grund von Ausweisen⁴ unter nachheriger Rechnungs­stel­lung an die kantonalen Polizeibehörden.
² …⁵
³ …⁶
⁴ Zur Ausstellung der Fahrgutscheine sind nur polizeiliche Amtsstellen zustän­dig.⁷
⁴ Ausdruck gemäss den Abschn. 2 (Polizeitransporte) und 4 (Bedürftige) des Tarifs 630 der Schweizerischen Transportunternehmungen vom 1. Nov. 1964.
⁵ Gegenstandslos
⁶ Gegenstandslos
⁷ Heute sind zur Ausstellung der Ausweise, wovon der Fahrgutschein einen Teil bildet, die gemäss Abschn. 2 Ziffer 28 (Polizeitransporte) und Abschn. 4 Ziffer 46 (Bedürftige) des Tarifs 630 der Schweizerischen Transportunternehmungen vom 1. Nov. 1964 ermächtigten Stellen zuständig.
§ 5
¹ Die Rechnungsstellung über sämtliche auf dem ganzen schweizerischen Bahnnetz verwendeten Fahrgutscheine erfolgt monatlich durch die Einnahmenkontrolle der Schweizerischen Bundesbahnen in Bern an die Kantone, und zwar werden die Transporte der I. Kategorie (jedoch mit Ausnahme der Rückfahrt von Transport­begleitern, vgl. § 6 Abs. 2 und 3) dem empfangenden Kanton, alle übrigen Trans­porte dem absendenden Kanton in Rechnung gebracht. Als Rechnungsbelege dienen die gebrauchten Gutscheine. Die Einzahlung der entsprechenden Rechnungsbeträge soll an die Hauptkasse der Schweizerischen Bundesbahnen in Bern binnen Monatsfrist nach erfolgter Zustellung der monatlichen Rechnungen stattfinden. Die Schweizeri­schen Bundesbahnen übernehmen die Abrechnung mit den übrigen schweizerischen Bahn- evtl. Dampfschiffunternehmungen.
² Rechnungsstellen der Kantone sind die kantonalen Polizeidirektionen.
³ Für die vom Bunde zu vergütenden Transportkosten der II. Kategorie stellen die Kantone dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement jeweilen vierteljähr­lich unter Beifügung der Belege Rechnung.
⁴ Ist ein nach dem Ausland abzuschiebender Transportand, der nicht als Arrestant geführt wird, in der Lage, die Kosten des Transportes ganz oder teilweise zu bezah­len, so hat der absendende Kanton bei der Rechnungsstellung gegenüber dem Eid­genössischen Justiz- und Polizeidepartement den Betrag, für welchen Zahlung erhältlich war, in Abzug zu bringen.
§ 6
¹ Auslagen für allfällige Transportbegleitung gehen in der Transportkategorie I (§ 3 hiervor) zu Lasten des empfangenden Kantons, in Kategorie II zu Lasten des Bun­des, in Kategorie III zu Lasten des absendenden Kantons. Eine Begleitung hat nur dann einzutreten, wenn eine solche zufolge der Gefährlichkeit oder des Zustandes (Jugend, Alter, Gebrechlichkeit, Krankheit) der zu transportierenden Person als not­wendig erscheint. Die Begleitung eines Transportes ist von Fall zu Fall bei der Rechnungsstellung schriftlich zu begründen.⁸
² Die nach den Vorschriften über die Polizeitransporte auf den schweizerischen Eisenbahnen dem begleitenden Polizeipersonal zukommende Taxbegünstigung findet auf das Begleitpersonal aller Polizeitransporte im Sinne von § 1 der gegenwärtigen Übereinkunft (also auch auf begleitende Wärter und Wärterinnen) Anwendung. …⁹
³ Der absendende Kanton stellt für die Begleitungskosten in der Kategorie I dem empfangenden Kanton, in der Kategorie II dem Bund Rechnung, welche umfasst:
1. eine Transportgebühr (für die Hinreise) von 20 Rappen für die ersten 30 km Bahnfahrt oder Fahrt im Auto, 10 Rappen für jeden weiteren Kilometer, von 60 Rappen pro Kilometer zu Fuss zurückgelegter Strecken, im Minimum 4 Fran­ken, im Maximum 24 Franken.¹⁰
Ist ein Begleiter genötigt, die transportierte Person an den Ausgangsort zurück­zu­bringen, oder hat er eine andere Person dorthin mitzunehmen, so beträgt das Minimum der Transportgebühr 6 Franken, wenn der Rück­transport sich aus amtlichen Gründen derart verzögert, dass der Begleiter auswärts eine Haupt­mahlzeit einnehmen muss. Bedingt die Verzögerung die Einnahme von zwei Hauptmahlzeiten, so beträgt das Minimum der Transportgebühr 9.75 Franken. Die Wartezeit wird von der zuständigen Be­hörde des Ortes, wo die Verzöge­rung eintrat, bescheinigt;¹¹
2. eine Entschädigung von 12 Franken für allfälliges Nachtquartier des Trans­port­begleiters;¹²
3.¹³
die Fahrkosten für Hin- und Rückfahrt zum halben Preis der gewöhnlichen Billette 2. oder 1. Klasse.
Den Behörden wird es zur Pflicht gemacht, die Transporte zeitlich in der Weise an­zusetzen, dass der Begleiter, wenn immer möglich, am Tag, an dem der Trans­port stattfindet, an den Ausgangsort zurückkehren kann.
Die Rechnungsstellung erfolgt jeweilen von Fall zu Fall.¹⁴
⁸ Letzter Satz eingefügt gemäss Anlage zum BRB vom 17. Dez. 1935 über die Polizei­transporte ( AS 51 813 ).
⁹ Satz aufgehoben (Abschn. 2 – Polizeitransporte – des Tarifs 630 der Schweizerischen Transportunternehmungen vom 1. Nov. 1964).
¹⁰ Fassung gemäss einstweiliger Regelung des EJPD in Übereinstimmung mit den kantonalen Polizeidirektionen vom 1. Aug. 1942. Entschädigungsansätze gemäss Kreisschreiben des EJPD vom 23. März 1965.
¹¹ Absatz eingefügt gemäss einstweiliger Regelung des EJPD in Übereinstimmung mit den kantonalen Polizeidirektionen vom 1. Aug. 1942. Gebühren gemäss Kreisschreiben der Eidgenössischen Polizeiabteilung vom 1. Dez. 1953.
¹² Ansatz gemäss Kreisschreiben der Eidgenössischen Polizeiabteilung vom 1. Dez. 1953.
¹³ Neue Fassung (Abschn. 2 – Polizeitransporte – des Tarifs 630 der schweizerischen Transportunternehmungen vom 1. Nov. 1964).
¹⁴ Fassung gemäss Anlage zum BRB vom 17. Dez. 1935 ( AS 51 813 ).
§ 7
¹ Der Polizeitransport wird vom Ausgangspunkt direkt bis zum Bestimmungsort angeordnet und ausgeführt. Demgemäss ist der Eisenbahnfahrgutschein am Abgangs­­ort für die ganze Route auszustellen.
² Als Bestimmungsort gilt:
a. bei Abschiebung von Schweizerbürgern in die Heimat der Hauptort des Bezirkes, wo die Heimatgemeinde liegt, oder eine im Transportbefehl im Einver­ständnis mit dem Empfangskanton als Abgabeort bezeichnete Eisen­bahn­station;
b. bei Abschiebung von Ausländern die betreffende Station;
c. für polizeilich gesuchte oder requirierte Personen der Sitz der ausschrei­benden oder requirierenden Amtsstelle bzw. eventuell eine im Einzelfalle besonders vereinbarte Abgabestation.
§ 8
Wenn die Übernahme des Transportierten an der Grenze oder am Transportziel auf Schwierigkeiten stösst, so ist die absendende Behörde zur Rücknahme des Trans­portierten auf ihre Kosten verpflichtet.
§ 9
¹ Bei Übergang eines Transportes auf einen andern Zug (Dampfschiff) ist die Über­führung von den Polizeiorganen derjenigen Kantone vorzunehmen, in deren Gebiet die betreffende Station liegt, ohne dass hierfür Rechnung gestellt werden kann. Zur Erleichterung dieses Dienstes werden die Züge, welche unbegleitete Transportanden führen, in der Regel auf täglich vier nach jeder Richtung beschränkt. Die Bahnen werden jeweilen bei Einführung eines neuen Fahrplanes den kantonalen Polizei­behörden die für ihr Gebiet in Betracht fallenden Fahrkurse bezeichnen.
² Vorbehalten bleiben die besondern Bestimmungen für den Verkehr auf denjenigen Linien, auf welchen Polizeitransportwagen zirkulieren.
§ 10
Der Transportand ist vor dem Transport zu verpflegen und soll auf längeren Routen Zwischenverpflegung durch die Polizeiposten an grösseren Bahnhöfen erhalten. Kann der Transport seinen Bestimmungsort nicht an einem Tag erreichen, so erhal­ten die Transportierten an geeignetem Orte (in der Regel an einem Kantonshauptort oder Amtssitz) Unterkunft, womit warme Verpflegung am Abend und am folgenden Morgen verbunden sein solle. Auf den Zwischenverpflegungs- und Unterkunftssta­tionen soll bei Bedarf auch ärztliche Hilfe und Wartung zur Verfügung stehen.
§ 11
¹ Über die Kosten der Zwischenverpflegung sowie allfälliger Unterkunft und ärzt­licher Wartung für durchgehende Transporte der Kategorien I, II und III stellen die betreffenden Kantone vierteljährlich dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepar­tement Rechnung. Dieses prüft die eingegangenen Rechnungen, verteilt die Gesamt­kosten nach der Bevölkerungszahl auf die sämtlichen an dieser Übereinkunft betei­ligten Kantone und besorgt die allgemeine Abrechnung.
² Für die bei der Verpflegung und Unterbringung der Transportanden in Anspruch genommene Polizeimannschaft kann keine Entschädigung berechnet werden.
§ 12
¹ Bei Transporten, welche ausschliesslich innerhalb des Gebietes eines Kantons stattfinden, darf dieser Kanton die erwachsenden Kosten für Zwischenverpflegung und allfällige Unterkunft und ärztliche Wartung nicht in die interkantonale Verpfle­gungsrechnung einstellen.
² Bei Transporten, welche aus Auftrag des Bundes ausgeführt werden, hat der trans­portierende Kanton die erforderliche Zwischenverpflegung, Unterkunft und ärztliche Wartung für Rechnung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements bar zu bezahlen.
§ 13
¹ Die Zwischenverpflegungs- und Unterkunftsstationen werden vom Eidgenössi­schen Justiz- und Polizeidepartement nach Anhörung der kantonalen Polizeidirekti­on bezeichnet. Ihre Organisation ist Sache der betreffenden Kantone.
² Jede verabfolgte Zwischenverpflegung bzw. jede Nächtigung eines Transportierten wird durch den Ortsstempel der betreffenden Station auf dem Transportbefehl angemerkt; für Zwischenverpflegung ist ein runder, für Unterkunft (mit zugehöriger Verpflegung) ein viereckiger Stempel zu verwenden.
§ 14
Für die Transporte, welche von den Bundesbehörden angeordnet werden (Auslie­fe­rungen, eidgenössische Ausweisungen, Durchtransporte), stellen die Kan­tone dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement von Fall zu Fall Rech­nung. Diesel­be umfasst:
1. die Fahrkosten (vgl. § 4 Abs. 3);
2. die Begleitungskosten nach Massgabe der in § 6 Absatz 3 festgesetzten Gebüh­ren;
3. die Kosten von Verpflegung, Unterkunft und ärztlicher Wartung während des Transportes (vgl. § 12 Abs. 2).
§ 15
Die Transporte sind, wenn immer möglich, so einzurichten, dass sie in einem Tage zur Durchführung gelangen. Sie sollen am Bestimmungsort oder am Orte der Unter­kunft nicht später als abends 8 Uhr ankommen. An Sonntagen sowie am Neujahrs­tag, Karfreitag, Auffahrtstag und Weihnachtstag sind Polizeitransporte zu unter­las­sen.
§ 16
Weibliche Personen dürfen nicht in Zellen zusammen mit Männern transportiert werden. Insofern ihnen nicht eine besondere Zelle angewiesen wird, sind sie in dritter Wagenklasse¹⁵ zu transportieren, wobei begleitende Polizei­agenten Zivilkleidung tragen. Vorbehalten bleibt der gemeinsame Transport von Ehegatten und von Eltern mit ihren Kindern.
¹⁵ Heute: in 2. Klasse (Eisenbahn-Amtsblatt vom 2. Mai 1956, Mitteilung Nr. 244, S. 282).
§ 17
Die Polizeiorgane haben ihr Augenmerk darauf zu richten, dass die benutzten Transportzellen (und allfällige besondere Transportwagen) sowie die zeitweiligen Unterkunfts- bzw. Arrestlokale für durchgehend Transportierte in gutem und reinli­chem Zustande und bei kalter Witterung geheizt seien.
§ 18
Die vollzogenen Transportbefehle verbleiben am Bestimmungsorte des Transportes ein Jahr lang zur Verfügung der Rechnungskontrollstellen des Bundes und der Kantone aufbewahrt. Ein vom Formular loszutrennender Empfangsschein geht unmittelbar nach Eintreffen des Transportes am Bestimmungsorte an die absendende Stelle zurück; bei begleiteten Transporten ist der Empfangsschein dem Transport­begleiter auszuhändigen.
§ 19
Dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement steht die allgemeine Kontrolle über das Polizeitransportwesen zu. Es entscheidet allfällige Anstände und Beschwerden betreffend die Handhabung dieser Vereinbarung.
§ 20
Die gegenwärtige Vereinbarung wird unter Genehmigung der zuständigen eid­genössischen und kantonalen Behörden abgeschlossen.
§ 21
Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens.
§ 22
Die Übereinkunft kann von den Vertragsparteien jederzeit bei Jahresschluss gekün­digt werden, und es tritt die Kündigung jeweilen ein Jahr nachher in Wirksamkeit.
Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1910¹⁶
¹⁶ BRB vom 25. September 1909, in der AS nicht veröffentlicht.
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