Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik
IV B/1/7 Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik Vom 25. Oktober 2007 (Stand 14. August 2012) (Erlassen am 25. Oktober 2007 von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren 1 ) ) 1. Zweck und Grundsätze der Vereinbarung
Art. 1 Zweck
1 Die Vereinbarungskantone arbeiten im Bereich der Sonderpädagogik zu - sammen mit dem Ziel, den in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in der interkantonalen Vereinbarung über die Harmoni - sierung der obligatorischen Schule und im Bundesgesetz über die Beseiti - gung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen statuierten Verpflichtungen nachzukommen. Insbesondere
a. legen sie das Grundangebot fest, welches die Bildung und Betreu - ung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Bildungsbe - darf garantiert,
b. fördern sie die Integration dieser Kinder und Jugendlichen in der Regelschule,
c. verpflichten sie sich zur Anwendung gemeinsamer Instrumente.
Art. 2 Grundsätze
1 Die Bildung im Bereich der Sonderpädagogik basiert auf folgenden Grund - sätzen:
a. die Sonderpädagogik ist Teil des öffentlichen Bildungsauftrages;
b. integrative Lösungen sind separierenden Lösungen vorzuziehen, unter Beachtung des Wohles und der Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes oder des Jugendlichen sowie unter Berücksichtigung des schulischen Umfeldes und der Schulorganisation;
c. für den Bereich der Sonderpädagogik gilt der Grundsatz der Un - entgeltlichkeit; für Verpflegung und Betreuung kann von den Erzie - hungsberechtigten eine finanzielle Beteiligung verlangt werden;
d. die Erziehungsberechtigten sind in den Prozess betreffend die An - ordnung sonderpädagogischer Massnahmen mit einzubeziehen. 1) Beitritt vom Regierungsrat beschlossen am 14. August 2012 SBE XII/5 1
IV B/1/7 2. Anspruch auf sonderpädagogische Massnahmen
Art. 3 Berechtigte
1 Kinder und Jugendliche ab Geburt bis zum vollendeten 20. Lebensjahr, die in der Schweiz wohnen, haben unter folgenden Voraussetzungen ein Recht auf angemessene sonderpädagogische Massnahmen:
a. vor der Einschulung: Wenn festgestellt wird, dass ihre Entwicklung eingeschränkt oder gefährdet ist oder sie dem Unterricht in der Regelschule ohne spezifische Unterstützung nicht werden folgen können,
b. während der obligatorischen Schulzeit: Wenn festgestellt wird, dass sie in ihren Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten so stark beeinträchtigt sind, dass sie dem Unterricht in der Regel - schule ohne spezifische Unterstützung nicht beziehungsweise nicht mehr folgen können oder wenn ein anderer besonderer Bil - dungsbedarf festgestellt worden ist. 3. Festlegung des sonderpädagogischen Grundangebots
Art. 4 Grundangebot
1 Das sonderpädagogische Grundangebot umfasst
a. Beratung und Unterstützung, heilpädagogische Früherziehung, Logopädie und Psychomotorik,
b. sonderpädagogische Massnahmen in einer Regelschule oder in ei - ner Sonderschule, sowie
c. Betreuung in Tagesstrukturen oder stationäre Unterbringung in ei - ner sonderpädagogischen Einrichtung.
2 Die Kantone sorgen für die Organisation notwendiger Transporte und über - nehmen deren Kosten für Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Behin - derung den Weg zwischen Wohnort, Schule und/oder Therapiestelle nicht selbstständig bewältigen können. Verstärkte Massnahmen
1 Erweisen sich die vor der Einschulung oder die in der Regelschule getroffe - nen Massnahmen als ungenügend, ist aufgrund der Ermittlung des individu - ellen Bedarfs über die Anordnung verstärkter Massnahmen zu entscheiden.
2 Verstärkte Massnahmen zeichnen sich durch einzelne oder alle der folgen - den Merkmale aus:
a. lange Dauer,
b. hohe Intensität,
c. hoher Spezialisierungsgrad der Fachpersonen, sowie
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d. einschneidende Konsequenzen auf den Alltag, das soziale Umfeld oder den Lebenslauf des Kindes oder des Jugendlichen.
Art. 6 Anordnung der Massnahmen
1 Die Vereinbarungskantone bezeichnen die für die Anordnung sonderpäda - gogischer Massnahmen zuständigen Behörden.
2 Die für die Anordnung sonderpädagogischer Massnahmen zuständigen Behörden bestimmen die Leistungsanbieter.
3 Die Ermittlung des individuellen Bedarfs gemäss Artikel 5 Absatz 1 erfolgt im Rahmen eines standardisierten Abklärungsverfahrens durch die von den zuständigen Behörden betrauten Abklärungsstellen, die nicht identisch sind mit den Leistungsanbietern.
4 Die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahmen ist periodisch zu überprüfen. 4. Harmonisierungs- und Koordinationsinstrumente
Art. 7 Gemeinsame Instrumente
1 Die Vereinbarungskantone benutzen im kantonalen Recht, im kantonalen Konzept für den Bereich der Sonderpädagogik sowie in den entsprechenden Richtlinien
a. eine einheitliche Terminologie,
b. einheitliche Qualitätsstandards für die Anerkennung der Leis - tungsanbieter und
c. ein standardisiertes Abklärungsverfahren zur Ermittlung des indivi - duellen Bedarfs gemäss Artikel 6 Absatz 3.
2 Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) ist verantwortlich für die wissenschaftliche Entwicklung und Validierung der gemeinsamen Instrumente gemäss Absatz 1. Sie konsultiert zu diesem Zweck die nationalen Dachverbände der Lehrpersonen, der Erziehungsbe - rechtigten und der Institutionen für Kinder und Jugendliche mit einer Behin - derung.
3 Die gemeinsamen Instrumente werden von der Plenarversammlung der EDK mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder verabschiedet. Die Revision erfolgt durch die Vereinbarungskantone in einem analogen Verfah - ren.
4 Das sonderpädagogische Grundangebot ist Gegenstand des nationalen Bildungsmonitorings. 3
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Art. 8 Lernziele
1 Die Anforderungsniveaus für den Bereich der Sonderpädagogik werden auf der Basis der in den Lehrplänen festgelegten Lernziele und der Bildungs - standards der Regelschule angepasst; sie berücksichtigen die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes oder des Jugendlichen.
Art. 9 Ausbildung der Lehrpersonen und des sonderpädagogischen
Fachpersonals
1 Die Grundausbildung der Lehrpersonen in Schulischer Heilpädagogik und des sonderpädagogischen Fachpersonals für Kinder und Jugendliche wird in den Anerkennungsreglementen der EDK oder im Bundesrecht geregelt.
2 Die Vereinbarungskantone arbeiten in der Entwicklung eines geeigneten Weiterbildungsangebots zusammen.
Art. 10 Kantonale Kontaktstelle
1 Jeder Vereinbarungskanton bezeichnet gegenüber der EDK eine kantonale Kontaktstelle, die für sämtliche den Bereich der Sonderpädagogik betreffen - den Fragen zuständig ist.
Art. 11 Ausserkantonale Leistungen
1 Die Finanzierung von Leistungen ausserkantonaler stationärer Einrichtun - gen und ausserkantonaler Einrichtungen der externen Sonderschulung rich - tet sich nach der Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE). 5. Schlussbestimmungen
Art. 12 Beitritt
1 Der Beitritt zu dieser Vereinbarung wird dem Vorstand der EDK gegenüber erklärt.
Art. 13 Austritt
1 Der Austritt aus der Vereinbarung muss dem Vorstand der EDK gegenüber erklärt werden. Er tritt auf Ende des dritten der Austrittserklärung folgenden Kalenderjahres in Kraft.
Art. 14 Umsetzungsfrist
1 Die Kantone, die der Vereinbarung nach dem 1. Januar 2011 beitreten, müssen diese innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Ratifi - zierung umsetzen.
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Art. 15 Inkrafttreten
1 Der Vorstand der EDK setzt die Vereinbarung in Kraft, wenn ihr mindestens zehn Kantone beigetreten sind, jedoch frühestens auf den 1. Januar 2011. 1 )
2 Das Inkrafttreten ist dem Bund zur Kenntnis zu geben.
Art. 16 Fürstentum Liechtenstein
1 Das Fürstentum Liechtenstein kann der Vereinbarung beitreten. Ihm stehen alle Rechte und Pflichten eines Vereinbarungskantons zu. 1) Am 1. Januar 2011 in Kraft getreten; für den Kanton Glarus mit dem Beitrittsbe - schluss am 14. August 2012 5
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