Internationales Abkommen zur Erleichterung des Grenzüberganges für Güter im Eisenbahnverkehr
Abgeschlossen in Genf am 10. Januar 1952 Von der Bundesversammlung genehmigt am 8. März 1957³ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 5. Juni 1957 In Kraft getreten für die Schweiz am 5. Juni 1957 (Stand am 15. August 2006) ¹ AS 1957 807 ; BBl 1957 I 37 ² Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ AS 1957 795
Die gehörig bevollmächtigten Unterzeichneten,
die in Genf unter der Ägide der Wirtschaftskommission für Europa zusammengetreten sind,
haben in der Absicht, den Grenzübergang für Güter im Eisenbahnverkehr zu erleichtern,
folgendes vereinbart:
Titel I Errichtung und Organisation von Grenzbahnhöfen mit gleichzeitigen Grenzkontrollen beider Nachbarländer
Art. 1
1. Für jede grenzüberschreitende Eisenbahnlinie mit bedeutendem internationalem Güterverkehr prüfen die zuständigen Behörden der Nachbarländer gemeinsam die Möglichkeit, durch Vereinbarung einen Bahnhof in der Nähe der Grenze zu bestimmen, in welchem gleichzeitig die Eingangs‑ und Ausgangskontrollen für einen Teil oder den gesamten Güterverkehr entsprechend der Gesetzgebung der beiden Länder zweckmässig vorgenommen werden können.
2. Werden von zwei Nachbarländern entlang ihrer gemeinsamen Grenze mehrere solche Bahnhöfe bestimmt, so soll deren Anzahl nach Möglichkeit auf beiden Seiten der Grenze gleich sein.
3. Bei allen Grenzübergängen, wo die Errichtung solcher Bahnhöfe mit Kontrolle des Verkehrs in beiden Richtungen als nicht durchführbar erachtet wird, prüfen die Vertragsparteien gemeinsam die Möglichkeit, die Kontrollen in zwei gegenüberliegenden Grenzbahnhöfen zweckmässig so zusammenzufassen, dass auf einem Bahnhof der Verkehr nur in einer Richtung und auf dem andern Bahnhof in der Gegenrichtung abgefertigt wird. Wenn nötig kann dieses Verfahren auf Güter beschränkt werden, die mit bestimmten beschleunigten internationalen Zügen befördert werden.
Art. 2
1. In jedem gemäss Artikel 1 bestimmten Bahnhof ist eine Zone festzulegen, in der das Personal der zuständigen Verwaltungen des an das Gebiet, auf welchem der Bahnhof liegt, angrenzenden Landes (hiernach «Nachbarland» genannt) berechtigt ist, die in beiden Richtungen über die Grenze beförderten Güter zu kontrollieren.
2. Diese Zone soll im Allgemeinen umfassen:
a. einen bestimmten Teil der Bahnhofanlagen;
b. die Güterzüge und den Teil der Geleise, auf dem diese Züge während der gesamten Dauer der Kontrollen stehen;
c. die Züge auf der Strecke zwischen dem Bahnhof und der Grenze des Nachbarlandes.
Art. 3
Die Anwendung der Gesetze und übrigen Vorschriften des Nachbarlandes sowie die Befugnisse, Rechte und Pflichten des Personals der zuständigen Verwaltungen dieses Landes innerhalb der nach Artikel 2 festgelegten Zone werden durch zweiseitige Vereinbarungen zwischen den zuständigen Behörden der beteiligten Länder geregelt.
Art. 4
1. Die zuständigen Verwaltungen der beteiligten Länder bestimmen durch besondere Vereinbarungen die für die Dienststellen des Nachbarlandes innerhalb der genannten Zone benötigten Räumlichkeiten sowie die Bedingungen, unter denen die Eisenbahnverwaltung des Landes, auf dessen Gebiet der Bahnhof liegt, für die Möblierung, Beleuchtung, Heizung, Reinigung, Telefonanschlüsse und dergleichen dieser Räumlichkeiten zu sorgen hat.
2. Die von den Dienststellen des Nachbarlandes für ihren Dienstbetrieb nötigen Gegenstände sind unter Erfüllung der ordnungsgemässen Zollmeldepflicht bei der Einfuhr zur vorübergehenden Verwendung und bei der Wiederausfuhr von allen Zöllen und sonstigen Abgaben befreit. Ein‑ und Ausfuhrverbote oder entsprechende ‑beschränkungen finden auf diese Gegenstände keine Anwendung.
Art. 5
1. Die den Dienststellen des Nachbarlandes innerhalb der nach Artikel 2 festgelegten Zone zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten dürfen aussen durch eine Aufschrift und ein Amtsschild in den Landesfarben dieses Landes gekennzeichnet werden.
2. Das Personal der zuständigen Verwaltungen des Nachbarlandes muss die in diesem Lande vorgeschriebene Uniform oder das vorgeschriebene Dienstabzeichen tragen.
3. Das Personal der zuständigen Verwaltungen des Nachbarlandes, das sich weisungsgemäss zur Durchführung der in diesem Abkommen vorgesehenen Kontrollen zum Bahnhof begibt, ist von den Passformalitäten befreit. Das Vorzeigen der Dienstausweise genügt zum Nachweis der Staatszugehörigkeit, der Identität, der amtlichen Eigenschaft und der Art der dienstlichen Tätigkeit.
4. Das in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels genannte Personal geniesst bei der Ausübung seines Dienstes den gleichen Schutz und Beistand wie das entsprechende Personal des Landes, auf dessen Gebiet der Bahnhof liegt.
5. Das Personal des Nachbarlandes, das im Lande wohnt, auf dessen Gebiet der Bahnhof liegt, kann durch die in Artikel 3 vorgesehenen zweiseitigen Vereinbarungen von Steuern und Gebühren befreit werden.
6. Die in Artikel 3 vorgesehenen zweiseitigen Vereinbarungen werden festlegen:
a. den Höchstbestand des Personals der zuständigen Verwaltungen des Nachbarlandes, das zur Kontrolltätigkeit in der gemäss Artikel 2 geschaffenen Zone berechtigt ist;
b. die Voraussetzungen, unter denen seine Abberufung verlangt werden kann, und
c. die Bedingungen, unter denen dieses Personal innerhalb der genannten Zone bei der Ausübung des Dienstes Waffen tragen und davon Gebrauch machen darf.
Art. 6
1. Die Zollverwaltungen und die andern beteiligten Verwaltungen werden alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um die Dauer der Zollabfertigung und der andern Kontrollen, denen die Güter beim Übergang über die Grenze ihres Landes unterliegen, möglichst zu kürzen; dies gilt insbesondere für:
– Wagen im Eilgutverkehr,
– den internationalen Transitverkehr,
– verderbliche Güter, lebende Tiere und andere Güter, deren schnelle Beförderung dringlich ist,
– Güter, die mit beschleunigten internationalen Zügen befördert werden und
– schwere Güter, die in ganzen Zügen befördert werden.
2. In den nach Artikel 3 vorgesehenen zweiseitigen Vereinbarungen können Höchstfristen für die Dauer der Zollabfertigung und andern Kontrollen festgesetzt werden.
3. Um die Durchführung der in Absatz 1 dieses Artikels enthaltenen Bestimmungen zu ermöglichen, haben die Eisenbahnverwaltungen rechtzeitig die zuständigen Behörden des Eingangs‑ und Ausgangslandes über Veränderungen in der Frequenz, im Fahrplan und in der Zusammensetzung der internationalen Züge zu benachrichtigen.
Titel II Verfahren für den internationalen Transitverkehr
Art. 7
1. Um insbesondere die Kontrolle der Transitgüter zu beschleunigen, treffen die Zollverwaltungen und die andern beteiligten Verwaltungen im Einvernehmen mit den Eisenbahnverwaltungen ihrer Länder geeignete Sondermassnahmen.
2. Im Einvernehmen mit den Eisenbahnverwaltungen der beteiligten Länder errichten die Zollverwaltungen und die andern beteiligten Verwaltungen der genannten Länder nach Möglichkeit im Innern dieser Länder in Bahnhöfen mit besonders bedeutendem internationalem Verkehr Dienststellen, um die Kontrollen und Zollabfertigung der Güter vor der Abfahrt von diesen Bahnhöfen beziehungsweise nach der Ankunft in diesen Bahnhöfen zu ermöglichen. Zwischen einem solchen Bahnhof im Innern eines Landes und dem Grenzbahnhof und umgekehrt, oder zwischen zwei solchen Bahnhöfen im Innern zweier Länder können die Güter nach den in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehenen Bestimmungen über den Transitverkehr befördert werden.
3. Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Titels gilt folgendes:
a. Die Vertragsparteien anerkennen grundsätzlich die Zollverschlüsse der andern Vertragsparteien; jede Zollverwaltung ist jedoch befugt, sie durch eigene Zollverschlüsse zu ergänzen, wenn sie dies für unerlässlich hält;
b. die Vertragsparteien übernehmen das Formular für die internationale Zollanmeldung gemäss dem diesem Abkommen beigefügten Muster;
c. das Formular für die internationale Zollanmeldung ist zweisprachig zu drucken, in französischer Sprache und in der Sprache des Abgangslandes; diese Zollanmeldung ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, für jedes Land in zwei Ausfertigungen auszustellen;
d. die Erklärung des Absenders ist in lateinischen Buchstaben und in der Sprache des Abgangslandes oder französisch abzufassen; wenn nötig, hat die Eisenbahnverwaltung Übersetzungen anzufertigen:
e. dies soll nicht ausschliessen, dass Zoll‑ und Eisenbahnverwaltungen, die es wünschen, für den nur ihre Länder betreffenden Verkehr die Verwendung anderer Sprachen zulassen.
4. Das Musterformular für die internationale Zollanmeldung kann im vereinfachten Verfahren gemäss Artikel 16 dieses Abkommens geändert werden.
Titel III Verschiedene Bestimmungen
Art. 8
1. Die Dienststunden des Eisenbahn‑ und Zollpersonals und des Personals der andern beteiligten Verwaltungen sind den Fahrplänen und den Verkehrsbedürfnissen sorgfältig anzupassen.
2. Auf den Grenzbahnhöfen und Bahnhöfen mit gemeinsamen Grenzkontrollen beider Nachbarländer sind die Öffnungszeiten der Post‑, Telegrafen‑ und Telefonämter nach Möglichkeit den Dienstzeiten der entsprechenden Zollämter anzupassen.
3. Auf Bahnhöfen, wo die Kontrollen nur von einem Land durchgeführt werden, bemühen sich die Zollverwaltungen und die andern beteiligten Verwaltungen in gleicher Weise wie es in Artikel 6 Absatz 1 vorgesehen ist, die Dauer der Zollabfertigung und der andern Kontrollen nach Möglichkeit abzukürzen.
Art. 9
Die Vertragsparteien richten auf allen Hauptstrecken direkte Telefonlinien für den Eisenbahndienst zwischen den Grenzbahnhöfen der Nachbarländer ein und treffen Massnahmen, um die privaten Telefonverbindungen zu erleichtern und zu beschleunigen. Durch zweiseitige Vereinbarungen kann die Einrichtung direkter Telefonverbindungen auf andere öffentliche Dienste ausgedehnt werden.
Art. 10
Die Zollverwaltungen, die andern beteiligten Verwaltungen und die Eisenbahnen haben geeignete Massnahmen zu treffen, um die Durchführung der Kontrollen auf Rangiergeleisen zu erleichtern, wenn dadurch die Wartezeiten verkürzt werden können, Voraussetzung ist jedoch, dass die Kontrollen ordnungsgemäss vorgenommen werden können und das Personal dadurch nicht gefährdet wird.
Art. 11
Die Zollverwaltungen, die andern beteiligten Verwaltungen und die Eisenbahnen haben geeignete Massnahmen zu treffen, damit den verderblichen Gütern bei den Kontrollen die Priorität eingeräumt wird; dies gilt insbesondere für verderbliche Güter, die nach den Vorschriften über den ungebrochenen internationalen Transitverkehr befördert werden.
Titel IV Schlussbestimmungen
Art. 12
1. Vom Tage der Unterzeichnung an steht dieses Abkommen allen an den Arbeiten der Wirtschaftskommission für Europa teilnehmenden Ländern zum Beitritt offen.
2. Die Beitrittsurkunden und gegebenenfalls die Ratifikationsurkunden sind beim Generalsekretär der Vereinten Nationen zu hinterlegen, der alle in Absatz 1 dieses Artikels erwähnten Länder davon in Kenntnis setzt.
Art. 13
Dieses Abkommen kann unter Beobachtung einer sechsmonatigen Frist beim Generalsekretär der Vereinten Nationen schriftlich gekündigt werden; dieser teilt die Kündigung den andern Vertragsparteien mit. Nach Ablauf der sechsmonatigen Frist tritt das Abkommen für die Vertragspartei, die es gekündigt hat, ausser Kraft.
Art. 14
1. Dieses Abkommen tritt in Kraft, wenn drei der in Artikel 12 Absatz 1 erwähnten Länder ihm beigetreten sind.
2. Es tritt ausser Kraft, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt die Zahl der Vertragsparteien weniger als drei beiträgt.
Art. 15
Kann eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens nicht auf dem Verhandlungswege oder auf andere Weise beigelegt werden, so kann sie auf Antrag jeder der beteiligten Vertragsparteien einer Schiedskommission zur Entscheidung übertragen werden, für die jede am Streit beteiligte Partei ein Mitglied ernennt; der Vorsitzende, dessen Stimme ausschlaggebend ist, wird vom Generalsekretär der Vereinten Nationen bestimmt.
Art. 16
1. Hält eine Vertragspartei Änderungen des diesem Abkommen als Anlage beigefügten Musterformulars für die internationale Zollanmeldung für zweckmässig, so kann sie ihren Abänderungsvorschlag dem Generalsekretär der Vereinten Nationen einreichen, der ihn im Wortlaut allen Signatarstaaten und den beigetretenen Ländern mitteilen wird.
2. Die Änderung gilt neunzig Tage nach der im vorstehenden Absatz vorgesehenen Mitteilung als in Kraft getreten, wenn nicht vor Ablauf dieser Frist mindestens ein Drittel der Signatarstaaten oder beigetretenen Länder dem Generalsekretär der Vereinten Nationen mitgeteilt hat, dass dagegen Einwendungen erhoben werden.
3. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen stellt das Inkrafttreten der Änderungen der Anlage fest und teilt dies allen Signatarstaaten und den beigetretenen Ländern mit.
Art. 17
1. Das Original dieses Abkommens wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt; dieser übermittelt eine beglaubigte Abschrift davon allen in Artikel 12 Absatz 1 genannten Ländern.
2. Der Generalsekretär wird ermächtigt, dieses Abkommen nach seinem Inkrafttreten zu registrieren.
Gegeben in Genf, am zehnten Januar neunzehnhundertzweiundfünfzig, in einer einzigen Ausfertigung in englischer und französischer Sprache, wobei beide Texte gleichermassen authentisch sind.
Unterschriften
(Es folgen die Unterschriften.)
Anlage ⁴
⁴ Die Anlage ist mit jener identisch, welche im Anschluss an das Abk. über den Personenverkehr ( SR 0.631.252.55 ) wiedergegeben ist.
Geltungsbereich am 22. Juni 2006 ⁵
⁵ Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (http://www.eda.admin.ch/eda/g/home/foreign/intagr/dabase.html).
Vertragsstaaten | Ratifikation | Inkrafttreten | ||
Albanien | 22. April | 2004 B | 22. April | 2004 |
Armenien | 9. Juni | 2006 B | 9. Juni | 2006 |
Belgien | 22. Juli | 1953 | 22. Juli | 1953 |
Frankreich | 1. April | 1953 | 1. April | 1953 |
Italien | 22. Juni | 1955 | 22. Juni | 1955 |
Luxemburg | 26. Januar | 1954 | 26. Januar | 1954 |
Niederlande | 10. Januar | 1952 U | 1. April | 1953 |
Norwegen | 28. Oktober | 1952 | 1. April | 1953 |
Österreich | 8. Januar | 1956 B | 8. Januar | 1956 |
Portugal | 24. September | 1956 B | 24. September | 1956 |
Schweiza | 5. Juni | 1957 | 5. Juni | 1957 |
Spanien | 17. April | 1962 B | 17. April | 1962 |
a | Das Abk. erstreckt sich auch auf das Fürstentum Liechtenstein, solange dieses durch einen Zollanschlussvertrag mit der Schweiz verbunden ist. | |||
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