Bürgschaftsrecht - Kreisschreiben des Regierungsrates über die revidierten Einführungsbestimmungen zum Bürgschaftsrecht
1 Bürgschaftsrecht Kreisschreiben des Regierungsrates über die revidierten Einführungsbestimmungen zum Bürgschaftsrecht RRB vom 11. Februar 1955 I. Gesetzliche Grundlagen A. Bund Für das materielle Bürgschaftsrecht gelten unverändert die Artikel 492 bis
512 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) in der Fassung vom
10. Dezember 1941.
Auch das zugehörige Kreisschreiben vom 10. April 1942 des Eidgenössi- schen Justiz- und Polizeidepartements an die kantonalen Regierungen betreffend das Inkrafttreten des neuen Bürgschaftsrechts hat weiterhin Bestand. B. Kanton Solothurn Die damalige Dringlichkeit, Einführungsrecht zu den im Jahre 1941 revi- dierten Bürgschaftsbestimmungen zu schaffen, hat den Regierungsrat veranlasst, im Sinne einer provisorischen Regelung bis zur Gesamtrevision des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch die «Verordnung über die Einführung des revidierten Bürgschaftsrechts» vom
30. Juni 1942 zu erlassen. Diese Verordnung war begleitet von einem
Kreisschreiben des Regierungsrates, das das gleiche Datum trägt. Seither ist die Gesamtrevision des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetz- buch (EG ZGB) erfolgt. Das vom Volk am 4. April 1954 angenommene neue Gesetz trat am 1. Januar 1955 in Kraft (RRB vom 24. August 1954). Mit dem Bürgschaftswesen befassen sich die §§ 23 und 343–351. Durch das neue Recht werden aufgehoben: a) § 350 des bisherigen EG ZGB 1911 (Recht des Bürgen auf Sicherstellung und Befreiung von der Hauptschuld; Zuständigkeit); b) die Verordnung vom 30. Juni 1942 über die Einführung des revidierten Bürgschaftsrechts mit Ausnahme der §§ 8 und 9
1 ) (Gebühren): siehe
§ 373 litera e EG ZGB;
c) auch das Kreisschreiben vom 30. Juni 1942 ist überholt. Es wird durch das vorliegende Kreisschreiben ersetzt. ________________
1 ) §§ 8 und 9 der V über die Einführung des revidierten Bürgschaftsrechts sind durch den Gebührentarif vom 26. Januar 1965 aufgehoben worden.
2 II. Das kantonale Einführungsrecht A. Allgemeines Für die Ausgestaltung der öffentlichen Beurkundung der Bürgschaftserklä- rungen liess sich der Gesetzgeber vom Gedanken leiten, dass die Formvor- schriften des kantonalen Rechts das bereits durch die Revision von 1941 stark komplizierte Bürgschaftsinstitut nicht noch mehr erschweren dürfen, wenn das Kreditwesen nicht Schaden leiden soll. Es wurde daher eine Form der öffentlichen Beurkundung gewählt, die von unserem ordentli- chen Beurkundungsrecht (§§ 12–22 EG ZGB) wesentlich abweicht. B. Öffentliche Beurkundung
1. Bürgschaftserklärung als Urkunde
Wie manches Recht, so kann auch die Bürgschaft nur durch Urkunde be- gründet werden, da das Gesetz für die Bürgschaft mindestens Schriftlich- keit vorschreibt. Die Bürgschaftserklärung gehört demnach zu den Wil- lenserklärungen, die nur urkundlich abgegeben werden können. Bei Au- sserachtlassung der zwingenden Formvorschriften ist dieses Rechtsgeschäft gar nicht gültig zustande gekommen. Durch die Form sollen die Beteilig- ten auf die Wichtigkeit des Geschäftes hingewiesen werden. Ferner soll der Zeitpunkt der Vollendung des Rechtsgeschäftes ausser Zweifel gesetzt werden. Eine weitere Aufgabe der Form besteht darin, den Inhalt der Rechtshandlung genau und vollständig zu bestimmen und zu sichern, vor Anfechtung und Vergessenheit zu schützen sowie Fälschungen und Unter- schiebungen zu erschweren. Das Obligationenrecht sieht für die Bürgschaftserklärung 3 Formen vor, nämlich: a) einfache Schriftform; b) qualifizierte Schriftform; c) öffentliche Beurkundung. Die Urkundsperson, die eine Unterschrift des Bürgen beglaubigen muss, hat dafür zu sorgen, dass der Bürge nicht nur seine Unterschrift beisetzt, sondern dass er auch den erforderlichen Zusatz eigenhändig schreibt. Es wird hiefür folgende Formel vorgeschlagen: «Beglaubigung. Der unterzeichnete Gemeindeschreiber von X (Amtschrei- ber, Betreibungs- und Konkursbeamter, öffentlicher Notar) bestätigt hie- mit, dass der ihm persönlich bekannte Y vorstehende Bürgschaftsurkunde eigenhändig unterzeichnet hat, unter eigenhändiger Beifügung der Worte .»
2. Zuständigkeit
a) Personen. Sachlich zuständig sind die Amtschreiber und ihre Stellvertre- ter, die Betreibungs- und Konkursbeamten und ihre Stellvertreter, die frei
3 praktizierenden Notare und die Gemeindeschreiber der Einwohnerge- meinden. (Die Gemeindeschreiber der Bürgergemeinden und sämtliche Gemeindeschreiber-Stellvertreter sind also nicht zuständig!) Diese Zu- ständigkeit ist in § 343 EG ZGB geregelt. b) Ort. Nach § 6 Absatz 2 EG ZGB darf die Beurkundung durch den Amt- schreiber nur am Amtssitz oder ausnahmsweise im Amtskreis des Amt- schreibers erfolgen. Die Zuständigkeit des Gemeindeschreibers der Ein- wohnergemeinde beschränkt sich auf seinen Amtssitz (er kann an seinem Amtssitz auch Urkunden für auswärtige Gläubiger oder Bürgen errichten; doch ist ihm grösste Zurückhaltung anempfohlen), während der frei prak- tizierende Notar zur öffentlichen Beurkundung im ganzen Kantonsgebiet zuständig ist (§ 7 EG ZGB). c) Ausstandsbestimmungen. Es gibt Fälle, in denen die Urkundsperson oder eine ihr nahestehende Person so beteiligt ist, dass nicht unbedingt mit einer objektiven Erledigung gerechnet werden kann. Daher statuiert der Gesetzgeber Ausstandsbestimmungen. Unser EG ZGB enthält sie im
§ 8.
Einer Erklärung bedarf der Begriff «Verwandtschaft». Zur Verwandtschaft in auf- und absteigender Linie gehören Eltern, Grosseltern, Urgrosseltern, anderseits Kinder, Grosskinder, Urgrosskinder. Immer besteht die Aus- standspflicht, auch wenn es sich um eine Bürgschaftserklärung eines Ehe- gatten der genannten Personen handelt. Das Gesetz spricht bei den Ver- wandtschaften der Seitenlinie von der römischen Berechnung. Diese ba- siert auf der Anzahl Geburten, die nötig sind, um das betreffende Ver- wandtschaftsverhältnis zu begründen. Demnach sind in der Seitenlinie im zweiten Grad Brüder und Schwestern verwandt. Keinen Unterschied macht es aus, ob es sich um halbbürtige, sogenannte Stiefgeschwister, oder um vollbürtige Geschwister handelt. Von halbbürtigen Geschwistern sprechen wir dann, wenn Geschwister nur einen Elternteil gemeinsam haben. Im dritten Grad verwandt sind Neffen und Nichten sowie Onkel und Tanten. Auch hier hat sich die Urkundsperson immer in Ausstand zu begeben, wenn ein Ehegatte der erwähnten Verwandten als Bürge auftritt. Nicht mehr erfasst werden Cousin und Cousine, denn hier handelt es sich um Verwandte im vierten Grad nach römischer Berechnung.
3. Gegenstand der Beurkundung
Gegenstand der Beurkundung ist die Bürgschaftserklärung (Art. 493 Abs. 2 OR), die Erhöhung des Haftungsbetrages, die Umwandlung einer einfa- chen Bürgschaft in eine solidarische (Art. 493 Abs. 5 OR), ferner die Ertei- lung einer besonderen Vollmacht zur Eingehung einer Bürgschaft und schliesslich das Versprechen, dem Vertragsgegner oder einem Dritten Bürgschaft zu leisten (Art. 493 Abs. 6 OR).
4. Mitwirkende Personen
§ 13 EG ZGB verlangt generell bei der Urkunde die Unterschrift sämtlicher
mitwirkender Personen. Bei der öffentlichen Beurkundung der Bürg- schaftserklärung, der die der öffentlichen Beurkundung bedürfenden Fälle des Artikels 493 Absatz 5 OR gleichgestellt sind, darf nur die Mitwirkung
4 des Bürgen (nicht auch des Gläubigers oder des Hauptschuldners), bei der Vollmachterteilung nur die Anwesenheit des Vollmachtgebers und beim Bürgschaftsversprechen nur die Anwesenheit des Versprechenden verlangt werden. Bei der Beurkundung der Bürgschaftserklärung darf das kantonale Recht auch nicht die Mitwirkung des zustimmenden Ehegatten bei der öffentli- chen Beurkundung vorschreiben. Das hindert nicht, dass die Urkundsper- son auch die schriftliche Zustimmung des Ehegatten mit in die Beurkun- dung einbezieht, wenn dies von den Parteien verlangt wird oder wenn ihm im einzelnen Falle die Rücksicht auf seine Verantwortlichkeit dies gebietet (vgl. darüber unten Ziff. 7). Die Bürgschaft ist ein Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen, also ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Trotzdem wird die Urkunde in der Regel bloss von einem Teil, nämlich vom Bürgen, ausgestellt. Die Annahme durch den Gläubiger erfolgt in diesen Fällen formlos. Die Urkundspersonen werden demzufolge sozusagen ausnahmslos nur Bürgschaftserklärungen von Bürgen zu beurkunden haben und keine Annahmeerklärungen von Gläubigern.
5. Prüfung von Identität, Handlungs- und Bürgschaftsfähigkeit
Die Urkundsperson darf die Beurkundung nur ablehnen, wenn die Gültig- keitserfordernisse des eidgenössischen Rechts offensichtlich nicht erfüllt sind. Im Zweifelsfalle muss sie die Beurkundung vornehmen. Die Stellung der Urkundsperson ist hier eine ähnliche wie diejenige des Handelsregi- sterführers. Über die Weigerung der Urkundsperson, die Beurkundung vorzunehmen, müsste auf dem Beschwerdeweg entschieden werden. Die Urkundsperson hat die Identität, Handlungs- und Bürgschaftsfähigkeit der vor ihr erscheinenden Personen genau zu prüfen. a) Identität. Wenn eine Bürgschaftserklärung zu beurkunden ist, muss immer zuerst festgestellt werden, ob der Name des Bürgen auch richtig ist, wie er in der Urkunde steht. Besteht ein Irrtum in der Person, so ist die Beurkundung abzulehnen. Ist die Bezeichnung nicht vollständig, so kann sie durch die Urkundsperson in der Urkundformel ergänzt werden. Die Bezeichnung der Person soll erfolgen durch Angabe von Namen, Vorna- men, Geburtsjahr, Vatersname, Beruf, Heimatort und Wohnort. Man bestätigt also, dass man eine Person kenne und dass diese Person so und so heisse. Nun kann es aber vorkommen, dass die Urkundsperson den Bürgen nicht kennt. Hier gibt es 2 Möglichkeiten: Die betreffende Person kann der Urkundsperson durch einen Dritten als solche vorgestellt werden. Bei diesem Verfahren ist eine gewisse Vorsicht am Platze. Nicht jedermann ist in der Lage, der Urkundsperson eine Person zu identifizieren. Die Ur- kundsperson darf sich zu diesem Zwecke nur an eine Person wenden, die sie persönlich kennt und die vertrauenswürdig ist; und diese Hilfsperson muss die zu identifizierende Person unzweifelhaft kennen. Als unstatthaft wird erachtet, einen Bürgen vom Schuldner oder einem Mitbürgen vorstel- len zu lassen; dagegen scheint es möglich zu sein, dass der Urkundsperson der Bürgschaftsgläubiger einen Bürgen identifiziert, denn er hat ja das grösste Interesse daran, dass die Bürgschaftsverpflichtung rechtsgültig zustande kommt.
5 Neben dieser Möglichkeit der Identifizierung gibt es den Ausweis durch Papiere. Dabei wird die Urkundsperson gut tun, wenn sie sich an die Praxis hält, die die Amtschreibereien bisher angewendet haben. Diese anerken- nen als genügenden Ausweis eine Identitätskarte mit Foto, den Reisepass, auch wenn seine Gültigkeitsdauer abgelaufen ist, ein Generalabonnement der SBB, die Fahrbewilligung für Motorfahrzeuge, den SBB-Ausweis, die Handelsreisendenkarte usw. Daraus ist ersichtlich, dass es sich überall um Ausweise handelt, die eine Foto der auszuweisenden Person enthält. Ins- besondere ist zu erwähnen, dass Familien- und Dienstbüchlein sowie Hei- matscheine keine genügenden Ausweispapiere sind. Aus der Beurkundung soll ersichtlich sein, wie die Identitätsfeststellung erfolgte. Insbesondere wird der Urkundsperson empfohlen, dort immer festzuhalten, durch wen ihr eine Person, die sie nicht kannte, identifiziert worden ist oder welcher Ausweis ihr vorgelegt wurde. Das kann im Falle einer Personenverwechslung für sie und ihre Verantwortung eine wichtige Rolle spielen. b) Handlungsfähigkeit. Durch die Urkundsperson ist immer die Handlungs- fähigkeit desjenigen zu überprüfen, dessen Bürgschaftserklärung zu beur- kunden ist. Die Urkundsperson muss sich also vergewissern, dass die be- treffende Person urteilsfähig ist, das heisst prüfen, dass sie in der Lage ist, vernunftgemäss zu handeln und dass sie mündig ist. Mündig ist, wer das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat. Vorher kann eine Person mündig werden durch Verheiratung, denn Heirat macht mündig, oder durch Mündigerklärung durch den Regierungsrat. Festzustellen hat die Urkundsperson sodann immer, ob der betreffende Bürge entmündigt ist, das heisst bevormundet ist oder unter Beiratschaft steht. Im Zweifelsfall soll er sich beim zuständigen Oberamtmann erkundi- gen. Nach Artikel 408 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) dürfen zulasten des Bevormundeten keine Bürgschaften eingegangen werden und nach Artikel 395 Ziffer 9 ZGB kann eine unter Beiratschaft stehende Person eine Bürgschaft nur eingehen mit Zustimmung des Beirates. c) Bürgschaftsfähigkeit. Hat die Urkundsperson Personenbezeichnung, Identität und Handlungsfähigkeit des Bürgen einwandfrei festgestellt, so gilt es noch zu prüfen, ob die betreffende Person fähig ist, eine Bürgschaft einzugehen. In dieser Beziehung ist besonders zu beachten: aa) Bürgschaftserklärung einer verheirateten Peson. Die Bürgschaft eienr verheirateten Person bedarf nach Artikel 494 OR zu ihrer Gültigkeit der im einzelnen Fall vorgängig oder spätestens gleichzeitig abgegebenen schriftlichen Zustimmung des Ehegatten, wenn die Ehe nicht durch rich- terliches Urteil geschieden oder getrennt ist. Eine Gütertrennung entbin- det nicht von der Einholung dieser Zustimmung, auch nicht eine effektive Trennung der Ehegatten, wenn diese Trennung nicht durch Gerichtsurteil ausgesprochen ist. Es ist noch speziell zu erwähnen, dass es nicht angeht, den Ehemann als Bürgen unterzeichnen zu lassen, wenn er vor der Urkundsperson allein erscheint und ihr sagt, seine Frau werde nachher bei ihr vorbeikommen. Entweder erscheinen beide Ehegatten miteinander bei ihr, oder es er- scheint zuerst die Ehefrau und dann der Ehemann. Kommt der Ehemann allein und bevor seine Frau unterzeichnet hat, dann bleibt der Urkunds-
6 person nichts anderes übrig, als ihn unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu schicken. Die Zustimmungserklärung der Ehefrau braucht nicht öffentlich beurkun- det zu werden. Es kann daher vorkommen, dass der Urkundsperson eine Bürgschaftsurkunde präsentiert wird, auf der die Zustimmung der Ehefrau bereits enthalten ist. Damit die Urkundsperson aber Gewähr hat, dass diese Unterschrift in Ordnung ist, muss sie eine beglaubigte Unterschrift der Ehefrau verlangen. Nicht begnügen kann sie sich mit der Erklärung des Bürgen und Ehemannes, die auf der Urkunde enthaltene Unterschrift der Ehefrau sei in Ordnung. Es könnte nämlich sein, dass der Ehemann seiner Frau von der einzugehenden Bürgschaft nichts sagt und ihr Unterschrift auf der Urkunde fälscht. Wenn die Urkundsperson dann die Bürg- schaftserklärung des Ehemannes aufgrund dieser gefälschten Unterschrift der Ehefrau beurkundet, kann ihr eine Verantwortlichkeit erwachsen, denn man kann und muss ihr zumuten, die Richtigkeit der Zustimmung der Ehefrau zu prüfen. Dagegen kann eine Beurkundung vorgenommen werden, wenn die Rich- tigkeit der Unterschrift der Ehefrau des Bürgen vom Gläubiger auf der Urkunde schriftlich bestätigt ist. Das kommt in der Praxis vor. Oft holt die Bank die Unterschrift der Ehefrau des Bürgen ein. Hinsichtlich Identität und Bezeichnung der Ehefrau gelten die gleichen Vorschriften, wie sie in bezug auf den Bürgen dargelegt wurden. Die Zustimmung des Ehegatten ist nicht erforderlich für die Bürgschaft einer Person, die im Handelsregister eingetragen ist als Inhaber einer Ein- zelfirma, als Mitglied einer Kollektivgesellschaft, als unbeschränkt haften- des Mitglied einer Kommanditgesellschaft, als Mitglied der Verwaltung oder Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft, als Mitglied der Verwal- tung einer Kommanditaktiengesellschaft oder als geschäftsführendes Mitglied einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Wenn ein Bürge der Urkundsperson erklärt, die Zustimung seiner Ehefrau sei nicht notwendig, weil er im Handelsregister eingetragen sei, so darf ihr das nicht genügen. Sie muss sich von der Richtigkeit dieser Aussage ver- gewissern. Das kann geschehen durch eine Rückfrage bei der Amtschreibe- rei, die bei uns das Handelsregister führt. Wohnt der Bürge auswärts, ist es am besten, wenn die Urkundsperson von ihm einen Auszug aus dem Han- delsregister verlangt. An dieser Stelle ist auch etwas zu sagen zur Bürgschaftserklärung der Ehefrau. Selbstverständlich müssen in diesen Fällen die Ehemänner zu- stimmen, in gleicher Art wie umgekehrt, wenn eine Bürgschaft durch den Ehemann eingegangen wird. Auch die Ausnahmen gelten, wenn die Ehe- frau im Handelsregister eingetragen ist in einer Eigenschaft, der das Ge- setz diese Ausnahme zuspricht. Wenn sich aber die Ehefrau im Interesse des Ehemannes verbürgt, bedarf diese Verpflichtung nach Artikel 177 Absatz 3 ZGB zudem der Zustimmung der nach § 113 EG ZGB zuständigen Vormundschaftsbehörde. Das ist der Fall, wenn der Ehemann Schuldner und die Ehefrau Bürgin ist. Das ist aber auch der Fall, wenn sich Ehemann und Ehefrau für die gleiche Schuld solidarisch als Bürgen verpflichten. Die vormundschaftliche Zustimmung ist nowendig, unbekümmert um den geltenden Güterstand, also auch wenn Gütertrennung besteht. bb) Bürgschaftserklärung eines Landwirtes. Hinsichtlich der Landwirte, deren Betriebe entschuldet worden sind, bestimmt das Bundesgesetz über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940
7 was folgt: «Die Tilgungskasse führt über die Eigentümer, auf deren Begeh- ren die Entschuldung durchgeführt wird, ein öffentliches Register. Solange der Eintrag in diesem Register nicht gelöscht worden ist, kann der Einge- tragene eine Bürgschaft nicht mehr rechtsgültig eingehen.» Zuverlässige Auskunft, ob allenfalls diese Bestimmung anwendbar ist, erhält die Urkundsperson bei der Hypothekar-Hilfskasse in Solothurn, denn sie übt die Funktionen der Tilgungskasse aus. cc) Bürgschaftserklärung eines Hoteliers. Nach dem Bundesgesetz über rechtliche Schutzmassnahmen für die Hotel- und die Stickereiindustrie vom 28. September 1944 und dem Bundesbeschluss vom 18. Juni 1953 kann einem Hotelier unter gewissen Voraussetzungen eine Stundung bewilligt werden. Während der Dauer einer solchen Stundung kann der Hotelier bei Folge der Nichtigkeit ohne Zustimmung der Schweizerischen Hotel-Treuhand-Gesellschaft keine Bürgschaften eingehen. Die Urkunds- person wird sich fragen, wo sie sich über das Bestehen einer solchen Stun- dung erkundigen solle. In Zürich gibt es die Schweizerische Hotel- Treuhand-Gesellschaft, die darüber Bescheid weiss. Sie verlangt aber, be- vor sie Auskunft gibt, eine Ermächtigung des betreffenden Hoteliers. Es ist für die Urkundsperson daher im Zweifelsfalle am einfachsten und ratsam- sten, wenn sie vom Hotelier, der sich als Bürge verpflichten will, eine Be- scheinigung der Schweizerischen Hotel-Treuhand-Gesellschaft verlangt, aus der hervorgeht, dass er sich als Bürge verpflichten kann. dd) Bürgschaftserklärung eines Nachlassschuldners. Artikel 298 Absatz 1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs verbietet jedem Schuldner während der Dauer einer Nachlassstundung die Eingehung einer Bürgschaft.
6. Auskunftspflicht der Urkundsperson
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat in Ziffer I 4 des Kreisschreibens ausgeführt, dass von Bundesrechts wegen eine Verpflich- tung für die Urkundsperson, dem Bürgen auf Verlangen Rechtsbelehrun- gen zu erteilen, nicht bestehe, dass ihm aber die Aufstellung einer solchen Verpflichtung durch die Kantone wünschenswert erscheine. Wir haben von der Aufstellung einer solchen Verpflichtung abgesehen. In der Praxis erteilten unsere Urkundspersonen schon bisher die im Einzelfall ge- wünschten Rechtsbelehrungen, ohne dass dies ausdrücklich vorgeschrie- ben war. Wir nehmen an, dass ich dies auch bei den bürgschaftsrechtlichen Beurkundungen in der Praxis zwanglos ergeben wird. Wir haben dies erleichtert, indem wir die persönliche Anwesenheit der Urkundsperson bei der Beurkundung verlangten.
7. Form der Beurkundung
a) Formel. Normalerweise wird die öffentliche Urkunde durch die Ur- kundsperson oder in deren Auftrag von ihrem Personal verfasst, nachdem die Urkundsperson ihrerseits den Auftrag zur Beurkundung erhalten hat. Bei den Bürgschaften geht das in der Regel anders vor sich. Der weitaus grösste Teil der Bürgschaften wird eingegangen zugunsten von Banken.
8 Diese Banken aber haben für ihre Bürgschaften Formulare, die sie ausfül- len und so zur Beurkundung der Bürgschaftserklärungen der Urkundsper- son übergeben. In diesen Fällen hat die Urkundsperson die vorerwähnten Punkte genau zu prüfen. Dann hat sie festzustellen, ob beim Bürgen der ernstliche Wille vorhanden ist, die Bürgschaftsverpflichtung einzugehen, und soweit mög- lich dafür zu sorgen, dass der Wille frei von Mängeln, frei von Zwang, Betrug und Irrtum ist. Das bedingt, dass die Urkundsperson dem Bürgen, soweit nötig, eine gewisse Rechtsbelehrung gibt und ihm die Tragweite der Verpflichtung, die er eingehen will, richtig vor Augen hält (siehe oben Ziff. 6). Hierauf erfolgen die Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde und die Beisetzung der Beurkundungsformel durch die Urkundsperson. Nach
§ 346 EG ZGB hat die Urkundsperson zu beurkunden, dass der Bürge über
den Inhalt der Bürgschaftserklärung unterrichtet sei, dass er sie unter- schrieben und als seinem Willen entsprechend bezeichnet habe. Diese Beurkundung erfolgt auf der Bürgschaftsurkunde selbst. Sie ist zu datieren, das heisst es sind anzugeben Ort und Zeit (Tag, Monat und Jahr). Sie ist endlich von der Urkundsperson zu unterzeichnen und mit ihrem Amtsstempel zu versehen. Ein Doppel der Urkunde wird nicht erstellt. Es wird die Verwendung folgender Beurkundungsformel empfohlen: «Öffentliche Beurkundung. Diese Bürgschaftserklärung enthält den mir erklärten Willen des Bürgen X, der mir persönlich bekannt ist (oder: der sich durch Y ausgewiesen hat). Er ist über den Inhalt der Bürgschaftserklä- rung unterrichtet, hat sie unterschrieben und als seinem Willen entspre- chend bezeichnet. Die vorherige Zustimmung seiner Ehefrau Z hat mir vorgelegen.» Wenn der Ehegatte seine Zustimmung schriftlich vor der Urkundsperson abgibt, so kann diese Tatsache ebenfalls öffentlich beurkundet werden. Die Formel kann dann im weiteren lauten: «Der mir persönlich bekannte Ehegatte Z hat vom Inhalt der Urkunde ebenfalls Kenntnis genommen und schriftlich seine Zustimmung erklärt, bevor der Bürge unterzeichnet hat.» b) Sprache. Nach § 12 EG ZGB muss die öffentliche Urkunde in einer der 3 Amtssprachen des Bundes verfasst sein. Die Urkundsperson hat noch eine weitere Funktionspflicht, nämlich zu prüfen, ob die bei der Errichtung eienr Bürgschaftsbeurkundung beteiligten Personen der Sprache mächtig sind, in der die Urkunde abgefasst wird. Ist eine Person der Urkundsspra- che nicht mächtig, so kann die Urkundsperson die Übersetzung besorgen. Ist diese dazu nicht in der Lage, so ist ein Übersetzer, ein sogenannter Dolmetscher, beizuziehen. In der Urkunde ist der Grund seiner Beiziehung anzugeben. Der Übersetzer hat die Urkunde mitzuunterzeichnen und zu bezeugen, dass die Übersetzung gewissenhaft erfolgt ist. c) Unterzeichnung aa) Allgemeines. Es gibt Fälle, in denen ein Bürge oder eine Ehefrau nicht unterschreiben kann. Der Grund kann darin liegen, dass die betreffende Person des Schreibens überhaupt unkundig ist, oder dass sie infolge einer Unfallverletzung oder einer Krankheit nicht unterschreiben kann. In die- sem Falle hat die betreffende Person ein Handzeichen beizusetzen. Solche Handzeichen bestehen meistens aus einem oder mehreren Kreuzzeichen. Es kann aber auch irgendein anderes Handzeichen sein.
9 Ist eine Person überhaupt nicht imstande, ein Handzeichen beizusetzen, so ist dies von der Urkundsperson festzuhalten.
1 ) bb) Mehrere Unterschriften auf der gleichen Urkunde. Es kann vorkom- men, dass die Urkundsperson auf der gleichen Bürgschaftsurkunde die Bürgschaftserklärungen von mehreren Bürgen beurkunden muss und dass diese Bürgen nicht gleichzeitig, das heisst nicht am gleichen Tag vor ihr erscheinen. In solchen Fällen ist zu empfehlen, nach der Unterzeichnung jedesmal die Beurkundungsformel beizusetzen. d) Stellvertretung. Man unterscheidet gesetzliche und gewillkürte Voll- machten beziehungsweise Stellvertretungen. Bei der gesetzlichen Vollmacht handelt der gesetzliche Vertreter für eine andere Person kraft gesetzlicher Vorschrift. Der Vormund ist gesetzlicher Vertreter seines Mündels. Ein gesetzliches Vertretungsrecht haben auch die Eltern für ihre minderjährigen, unter ihrer elterlichen Gewalt stehen- den Kinder. Diese gesetzlichen Vertretungsverhältnisse spielen im Bürgschaftsrecht keine Rolle. Zulasten eines Bevormundeten dürfen keine Bürgschaften eingegangen werden. Nach einem Bundesgerichtsentscheid bezieht sich das Verbot der Eingehung von Bürgschaften zulasten Bevormundeter auch auf Minderjährige unter elterlicher Gewalt. Die gewillkürte Vollmacht ist die durch Rechtsgeschäft des Vertretenen erteilte Vertretungsmacht. Die Erteilung einer Vollmacht kann grundsätzlich formlos erfolgen. Zur Beweissicherung werden Vollmachten aber, wenn es sich um ein Geschäft von etwelcher Wichtigkeit handelt, meistens schriftlich erteilt. Eine Voll- macht zur Eingehung einer Bürgschaft mit einem Haftungsbetrag von über 2000 Franken muss öffentlich beurkundet werden. Die Urkundsperson kann daher in den Fall kommen, eine Vollmacht zur Eingehung einer Bürgschaft zu beurkunden. Dabei muss sie vor allem darauf achten, dass auch der Höchsthaftungsbetrag in der Vollmachtsur- kunde genannt wird und auch, wenn das beabsichtigt ist, dass es sich um eine Solidarbürgschaft handelt. Wenn anderseits ein Bevollmächtigter bei der Urkundsperson erscheint, um eine Bürgschaftsverpflichtung für einen Dritten, eben den Vollmacht- geber, einzugehen, hat sie die Vollmachtsurkunde genau zu prüfen. Sie hat also festzustellen, dass die Vollmachtserteilung in öffentlicher Urkun- de erfolgte, dass der Höchsthaftungsbetrag neben Hauptschuldner und Gläubiger in der Vollmacht angegeben sind und dass die Vollmacht es nötigenfalls gestattet, eine Solidarbürgschaft einzugehen. e) Herausgabe der Urkunde. Ist der Beurkundung durch die Urkundsperson erfolgt, so hat sie nach § 348 EG ZGB die Urkunde dem Bürgen oder der von ihm bezeichneten Person herauszugeben. Aus dieser Bestimmung Urkundsperson ermächtigen, die Urkunde dem Gläubiger auszuhändigen. Immerhin hat die Urkundsperson das ausdrückliche Einverständnis dazu vom Bürgen zu erwirken, das auch mündlich erteilt werden kann. ________________
1 ) Abschn. c Buchstabe aa Fassung vom 27. November 1979.
10 f) Bürgschaftsregister. Im allgemeinen bleibt das Original der öffentlichen Urkunde bei der Urkundsperson. Sie gibt nur Abschriften heraus, die be- glaubigt werden. Bei den Bürgschaftsurkunden verhält es sich im Kanton Solothurn anders. Die Originalurkunde wird an die Parteien herausgege- ben. Ein Doppel der Urkunde wird nicht erstellt. Dagegen ist die Urkunds- person verpflichtet, ein Bürgschaftsregister zu führen. Nach § 349 EG ZGB muss dieses Register mindestens folgende Angaben enthalten: a) Datum der Beurkundung; b) Gläubiger; c) Schuldner; d) sämtliche Bürgen, wobei anzugeben ist, wessen Bürgschaftserklärung beurkundet wurde; e) Schuld- und Kreditsumme und Höchsthaftung; f) Zustimmung des Ehegatten. Jede Eintragung in diesem Register ist für sich abzuschliessen und durch die Urkundsperson zu unterzeichnen. Die abgeschlossenen Register sind wie die übrigen Gemeindeakten zu archivieren. Diese Bürgschaftsregister sind nicht öffentlich. Die Urkunds- person darf also nicht irgendeinem Dritten Einsicht gewähren oder Auszü- ge daraus ausfertigen und an Dritte aushändigen. Hingegen steht nichts im Wege, eine konkrete Eintragung den an dieser betreffenden Bürg- schaftsverpflichtung interessierten Personen vorzulegen. Als legitimiert dürfen angenommen werden: Gläubiger, Schuldner und Bürgen oder eine Person, die von einem solchen Beteiligten eine Vollmacht vorlegt, die zur Auskunftserteilung ermächtigt. Diese Bürgschaftsregister dürfen nach gesetzlicher Vorschrift auch nicht verwendet werden zur amtlichen Feststellung der Verpflichtungen oder Forderungen einer Person. Es gibt Bürgschaftsregister mit entsprechend vorgedruckten Kolonnen, die bei der kantonalen Drucksachenverwaltung zum Selbstkostenpreis erhält- lich sind (30 Rappen je Bogen).
8. Nachträgliche Änderungen der Bürgschaft
Handelt es sich darum, den Haftungsbetrag einer Bürgschaft zu erhöhen oder eine einfache Bürgschaft in eine solidarische umzuwandeln, so hat das durch öffentliche Urkunde zu geschehen. Ebenso bedarf ein gültiges Bürgschaftsversprechen, das dem Gläubiger oder einem Dritten gegen- über, zum Beispiel dem Schuldner abgegeben werden will, der öffentli- chen Beurkundung. Der ganze Beurkundungsvorgang spielt sich in gleicher Weise ab wie bei der gewönlichen Bürgschaftserklärung. Die Urkundsperson hat also genau die gleichen Prüfungspflichten zu erfüllen.
9. Verantwortlichkeit
Nach § 9 EG ZGB stehen die Urkundspersonen für die Richtigkeit der von ihnen bezeugten Tatsachen und für die Beobachtung der gesetzlichen Formen unter der gleichen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit wie die Beamten und Angestellten des Staates.
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10. Gebühren
Der Bundesrat kann nach Artikel 493 Absatz 7 OR für die öffentliche Beur- kundung Höchstgebühren vorschlagen. Er hat von diesem Recht bisher keinen Gebrauch gemacht. Aber selbstverständlich besteht auch für den Kanton die Pflicht, die Gebühren möglichst niedrig zu halten, damit die Eingehung von Bürgschaften nicht an der Kostenfrage scheitert. Wenn im Falle der Mitbürgschaft mehrere Bürgschaftserklärungen von der gleichen Urkundsperson zu verurkunden sind, so ist die Gebühr nur einmal zu er- heben. Sie kann dann im Rahmen des Gebührenansatzes etwas höher angesetzt werden als für die Beurkundung nur einer Erklärung. Die Be- rechnung nach der Zahl der Bürgen würde sich unsozial auswirken, da vor allem weniger bemittelte Leute eine grosse Zahl von Bürgen benötigen. Im übrigen soll sich die Höhe der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens, nach dem Zeitaufwand der Urkundsperson und allenfalls nach der Höhe der Bürgschaftssumme abstufen. C. Richterliche Zuständigkeit Nach Artikel 496 Absatz 2 und Artikel 501 Absatz 2 OR ist der zuständige Richter zu bestimmen. Es war ohne weiteres gegeben, den Amtsge- richtspräsidenten als zuständig zu erklären; dies ist in § 351 EG ZGB ge- schehen.
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