Abkommen (0.672.936.72)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zur Milderung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern Abgeschlossen am 12. Juni 1956 Von der Bundesversammlung genehmigt am 13. Dezember 1956² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 25. Februar 1957 In Kraft getreten am 25. Februar 1957 (Stand am 25. Februar 1957) ¹ Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der entsprechenden Ausgabe dieser Sammlung. ² AS 1957 181
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Nordirland,
vom Wunsche geleitet, ein Abkommen zur Milderung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern abzuschliessen,
haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und diese in guter und gehöriger Form befunden,
folgendes vereinbart haben:
Art. I
¹ Die Steuern, welche Gegenstand dieses Abkommens bilden, sind:
a. im Vereinigten Königreich: Die in Grossbritannien erhobene Nachlasssteuer (estate duty);
b. in der Schweiz: Die kantonalen und kommunalen Nachlass- und Erbanfallsteuern.
² Das vorliegende Abkommen findet auf die in Nordirland erhobene Nachlasssteuer in gleicher Weise Anwendung wie auf die in Grossbritannien erhobene Nachlass­steuer.
³ Das vorliegende Abkommen findet auch auf alle andern Steuern Anwendung, die ihrem Wesen nach den in den Absätzen 1 und 2 genannten ähnlich sind und nach der Unterzeichnung dieses Abkommens in Grossbritannien, Nordirland oder der Schweiz erhoben werden.
Art. II
¹ In diesem Abkommen bedeuten, wenn sich aus dem Zusammenhang nichts ande­res ergibt:
a. der Ausdruck «Vereinigtes Königreich» Grossbritannien und Nordirland;
b. der Ausdruck «Grossbritannien» England, Wales und Schottland; er umfasst jedoch nicht die Kanalinseln und die Insel Man;
c. der Ausdruck «Schweiz» die Schweizerische Eidgenossenschaft;
d. der mit Bezug auf die eine oder andere vertragschliessende Partei verwen­dete Ausdruck «Gebiet», je nach dem Zusammenhang, Grossbritannien oder die Schweiz;
e. der Ausdruck «Steuer», je nach dem Zusammenhang, die in Grossbritannien erhobene Nachlasssteuer oder eine der in der Schweiz erhobenen kantonalen und kommunalen Nachlass- und Erbanfallsteuern.
² Bei Anwendung dieses Abkommens wird die Frage, ob eine verstorbene Person zur Zeit ihres Todes in irgendeinem Teil des Gebietes einer der vertragschliessenden Parteien Wohnsitz hatte, gemäss der in diesem Gebiet in Kraft stehenden Gesetz­gebung entschieden; eine Person, die zur Zeit ihres Todes nicht in der Schweiz Wohnsitz hatte, wird wie eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz behandelt, wenn nach schweizerischem Zivilrecht der Erbgang in der Schweiz zu eröffnen ist.
³ Bei Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens durch jede der vertrag­schliessenden Parteien wird, wenn sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt, jedem nicht anders umschriebenen Begriff der Sinn beigelegt, der ihm nach der Gesetzgebung zukommt, die im Gebiete dieser Partei für die Gegenstand dieses Ab­kommens bildenden Steuern in Kraft steht.
Art. III
¹ Stirbt eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz und ohne Wohnsitz in irgendeinem Teil Grossbritanniens, so wird die Belegenheit jedes der in Artikel IV dieses Abkommens aufgezählten, auf strengem Recht oder Billigkeitsregeln (legal or equitable) beruhenden Rechte (rights or interests), soweit die Belegenheit für die Steuererhebung in Grossbritannien von Bedeutung ist, ausschliesslich auf Grund der in dem genannten Artikel IV umschriebenen Regel bestimmt; wenn aber ohne Berücksichtigung dieses Absatzes in Grossbritannien auf irgendeinem Vermögenswert eine Steuer erhoben werden könnte, so findet Artikel IV auf diesen Vermögenswert nur dann Anwendung, wenn darauf in der Schweiz eine Steuer erhoben oder nur wegen einer besonderen Steuerbefreiung nicht erhoben wird.
² Stirbt eine Person mit Wohnsitz in irgendeinem Teil Grossbritanniens und ohne Wohnsitz in der Schweiz, so wird die Belegenheit jedes der in Artikel IV dieses Abkommens aufgezählten, auf strengem Recht oder Billigkeitsregeln (legal or equitable) beruhenden Rechte (rights or interests), soweit die Belegenheit für die Steuererhebung in der Schweiz von Bedeutung ist, ausschliesslich auf Grund der in dem genannten Artikel IV umschriebenen Regeln bestimmt; wenn aber ohne Berücksichtigung dieses Absatzes in der Schweiz auf irgendeinem Vermögenswert ei­ne Steuer erhoben werden könnte, so findet Artikel IV auf diesen Vermögenswert nur dann Anwendung, wenn darauf in Grossbritannien eine Steuer erhoben oder nur wegen einer besonderen Steuerbefreiung nicht erhoben wird.
³ Würde die Anwendung von Artikel IV im Gebiet der einen vertragschliessenden Partei zur Erhebung einer Steuer auf einem Vermögenswert führen, auf dem ohne den genannten Artikel IV in diesem Gebiet keine Steuer erhoben würde, so findet dieser Artikel auf den Vermögenswert keine Anwendung.
⁴ Keine Bestimmung dieses Artikels soll die Erhebung der Steuer in Grossbritannien auf einem Recht (right or interest) ausschliessen, das auf Grund einer dem Recht irgendeines Teils von Grossbritannien unterstehenden Verfügung oder eines von die­sem Recht beherrschten Übergangs von Rechts wegen die Hand wechselt.
Art. IV
Die in den Absätzen 1 und 2 von Artikel III erwähnten Regeln lauten:
a. Rechte (rights or interests) (ausgenommen Pfandrechte) an unbeweglichem Vermögen gelten als an dem Orte belegen, wo dieses Vermögen liegt;
b. Rechte (rights or interests) (ausgenommen Pfandrechte) an beweglichen kör­perlichen Sachen, für die hienach nichts anderes bestimmt wird, sowie an Banknoten oder Papiergeld und andern am Ausgabeort als gesetzliche Zah­lungsmittel geltenden Geldsorten, an begebbaren Wechseln und an übertragba­ren Schuldscheinen gelten als an dem Orte belegen, wo diese Sachen, Noten, Geldsorten oder Urkunden zur Zeit des Todes liegen, oder, wenn sie sich un­terwegs befinden, am Orte ihrer Bestimmung;
c. Guthaben, mit oder ohne Pfandsicherheit, mit Einschluss der von einer Regie­rung, Gemeinde oder andern öffentlichen Behörde ausgegebenen Wertpapiere und der von einer Gesellschaft ausgegebenen Schuldverschreibungen und Ob­ligationen, aber unter Ausschluss derjenigen Schuldverpflichtungen, für welche in diesem Artikel etwas anderes bestimmt wird, gelten als an dem Orte bele­gen, wo die verstorbene Person zur Zeit ihres Todes ihren Wohnsitz hatte;
d. Beteiligungen an Gesellschaften in Form von Aktien oder Kapitalanteilen (mit Einschluss der Aktien oder Kapitalanteile, die sich im Besitze eines Treuhän­ders [nominee] befinden, unbeschadet darum, ob das Nutzungsrecht [beneficial ownership] aus Urkunden oder auf andere Weise ersichtlich ist) gelten als an dem Orte belegen, wo oder nach dessen Gesetzgebung die Gesellschaft errich­tet worden ist;
e. Auf Grund eines Versicherungsvertrages zahlbare Geldbeträge gelten als an dem Orte belegen, wo die verstorbene Person zur Zeit ihres Todes ihren Wohnsitz hatte;
f. Schiffe und Luftfahrzeuge und Anteilsrechte an solchen gelten als an dem Orte belegen, wo die Schiffe oder Luftfahrzeuge immatrikuliert sind;
g. der Geschäftswert (goodwill) als Bestandteil des Vermögens, das der Aus­übung eines Handels- oder Geschäftsbetriebes oder eines freien Berufes dient, gilt als an dem Orte belegen, wo dieser Handels- oder Geschäfts­betrieb oder freie Beruf, dem er zugehört, ausgeübt wird;
h. Patente, Marken, Muster, Urheberrechte und Rechte oder Lizenzen zum Gebrauch von Patenten, Marken, Mustern oder urheberrechtlich geschützten Werken gelten als an dem Orte belegen, wo die verstorbene Person zur Zeit ih­res Todes ihren Wohnsitz hatte;
i. Rechte oder Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die zugunsten des Nachlas­ses einer verstorbenen Person weiterbestehen, gelten als an dem Orte belegen, wo diese Rechte oder Ansprüche entstanden sind;
j. gerichtlich festgestellte Forderungen gelten als an dem Orte belegen, wo das Urteil eingetragen ist;
k. jedes andere Recht (right or interest) gilt als an dem Orte belegen, der sich nach der Gesetzgebung bestimmt, die im Gebiet der vertragschliessenden Par­tei, in dem die verstorbene Person keinen Wohnsitz hatte, in Kraft steht.
Art. V
¹ Bei der Festsetzung des für die Steuerberechnung massgebenden Betrages sollen die Abzüge, die gemäss der im steuererhebenden Gebiet in Kraft stehenden Gesetz­gebung zulässig sind, gewährt werden.
² Wird im Gebiet der einen vertragschliessenden Partei beim Tode einer Person, die zur Zeit ihres Todes ihren Wohnsitz in keinem Teil dieses Gebietes, sondern in irgendeinem Teil des Gebietes der andern vertragschliessenden Partei hatte, eine Steuer auf irgendeinem Vermögenswert erhoben, so werden bei der Festsetzung des Betrages oder Satzes dieser Steuer irgendwelche andere Vermögenswerte, die aus­serhalb des erstgenannten Gebietes belegen sind, ausser Betracht gelassen; dieser Absatz findet jedoch keine Anwendung auf:
a. die in der Schweiz erhobene Steuer auf in der Schweiz liegendem unbewegli­chem Vermögen (einschliesslich Zugehör);
b. die in Grossbritannien erhobene Steuer, wenn die in diesem Absatz erwähnten anderen Vermögenswerte auf Grund einer dem Recht irgendeines Teils von Grossbritannien unterstehenden Verfügung oder eines von diesem Recht be­herrschten Übergangs von Rechts wegen die Hand wechseln.
Art. VI
¹ Begehren um Steuerrückerstattung, die sich auf die Bestimmungen dieses Abkommens stützten, sind binnen fünf Jahren nach dem Tage des Todes der Person, bezüglich deren Nachlass sie gestellt werden, einzureichen oder, im Falle eines anwartschaftlichen Anspruches, bei dem die Steuerzahlung bis zum Tage der Inbesitz­nahme hinausgeschoben wird, binnen fünf Jahren nach diesem Tage.
² Zurückzuerstattende Steuerbeträge werden nicht verzinst.
Art. VII
¹ Die zuständigen Behörden der beiden vertragschliessenden Parteien können zum Zwecke der Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Anwendung oder Auslegung dieses Abkommens unmittelbar miteinander verkehren.
² In diesem Artikel bedeutet der Ausdruck «zuständige Behörden» auf seiten Gross­britanniens, die Commissioners of Inland Revenue oder ihren bevollmächtigten Vertreter; auf seiten der Schweiz, den Direktor der Eidgenössischen Steuerverwal­tung oder seinen bevollmächtigten Vertreter; auf seiten Nordirlands, den Minister of Finance oder seinen bevollmächtigten Vertreter; und auf seiten irgendeines Gebie­tes, auf welches dieses Abkommen gemäss Artikel VIII ausgedehnt wird, die in die­sem Gebiete für die Verwaltung der unter dieses Abkommen fallenden Steuern zuständige Behörde.
Art. VIII
¹ Dieses Abkommen kann entweder unverändert oder mit Änderungen auf irgendein Gebiet ausgedehnt werden, für dessen internationale Beziehungen das Vereinigte Königreich zuständig ist und das Steuern erhebt, die ihrem Wesen nach denjenigen, die Gegenstand dieses Abkommens bilden, ähnlich sind; jede derartige Ausdehnung soll von dem Datum an und mit den Änderungen und Bedingungen (einschliesslich Kündigungsbedingungen) wirksam sein, welche in den zwischen den vertrag­schliessenden Parteien zu diesem Zwecke auszutauschenden Noten bestimmt und vereinbart werden.
² Die Beendigung dieses Abkommens gemäss Artikel X mit Bezug auf das Verei­nigte Königreich oder die Schweiz setzt auch der Anwendbarkeit des Abkommens auf irgendein Gebiet, auf das es gemäss diesem Artikel ausgedehnt worden ist, ein Ende, sofern die vertragschliessenden Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben oder vereinbaren.
Art. IX
¹ Das vorliegende Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen so bald als möglich in Bern ausgetauscht werden.
² Das vorliegende Abkommen tritt am Tage des Austausches der Ratifikations­urkunden in Kraft und findet Anwendung auf Erbfälle von Personen, die an oder nach diesem Tage sterben.
Art. X
¹ Das vorliegende Abkommen bleibt während mindestens drei auf den Tag seines Inkrafttretens folgenden Jahren in Kraft.
² Das vorliegende Abkommen bleibt nach Ablauf dieses Zeitraumes von drei Jahren weiterhin in Kraft, wenn keine der vertragschliessenden Parteien mindestens sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes die andere vertragschliessende Partei auf diplomatischem Wege schriftlich von ihrer Absicht, das Abkommen ausser Kraft zu setzen, in Kenntnis gesetzt hat.
³ Teilt nach Ablauf dieses Zeitraumes von drei Jahren eine der vertragschliessenden Parteien der anderen auf diplomatischem Wege schriftlich ihre Absicht mit, dieses Abkommen ausser Kraft zu setzen, so findet es keine Anwendung mehr auf Erbfälle von Personen, die nach dem in der Kündigungsmitteilung festgesetzten (mindestens sechs Monate nach dem Tage dieser Mitteilung liegenden) Zeitpunkt oder, falls kein solcher Zeitpunkt in dieser Mitteilung bestimmt worden ist, nach Ablauf von sechs Monaten vom Tage der Mitteilung an sterben.
⁴ Das vorliegende Abkommen kann im Verhältnis zu Nordirland unter Beachtung des in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels vorgeschriebenen Verfahrens gesondert beendet werden.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die vorgenannten Bevollmächtigten das vorliegende Abkommen unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
Gefertigt zu London, im Doppel, am 12. Juni 1956, in französischer und in engli­scher Urschrift, welche gleicherweise authentisch sind.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die Regierung
des Vereinigten Kö­nigreichs
von Grossbritannien und Nordirland:

Armin Daeniker

Selwyn Lloyd

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