1 – Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Volksschule
1 439.60-1 Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Volksschule vom 14.06.2007 (Stand 01.08.2009)
1 Zweck und Grundsätze der Vereinbarung
Art. 1
Zweck
1 Die Vereinbarungskantone harmonisieren die obligatorische Schule, indem sie a die Ziele des Unterrichts und die Schulstrukturen harmonisieren und b die Qualität und Durchlässigkeit des Schulsystems durch gemeinsame Steuerungsinstrumente entwickeln und sichern.
Art. 2
Grundsätze
1 Im Respekt vor den unterschiedlichen Kulturen in der mehrsprachigen Schweiz folgen die Vereinbarungskantone bei ihren Vorkehren zur Harmonisie rung dem Grundsatz der Subsidiarität.
2 Sie sind bestrebt, die schulischen Hindernisse für eine nationale und interna tionale Mobilität der Bevölkerung zu beseitigen.
2 Übergeordnete Ziele der obligatorischen Schule
Art. 3
Grundbildung
1 In der obligatorischen Schule erwerben und entwickeln alle Schülerinnen und Schüler grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen sowie kulturelle Identität, welche es ihnen erlauben, lebenslang zu lernen und ihren Platz in Gesellschaft und Berufsleben zu finden.
2 Während der obligatorischen Schule erwirbt jede Schülerin und jeder Schüler die Grundbildung, welche den Zugang zur Berufsbildung oder zu allgemein bil denden Schulen auf der Sekundarstufe II ermöglicht, insbesondere in den fol genden Bereichen: a Sprachen: eine umfassende Grundbildung in der lokalen Standardsprache (mündliche und schriftliche Sprachbeherrschung) und grundlegende Kom petenzen in einer zweiten Landessprache und mindestens einer weiteren Fremdsprache, * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
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439.60-1 2 b Mathematik und Naturwissenschaften: eine Grundbildung, welche zur An wendung von grundlegenden mathematischen Konzepten und Verfahren sowie zu Einsichten in naturwissenschaftliche und technische Zusam menhänge befähigt, c Sozial- und Geisteswissenschaften: eine Grundbildung, welche dazu be fähigt, die grundlegenden Zusammenhänge des sozialen und politischen Umfeldes sowie von Mensch und Umwelt zu kennen und zu verstehen, d Musik, Kunst und Gestaltung: eine auch praktische Grundbildung in ver schiedenen künstlerischen und gestalterischen Bereichen, ausgerichtet auf die Förderung von Kreativität, manuellem Geschick und ästhetischem Sinn sowie auf die Vermittlung von Kenntnissen in Kunst und Kultur, e Bewegung und Gesundheit: eine Bewegungs- und Gesundheitserziehung, ausgerichtet auf die Entwicklung von motorischen Fähigkeiten und körper licher Leistungsfähigkeit sowie auf die Förderung des physischen und psychischen Wohlbefindens.
3 Die Schülerinnen und Schüler werden in ihrer Entwicklung zu eigenständigen Persönlichkeiten, beim Erwerb sozialer Kompetenzen sowie auf dem Weg zu verantwortungsvollem Handeln gegenüber Mitmenschen und Umwelt unter stützt.
Art. 4
Sprachenunterricht
1 Die erste Fremdsprache wird, entsprechend der in Artikel 6 festgelegten Dau er der Schulstufen, spätestens ab dem 5. Schuljahr, die zweite Fremdsprache spätestens ab dem 7. Schuljahr unterrichtet. Eine der beiden Sprachen ist eine zweite Landessprache, deren Unterricht kulturelle Aspekte einschliesst; die andere Sprache ist Englisch. In beiden Fremdsprachen werden per Ende der obligatorischen Schule gleichwertige Kompetenzniveaus vorgegeben. Sofern die Kantone Graubünden und Tessin zusätzlich eine dritte Landessprache obli gatorisch unterrichten, können sie bezüglich der Festlegung der Schuljahre von der vorliegenden Bestimmung abweichen.
2 Während der obligatorischen Schule besteht ein bedarfsgerechtes Angebot an fakultativem Unterricht in einer dritten Landessprache.
3 Die Reihenfolge der unterrichteten Fremdsprachen wird regional koordiniert. Qualitäts- und Entwicklungsmerkmale sind in einer durch die EDK genehmig ten Gesamtstrategie festgelegt.
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4 Für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unterstützen die Kantone durch organisatorische Massnahmen die von den Herkunftsländern und den verschiedenen Sprachgemeinschaften unter Beachtung der religiösen und politischen Neutralität durchgeführten Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK-Kurse).
3 Strukturelle Eckwerte der obligatorischen Schule
Art. 5
Einschulung
1 Die Schülerinnen und Schüler werden mit dem vollendeten 4. Altersjahr ein geschult (Stichtag 31. Juli).
2 Während der ersten Schuljahre (Vorschul- und Primarunterricht) erwirbt das Kind schrittweise die Grundlagen der Sozialkompetenz und der schulischen Arbeitsweise. Es vervollständigt und konsolidiert insbesondere die sprachlichen Grundlagen. Die Zeit, die das Kind für das Durchlaufen der ersten Schuljahre benötigt, ist abhängig von seiner intellektuellen Entwicklung und emotionalen Reife; gegebenenfalls wird es durch besondere Massnahmen zusätzlich unter stützt.
Art. 6
Dauer der Schulstufen
1 Die Primarstufe, inklusive Vorschule oder Eingangsstufe, dauert acht Jahre.
2 Die Sekundarstufe I schliesst an die Primarstufe an und dauert in der Regel drei Jahre.
3 Die in den Absätzen 1 und 2 festgelegte Aufteilung der Schulstufen zwischen der Primar- und der Sekundarstufe I kann im Kanton Tessin um ein Jahr variie ren.
4 Der Übergang zur Sekundarstufe II erfolgt nach dem 11. Schuljahr. Der Über gang in die gymnasialen Maturitätsschulen erfolgt unter Berücksichtigung der Erlasse des Bundesrates und der EDK 1 ) , in der Regel nach dem 10. Schuljahr.
5 Die Zeit für das Durchlaufen der Schulstufen ist im Einzelfall abhängig von der individuellen Entwicklung der Schülerin oder des Schülers.
1) Derzeit die Verordnung des Bundesrates vom 15. Februar 1995 bzw. das Reglement der EDK vom 16. Januar 1995 über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR; BSG 439.181.2)
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4 Instrumente der Systementwicklung und Qualitätssicherung
Art. 7
Bildungsstandards
1 Zur gesamtschweizerischen Harmonisierung der Unterrichtsziele werden na tionale Bildungsstandards festgelegt.
2 Unterschieden wird zwischen folgenden zwei Arten von Bildungsstandards: a Leistungsstandards, die pro Fachbereich auf einem Referenzrahmen mit Kompetenzniveaus basieren, b Standards, welche Bildungsinhalte oder Bedingungen für die Umsetzung im Unterricht umschreiben.
3 Die nationalen Bildungsstandards werden unter der Verantwortung der EDK wissenschaftlich entwickelt und validiert. Sie unterliegen einer Vernehmlassung gemäss Artikel 3 des Konkordats über die Schulkoordination vom 29. Oktober
1970 1 ) .
4 Sie werden von der Plenarversammlung der EDK mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder verabschiedet, von denen mindestens drei einen nicht mehrheitlich deutschsprachigen Kanton vertreten. Die Revision erfolgt durch die Vereinbarungskantone in einem analogen Verfahren.
Art. 8
Lehrpläne, Lehrmittel und Evaluationsinstrumente
1 Die Harmonisierung der Lehrpläne und die Koordination der Lehrmittel erfol gen auf sprachregionaler Ebene.
2 Lehrpläne, Lehrmittel und Evaluationsinstrumente sowie Bildungsstandards werden aufeinander abgestimmt.
3 Die Kantone arbeiten im Rahmen des Vollzugs dieser Vereinbarung auf sprachregionaler Ebene zusammen. Sie können die hierfür erforderlichen Ein richtungen schaffen.
4 Die EDK und die Sprachregionen verständigen sich von Fall zu Fall über die Entwicklung von Referenztests auf Basis der Bildungsstandards.
Art. 9
Portfolios
1 Die Vereinbarungskantone sorgen dafür, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen und ihre Kompetenzen mittels der von der EDK empfohlenen natio nalen oder internationalen Portfolios dokumentieren können.
1) BSG 439.13-1
5 439.60-1
Art. 10
Bildungsmonitoring
1 In Anwendung von Artikel 4 des Konkordats über die Schulkoordination vom
29. Oktober 1970 beteiligen sich die Vereinbarungskantone zusammen mit dem Bund an einem systematischen und kontinuierlichen, wissenschaftlich ge stützten Monitoring über das gesamte schweizerische Bildungssystem.
2 Die Entwicklungen und Leistungen der obligatorischen Schule werden regel mässig im Rahmen dieses Bildungsmonitorings evaluiert. Ein Teil davon ist die Überprüfung der Erreichung der nationalen Bildungsstandards, namentlich durch Referenztests im Sinne von Artikel 8 Absatz 4.
5 Gestaltung des Schulalltags
Art. 11
Blockzeiten und Tagesstrukturen
1 Auf der Primarstufe wird der Unterricht vorzugsweise in Blockzeiten organi siert.
2 Es besteht ein bedarfsgerechtes Angebot für die Betreuung der Schülerinnen und Schüler ausserhalb der Unterrichtszeit (Tagesstrukturen). Die Nutzung die ses Angebots ist fakultativ und für die Erziehungsberechtigten grundsätzlich kostenpflichtig.
6 Schlussbestimmungen
Art. 12
Fristen
1 Die Vereinbarungskantone verpflichten sich, spätestens sechs Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung die strukturellen Eckwerte der obligatori schen Schule im Sinne von Titel III der vorliegenden Vereinbarung festzulegen und die Bildungsstandards im Sinne von Artikel 7 anzuwenden.
Art. 13
Beitritt
1 Der Beitritt zu dieser Vereinbarung wird dem Vorstand der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren gegenüber erklärt.
Art. 14
Austritt
1 Der Austritt aus der Vereinbarung muss dem Vorstand der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren gegenüber erklärt werden. Er tritt in Kraft auf Ende des dritten der Austrittserklärung folgenden Kalenderjah res.
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Art. 15
Ausserkraftsetzung von Artikel 2 des Schulkonkordats von 1970
1 Die Plenarversammlung der EDK entscheidet über den Zeitpunkt der Ausser kraftsetzung von Artikel 2 des Konkordats über die Schulkoordination vom 29. Oktober 1970.
Art. 16
Inkrafttreten
1 Der Vorstand der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdi rektoren setzt die Vereinbarung in Kraft, wenn ihr mindestens zehn Kantone beigetreten sind.
2 Das Inkrafttreten ist dem Bund zur Kenntnis zu geben.
Art. 17
Fürstentum Liechtenstein
1 Dieser Vereinbarung kann auch das Fürstentum Liechtenstein beitreten. Ihm stehen alle Rechte und Pflichten eines Vereinbarungskantons zu. Bern, 14. Juni 2007 Im Namen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren: Die Präsidentin: Isabelle Chassot Der Generalsekretär: Hans Ambühl
7 439.60-1 Änderungstabelle - nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung BAG-Fundstelle 14.06.2007 01.08.2009 Erlass Erstfassung 09-110
439.60-1 8 Änderungstabelle - nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung BAG-Fundstelle Erlass 14.06.2007 01.08.2009 Erstfassung 09-110
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