Tripartites Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat, der Regierung der Isl... (0.142.393)
CH - Schweizer Bundesrecht

Tripartites Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat, der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan und dem UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR)

Abgeschlossen in Genf am 5. Oktober 2006 In Kraft getreten am 5. Oktober 2006 (Stand am 5. Oktober 2006)
Der Schweizerische Bundesrat, die Regierung der Islamischen Republik Afghanistan und das UNHCR,
nachstehend «Vertragsparteien» genannt,
und haben daher Folgendes vereinbart:
¹ SR 0.103.2 ² SR 0.142.30 ³ SR 0.142.301
Art. 1 Gültigkeitsbereich
Dieses Abkommen bezieht sich auf jede Person, die nach afghanischem Recht als afghanische Staatsangehörige gilt und sich in der Schweiz aufhält, unabhängig von ihrer Rechtsstellung in diesem Zusammenhang.
Art. 2 Zielsetzungen
Die Vertragsparteien beabsichtigen mit diesem Abkommen, die Grundlage für ein eng koordiniertes, stufenweises und humanes Verfahren für die unterstützte Rückkehr afghanischer Staatsangehöriger, die sich in der Schweiz aufhalten, zu schaffen. In diesem Verfahren ist die freiwillige Rückkehr mit Vorrang zu behandeln; zudem ist den in Afghanistan bestehenden Rahmenbedingungen und dem Grundsatz einer sicheren, würdevollen und nachhaltigen Rückkehr Rechnung zu tragen.
Art. 3 Rückkehrmodalitäten
1.  Die afghanische Vertragspartei nimmt ihre Staatsangehörigen wieder zurück und wirkt bei der Feststellung der afghanischen Staatsangehörigkeit von Personen mit, deren Rückkehr unter das vorliegende Abkommen fällt. Die afghanische und die schweizerische Vertragspartei arbeiten in diesem Zusammenhang eng zusammen, auch um Fälle von Staatenlosigkeit zu vermeiden.
2.  Die Rückkehr kann – ausschliesslich gestützt auf Entscheide nach schweizerischem Landesrecht – als letztes Mittel auch Alternativen zur freiwilligen Rückkehr afghanischer Staatsangehöriger, welche die Schweiz zu verlassen haben, umfassen. Bevor jedoch derartige Alternativen in Betracht kommen, wird jede zumutbare Massnahme ergriffen, um weggewiesene afghanische Staatsangehörige zur Rückkehr zu bewegen.
Art. 4 Rückkehrverfahren
1.  Jede Rückkehr wird zwischen den schweizerischen Behörden und den konsularischen Vertretern der afghanischen Behörden koordiniert.
2.  Die schweizerischen Behörden teilen die Einzelheiten der Flüge und die Angaben zur Person afghanischer Staatsangehöriger, deren Staatsbürgerschaft festgestellt wurde, mindestens fünf Arbeitstage vor dem Datum ihrer Rückkehr mit.
Art. 5 Verpflichtungen bei der Rückkehr
Die afghanische Vertragspartei führt zusammen mit den anderen zuständigen Institutionen die notwendigen Massnahmen durch, um sicherzustellen, dass im Ausland lebende afghanische Staatsangehörige in ihr Land zurückkehren können, ohne Belästigungen, Einschüchterungen, Verfolgungen, Diskriminierungen, Strafverfolgungen oder sonstige Strafmassnamen aller Art befürchten zu müssen. Diese Sicherheitsmassnahmen schliessen das Recht der zuständigen Behörden Afghanistans auf Strafverfolgung von Einzelpersonen infolge von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäss Definition in internationalen Urkunden bzw. sehr ernsten allgemeinen Verbrechen mit Todesfolge oder Folge von schweren Körperverletzungen nicht aus.
Art. 6 Freiheit bei der Wahl des Zielortes
Die afghanische Vertragspartei erklärt sich damit einverstanden, dass es aus dem Ausland zurückkehrenden afghanischen Staatsangehörigen frei steht, sich an ihrem früheren Wohnort beziehungsweise an jedem anderen frei gewählten Ort in Afghanistan niederzulassen.
Art. 7 Rechtsstellung und Gleichwertigkeit
Die afghanische Vertragspartei erklärt sich damit einverstanden, den Personenstand von aus der Schweiz zurückkehrenden afghanischen Staatsangehörigen einschliesslich diesbezüglicher Veränderungen anzuerkennen. Dieses Einverständnis schliesst auch Geburten, Todesfälle, Adoptionen, Eheschliessungen und Scheidungen mit ein. Die afghanische Vertragspartei bemüht sich zudem um eine angemessene Anerkennung der Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Fähigkeitszeugnisse und Nachweise, die von afghanischen Staatsangehörigen während ihres Aufenthalts in der Schweiz erworben wurden.
Art. 8 Aufgabe des UNHCR
Die Aufgabe des UNHCR besteht darin, die Rückkehr afghanischer Staatsangehöriger zu unterstützen, zu erleichtern und zu überwachen und damit sicherzustellen, dass die Rückkehr in Übereinstimmung mit seinem Mandat und den Bestimmungen des vorliegenden Abkommens erfolgt. Das UNHCR wird in seiner Tätigkeit von den anderen beiden Vertragsparteien vollumfänglich respektiert. Zusätzlich zu seiner Tätigkeit in Afghanistan wird sich das UNHCR daher in Zusammenarbeit mit seinen Partnern mit der Informationsbeschaffung und Beratung in der Schweiz befassen.
Art. 9 Sensibilisierung
Die afghanische Vertragspartei wird sämtliche für die Sensibilisierung der Bevölkerung notwendigen Massnahmen vorsehen, um die Rahmenbedingungen für die sichere und würdevolle Wiedereingliederung der Rückkehrenden zu schaffen.
Art. 10 Erhaltung der Einheit der Familie
1.  In Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Einheit der Familie wird die schweizerische Vertragspartei – in Zusammenarbeit mit den anderen Vertragsparteien – in Fällen, in denen sämtliche Mitglieder einer aus afghanischen Staatsangehörigen bestehenden, den Bestimmungen des vorliegenden Abkommens unterstehenden Familie beschliessen, nach Afghanistan zurück­zukehren, alles in ihrer Macht Stehende vorkehren, um sicherzustellen, dass solche Familien gemeinsam zurückkehren und unfreiwillige Trennungen vermieden werden.
2.  Zur Erhaltung der Einheit der Familie haben Ehegatten und/oder Kinder zurückkehrender afghanischer Staatsangehöriger, die selbst nicht afghanische Staatsangehörige sind, das Recht, in Afghanistan einzureisen und dort zu verbleiben. Diese Zusage gilt auch für nicht afghanische Ehegatten und Kinder verstorbener afghanischer Staatsangehöriger, die nach Afghanistan einreisen und dort verbleiben möchten, um weiterhin in der Familien­gemeinschaft zu leben. In diesem Zusammenhang wird die afghanische Vertragspartei die Einreise und den Aufenthalt der genannten Personen im Rahmen der Bestimmungen des afghanischen Landesrechts über die Einreise und den Aufenthalt ausländischer Personen regeln und deren Einbürgerung wohlwollend behandeln. In diesem Zusammenhang benötigte Visa werden unverzüglich von der diplomatischen Vertretung Afghanistans in der Schweiz ausgestellt.
Art. 11 Besondere Massnahmen zum Schutz gefährdeter Gruppen
Die Vertragsparteien ergreifen besondere Massnahmen zur Sicherstellung eines angemessenen Schutzes sowie angemessener Hilfe und Betreuung gefährdeter Gruppen bei deren Rückkehr und Wiedereingliederung. Es werden insbesondere Massnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass unbegleitete Minderjährige nicht zurückgebracht werden, bevor die Suche nach Familienmitgliedern Erfolg hatte beziehungsweise bevor in Afghanistan spezifische und angemessene Massnahmen für ihren Empfang und ihre Betreuung umgesetzt wurden.
Art. 12 Internationaler Zugang vor und nach der Rückkehr
1.  Im Hinblick auf die wirkungsvolle Ausübung seiner internationalen Schutz- und Hilfsfunktionen sowie zur Erleichterung der Umsetzung des vorliegenden Abkommens hat das UNHCR im Rahmen der nationalen Gesetzgebung über den Datenschutz freien und ungehinderten Zugang zu sämtlichen afghanischen Staatsangehörigen in der Schweiz, die zu der Zielgruppe des vorliegenden Abkommens zählen. Dem UNHCR wird ebenfalls der freie und ungehinderte Zugang zu allen Rückkehrenden in ganz Afghanistan, einschliesslich in Flughäfen, gewährt; den afghanischen Staatsangehörigen wird freier und ungehinderter Zugang zum UNHCR gewährt.
2. Die afghanische Vertragspartei arbeitet auch im vollen Umfang mit den Mitarbeitenden des UNHCR zusammen, so dass diese darüber wachen können, dass die Rückkehrenden in Übereinstimmung mit den humanitären und menschenrechtlichen Standards behandelt werden und hierbei auch den Verpflichtungen nach dem vorliegenden Abkommen die gebührende Beachtung zuteil wird.
3.  In diesem Zusammenhang wird die afghanische Vertragspartei das UNHCR über sämtliche ausserordentlichen Fälle von Verhaftungen, Haft und Strafverfahren nach afghanischem Recht, welche Rückkehrende betreffen, informieren. Die afghanische Vertragspartei wird in diesen Fällen aussagekräftige juristische Unterlagen erstellen, die auf Ersuchen eingesehen werden können, und den Mitarbeitenden des UNHCR den sofortigen und ungehinderten Zugang zu den betroffenen Rückkehrenden gewähren.
4.  Der dem UNHCR im Rahmen dieses Artikels gewährte Zugang erstreckt sich gegebenenfalls auch auf Nichtregierungs- oder zwischenstaatliche Organisationen, mit denen das UNHCR nach Absprache mit den betreffenden Vertragsparteien Abkommen über die Umsetzung eines oder mehrerer Bestandteile des vom vorliegenden Abkommen geregelten Rückkehrprogramms eingehen kann.
Art. 13 Sichere Rückreise
Bei der Umsetzung des vorliegenden Abkommens liegt die Verantwortung für die Sicherheit der afghanischen Rückkehrenden bis zu ihrer Abreise von einem Ausreiseort bei der schweizerischen Vertragspartei. Die Verantwortung für die Sicherheit der Rückkehrenden und für ihre persönliche Habe während der Reise liegt bei dem Beförderungsunternehmen und gegebenenfalls bei der internationalen Organisation, welche die Reise durchführt. Die afghanische Partei zeichnet für die Sicherheit der genannten Personen im Hoheitsgebiet von Afghanistan verantwortlich.
Art. 14 Einreise und Zollformalitäten
1.  Zur Sicherstellung einer raschen Rückkehr afghanischer Staatsangehöriger samt ihrer Habe werden die afghanische und die schweizerische Vertragspartei ihre an den Grenzposten üblichen jeweiligen Einreise-, Zoll-, Gesundheits- und sonstigen Formalitäten für diese Personen vereinfachen und beschleunigen.
2.  Die persönliche Habe der Rückkehrenden einschliesslich Haushalts- und elektronischer Gegenstände, harter Währung und Nahrungsmittel wird von allen Zöllen, Gebühren und Abgaben freigestellt, falls für die betref­fende Habe im Rahmen der diesbezüglichen schweizerischen Gesetze und Vorschriften kein Exportverbot bzw. im Rahmen der diesbezüglichen afghanischen Gesetze und Vorschriften kein Importverbot besteht. Beide Vertragsparteien werden einander baldmöglichst nach Unterzeichnung des vorliegenden Abkommens Listen der betreffenden Gegenstände vorlegen.
Art. 15 Ankunft am Flughafen und Durchbeförderung
Die Vertragsparteien legen fest, dass für die Rückkehr aus der Schweiz nach Afghanistan das Flugzeug das angemessene Reisemittel ist und dass die Ankunft am Flughafen Kabul zu erfolgen hat. Das UNHCR sowie gegebenenfalls die für die Durchführung der Rückreise zuständige Organisation erhalten ungehinderten Zugang, um die Rückkehrenden am Flughafen zu empfangen. Die afghanische Vertragspartei wird mit der Unterstützung der anderen beiden Vertragsparteien sowie mit finanzieller Hilfe seitens der schweizerischen Vertragspartei sicherstellen, dass für Rückkehrende − namentlich gefährdete Gruppen − auf der Durchreise zu ihrem Bestimmungsort angemessene Empfangseinrichtungen bereitstehen, falls die Vertragsparteien dies für notwendig halten.
Art. 16 Rückkehrhilfe
1.  Die schweizerische Vertragspartei trägt die Kosten für die Rückreise sämtlicher afghanischen Staatsangehörigen, die zur Zielgruppe des vorliegenden Abkommens zählen, sowie für ihr Gepäck (im Allgemeinen 20 kg/Person). Zudem richtet sie ein pauschales Taschengeld in der Höhe von CHF 200 aus. Die Rückreisekosten werden normalerweise bis zum ersten Einreiseort übernommen. Bei gefährdeten Personen kann eine Übernahme bis zum Bestimmungsort in Afghanistan vorgesehen werden.
2.  Die schweizerische Vertragspartei gewährt den afghanischen Staatsangehörigen gemäss Artikel I des Anhangs eine individuelle Rückkehrhilfe, um ihre soziale und berufliche Wiedereingliederung zu fördern. Die Hilfe besteht aus einer pauschalen Starthilfe für den Neuanfang, einem Betrag für die Realisierung eines individuellen Projekts sowie nötigenfalls einer medizinischen Rückkehrhilfe.
Art. 17 Unterstützung bei der Wiedereingliederung
Um den Rückkehrenden den Wiederaufbau einer Existenz in Afghanistan zu erleichtern und den Hintergrund der breiter gespannten Wiederaufbau- und Sanierungsbedürfnisse des Landes zu berücksichtigen, wird die schweizerische Vertragspartei in Absprache mit den übrigen Vertragsparteien die Unterstützung von Rückkehr- und Wiedereingliederungsprojekten insbesondere zur Erlangung der Arbeitsmarktfähigkeit und für den Bau eines Hauses wohlwollend erwägen. Dies gilt auch für die Entwicklung von landesspezifischen Rückkehrprogrammen.
Art. 18 Datenschutz
1.  Falls zur Umsetzung des vorliegenden Abkommens persönliche Daten erfor­derlich sind, werden diese gemäss der nationalen Gesetzgebung zum Datenschutz bearbeitet und geschützt.
2.  Personendaten, die im Zusammenhang mit der Rückkehr von Personen über­mittelt werden, dürfen ausschliesslich folgende Angaben betreffen:
a) die Personalien der zu übergebenden Person sowie, falls erforderlich, diejenigen ihrer Familienangehörigen (Name, Vorname, gegebenenfalls frühere Namen, Beinamen oder Pseudonyme, Decknamen, Geburtsdatum und Geburtsort, Geschlecht, derzeitige und gegebenenfalls frühere Staatsange­hörigkeit/en);
b) Reisepass oder Identitätskarte;
c) weitere Einzelheiten, die für die Identifizierung der zu übergebenden Person erforderlich sind; sowie
d) Zwischenaufenthalte und Reisewege.
3.  Personendaten dürfen nur von den für die Durchführung dieses Abkommens zuständigen Behörden und ausschliesslich für die Zwecke dieses Abkommens übermittelt und bearbeitet werden. Die übermittelnde Vertragspartei muss sich vergewissern, dass die übermittelten Daten richtig, für den mit der Übermittlung verbundenen Zweck erforderlich und diesem angemessen sind. Sind die übermittelten Daten unrichtig oder war deren Übermittlung widerrechtlich, muss die empfangende Vertragspartei unverzüglich benachrichtigt werden; sie muss die betreffenden Daten entweder berichtigen oder vernichten. Personendaten dürfen nur mit dem schriftlichen Einverständnis der übermittelnden Vertragspartei an andere Behörden oder Dienste weitergeleitet werden. Die übermittelten Personendaten dürfen nur so lange aufbewahrt werden, wie es der Zweck, zu dem sie übermittelt wurden, erfordert.
4.  Jede Vertragspartei unterrichtet die andere Vertragspartei auf Antrag über die Verwendung der Daten und die dadurch erzielten Ergebnisse. Jede Person wird auf eigenes Verlangen über sämtliche sie betreffenden Daten sowie deren Bestimmung informiert.
5.  Jede Vertragspartei hat die Übermittlung und den Eingang von Personendaten schriftlich zu dokumentieren. Die Parteien haben übermittelte Personendaten wirksam gegen unerlaubten Zugriff, Veränderung oder Veröffentlichung zu schützen.
Art. 19 Umsetzung von Bestimmungen
1.  Am Tag der Unterzeichnung des vorliegenden Abkommens teilen die Vertragsparteien einander auf diplomatischem Weg die für die Umsetzung dieses Abkommens zuständigen Behörden mit. Zudem geben sie ihre für die Rückkehraktionen einschlägigen Adressen bekannt.
2.  Bei Änderungen von Absatz 1 dieses Artikels teilen die Vertragsparteien dies einander sogleich auf diplomatischem Weg mit.
3.  Verfahren zur Umsetzung des vorliegenden Abkommens, insbesondere betreffend:
a) die Kategorien betroffener Personen;
b) die Verfahren zur Identifikation und Bestätigung der Staatsangehörigkeit;
sind im Anhang zum vorliegenden Abkommen dargestellt. Dieser Anhang bildet integralen Bestandteil des Abkommens.
4.  Bei gegenseitigem, schriftlich festgehaltenem Einverständnis der zuständigen Behörden der Vertragsparteien kann der Anhang zum vorliegenden Abkommen geändert werden.
Art. 20 Koordinationsverfahren und Beilegung von Streitigkeiten
1.  Bei der Umsetzung des vorliegenden Abkommens verpflichten sich die Vertragsparteien zu gegenseitiger enger Kommunikation und Koordination. In diesem Zusammenhang pflegen sie einen regelmässigen Informationsaustausch, insbeson­dere zwischen den jeweiligen diplomatischen Missionen in der Schweiz und der Islamischen Republik Afghanistan sowie den UNHCR-Büros in jedem der beiden Staaten.
2.  Es steht den Vertragsparteien frei, einen Fachausschuss einzusetzen, um die Umsetzung des vorliegenden Abkommens zu überwachen und zu besprechen. Dieser Ausschuss wird auf Antrag einer der Vertragsparteien in Bern, Kabul oder Genf einberufen. Es steht dem Fachausschuss frei, Vertreter betroffener Organisationen als Berater zur Teilnahme an seinen Sitzungen einzuladen, falls er dies für nützlich und angemessen erachtet. Beschlüsse des Fachausschusses erfolgen im gegenseitigen Einverständnis der ernannten Vertreter bzw. von deren Stellvertretern.
3.  Sämtliche Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Auslegung oder Anwendung des vorliegenden Abkommens bzw. aufgrund fehlender ausdrücklicher Bestimmungen innerhalb desselben ergeben, werden einvernehmlich durch Beratung der Vertragsparteien gelöst. Die Vertragsparteien einigen sich insbesondere darauf, Fragen hinsichtlich einer möglichen Staatenlosigkeit so zu behandeln, dass letztere nach Möglichkeit vermieden werden kann, und nach Lösungen für die Betroffenen zu suchen, um Härtefälle zu vermeiden.
Art. 21 Unverminderte Gültigkeit anderer Abkommen
Das vorliegende Abkommen berührt oder beeinträchtigt die Gültigkeit sämtlicher bestehender bilateraler oder multilateraler Urkunden, Abkommen, Absprachen oder Kooperationsverfahren der Vertragsparteien nicht. Zudem beeinträchtigt es die Gültigkeit nationaler beziehungsweise internationaler Gesetze zur gegenseitigen rechtlichen Unterstützung in Kriminalfällen oder bei Auslieferungen nicht.
Art. 22 Gültigkeit
Das vorliegende Abkommen gilt auch für das Hoheitsgebiet des Fürstentums Liechtenstein.
Art. 23 Inkrafttreten
Das vorliegende Abkommen tritt am Tag seiner Unterzeichnung durch die Vertrags-parteien in Kraft.
Art. 24 Änderungen
Änderungen des vorliegenden Abkommens bedürfen des schriftlichen Einverständnisses beider Vertragsparteien.
Art. 25 Suspendierung
Jede Vertragspartei kann nach Absprache mit den anderen Vertragsparteien die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Sicherheit vollständig oder teilweise suspendieren. Die Suspension ist den anderen Vertragsparteien unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Sie tritt zehn Tage nach dem Datum der betreffenden Mitteilung in Kraft.
Art. 26 Kündigung
Jede der Vertragsparteien kann das vorliegende Abkommen jederzeit durch schrift­liche Mitteilung an die anderen Vertragsparteien kündigen. In diesem Fall ist das Abkommen 30 Tage nach Eingang der betreffenden Kündigung nicht mehr gültig.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig Bevollmächtigten der Vertragsparteien dieses Abkommen unterzeichnet.
Geschehen zu Genf, am 5. Oktober 2006, in drei Urschriften in Englisch, Dari und Deutsch. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung dieses Abkommens ist der englische Wortlaut massgebend.

Für den Schweizerischen Bundesrat:

Blaise Godet

Für die Regierung der Islamischen Republik Afghanistan:

Assad Omar

Für das UN-Flüchtlingshochkommissariat:

Jacques Mouchet

Anhang

Zu Art. 19 Abs. 3 Bst. a des Abkommens
Art. I Betroffene Personen-Kategorien
1.  Afghanische Staatsangehörige mit Flüchtlingsstatus, mit vorläufiger Aufnahme oder mit einem laufenden Asylverfahren sowie aus der Schweiz weggewiesene afghanische Staatsangehörige können freiwillig zurückkehren und einen Antrag auf Rückkehrhilfe gemäss dem vorliegenden Abkommen stellen, falls sie die Grundsätze und Vorschriften der schweizerischen Gesetzgebung beachten.
2.  Gegenüber weggewiesenen afghanischen Staatsangehörigen können Alternativen zur freiwilligen Rückkehr zur Anwendung kommen, falls die Frist zum freiwilligen Verlassen der Schweiz abgelaufen ist. Hierzu ist ein Entscheid nach schweizerischem Gesetz notwendig. Bevor derartige Alternativen jedoch in Betracht kommen, wird jede zumutbare Massnahme ergriffen, um weggewiesene afghanische Staatsangehörige zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen.
Zu Art. 19 Abs. 3 Bst. b des Abkommens
Art. II Nachweis der Staatsangehörigkeit
1.  Liegen keine gültigen Reisedokumente vor, wird die zurückzuführende Person als afghanische Staatsangehörige identifiziert und mit einem Reiseersatzdokument ausgestattet, falls eines der Dokumente bzw. einer der sonstigen Nachweise gemäss Absatz 2 dieses Artikels vorliegt.
2.  Die afghanische Staatsangehörigkeit lässt sich durch Vorlage folgender Dokumente nachweisen:
a) abgelaufene Pässe aller Art (nationale Pässe oder Ersatzpässe);
b) Identitätskarten;
c) offizielle Dokumente mit Angabe der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person;
d) eindeutige Angaben der zuständigen Behörden;
e) sonstige von der afghanischen Botschaft bzw. Konsularbehörden anerkannte Dokumente, aus denen sich die Staatsangehörigkeit der betreffenden Person ableiten lässt.
3.  Werden eines oder mehrere der in Absatz 2 genannten Dokumente eingereicht, haben die afghanischen Behörden die Staatangehörigkeit der betreffenden Person ohne weitere Prüfung anzuerkennen. Die Diplomaten bzw. Konsularbeamten der afghanischen Vertragspartei stellen nach Möglichkeit innerhalb von zehn (10) Arbeitstagen ein Reiseersatzdokument mit einer Gültigkeit von dreissig (30) Tagen aus.
Art. III Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit
1.  Die afghanische Staatsangehörigkeit wird insbesondere durch Vorlage folgender Dokumente glaubhaft gemacht:
a) Fotokopien der in Artikel II genannten Dokumente;
b) Fahrausweise;
c) Mitarbeiterausweise;
d) Geburtsurkunden:
e) Zeugenaussagen;
f) Aussagen der betroffenen Person selbst;
g) von der betroffenen Person gesprochene Sprache – allerdings gilt die Fähigkeit, eine der in Afghanistan im Gebrauch stehenden Sprachen zu sprechen, nicht automatisch als Nachweis der Staatsangehörigkeit der betroffenen Person;
h) sämtliche sonstigen Unterlagen (z.B. Fingerabdrücke), welche zur Feststellung der Staatsangehörigkeit der betroffenen Person beitragen können;
i) Lingua.
2.  In Fällen nach Absatz 1 dieses Artikels gilt die afghanische Staatsangehörigkeit als belegt, sofern die afghanischen Behörden nicht das Gegenteil bewiesen haben. Die Diplomaten bzw. Konsularbeamten der afghanischen Vertragspartei stellen nach Möglichkeit innerhalb von zehn (10) Arbeitstagen ein Reiseersatzdokument mit einer Gültigkeit von dreissig (30) Tagen aus.
Art. IV Besonderes Identifikationsverfahren
Falls die notwendigen Unterlagen bzw. andere Belege zur Bestimmung der Staatsangehörigkeit der betroffenen Person nicht beschafft werden können, man aber anhand von Indizien von der Staatsangehörigkeit ausgehen kann, dürfen die schweizerischen Behörden gegebenenfalls die Diplomaten und Konsularbeamten der afghanischen Vertragspartei um Hilfe bei der Bestimmung der Staatsangehörigkeit dieser Person ersuchen. Folgendes Identifikationsverfahren ist anzuwenden:
a) Die betroffene Person ist möglichst rasch zu befragen. Vorzugsweise soll die Befragung nicht später als zwanzig (20) Tage nach Eingang der entsprechenden Anfrage stattfinden.
b) Das Interview kann an jedem beliebigen dafür geeigneten Ort durchgeführt werden.
c) Das Ergebnis des Interviews wird den schweizerischen Behörden möglichst rasch mitgeteilt, vorzugsweise nicht später als fünfzehn (15) Tage nach dem Interview.
d) Stellt sich die vermutete Staatsangehörigkeit als zutreffend heraus, stellen die Diplomaten bzw. Konsularbeamten der afghanischen Vertragspartei nach Möglichkeit innerhalb von zehn (10) Arbeitstagen ein Reiseersatzdokument mit einer Gültigkeit von dreissig (30) Tagen aus.
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