Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Ve... (0.975.278.5)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Venezuela über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

Abgeschlossen am 18. November 1993 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 30. November 1994 (Stand am 30. November 1994) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes.
Präambel
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Republik Venezuela,
im folgenden «Vertragsparteien» genannt,
vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zum beiderseitigen Nutzen zu verstärken,
im Bestreben, günstige Bedingungen für Investitionen von Investoren der einen Vertragspartei auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei sicherzustellen, insbesondere durch eine gerechte und billige Behandlung dieser Investitionen,
in der Erkenntnis, dass Förderung und Schutz von Investitionen zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes in beiden Staaten beitragen,
haben folgendes vereinbart:
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Abkommens:
(1)  bezieht sich der Begriff «Investor» hinsichtlich jedweder Vertragspartei auf
(a) natürliche Personen, die gemäss der Gesetzgebung der betreffenden Ver­tragspartei als ihre Staatsangehörigen betrachtet werden;
(b) juristische Personen, einschliesslich Gesellschaften, Körperschaften, Rechts­gemeinschaften und andere Organisationen, die nach dem Rechte der betreffenden Vertragspartei konstituiert oder sonst wie rechtmässig organi­siert sind;
(c) juristische Personen, die nicht nach dem Recht dieser Vertragspartei gegrün­det sind, jedoch von Staatsangehörigen gemäss Buchstabe (a) dieses Absat­zes oder von juristischen Personen gemäss Buchstabe (b) dieses Absatzes tatsächlich kontrolliert werden;
(2)  umfasst der Begriff «Investitionen» alle Arten von Vermögenswerten und Gut­haben, namentlich, aber nicht ausschliesslich
(a) bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche dinglichen Rechte;
(b) Aktien, Anteile und andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften;
(c) vertragliche Forderungen auf Geld oder auf irgendwelche Leistungen;
(d) geistige Eigentumsrechte, technische Verfahren, «Know-how» und «Good­will»;
(e) öffentlich-rechtliche Konzessionen sowie sämtliche anderen Rechte, die unter öffentlichem Recht verliehen werden;
(3)  umfasst der Begriff «Hoheitsgebiet» das Gebiet der jeweiligen Vertragspartei einschliesslich der an den Anrainerstaat angrenzenden Seezonen, über die er souve­räne Rechte oder Gerichtsbarkeit gemäss Völkerrecht ausüben kann.
Art. 2 Anwendungsbereich
Dieses Abkommen ist anwendbar auf Investitionen im Hoheitsgebiet einer Vertrags­partei, die in Übereinstimmung mit deren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften von Investoren der anderen Vertragspartei vor oder nach dem Inkrafttreten dieses Abkommens getätigt wurden. Es wird indessen nicht angewendet auf Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, deren Ursache in die Zeit vor seinem Inkrafttreten fällt.
Art. 3 Förderung, Zulassung
(1)  Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Hoheitsgebiet nach Möglichkeit Investitio­nen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Über­einstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zu.
(2)  Jede Vertragspartei erleichtert in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übri­gen Rechtsvorschriften die Erteilung der im Zusammenhang mit diesen Investitionen erforderlichen Bewilligungen, einschliesslich solcher für die Durchführung von Lizenzverträgen über technische, kommerzielle oder administrative Unterstützung sowie für die Tätigkeit von Beratern und anderen qualifizierten Personen fremder Staats­angehörigkeit.
Art. 4 Schutz, Behandlung
(1)  Jede Vertragspartei sorgt in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Regeln und Prinzipien für eine gerechte und billige Behandlung sowie vollen Schutz und Sicherheit von Investitionen, die auf seinem Hoheitsgebiet von Investoren der ande­ren Vertragspartei getätigt werden; keine Vertragspartei behindert durch ungerecht­fertigte oder diskriminierende Massnahmen die Verwaltung, die Durchführung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutzung, die Erweiterung, die Veräusserung oder die Liquidation solcher Investitionen.
(2)  Die Behandlung, die jede Vertragspartei den Investitionen auf ihrem Hoheits­gebiet von Investoren der anderen Vertragspartei oder den Investoren selbst bezüglich dessen, was sich auf deren Investitionen bezieht, gewährt, soll nicht weniger günstig sein als jene, welche den Investitionen ihrer eigenen Investoren oder solcher irgend­eines Drittstaates oder den betreffenden Investoren selbst hinsichtlich ihrer Investi­tionen gewährt wird.
(3)  Gewährt eine Vertragspartei den Investoren eines Drittstaates besondere Vorteile aufgrund eines Abkommens zur Gründung einer Freihandelszone, einer Zollunion oder eines gemeinsamen Marktes oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkom­mens, so ist sie nicht gehalten, solche Vorteile den Investoren der anderen Vertrags­partei einzuräumen.
Art. 5 Freier Transfer
Jede Vertragspartei gestattet den Investoren der anderen Vertragspartei den unver­züglichen Transfer in einer frei konvertierbaren Währung von Beträgen im Zusam­menhang mit einer Investition, insbesondere von
(a) Gewinnen, Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und anderen Erträgen aus einer Investition;
(b) Beträgen, die für die Rückzahlung von Anleihen oder anderen Verpflichtun­gen oder für die Zahlung von Lizenzgebühren oder für jede andere Zahlung im Zusammenhang mit geistigen Eigentumsrechten oder ähnlichen Rechten erforderlich sind;
(c) Beträgen, die für den Ankauf von Gütern und Dienstleistungen für den Unterhalt, die Durchführung oder die Erweiterung der Investition erforder­lich sind;
(d) Erlösen aus dem Verkauf oder der teilweisen oder vollständigen Liquidation einer Investition;
(e) sämtlichen erhaltenen Entschädigungszahlungen.
Art. 6 Enteignung
Keine Vertragspartei darf direkt oder indirekt Enteignungs- oder Verstaatlichungs­massnahmen oder irgendwelche andere Massnahmen derselben Art oder Wirkung gegenüber Investitionen treffen, die Investoren der anderen Vertragspartei gehören, es sei denn, solche Massnahmen erfolgten im öffentlichen Interesse, seien nicht dis­kriminierend und entsprächen den gesetzlichen Vorschriften und vorausgesetzt, dass eine wertentsprechende und tatsächlich verwertbare Entschädigung vorgesehen ist. Die Entschädigung hat dem Marktwert vor der Enteignung oder vor dem öffent­lichen Bekanntwerden der Enteignung, je nachdem welcher Fall früher eingetreten ist, zu entsprechen, hat die Zinsen vom Zeitpunkt der Entschädigung an einzu­schlies­sen, ist dem Berechtigten in einer frei konvertierbaren Währung ohne Verzögerung auszuzahlen und hat frei transferierbar zu sein.
Art. 7 Entschädigung für Verluste
Der Investor einer Vertragspartei, dessen Investitionen auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, einer Revolution, eines Ausnahmezustandes, einer Rebellion, eines Auf­stands oder ziviler Unruhen auf dem Hoheitsgebiet der letzteren Vertragspartei Schaden genommen haben, hat Anspruch auf eine nicht weniger günstige Behand­lung als jene, welche unter den gleichen Umständen einem Investor der letzteren Vertragspartei oder irgendeines Drittstaates hinsichtlich Rückerstattung, Entschädi­gung, Abfindung oder anderer Entgelte gewährt wird.
Art. 8 Subrogationsprinzip
Hat eine Vertragspartei oder eine durch diese Vertragspartei ordnungsgemäss bevollmächtigte, öffentliche oder private juristische Person aufgrund einer Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken an einen ihrer Investoren für eine Investition, die auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei getätigt wurde, eine Zahlung geleistet, so anerkennt letztere Vertragspartei die Subrogation der ersteren Vertrags­partei oder deren ordnungsgemäss bevollmächtigte juristische Person in sämtliche Rechte des Investors aus dem vorliegenden Abkommen.
Art. 9 Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei
(1)  Zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei finden Beratungen zwischen den betrof­fenen Parteien statt.
(2)  Führen diese Beratungen innerhalb von sechs Monaten seit der Aufforderung solche aufzunehmen nicht zu einer Lösung, so kann der Investor die Meinungsver­schiedenheit der Schiedsgerichtsbarkeit des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) unterbreiten, welches unter dem am 18. März 1965² zur Unterzeichnung aufgelegten Washingtoner Übereinkommen zur Bei­legung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten errichtet wurde.
(3)  Stimmen beide an der Meinungsverschiedenheit beteiligten Parteien zu, so kann die Meinungsverschiedenheit anstelle des ICSID einem Ad-hoc-Schiedsgericht unterbreitet werden, welches, vorbehältlich anderweitiger Vereinbarung durch die an der Meinungsverschiedenheit beteiligten Parteien, nach den Schiedsregeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) gebildet wird. Eine solche Schiedsgerichtsbarkeit findet in jedem Fall statt, wenn diejenige des ICSID nicht möglich ist.
(4)  Der Schiedsentscheid beschränkt sich darauf festzustellen, ob die Vertragspartei eine Pflicht aus diesem Abkommen verletzt hat, ob dem Investor daraus ein Schaden entstanden ist und bestimmt, falls dies der Fall ist, den von der Vertragspartei dem Investor geschuldeten Entschädigungsbetrag.
(5)  Beide Vertragsparteien erklären hiermit ihre Zustimmung, jede Meinungsver­schiedenheit über eine Investition der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gemäss den Bestimmungen dieses Artikels zu unterwerfen.
(6)  Die am Streit beteiligte Vertragspartei kann sich in keiner Phase des Streitbei­legungsverfahrens auf ihre Immunität berufen oder den Einwand erheben, der Inves­tor habe aufgrund eines Versicherungsvertrages eine Entschädigung für einen Teil oder die Gesamtheit des entstandenen Verlustes oder Schadens erhalten.
(7)  Der Schiedsspruch ist für die am Streitfall beteiligten Parteien endgültig und bindend.
² SR 0.975.2
Art. 10 Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien
(1)  Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Aus­legung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind auf diplomatischem Wege beizulegen.
(2)  Falls sich die beiden Vertragsparteien nicht innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung der Meinungsverschiedenheit verständigen können, ist sie auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter; diese beiden Schiedsrichter ernennen einen Angehörigen eines Drittstaates zum Vorsitzenden.
(3)  Falls eine Vertragspartei ihren Schiedsrichter nicht bezeichnet und, obwohl von der anderen Vertragspartei dazu aufgefordert, dieser Aufforderung nicht innerhalb von zwei Monaten nachkommt, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen der letzte­ren Vertragspartei vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(4)  Können sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bezeichnung auf die Wahl des Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Ver­langen einer der beiden Vertragsparteien vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(5)  Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den in Absatz (3) und Absatz (4) erwähnten Fällen an seiner Mandatsausübung verhindert, oder ist er Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen vom Vizepräsidenten vorgenommen. Ist auch dieser verhindert oder Staatsangehö­riger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen durch das amts­älteste Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist.
(6)  Sofern die Vertragsparteien nichts anderes bestimmen, regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selber.
(7)  Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.
Art. 11 Andere Verpflichtungen
(1)  Sofern rechtliche Vorschriften einer Vertragspartei oder Verpflichtungen des internationalen Rechts Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei eine günstigere Behandlung zuerkennen, als jene, die in diesem Abkommen vorgesehen ist, so gehen solche Bestimmungen oder Verpflichtungen, soweit sie günstiger sind, diesem Abkommen vor.
(2)  Jede Vertragspartei erfüllt alle Verpflichtungen, die sie hinsichtlich Investitionen durch Investoren der anderen Vertragspartei eingegangen ist.
Art. 12 Inkrafttreten und Dauer
(1)  Die Vertragsparteien teilen sich mit, wenn die rechtlichen Vorschriften für das Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens erfüllt sind. Das Abkommen tritt am Tag der Mitteilung der zweiten Vertragspartei in Kraft.
(2)  Das vorliegende Abkommen bleibt für die Dauer von zehn Jahren in Kraft; danach gilt es auf unbestimmte Zeit. Jede Vertragspartei kann das vorliegende Abkommen nach Ablauf der ursprünglichen Dauer oder zu jedem späteren Zeitpunkt durch schriftliche Anzeige mindestens ein Jahr im voraus kündigen.
(3)  Im Falle der Kündigung dieses Abkommens werden seine Bestimmungen auf Investitionen, die vor seiner Kündigung getätigt wurden, noch während der Dauer von zehn Jahren angewandt.
Geschehen zu Caracas, am 18. November 1993, im Doppel je in Französisch, Spa­nisch und Englisch, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist. Im Falle von Abweichungen wird auf den englischen Text Bezug genommen.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Ernst Iten

Für die
Regierung der Republik Venezuela:

Fernando Gerbasi

Markierungen
Leseansicht