Informationsreglement der Staatsanwaltschaft
1 162.711.2 Informationsreglement der Staatsanwaltschaft (IR StAw) vom 15.10.2010 (Stand 01.01.2011) Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, gestützt auf Artikel 12 des Gesetzes vom 11. Juni 2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG) 1 ) , beschliesst:
Art. 1
Geltungsbereich
1 Dieses Reglement gilt für den Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgungsbe hörden des Kantons (Staatsanwaltschaft und Kantonspolizei) bei der Informati on der Öffentlichkeit im Vorverfahren gemäss Artikel 299 Absatz 1 der Schwei zerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) 2 )
2 Es gilt im jugendrechtlichen Straf- und Massnahmenvollzug der Jugendan waltschaft sinngemäss (Art. 42 der Schweizerischen Jugendstrafprozessord nung vom 20. März 2009 [Jugendstrafprozessordnung, JStPO] 3 ) , Art. 87 ff. des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung vom 11. Juni 2009 [EG ZSJ] 4 ) ).
Art. 2
Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Vorverfahrens
1 Die Strafverfolgungsbehörden tragen bei der Information der Öffentlichkeit der Tatsache Rechnung, dass das polizeiliche Ermittlungsverfahren und die staats anwaltliche Untersuchung grundsätzlich nicht öffentlich sind.
2 Die Information über laufende Vorverfahren erfolgt in Abwägung der Interes sen einer effizienten Strafverfolgung, der Interessen der durch das Verfahren betroffenen Privatpersonen und des Informationsbedürfnisses der Öffentlich keit.
1) BSG 161.1
2) SR 312.0
3) SR 312.1
4) BSG 271.1 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
10-90
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Art. 3
Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Vorverfah rens
1 Die Strafverfolgungsbehörden können in Anwendung von Artikel 74 Absatz 1 StPO und Artikel 14 JStPO insbesondere in folgenden Fällen vom Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Vorverfahrens abweichen: a zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten, indem die Öffentlichkeit 1. vor kriminellen Personen und Vorgehensweisen gewarnt wird, 2. auf die Folgen unvorsichtigen Verhaltens aufmerksam gemacht wird, 3. bei gefährlichen Situationen beruhigt wird, 4. zur Mithilfe bei der Aufklärung von Straftaten aufgerufen wird, 5. mit dem Ziel, Straftaten vorzubeugen, auf den staatlichen Strafverfol gungswillen aufmerksam gemacht wird, 6. durch Bekanntmachung wichtiger Fahndungserfolge über die Wirk samkeit staatlicher Verbrechensbekämpfung in Kenntnis gesetzt wird; b zur Verhinderung oder Berichtigung von Fehlinformationen, wenn 1. Medienbeiträge Angaben enthalten, die in wesentlichen Punkten un wahr oder irreführend sind, 2. die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von Gerüchten oder Indiskre tionen haben und sich veranlasst sehen, unwahrer oder tendenziöser Information vorzubeugen; c bei überwiegendem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, wenn 1. Personen des öffentlichen Lebens im Verdacht stehen, strafbare Handlungen begangen zu haben, die mit ihrer Stellung und Verant wortung unvereinbar sind, 2. das Verfahren Straftaten betrifft, welche die staatlichen Institutionen und ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen, 3. die Ermittlungen oder das sie auslösende Ereignis bereits öffentlich bekannt sind oder die Veröffentlichung unmittelbar bevorsteht, 4. ein Verfahren abgeschlossen wird, über das die Medien früher be reits eingehend berichtet hatten.
Art. 4
Zuständigkeit
1 Die Zuständigkeit zur Information der Öffentlichkeit liegt gemäss Artikel 74 Ab satz 1 StPO bei der Staatsanwaltschaft; die Generalstaatsanwaltschaft setzt dafür eine speziell ausgebildete Staatsanwältin oder einen speziell ausgebilde ten Staatsanwalt als Informationsbeauftragte oder Informationsbeauftragten ein.
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2 Die Generalstaatsanwaltschaft sorgt für eine ausreichende Stellvertretung und die Berücksichtigung der französischen Sprache.
3 Nach Ermächtigung durch die Generalstaatsanwaltschaft kann die oder der Informationsbeauftragte der fallführenden Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Orientierung der Öffentlichkeit allgemein oder in einem konkreten Strafverfah ren Weisungen erteilen. Sie oder er sorgt zudem für eine einheitliche Informati onspraxis der Strafverfolgungsbehörden im Kanton.
4 Sie oder er ist für die übrigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und die Kantonspolizei zentrale Anlaufstelle in Fragen der Öffentlichkeitsinformation. Wenn sie oder er nicht selbst informiert, berät sie oder er die fallführende Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei bezüglich sachgerechter Auskünfte an Medien und Dritte.
5 Die Kantonspolizei kann im Rahmen von Artikel 74 Absatz 2 StPO von sich aus informieren. Zudem informiert die Kantonspolizei von sich aus in den Fäl len von Artikel 25 Absatz 1 des Gesetzes über die Information der Bevölkerung vom 2. November 1993 (Informationsgesetz, IG) 1 ) sowie wenn a die Öffentlichkeit im Allgemeinen auf kriminelle Vorgehensweisen auf merksam gemacht werden soll (Enkeltricks, saisonale Einbruchserien usw.), b ihr die Kompetenz für die Erstinformation oder für die Information während eines laufenden Verfahrens von der Staatsanwaltschaft gemäss Artikel 74 Absatz 1 StPO delegiert wurde, wobei die Delegation durch die Staatsan waltschaft mit genereller Weisung oder einer Weisung im Einzelfall erfolgt.
Art. 5
Umfang und Inhalt der Information
1 Die Staatsanwaltschaft beachtet den Grundsatz der Unschuldsvermutung und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Sie vermeidet bei ihrer Information Vorverurteilungen und Prognosen über den weiteren Verlauf des Verfahrens, äussert keine Mutmassungen und fällt keine Werturteile.
2 Die Identität der beschuldigten Person und Informationen, die deren Identifi zierung erlauben, dürfen grundsätzlich nicht veröffentlicht werden. Dies gilt auch für andere vom Verfahren betroffene Personen wie Zeuginnen und Zeu gen, Geschädigte, Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber, Finanzinstitute, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.
1) BSG 107.1
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3 Die Identität der beschuldigten Person und anderer vom Verfahren betroffener Personen sowie Informationen, die deren Identifizierung erlauben, dürfen in Er gänzung der in Artikel 74 Absatz 4 StPO für das Opfer genannten Fälle nur preisgegeben werden, wenn a ein konkreter Verdacht besteht, dass Personen des öffentlichen Lebens schwere Straftaten verübt haben, b irrtümlich verdächtigte Personen entlastet werden können, c bereits veröffentlichte Berichte richtiggestellt werden müssen, d Aufrufe zur Fahndung nach Personen erfolgen müssen, e die Identität der betroffenen Person bereits allgemein bekannt ist.
Art. 6
Besondere Fälle
1 Bei Suiziden und anderen aussergewöhnlichen Todesfällen wird die Öffent lichkeit grundsätzlich nicht orientiert. Bei Medienanfragen werden die Ereignis se bestätigt und nicht kommentiert. Eine Information erfolgt, wenn sich diese aufgrund besonderer Umstände aufdrängt, beispielsweise zur Vermeidung oder Beseitigung von Gerüchten oder Falschmeldungen oder bei Personen des öffentlichen Lebens.
2 Eine aktive Information unterbleibt zudem grundsätzlich in Fällen von a anonymen oder pseudonymen Drohungen und Entführungen (Geiselnah men) oder b versuchten oder vollendeten Erpressungen oder Nötigungen unter An wendung eines der oben erwähnten Mittel.
3 Eine aktive Information in den unter Absatz 2 genannten Fällen erfolgt aus nahmsweise, wenn a sich diese aufgrund besonderer Umstände aufdrängt, beispielsweise zur Vermeidung oder Beseitigung von Gerüchten oder Falschmeldungen, b sie aus polizei- oder untersuchungstaktischen Gründen erforderlich ist, c der Fall in der breiten Öffentlichkeit bereits wahrgenommen worden ist, d sie der Schadensbegrenzung dient.
Art. 7
Form der Information
1 Die Staatsanwaltschaft informiert in der Regel schriftlich.
2 Die Auskunftserteilungen werden in den Akten festgehalten.
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Art. 8
Zeitpunkt der Information
1 Der Zeitpunkt der Orientierung richtet sich nach dem Stand der Ermittlungen und dem tatsächlich vorhandenen öffentlichen Interesse. In schweren Fällen, von denen die Öffentlichkeit Kenntnis hat, oder in besonders aufsehenerregen den Fällen erfolgt möglichst rasch eine rein darstellende Erstinformation.
2 Nach Massgabe des öffentlichen Interesses und des Fortschritts der Ermitt lungen kann in diesen Fällen später eine weiterführende Orientierung erfolgen.
3 Bei der Wahl des Zeitpunkts der Information sind die Interessen von Geschä digten und Beschuldigten angemessen zu berücksichtigen. Sofern es der Un tersuchungszweck zulässt, werden die für die Medien bestimmten Texte den Parteivertreterinnen und Parteivertretern vorab mitgeteilt.
1 Die Information der Öffentlichkeit wird durch die Staatsanwaltschaft wenn
2 Die fallführende Staatsanwaltschaft orientiert die Informationsbeauftragte oder den Informationsbeauftragten frühzeitig und unaufgefordert über alle Fälle von öffentlichem Interesse im Sinne von Artikel 74 StPO.
3 Die oder der Informationsbeauftragte setzt sich zur Planung rechtzeitig mit der fallführenden Staatsanwaltschaft und der Kantonspolizei in Verbindung. Diese unterstützen die Informationsbeauftragte oder den Informationsbeauf tragten bei ihrer oder seiner Tätigkeit, gewährleisten uneingeschränkte Akten einsicht und erteilen auf Fragen vollumfänglich Auskunft.
Art. 10
Koordination
1 Die Staatsanwaltschaft stützt sich bei der Information der Öffentlichkeit auf den Mediendienst der Kantonspolizei Bern.
2 Mitbeteiligte Stellen sind in die Kommunikation einzubeziehen.
Art. 11
Rechtshilfe
1 Die Informationshoheit betreffend Rechtshilfeverfahren liegt grundsätzlich bei der ersuchenden Behörde.
2 Die ersuchte Behörde beschränkt ihre Informationen auf summarische Aus künfte über den Sachverhalt, das Ersuchen und den Stand des Verfahrens. Sie nimmt vor der Auskunftserteilung Rücksprache mit der ersuchenden Behörde.
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Art. 12
Inkrafttreten und Publikation
1 Dieses Reglement tritt am 1. Januar 2011 in Kraft.
2 Es wird in die Bernische Gesetzessammlung aufgenommen. Bern, 15. Oktober 2010 Im Namen der Generalstaatsanwaltschaft Der Generalstaatsanwalt: Grädel
7 162.711.2 Änderungstabelle - nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung BAG-Fundstelle 15.10.2010 01.01.2011 Erlass Erstfassung 10-90
162.711.2 8 Änderungstabelle - nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung BAG-Fundstelle Erlass 15.10.2010 01.01.2011 Erstfassung 10-90
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