Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Be... (0.975.216.9)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Belarus über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

Abgeschlossen am 28. Mai 1993 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 13. Juli 1994 (Stand am 13. Juli 1994) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes.
Präambel
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Republik Belarus,
in der Folge als «Vertragsparteien» bezeichnet,
vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zum beiderseitigen Nutzen zu verstärken,
im Bestreben, günstige Bedingungen für Investitionen von Investoren der einen Vertragspartei auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu schaffen und zu erhalten,
in der Erkenntnis, dass Förderung und Schutz von Investitionen zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes in beiden Staaten beitragen,
haben folgendes vereinbart:
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Abkommens:
(1)  bezieht sich der Begriff «Investor» hinsichtlich beider Vertragsparteien auf
(a) natürliche Personen, die gemäss der Gesetzgebung der betreffenden Ver­tragspartei deren Staatsangehörige sind;
(b) juristische Personen, einschliesslich Gesellschaften, Körperschaften, Rechts­gemeinschaften und andere Unternehmen und Organisationen, die nach dem Rechte der betreffenden Vertragspartei konstituiert oder sonst wie recht­mä­s­sig organisiert sind und ihren Sitz im Hoheitsgebiet derselben Vertragspar­tei haben und dort tatsächlich wirtschaftliche Tätigkeiten entfalten;
(c) juristische Personen, die nach dem Recht eines beliebigen Staates gegründet sind und von Staatsangehörigen der betreffenden Vertragspartei oder von juristischen Personen, welche ihren Sitz im Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragspartei haben und dort tatsächlich wirtschaftliche Tätigkeiten entfal­ten, tatsächlich kontrolliert werden.
(2)  umfasst der Begriff «Investitionen» alle Arten von Vermögenswerten, insbeson­dere
(a) bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche dinglichen Rechte;
(b) Aktien, Anteile und andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften oder anderen juristischen Personen;
(c) Forderungen auf Geld oder auf irgendwelche Leistungen, die einen wirt­schaftlichen Wert aufweisen;
(d) Urheberrechte, gewerbliche Eigentumsrechte (wie Patente, Gebrauchsmu­s­ter, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik‑, Handels- und Dienstlei­s­tungsmarken, Handelsnamen, Ursprungsbezeichnungen), «Know-how» und «Goodwill»;
(e) öffentlich-rechtliche Konzessionen, einschliesslich solcher zur Prospektion, Gewinnung und Verwertung von natürlichen Ressourcen, sowie sämtliche anderen Rechte, die durch Gesetz, Vertrag oder Entscheid einer Behörde in Anwendung des Gesetzes verliehen werden;
(3)  umfasst der Begriff «Hoheitsgebiet» das Gebiet des betreffenden Staates, über welches er Souveränität oder Gerichtsbarkeit gemäss Völkerrecht ausüben kann.
Art. 2 Förderung, Zulassung
(1)  Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Hoheitsgebiet nach Möglichkeit Investitio­nen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Über­einstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zu.
(2)  Hat eine Vertragspartei auf ihrem Hoheitsgebiet eine Investition zugelassen, so erteilt sie, in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften, die im Zusammenhang mit der Investition erforderlichen Bewilligungen, einschliess­lich solcher für die Durchführung von Lizenzverträgen über technische, kommer­zielle oder administrative Unterstützung.
Art. 3 Schutz, Behandlung
(1)  Jede Vertragspartei schützt auf ihrem Hoheitsgebiet die in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften von Investoren der anderen Ver­tragspartei getätigten Investitionen und unterlässt es, die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutzung, den Ausbau, die Veräusserung oder gegebenenfalls die Liquidation solcher Investitionen durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Massnahmen zu behindern.
(2)  Jede Vertragspartei stellt auf Ihrem Hoheitsgebiet eine gerechte und billige Behandlung der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei sicher. Diese Behandlung darf nicht weniger günstig sein als jene, welche die Vertragpartei Investitionen angedeihen lässt, die auf ihrem Hoheitsgebiet von eigenen Investoren getätigt wurden, oder als die Behandlung, die Investitionen von Investoren der am meisten begünstigten Nation geniessen, sofern diese Behandlung günstiger ist.
(3)  Die Meistbegünstigungsbestimmung darf nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine Vertragspartei den Investoren der anderen Vertragspartei auch die Behandlung, Begünstigung oder Bevorzugung gewähren muss, die ihr selbst zuteil werden aufgrund:
(a) eines bestehenden oder künftigen Freihandelsabkommens, einer Zollunion oder Wirtschaftsgemeinschaft oder einer ähnlichen regionalen Organisation, in welcher eine der Vertragsparteien Mitglied ist oder werden kann;
(b) eines internationalen Übereinkommens oder einer internationalen Verein­barung, die sich vollumfänglich oder hauptsächlich auf Steuern bezieht.
Art. 4 Freier Transfer
Jede Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet Investoren der anderen Vertragspartei Investitionen getätigt haben, gewährt diesen Investoren den freien Transfer von Beträgen im Zusammenhang mit diesen Investitionen, insbesondere von:
(a) Zinsen, Dividenden, Gewinnen und anderen laufenden Erträgen;
(b) Rückzahlungen von Darlehen;
(c) Beträgen, die zur Deckung der Kosten der Investitionsverwaltung bestimmt sind;
(d) Lizenzgebühren und anderen Zahlungen für Rechte, die in Artikel 1 Absatz (2) Buchstaben (c), (d) und (e) dieses Abkommens aufgezählt sind;
(e) zusätzlichen Kapitalleistungen, die für den Unterhalt oder die Ausweitung der Investitionen erforderlich sind;
(f) Erlösen aus dem Verkauf oder der teilweisen oder vollständigen Liquidation einer Investition, einschliesslich allfälliger Wertzunahmen.
Art. 5 Besitzesentziehung, Entschädigung
(1)  Keine Vertragspartei darf direkt oder indirekt Enteignungs- oder Verstaat­lichungsmassnahmen oder irgendwelche andere Massnahmen von derselben Art oder Wirkung gegenüber Investitionen treffen, die Investoren der anderen Vertrags­partei gehören, es sei denn, solche Massnahmen erfolgten im öffentlichen Interesse, seien nicht diskriminierend und entsprächen den gesetzlichen Vorschriften. Zudem wird eine wertentsprechende Entschädigung vorausgesetzt. Der Entschädigungs­betrag einschliesslich Zinsen muss tatsächlich verwertbar und frei transferierbar sein und ist ohne Verzug an die berechtigte Person unabhängig von ihrem Wohn- und Geschäftssitz zu überweisen.
(2)  Investoren einer Vertragspartei, deren Investitionen als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, einer Revolution, eines Ausnahmezustandes oder einer Rebellion auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei Schaden genommen haben, haben Anspruch darauf, von der letzteren hinsichtlich Rück­erstattung, Entschädigung, Abfindung oder anderer Entgelte gemäss Artikel 3, Absatz (2) dieses Abkommens behandelt zu werden.
(3)  Falls eine Vertragspartei eine Investition in der Form einer gemäss ihren Geset­zen gegründeten juristischen Person, an der ein Investor der anderen Vertragspartei beteiligt ist, enteignet oder nationalisiert, so bemisst sich die dem Investor der ande­ren Vertragspartei nach Absatz (1) dieses Artikels zukommende Entschädigung nach seiner finanziellen Beteiligung an der Investition.
Art. 6 Vor dem Abkommen getätigte Investitionen
Das vorliegende Abkommen ist auch auf Investitionen anwendbar, die vor seiner Inkraftsetzung auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften durch Investoren der anderen Ver­tragspartei getätigt worden sind.
Art. 7 Günstigere Bedingungen
(1)  Ungeachtet der Vorschriften des vorliegenden Abkommens finden günstigere Bedingungen Anwendung, die zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei vereinbart worden sind.
(2)  Sofern die Gesetzgebung einer Vertragspartei oder schon bestehende oder künf­tig eingegangene internationale Verpflichtungen zwischen den Vertragsparteien zusätzlich zum vorliegenden Abkommen eine Bestimmung enthalten, sei sie allge­mein oder spezifisch, welche den Investitionen von Investoren der anderen Ver­tragspartei eine günstigere Behandlung gewährt als im vorliegenden Abkommen vorgesehen, soll diese Bestimmung dem vorliegenden Abkommen insoweit vor­gehen, als sie günstiger ist.
Art. 8 Subrogationsprinzip
Hat eine der Vertragsparteien für Investitionen, die durch einen Investor auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei getätigt wurden, eine finanzielle Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken gewährt und wurde aufgrund dieser Garantie eine Zahlung geleistet, so anerkennt die andere Vertragspartei aufgrund des Subroga­tionsprinzips den Übergang der Rechte des Investors auf die erste Vertragspartei.
Art. 9 Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei
(1)  Zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten über Investitionen zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei finden, unbeschadet von Artikel 10 dieses Abkommens (Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertrags­parteien), Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.
(2)  Führen diese Beratungen innerhalb von sechs Monaten seit der Aufforderung solche aufzunehmen nicht zu einer Lösung, so kann der Investor die Meinungsver­schiedenheit nach seiner Wahl einer der folgenden Instanzen zur Entscheidung unterbreiten:
(a) dem zuständigen Gericht der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet die Investition getätigt worden ist;
(b) dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), welches durch das in Washington am 18. März 1965² zur Unter­zeichnung aufgelegte Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstrei­tigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten begründet wurde;
(c) einem Ad-hoc-Schiedsgericht, welches, soweit die Streitparteien nichts anderes vereinbaren, gemäss den Schiedsregeln der UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) einberufen wird.
(3)  Jede Vertragspartei gibt hiermit ihr Einverständnis, Streitfälle einem internatio­nalen Schiedsverfahren zu unterbreiten.
(4)  Die am Streitfall beteiligte Vertragspartei kann zu keinem Zeitpunkt im Streit­verfahren oder bei der Vollstreckung des Schiedsspruches den Einwand ihrer Immu­nität geltend machen oder vorbringen, der Investor habe aufgrund eines Versicher­ungsvertrages eine Entschädigung für die Gesamtheit oder einen Teil des entstande­nen Schadens oder Verlustes erhalten.
(5)  Keine Vertragspartei wird einen Streitfall, der einem internationalen Schieds­gericht unterbreitet wurde, auf diplomatischem Wege weiterverfolgen, es sei denn, die andere Vertragspartei befolge den vom Schiedsgericht erlassenen Schiedsspruch nicht.
² SR 0.975.2
Art. 10 Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien
(1)  Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Aus­legung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind auf diplomatischem Wege beizulegen.
(2)  Falls sich die beiden Vertragsparteien nicht innerhalb von zwölf Monaten nach der Entstehung der Meinungsverschiedenheit verständigen können, ist diese auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern beste­henden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter; diese beiden Schiedsrichter ernennen einen Angehörigen eines Drittstaates zum Vorsitzenden.
(3)  Falls eine Vertragspartei ihren Schiedsrichter nicht bezeichnet und der Aufforde­rung der anderen Vertragspartei, innerhalb von zwei Monaten diese Bezeichnung vorzunehmen, nicht nachkommt, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen der letzte­ren Vertragspartei vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(4)  Können sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bezeichnung auf die Wahl des Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Ver­langen einer der beiden Vertragsparteien vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(5)  Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den in Absatz (3) und Absatz (4) erwähnten Fällen an seiner Mandatsausübung verhindert, oder ist er Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen vom Vizepräsidenten vorgenommen. Ist auch dieser verhindert oder Staatsange­höriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen durch das amtsälteste Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist.
(6)  Sofern die Vertragsparteien nichts anderes bestimmen, regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selber.
(7)  Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.
Art. 11 Einhaltung der Verpflichtungen
Jede Vertragspartei erfüllt zu jedem Zeitpunkt die Verpflichtungen, die sie hinsicht­lich Investitionen durch Investoren der anderen Vertragspartei eingegangen ist.
Art. 12 Schlussbestimmungen
(1)  Das vorliegende Abkommen tritt am Tage in Kraft, an dem sich die beiden Regierungen mitteilen, dass die verfassungsrechtlichen Vorschriften für den Abschluss und das Inkrafttreten von internationalen Abkommen erfüllt sind, und gilt für die Dauer von zehn Jahren. Wird es nicht durch schriftliche Anzeige sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, verlängert sich seine Laufzeit um jeweils weitere zwei Jahre.
(2)  Im Falle der Kündigung dieses Abkommens werden für Investitionen, die vor seiner Kündigung getätigt wurden, die in den Artikeln 1 bis 11 enthaltenen Bestim­mungen noch während der Dauer von zehn Jahren angewandt.
Geschehen zu Minsk, am 28. Mai 1993, im Doppel je in französisch, weissrussisch und englisch, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist. Im Falle von Abwei­chungen geht der englische Text vor.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

J.-P. Delamuraz

Für die Regierung
der Republik Belarus:

N. N. Kostikov

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