Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republ... (0.975.233.4)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Estland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

Abgeschlossen am 21. Dezember 1992 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 18. August 1993 (Stand am 18. August 1993)
Präambel
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Republik Estland,
vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zum beiderseitigen Nutzen zu verstärken,
im Bestreben, günstige Bedingungen für Investitionen von Investoren der einen Vertragspartei auf dem Gebiete der anderen Vertragspartei zu schaffen und zu erhalten,
in der Erkenntnis, dass Förderung und Schutz von Investitionen zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes in beiden Staaten beitragen,
haben folgendes vereinbart:
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Abkommens:
(1) bezieht sich der Begriff «Investor» hinsichtlich beider Vertragsparteien auf (a) natürliche Personen, die gemäss der Gesetzgebung der betreffenden Ver­­trags­partei als ihre Staatsangehörigen betrachtet werden;
(b) juristische Gebilde, einschliesslich Gesellschaften, Körperschaften, geschäftliche Vereinigungen und andere Organisationen, die nach dem Rechte der betreffenden Vertragspartei konstituiert oder sonstwie recht­mässig organisiert sind und ihren Sitz im Gebiet derselben Ver­tragspartei haben und dort eine echte Wirtschaftstätigkeit entfalten;
(c) juristische Gebilde, die nach dem Recht eines beliebigen Staates gegrün­det sind und direkt oder indirekt von Staatsangehörigen der betreffenden Vertragspartei oder von juristischen Gebilden kontrolliert werden, die ih­ren Sitz im Gebiet der betreffenden Vertragspartei haben und dort eine echte Wirtschaftstätigkeit entfalten.
(2) umfasst der Begriff «Investitionen» alle Arten von Vermögenswerten und Gut­haben, insbesondere (a) bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche ding­lichen Rechte wie Dienstbarkeiten, Hypotheken, Pfandrechte und Nutz­nies­sungen;
(b) Aktien, Anteile und andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften;
(c) Forderungen auf Geld oder auf irgendwelche Leistungen, die einen wirt­schaftlichen Wert aufweisen;
(d) Urheberrechte, gewerbliche Eigentumsrechte (wie Patente, Gebrauchs­muster, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik‑, Handels- und Dienst­­leistungsmarken, Handelsnamen, Ursprungsbezeichnungen), «Know­­-how» und «Goodwill»;
(e) öffentlich-rechtliche Konzessionen, einschliesslich solcher zur Prospek­tion, Gewinnung und Verwertung von natürlichen Ressourcen, sowie sämtliche anderen Rechte, die durch Gesetz, Vertrag oder Entscheid einer Behörde in Anwendung des Gesetzes verliehen werden;
(3) umfasst der Begriff «Hoheitsgebiet» die dem Anrainerstaat angrenzenden See­zonen, über die er die Souveränität oder die Gerichtsbarkeit gemäss Völker­recht ausüben kann.
Art. 2 Förderung, Zulassung
(1)  Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Hoheitsgebiet nach Möglichkeit Investitio­nen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen, Verordnungen und übrigen Rechtsvorschrif­ten zu.
(2)  Hat eine Vertragspartei auf ihrem Hoheitsgebiet eine Investition zugelassen, so erteilt sie die im Zusammenhang mit der Investition erforderlichen Bewilligungen, einschliesslich solcher für die Durchführung von Lizenzverträgen über technische, kommerzielle oder administrative Unterstützung. Jede Vertragspartei ist bestrebt, die Bewilligungen zu erteilen, die gegebenenfalls für die Tätigkeit von Beratern und anderen qualifizierten Personen fremder Staatsangehörigkeit erforderlich sind.
Art. 3 Schutz, Behandlung
(1)  Jede Vertragspartei schützt auf ihrem Hoheitsgebiet die in Übereinstimmung mit ihrer Gesetzgebung von Investoren der anderen Vertragspartei getätigten Investitio­nen und unterlässt es, die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutznies­sung, die Erweiterung, den Verkauf und allenfalls die Liquidation solcher Investi­tionen durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Massnahmen zu behindern. Insbesondere erteilt jede Vertragspartei die Bewilligungen, die in Artikel 2, Absatz (2) dieses Abkommens erwähnt sind.
(2)  Jede Vertragspartei stellt auf ihrem Hoheitsgebiet eine gerechte und billige Behandlung der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei sicher. Diese Behandlung darf nicht weniger günstig sein als jene, welche die Vertragspartei In­vestitionen angedeihen lässt, die auf ihrem Hoheitsgebiet von eigenen Investoren getätigt wurden, oder als die Behandlung, die Investitionen von Investoren der am meisten begünstigten Nation geniessen, sofern diese Behandlung günstiger ist.
(3)  Die Meistbegünstigung bezieht sich nicht auf Vorteile, welche eine Vertragspar­tei den Investoren eines Drittstaates aufgrund dessen Mitgliedschaft bei oder Asso­ziation mit einer Freihandelszone, einer Zollunion oder einem gemeinsamen Markt zukommen lässt.
Art. 4 Freier Transfer
Jede Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet Investoren der anderen Vertragspartei Investitionen getätigt haben, gewährt diesen Investoren den freien Transfer von Zahlungen im Zusammenhang mit diesen Investitionen, namentlich von:
(a) Zinsen, Dividenden, Gewinnen und anderen laufenden Erträgen;
(b) Rückzahlungen von Darlehen;
(c) Beträgen, die zur Deckung der Kosten der Investitionsverwaltung bestimmt sind;
(d) Lizenzgebühren und anderen Zahlungen für Rechte, die in Artikel 1, Absatz (2), lit. (c), (d) und (e) dieses Abkommens aufgezählt sind;
(e) zusätzlichen Kapitalleistungen, die für den Unterhalt oder die Ausweitung der Investitionen erforderlich sind;
(f) Erlösen aus dem Verkauf oder der teilweisen oder vollständigen Liquidation einer Investition, einschliesslich allfälliger Wertzunahmen.
Art. 5 Besitzesentziehung, Entschädigung
(1)  Keine Vertragspartei darf direkt oder indirekt Enteignungs- oder Verstaat­lichungsmassnahmen oder irgendwelche andere Massnahmen von derselben Art oder derselben Wirkung gegenüber Investitionen treffen, die Investoren der anderen Vertragspartei gehören, es sei denn, solche Massnahmen erfolgten im öffentlichen Interesse und seien nicht diskriminierend und entsprächen den gesetzlichen Vor­schriften und vorausgesetzt, dass eine wertentsprechende und tatsächlich verwert­­bare Entschädigung vorgesehen ist. Der Entschädigungsbetrag einschliesslich Zinsen ist in einer frei konvertierbaren Währung zu zahlen und dem Berechtigten ohne un­gebührliche Verzögerung und unabhängig von seinem Wohn- oder Ge­schäftssitz zu überweisen.
(2)  Investoren einer Vertragspartei, deren Investitionen als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, einer Revolution, eines Ausnahmezustandes oder einer Rebellion auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei Schaden genommen haben, haben Anspruch darauf, von der letzteren hinsichtlich Rückerstattung, Ent­schädigung, Abfindung oder anderer Entgelte nach Massgabe von Artikel 3, Absatz (2) dieses Abkommens behandelt zu werden.
Art. 6 Vor dem Abkommen getätigte Investitionen
Dieses Abkommen ist auch auf Investitionen anwendbar, die vor seiner Inkraft­setzung auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei durch Investoren der anderen Ver­tragspartei rechtmässig getätigt worden sind.
Art. 7 Günstigere Bedingungen
Ungeachtet der Vorschriften des vorliegenden Abkommens finden günstigere Bedingungen, die zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Ver­tragspartei vereinbart worden sind oder werden, Anwendung.
Art. 8 Grundsatz der Subrogation
Leistet eine Vertragspartei einem Staatsangehörigen oder einer Gesellschaft eine Zahlung in Erfüllung einer Garantiepflicht, die sie bezüglich einer Investition im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eingegangen ist, so anerkennt die letztere Vertragspartei den Übergang aller Rechte oder Ansprüche dieses Staatsangehörigen oder dieser Gesellschaft auf die erste Vertragspartei sowie deren Eintritt in die betreffenden Rechte oder Ansprüche.
Art. 9 Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei
(1)  Zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten über Investitionen zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei finden, unbe­schadet von Artikel 10 dieses Abkommens (Meinungsverschiedenheiten zwi­schen Vertragsparteien), Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.
(2)  Führen diese Beratungen innerhalb von sechs Monaten nicht zu einer Lösung, wird die Meinungsverschiedenheit auf Antrag des Investors einem Schiedsge­richt unterbreitet. Dieses Schiedsgericht wird wie folgt bestellt:
(a) Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall gebildet. Vorbehältlich einer anderslautenden Verständigung zwischen den betroffenen Parteien bezeich­net jede von ihnen einen Schiedsrichter, und diese beiden Schiedsrichter wählen einen Angehörigen eines Drittstaates als Obmann. Die Bezeich­nung der Schiedsrichter erfolgt innerhalb von zwei Monaten nach Emp­fang des Gesuchs um ein Schiedsverfahren, und der Obmann ist innerhalb der folgenden zwei Monate zu wählen.
(b) Wurden die in lit. a) festgelegten Fristen nicht eingehalten, kann jede Streitpartei, vorbehältlich einer anderslautenden Vereinbarung, den Präsi­denten des Schiedshofes der Internationalen Handelskammer in Paris er­suchen, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Ist der Präsident an seiner Mandatsausübung verhindert oder ist er Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsstaaten, so ist Artikel 10, Absatz (5) dieses Abkom­mens mutatis muta n dis anzuwenden.
(c) Vorbehältlich einer anderslautenden Vereinbarung zwischen den Streitpar­teien regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selbst. Seine Ent­scheide sind endgültig und bindend. Jede Vertragspartei stellt die Aner­kennung und Vollstreckung der Schiedssprüche sicher.
(d) Jede Streitpartei trägt die Kosten ihres eigenen Schiedsrichters und ihrer Vertretung im Schiedsverfahren. Die Kosten des Obmannes und die übri­gen Aufwendungen werden von den Parteien zu gleichen Teilen getragen. Das Schiedsgericht kann jedoch in seinem Schiedsspruch eine andere Verteilung der Kosten vornehmen; ein solcher Entscheid ist für beide Parteien verbindlich.
(3)  Wenn beide Vertragsparteien des Washingtoner Übereinkommens vom 18. März 1965¹ zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehöri­gen anderer Staaten beigetreten sind, können auf Antrag des Investors Meinungs­verschiedenheiten gemäss diesem Artikel anstatt dem Schiedsgericht nach Ab­satz (2) dieses Artikels dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investi­tionsstreitigkeiten unterbreitet werden.
(4)  Die am Streit beteiligte Vertragspartei kann in keiner Phase des Verfahrens nach Absatz (2) oder Absatz (3) dieses Artikels oder des Vollstreckungsverfahrens des entsprechenden Urteils den Einwand erheben, der Investor habe aufgrund eines Versicherungsvertrags eine Entschädigung für einen Teil oder die Gesamtheit des entstandenen Schadens erhalten.
(5)  Keine Vertragspartei wird einen Streitfall, der einem Schiedsgericht unterbreitet wurde, auf diplomatischem Wege weiterverfolgen, es sei denn, die andere Vertrags­partei befolge den von einem Schiedsgericht erlassenen Schiedsspruch nicht.
¹ SR 0.975.2
Art. 10 Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien
(1)  Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Aus­legung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind auf diplomati­schem Wege beizulegen.
(2)  Falls die beiden Vertragsparteien sich nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Ausbruch der Streitigkeit verständigen können, ist sie auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter; diese beiden Schiedsrichter ernennen einen Angehörigen eines Drittstaates zum Vorsitzenden.
(3)  Falls eine Vertragspartei ihren Schiedsrichter nicht bezeichnet und der Aufforde­rung der anderen Vertragspartei, innerhalb von zwei Monaten diese Bezeichnung vorzunehmen, nicht nachkommt, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen der letzte­ren Vertragspartei vom Präsidenten des Internationalen Ge­richtshofes ernannt.
(4)  Können sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bezeichnung auf die Wahl des Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Ver­langen einer der beiden Vertragsparteien vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(5)  Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den in Absatz (3) und Absatz (4) erwähnten Fällen an seiner Mandatsausübung verhindert, oder ist er Staats­angehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen vom Vize­präsidenten vorgenommen. Ist auch dieser verhindert oder Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen durch das amtsälteste Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Ver­tragspartei ist.
(6)  Sofern die Vertragsparteien nichts anderes bestimmen, regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selber.
(7)  Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.
Art. 11 Einhaltung von Verpflichtungen
Jede Vertragspartei gewährleistet zu jedem Zeitpunkt die Einhaltung der durch sie eingegangenen Verpflichtungen bezüglich der Investitionen der Investoren der anderen Vertragspartei.
Art. 12 Schlussbestimmungen
(1)  Das vorliegende Abkommen tritt am Tage in Kraft, an dem sich die beiden Regierungen mitteilen, dass die gesetzlichen Vorschriften für den Abschluss und das Inkrafttreten von internationalen Abkommen erfüllt sind, und gilt für die Dauer von zehn Jahren. Wird es nicht durch schriftliche Anzeige sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, verlängert sich seine Laufzeit um jeweils weitere zwei Jahre.
(2) Im Falle der Kündigung dieses Abkommens werden für Investitionen, die vor seiner Kündigung getätigt wurden, die in den Artikeln 1 bis 11 enthaltenen Bestim­mungen noch während der Dauer von zehn Jahren angewandt.
Geschehen zu Tallin, am 21. Dezember 1992, in zwei Originalen, beide in deut­scher, estnischer und englischer Sprache, wobei jeder Text gleichermassen verbind­lich ist. Im Falle von Abweichungen geht der englische Text vor.

Für den
Schweizerischen Bundesrat

Franz Blankart

Für die Regierung
der Republik Estland:

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