Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des ... (282.11)
CH - Schweizer Bundesrecht

Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts

vom 4. Dezember 1947 (Stand am 1. Januar 2007)
Die Bundesversammlung, der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf Artikel 64 der Bundesverfassung¹, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 12. Juni 1939² und in eine Nachtragsbotschaft vom 27. Dezember 1944³,
beschliesst:
¹ [BS 1 3] ² BBl 1939 II 1 ³ BBl 1945 I 1

A. Schuldbetreibung im allgemeinen

I. Subsidiäre Gel­tung des gemei­nen Betreibungs­rechts

Art. 1
¹ Für die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körper­schaften des kantonalen öffentlichen Rechts gelten die Bestimmun­gen des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG) vom 11. April 1889⁴ mit den nachfolgenden Einschränkungen.
² Auf die Kantone selbst findet das vorliegende Gesetz keine Anwen­dung.
⁴ SR 281.1

II. Das Betrei­bungsverfahren

1. Betreibungs­arten

a. Bundesrecht

Art. 2
¹ Die Schuldbetreibung kann nur auf Pfändung oder Pfandverwertung gerichtet sein.
² Die Betreibung auf Konkurs, mit Einschluss der Wechselbetrei­bung, und der Arrest sind ausgeschlossen. Nicht anwendbar sind fer­ner die Vorschriften über den Nachlassvertrag sowie diejenigen Be­stimmun­gen, die sich der Natur der Sache nach zur Anwendung auf solche Körperschaften nicht eignen.
³ Verlustscheine werden nicht ausgestellt. Dagegen erhält jeder an einer Pfändung teilnehmende Gläubiger für den ungedeckt bleibenden Betrag seiner Forderung einen Ausfallschein, der als Schuldanerken­nung im Sinne des Artikels 82 SchKG⁵ gilt.
⁴ Zur Anhebung der Anfechtungsklage gemäss den Artikeln 285–292 SchKG sind der Gläubiger, der einen Ausfallschein erhalten hat, die Beiratschaft im Sinne der Artikel 28ff. dieses Gesetzes und die Kan­tonsregierung berechtigt.
⁵ SR 281.1

b. Kantonales Recht

Art. 3
¹ Die Kantone sind befugt, Vorschriften über das Nachlassvertrags­recht aufzustellen.
² Ein Nachlassvertrag darf nur zugelassen werden, nachdem eine Bei­ratschaft angeordnet worden ist und in angemessener Frist nicht zum Ziele geführt hat. Die Eingriffe in die Gläubigerrechte dürfen nicht über die in Artikel 13 genannten Massnahmen hinausgehen.
³ Die Gültigkeit von Beschlüssen über die Eingriffe in Gläubigerrech­te ist an die Zustimmung von zwei Dritteln der in der Gläubigerver­sammlung anwesenden Gläubiger und Gläubigervertreter zu knüpfen, deren Forderungen zwei Drittel der vertretenen, mindestens aber die Hälfte aller nicht pfandgedeckten Forderungen ausmachen.
⁴ Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so kann die obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungssachen (Aufsichtsbehörde) auf Beschwerde hin ausnahmsweise zur Ermöglichung einer Sanierung einen Beschluss verbindlich erklären, dem die einfache Mehrheit der anwesenden Gläubiger und Gläubigervertreter, welche die Hälfte der vertretenen Forderungssummen besitzt, zugestimmt hat.⁶
⁵ …⁷
⁶ Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).
⁷ Aufgehoben durch Ziff. II 22 des BG vom 15. Dez. 1989 über die Genehmigung kantonaler Erlasse durch den Bund ( AS 1991 362 ; BBl 1988 II 1333 ).

2. Zuständigkeit

Art. 4
¹ Die Kantone bezeichnen unter Berücksichtigung von Artikel 10 SchKG⁸ die Stelle, welche die Verrichtungen des Betreibungsamtes auszuüben hat.
² Gegen die Verfügungen dieser Stelle kann von den Beteiligten und der Kantonsregierung innert 10 Tagen wegen Gesetzesverletzung und Unangemessenheit bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden.⁹
³ Wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
⁴ …¹⁰
⁸ SR 281.1
⁹ Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).
¹⁰ Aufgehoben durch Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, mit Wirkung seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).

3. Mitteilungs­pflicht

Art. 5
¹ Bei Beschwerden ist der Kantonsregierung Gelegenheit zur Ver­nehmlassung zu geben.
² Ihr ist auch von jeder Pfändungsankündigung und jedem Verwer­tungsbegehren ein Exemplar zuzustellen.

4. Einstellung der Betreibung

Art. 6
¹ Die Aufsichtsbehörde kann die Betreibung vorübergehend einstel­len, wenn die Kantonsregierung dafür sorgt, dass sich durch die Ein­stel­lung die Lage der Gläubiger nicht verschlechtert.
² Der betreibende Gläubiger kann jederzeit bei der Aufsichtsbehörde¹¹ die Fortsetzung der Betreibung verlangen, wenn die von der Kantonsre­gierung getroffenen Massnahmen nicht oder nicht mehr genügen.
¹¹ Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt.

III. Pfändbarkeit und Verpfändbar­keit

1. Pfändbares Vermögen

a. Im allgemeinen

Art. 7
¹ Pfändbar ist, unter Vorbehalt bestehender dinglicher Rechte, alles Finanzvermögen eines in Artikel 1 genannten Gemeinwesens.
² Zum Finanzvermögen gehören die Vermögenswerte, die nicht Ver­waltungsvermögen sind.

b. Bedingte Pfänd­barkeit

Art. 8
¹ Die einem Gemeinwesen gehörenden Anstalten und Werke, die öffentlichen Zwecken dienen, sowie öffentliche Waldungen, Weiden und Alpen, dürfen nur mit Zustimmung der Kantonsregierung ge­pfän­det und verwertet werden.
² Diese kann die Pfändung oder Verwertung auch unter Bedingungen gestatten.
³ Vorbehalten bleibt Artikel 23 des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1902¹² betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpoli­zei.
¹² [BS 9 521; AS 1954 559 Ziff. I 5, 1956 1215 , 1965 321 Art. 60, 1969 500 , 1971 1190 , 1977 2249 Ziff. I 11. 11 , 1985 660 Ziff. I 23, 1988 1696 Art. 7. AS 1992 2521 Art. 54 Bst. a]

2. Unpfändbares Vermögen

Art. 9
¹ Die Vermögenswerte eines Gemeinwesens, die unmittelbar der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben dienen, stellen sein Verwal­tungsvermögen im Sinne dieses Gesetzes dar und können auch mit seiner Zustimmung weder gepfändet noch verwertet werden, solange sie öffentlichen Zwecken dienen.
² Steuerforderungen dürfen weder gepfändet noch verwertet werden.

3. Verpfänd­barkeit

a. Im allgemeinen

Art. 10
¹ Unpfändbare Vermögenswerte können nicht gültig verpfändet wer­den, solange sie öffentlichen Zwecken dienen. Wenn das Gesetz die Pfändung an die Zustimmung der Kantonsregierung knüpft, ist diese Zustimmung auch für die Verpfändung nötig.
² Ist eine Verpfändung zulässig, so erfolgt sie in den Formen und mit den Wirkungen des Zivilrechts.

b. Bei Über­führung ins Ver­wal­tungs­vermögen

Art. 11
¹ Wird ein mit einem Pfandrecht belastetes privates oder zum Fi­nanz­vermögen gehörendes Grundstück öffentlichen Aufgaben ge­widmet, so ist der Pfandgläubiger auf Verlangen zu befriedigen oder sicherzu­stellen.
² Bis dahin ist das Grundstück als Finanzvermögen zu behandeln.

4. Zweck­gebundenes Vermögen

Art. 12
¹ Alles zugunsten Dritter zweckgebundene Vermögen (stiftungsähn­liche Fonds, Amtskautionen, Pensionskassen usw.) kann nur für Ver­pflich­tungen, die sich aus der Zweckbestimmung dieses Vermögens erge­ben, verpfändet, gepfändet und verwertet werden.
² Die Betreibung für solche Verpflichtungen richtet sich gegen das Gemeinwesen.

B. Die Gläubigergemeinschaft

I. Zulässige Ein­griffe in Rechte der Obligatio­näre

1. Grundsatz

Art. 13
Hat ein in Artikel 1 genanntes Gemeinwesen Anleihensobligationen mit einheitlichen Anleihensbedingungen unmittelbar oder mittelbar mit öffentlicher Zeichnung herausgegeben, und ist es ausserstande, seine Verpflichtungen aus einem solchen Anleihen rechtzeitig zu erfüllen, so können auf Grund des nachstehend geregelten Verfahrens die folgenden Eingriffe in die Rechte der Obligationäre vorgenom­men werden:
a. Erstreckung der für ein Anleihen vorgesehenen Amortisations­frist um höchstens fünf Jahre durch Herabsetzung der Annuität und Erhöhung der Zahl der Rückzahlungsquoten oder vorüber­ge­hende gänzliche Einstellung dieser Leistungen;
b. Stundung des bereits verfallenen oder binnen Jahresfrist fällig werdenden Gesamtbetrages oder von Teilbeträgen eines Anlei­hens auf höchstens fünf Jahre vom Tage des Beschlusses der Gläubigerversammlung an;
c. Stundung für einen Teilbetrag, ausnahmsweise für den ganzen Betrag, von verfallenen oder innerhalb der nächsten fünf Jahre fällig werdenden Zinsen für die Dauer von höchstens fünf Jah­ren;
d. Einräumung eines Pfandrechts für Kapitalbeträge, die der Schuldne­rin neu zugeführt werden, mit Vorgang vor einem bereits bestehen­den Anleihen sowie Änderungen an den für ein Anleihen bestellten Sicher­heiten oder teilweiser Verzicht auf sol­che;
e. ausnahmsweise Herabsetzung des Zinsfusses bis zur Hälfte für die in den nächsten fünf Jahren verfallenden Zinse;
f. ausnahmsweise Nachlass verfallener Zinse um höchstens die Hälfte.

2. Ergänzende Be­stimmungen

Art. 14
¹ Die in Artikel 13 genannten Massnahmen können weder durch die Anleihensbedingungen noch durch sonstige Vereinbarungen gültig ausgeschlossen werden.
² Es können mehrere dieser Massnahmen miteinander verbunden wer­den.
³ Die unter den Buchstaben a–c und e vorgesehenen Massnahmen können frühestens ein Jahr vor Ablauf der Frist höchstens zweimal für je fünf Jahre verlängert werden.

II. Einleitung des Verfahrens

1. Gesuch

Art. 15
¹ Das Gesuch um Einleitung des Verfahrens ist von der Schuldnerin bei der Kantonsregierung einzureichen, die es mit ihrer Begutachtung an die Aufsichtsbehörde weiterleitet.
² Das Gesuch hat eine einlässliche Darstellung der finanziellen Lage der Schuldnerin zu enthalten. Die Jahresrechnungen und allfälligen Jahresbericht der letzten fünf Jahre und der Voranschlag des laufen­den Jahres sind beizulegen.
³ Die Eingaben sind auf Verlangen der Behörde zu ergänzen.

2. Prüfung der fi­nanziellen Lage

Art. 16 ¹³
¹ Die Aufsichtsbehörde trifft sofort die nötigen Massnahmen zur genauen Feststellung der finanziellen Lage der Schuldnerin. Sie ernennt, wenn nötig, zu diesem Zweck nach Anhörung der Schwei­zerischen Nationalbank eine Expertenkommission von höchstens drei Mitgliedern. Über das Gutachten dieser Kommission holt sie die Ver­nehmlassung der Kantonsregierung ein.
² Steht die Schuldnerin unter einer administrativen Zwangsverwaltung des kantonalen Rechts oder einer Beiratschaft im Sinne dieses Gesetzes, so kann sich die Aufsichtsbehörde mit den Feststellungen der Schuldnerin begnügen.
³ Die Aufsichtsbehörde kann eine provisorische Stundung der fälligen Ansprüche der Obligationäre und, soweit sie es für notwendig erachtet, auch anderer Forderungen verfügen.
¹³ Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).

III. Gläubigerver­sammlung

1. Allgemeines

Art. 17
¹ Ergibt die vorläufige Prüfung, dass der finanziellen Notlage der Schuldnerin auf andere Art zur Zeit nicht abgeholfen werden kann, so beruft die Aufsichtsbehörde die Obligationäre, denen Opfer zugemutet werden sollen, zur Gläubigerversammlung ein.
² Stehen mehrere Anleihen in Frage, so ist für jedes eine besondere Gläubigerversammlung einzuberufen.
³ Ein Mitglied der Aufsichtsbehörde leitet die Gläubigerversammlungen, veranlasst die Protokollierung der Beschlüsse und sorgt für deren Ausführung.¹⁴
¹⁴ Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).

2. Teilnahme an der Versammlung

Art. 18
¹ Die zur Gläubigerversammlung zusammentretenden Obligationäre oder deren Vertreter haben sich vor Beginn der Beratungen über ihre Berechtigung auszuweisen.
² Zur Vertretung von Obligationären bedarf es, sofern die Vertretung nicht auf Gesetz beruht, einer schriftlichen Vollmacht.
³ Die Ausübung der Vertretung von Obligationen durch Organe der Schuldnerin ist ausgeschlossen.

3. Stimmrecht

Art. 19
¹ Stimmberechtigt ist der Eigentümer einer Obligation oder sein Ver­treter, bei in Nutzniessung stehenden Obligationen jedoch der Nutz­niesser oder sein Vertreter.
² Obligationen, die im Eigentum oder in Nutzniessung der Schuldne­rin stehen, geben kein Stimmrecht und fallen bei der Berechnung des im Umlauf befindlichen Kapitals und des in der Gläubigerversamm­lung vertretenen Kapitals ausser Betracht.

4. Erforderliche Mehrheit

a. Im allgemeinen

Art. 20
¹ Die in Artikel 13 genannten Eingriffe in die Gläubigerrechte bedür­fen der Zustimmung von zwei Dritteln des vertretenen, mindestens aber der einfachen Mehrheit des im Umlauf befindlichen Obligatio­nenkapitals.
² Kommt in der Gläubigerversammlung ein Beschluss nicht zustande, so kann die Schuldnerin die fehlenden Stimmen durch Vorlegung schriftlicher und beglaubigter Erklärungen noch während zweier Monate nach dem Versammlungstage bei der Aufsichtsbehörde einreichen und dadurch einen Mehrheitsbeschluss herstellen.
³ Ausnahmsweise kann die Aufsichtsbehörde einen Beschluss, dem nur die einfache Mehrheit des in der Gläubigerversammlung vertretenen, nicht aber des im Umlauf befindlichen Kapitals zugestimmt hat, für die Gesamtheit der Obligationäre verbindlich erklären.

b. Bei mehreren Gläubiger­gemeinschaften

Art. 21
¹ Bestehen mehrere Gläubigergemeinschaften, so kann jede die Gül­tigkeit ihrer Beschlüsse davon abhängig machen, dass andere Gläubi­gergemeinschaften gleiche oder entsprechende Opfer zu tragen ha­ben.
² Hat in einem solchen Falle ein Vorschlag der Schuldnerin die Zustimmung der einfachen Mehrheit des im Umlauf befindlichen Kapi­tals aller Gläubigergemeinschaften zusammen gefunden, so kann die Aufsichtsbehörde den Beschluss auch für die nicht zustimmenden Gemeinschaften verbindlich erklären.

5. Voraus­setzungen des Be­schlus­ses

Art. 22
¹ Die in Artikel 13 vorgesehen Massnahmen sind nur zulässig, soweit sie zur Beseitigung der Notlage der Schuldnerin erforderlich und geeignet sind, und wenn zur Abwendung der Notlage alles getan wor­den ist, was billigerweise erwartet werden darf.
² Die Massnahmen müssen alle Obligationäre, die sich in der glei­chen Rechtslage befinden, gleichmässig treffen, es sei denn, dass je­der et­wa ungünstiger Behandelte ausdrücklich zustimmt.
³ Zusicherungen oder Zuwendungen an einzelne Gläubiger, durch die sie gegenüber andern der Gemeinschaft angehörenden Gläubigern begünstigt werden, sind ungültig.

IV. Verbind­­licherklärung

Art. 23
¹ Die Beschlüsse der Gläubigergemeinschaft sind erst verbindlich, wenn sie von der Aufsichtsbehörde genehmigt sind; sie verpflichten dann auch die nicht zustimmenden Obligationäre.
² Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn der Beschluss die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, die gemeinsamen Interessen der Obligationäre genügend wahrt und nicht auf unredliche Weise zustan­de gekommen ist.
³ Bei Stundungsbeschlüssen kann die Genehmigung an die Bedin­gung geknüpft werden, dass die finanzielle Geschäftsführung der Schuld­­nerin während der Stundung beaufsichtigt werde.

V. Einbeziehung anderer Gläubiger

1. Grundsatz

Art. 24
¹ Wenn die Billigkeit es verlangt, kann die Aufsichtsbehörde neben den Obligationären andere Gläubiger in das Verfahren einbeziehen und ihnen gleiche oder entsprechende Opfer auferlegen.
² Dies ist insbesondere dann zulässig, wenn andernfalls die Sanierung unbilligerweise verunmöglicht würde.
³ Übersteigen jedoch die Forderungen dieser Gläubiger einen Drittel des in Frage stehenden Obligationenkapitals, so können ihnen Opfer nur auferlegt werden, wenn die einfache Mehrheit dieser Gläubiger zugestimmt hat und die von ihnen vertretenen Forderungen mehr als die Hälfte des Gesamt­betrages der einbezogenen Forderungen aus­­machen.

2. Anhörung. Gleich­behandlung

Art. 25
¹ Diese Gläubiger sind vor ihrer Einbeziehung in das Verfahren an­zu­hören.
² Sie sind, jedoch unter Berücksichtigung bestehender Pfand und anderer Vorzugsrechte und allenfalls bereits gebrachter Opfer, unter sich gleich zu behandeln.

3. Ausnahmen

Art. 26
Nicht betroffen werden die gesetzlich begründeten öffentlichrecht­lichen Verpflichtungen der Schuldnerin, Versicherungsbeiträge, Be­sol­dungen, sonstige Dienstentschädigungen, Pensionen und andere Ver­pflichtungen der Schuldnerin, die unpfändbare Forderungen dar­stel­len.

VI. Widerruf der Stundung

Art. 27
¹ Ist eine Stundung gewährt worden, so muss sie von der Aufsichts­behörde auf Antrag eines Obligationärs oder eines andern in dieses Verfahren einbezogenen Gläubigers widerrufen werden:
a. wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen;
b. wenn die Schuldnerin den an die Stundung geknüpften Bedin­gungen zuwiderhandelt;
c. wenn während der Stundungsfrist die finanzielle Lage der Schuldnerin sich wesentlich verschlechtert und damit die Sicher­heit der Gläubiger ernstlich gefährdet wird.
² Ebenso hat die Aufsichtsbehörde auf Antrag eines Obligationärs oder eines andern in das Verfahren einbezogenen Gläubigers eine Herab­setzung des Zinsfusses für die Zukunft aufzuheben, wenn die Voraus­setzungen für die Herabsetzung nicht mehr vorliegen, oder wenn die Schuldnerin den an sie geknüpften Bedingungen zuwiderhandelt.

C. Die Beiratschaft

I. Anordnung der Beiratschaft

1. Obligatorische

Art. 28
¹ Wenn ein in Artikel 1 genanntes Gemeinwesen sich zahlungsunfä­hig erklärt oder voraussichtlich während längerer Zeit nicht in der Lage sein wird, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, und wenn gleichwohl eine administrative Zwangsverwaltung des kan­tona­len Rechts in angemessener Frist nicht angeordnet wird oder diese sich als ungenügend erweist, hat die Aufsichtsbehörde auf Verlangen eines Antragsberechtigten die Beiratschaft im Sinne dieses Gesetzes anzuordnen.
² Davon kann abgesehen werden, wenn die Durchführung des Gläu­bi­gergemeinschaftsverfahrens möglich und genügend ist, oder wenn die Interessen der Gläubiger auf andere Weise hinreichend gewahrt wer­den können.
³ Antragsberechtigt sind die Schuldnerin selbst, die Kantonsregierung und jeder Gläubiger, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht.

2. Fakultative

Art. 29
¹ Die Aufsichtsbehörde kann im Sinne von Artikel 6 zur Vermeidung der Fortsetzung einer Betreibung auf Antrag der Schuldnerin oder der Kantonsregierung die Beiratschaft auch anordnen, wenn die Durch­führung der Pfandverwertung nicht tunlich erscheint und die Interes­sen der Gläubiger durch die Beiratschaft ebenfalls gewahrt werden können.
² Wenn die Pfändung ungenügend oder eine Benachteiligung der nicht betreibenden Gläubiger zu befürchten ist, oder wenn den Obli­gationä­ren Beschränkungen ihrer Rechte gemäss Artikel 13 zugemu­tet wer­den, kann die Behörde die Beiratschaft auf Antrag eines sol­chen Gläubigers oder eines Obligationärs anordnen.

3. Dauer und Beschränkung

Art. 30
¹ Die Beiratschaft kann längstens für die Dauer von drei Jahren ange­ordnet werden.
² Sie kann aber, wenn die Umstände es erfordern, frühestens ein hal­bes Jahr vor Ablauf der Frist für längstens drei Jahre verlängert wer­den.
³ Die Beiratschaft kann auf einen Teil der Verwaltung beschränkt werden.

4. Begehren

Art. 31
¹ Das Begehren um Anordnung einer Beiratschaft ist bei der Auf­sichtsbehörde einzureichen.
² Ist das Begehren von der Gläubigerseite gestellt worden, so ist es der Schuldnerin und der Kantonsregierung zur Vernehmlassung mit­zutei­len unter Hinweis darauf, dass darüber entschieden werde, falls die in Frage stehenden Gläubiger nicht innerhalb eines Monats be­friedigt werden.
³ Wird das Begehren von der Schuldnerseite gestellt, so ist es von der Kantonsregierung zu begutachten. Das Gesuch hat eine einlässliche Darstellung der finanziellen Lage der Schuldnerin zu enthalten. Die Jahresrechnungen und allfälligen Jahresberichte der letzten fünf Jahre und der Voranschlag des laufenden Jahres sind beizulegen. Die Ein­gaben sind auf Verlangen der Behörde zu ergänzen.

5. Anordnungsbe­schluss

Art. 32
¹ Über die Anordnung einer Beiratschaft entscheidet die Aufsichts­behörde.¹⁵
² Die Anordnung einer Beiratschaft ist der Schuldnerin und der Kan­tonsregierung schriftlich mitzuteilen und öffentlich bekanntzuma­chen.
³ Die Aufsichtsbehörde kann der Schuldnerin vor Bestellung der Bei­ratschaft durch provisorische Verfügung für die Dauer von höchstens drei Monaten Stundung gewähren und nach Einholung der Vernehm­lassung der Kantonsregierung die ordentlichen Organe der Schuldne­rin währen dieser Zeit in ihrer Tätigkeit be­schränken oder einstellen.
¹⁵ Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).

6. Bestellung der Beiräte

Art. 33
¹ Die Aufsichtsbehörde überträgt die Beiratschaft im Einvernehmen mit der Kantonsregierung einer oder mehreren Personen.
² Die Kantonsregierung bestimmt zu Lasten der Schuldnerin die den Beiräten zukommende Entschädigung.
³ Für die Verantwortlichkeit der Beiräte gelten die Artikel 5ff. SchKG¹⁶.
¹⁶ SR 281.1

II. Aufgaben der Beiratschaft

1. Im allgemeinen

Art. 34
¹ Die Beiratschaft hat dafür zu sorgen, dass, unbeschadet der laufen­den Verwaltung, die verfallenen Verpflichtungen der Schuldnerin im Rahmen des Finanzplanes möglichst bald und gleichmässig, nach Massgabe ihrer Fälligkeit und unter Berücksichtigung der für sie bestehenden Sicherheiten eingelöst werden.
² Sie hat den Finanzhaushalt zu ordnen und nach Möglichkeit die Ausgaben zu vermindern und die Einnahmen zu erhöhen.

2. Eintreibung von Forderungen und Ver­wertung von Aktiven

Art. 35
¹ Die Beiratschaft hat zu diesem Zwecke insbesondere Steuerrück­stände und andere ausstehende Forderungen einzutreiben.
² Sie ist ermächtigt, die für ihre Geltendmachung nötigen Rechts­hand­lungen vorzunehmen und, soweit nötig, das Finanzvermögen zu ver­werten. Sie kann die Verwertung selbst vornehmen. Den Erlös aus Pfändern hat sie aber in erster Linie zur Bezahlung der pfandgesi­cher­ten Forderungen nach ihrem Rang zu verwenden.

3. Verantwort­lich­keits- und Anfechtungs­ansprüche

Art. 36
Die Beiratschaft hat Verantwortlichkeits- und Anfechtungsansprüche geltend zu machen, sofern nicht die Aufsichtsbehörde dem Verzicht auf die Klage oder einem Vergleich zustimmt.

4. Anordnung von Steuern und Ab­gaben

Art. 37
¹ Soweit es notwendig und nach den gegebenen Verhältnissen zweck­mässig und tragbar erscheint, hat die Beiratschaft von Amtes wegen oder auf Antrag eines Gläubigers mit Zustimmung der Kan­tonsregie­rung die bestehenden Steuern und sonstigen Abgaben zu er­höhen und für Leistungen von öffentlichen Werken und Einrichtun­gen oder aus öffentlichen Gütern ein Entgelt einzuführen oder beste­hende Vergü­tungen angemessen zu erhöhen. Sie ist dabei nicht an die Bestimmun­gen des kommunalen Rechtes gebunden.
² In gleicher Weise kann sie mit Zustimmung der Kantonsregierung Steuern und Abgaben neu einführen, zu deren Einführung die Schuld­nerin nach kantonalem Recht ermächtigt wäre.

5. Bilanz und Finanzplan

Art. 38
¹ Die Beiratschaft hat zu Beginn ihrer Tätigkeit einen Rechnungsruf zu erlassen, sofern nicht besondere Verhältnisse eine Ausnahme rechtfer­tigen, und ein Inventar aufzunehmen, in welchem die zum Fi­nanzver­mögen gehörenden Vermögenswerte gesondert aufzuführen sind, eine Vermögensbilanz aufzustellen und einen Plan über die zur Sanierung in Aussicht genommenen Massnahmen auszuarbeiten. Ebenso ist jeweils nach Ablauf eines Verwaltungsjahres eine Bilanz aufzustellen.
² Eine Abschrift der Bilanz und des Finanzplanes ist der Schuldnerin und der Kantonsregierung mit einem Bericht über die Vermögenslage der Schuldnerin zuzustellen.
³ Der Finanzplan ist während 30 Tagen öffentlich aufzulegen, wovon den Gläubigern Kenntnis zu geben ist. Er kann innerhalb dieser Frist von jedem Interessierten bei der Aufsichtsbehörde angefochten wer­den.

III. Kompetenzen

Art. 39
¹ Bei Anordnung der Beiratschaft hat die Aufsichtsbehörde deren Kompetenzen genau zu umschreiben. Soweit die Beiratschaft als zuständig erklärt wird, gehen die Kompetenzen der ordentlichen Ver­wal­tungsorgane und ihrer Verwaltungsaufsichtsbehörden bezüglich der finanziellen Geschäftsführung auf sie über.
² Abgesehen von der Bestreitung laufender Ausgaben aus schon vor­handenen Einnahmequellen, bedürfen Beschlüsse und Ver­fügungen der ordentlichen Organe über Ausgaben und Einnah­men, die Veräus­serung und Verpfändung von Vermögenswerten und die Eingehung neuer Verpflichtungen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Bei­rat­schaft. Vorbehalten bleiben die Rechte des gutgläubigen Erwer­bers.
³ Das Gemeindereferendum und das Recht der Gemeindeinitiative können gegenüber Verfügungen der Beiratschaft nicht geltend gemacht werden.
⁴ Mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde kann die Beiratschaft ein­zel­ne Befugnisse an die ordentlichen Organe der Schuldnerin über­tragen.

IV. Pflichten der Schuldnerin

Art. 40
¹ Die ordentlichen Organe der Schuldnerin haben die ihnen von der Beiratschaft in diesem Rahmen erteilten Weisungen zu vollziehen.
² Wer diese Vorschriften schuldhaft verletzt, wird persönlich haftbar.
³ Hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen, die vor Anordnung der Beiratschaft vorgenommen wurden, sind die Bestim­mun­gen der Artikel 285–292 SchKG¹⁷ entsprechend anwendbar.
¹⁷ SR 281.1

V. Wirkungen auf Betreibungen und Fristen

Art. 41
¹ Während der Beiratschaft können gegen die Schuldnerin für die schon vor Anordnung der Beiratschaft eingegangenen Verpflichtun­gen keine Betreibungen angehoben oder fortgesetzt werden.
² Ebenso ist der Lauf der Verjährungs- und Verwirkungsfristen, wel­che durch Betreibung unterbrochen werden können, für solche Ver­pflichtungen gehemmt.

VI. Beendigung der Beiratschaft

1. Beendigungs­gründe

Art. 42
¹ Die Beiratschaft fällt mit Ablauf der Zeit, für die sie bestellt ist, dahin, wenn diese nicht vorher verlängert worden ist.
² Die Aufsichtsbehörde hat die Beiratschaft auf Antrag oder von Amtes wegen schon vorher aufzuheben, sobald die Umstände es erlau­ben, insbesondere wenn die Wiederherstellung des finanziellen Gleichge­wichts gewährleistet erscheint.

2. Wirkungen nach der Beendi­gung

Art. 43
¹ Die Aufsichtsbehörde kann bestimmen, dass einzelne während der Beiratschaft getroffene Anordnungen für bestimmte Zeit weiter gel­ten.
² Eine Stundung für Verpflichtungen der Schuldnerin kann aber höch­s­tens für die Dauer von drei Jahren nach Beendigung der Beirat­schaft gewährt werden.
³ Die Stundung ist von der Aufsichtsbehörde zu widerrufen, wenn die in Artikel 27 genannten Voraussetzungen gegeben sind.

VII. Beschwerde

1. An die Auf­sichtsbehörde

Art. 44
Gegen Verfügungen der Beiratschaft kann jeder Interessierte binnen zehn Tagen wegen Gesetzesverletzung, Rechtsverweigerung, Rechts­verzögerung und Unangemessenheit bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde führen.

2. An das Bun­desgericht

Art. 45 ¹⁸
¹ Gegen Entscheide der Aufsichtsbehörde kann beim Bundesgericht nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005¹⁹ Beschwerde in Zivilsachen geführt werden.
² Zur Beschwerde berechtigt sind insbesondere:
a. die Schuldnerin und die Kantonsregierung gegen die Anordnung einer Beiratschaft oder die Verweigerung ihrer Auf­hebung sowie gegen die Verweigerung einer Stundung im Anschluss an eine Beiratschaft oder den Widerruf einer solchen Stundung;
b. jeder, der einen gültigen Antrag gestellt hat, gegen: 1. die Ablehnung eines Antrags auf Anordnung einer Bei­rat­schaft,
2. die Verweigerung des Widerrufes einer im Anschluss an eine Beiratschaft angeordneten Stundung,
3. die Verweigerung der Einführung oder Erhöhung von Steuern oder sonstigen Abgaben oder Vergütungen,
4. die Unterlassung, die Zustimmung der Kantonsregierung gemäss Artikel 37 einzuholen;
c. jeder Gläubiger, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, gegen die vorzeitige Aufhebung der Beiratschaft sowie gegen die Anordnung einer Stundung im Anschluss an eine Beiratschaft.
¹⁸ Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).
¹⁹ SR 173.110

D. Schlussbestimmungen

I. Verordnungs­recht

Art. 46
¹ Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.²⁰
² …²¹
³ Die Kantone können die der Aufsichtsbehörde in diesem Gesetz zugewiesenen Obliegenheiten auf dem Verordnungswege einer beson­dern Behörde übertragen.
²⁰ Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).
²¹ Aufgehoben durch Anhang Ziff. 7 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, mit Wirkung seit 1. Jan. 2007 ( SR 173.110 ).

II. Inkrafttreten, Aufhebung beste­hender Vorschrif­ten

Art. 47
¹ Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.
² Die mit diesem Gesetz im Widerspruch stehenden eidgenössischen und kantonalen Vorschriften sind aufgehoben.
³ Aufgehoben ist insbesondere der Bundesbeschluss vom 5. Oktober 1945²² über den Schutz der Rechte der Anleihensgläubiger von Kör­perschaften des öffentlichen Rechts.
⁴ Auf Anleihen des Bundes, der Kantone und Gemeinden sowie von andern Körperschaften oder von Anstalten des öffentlichen Rechts sind die Vorschriften des zweiten Abschnittes des vierunddreissigsten Titels des Obligationenrechts²³ sowie diejenigen der Verordnung vom 20. Februar 1918²⁴ betreffend die Gläubigergemeinschaft bei Anlei­hensobligationen nicht anwendbar.
Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1949²⁵
²² [ AS 61 825 ]
²³ SR 220
²⁴ [ AS 34 231 , 35 297 , 36 623 893 . SR 220 am Schluss, SchlB zum zweiten Abschn. des XXXIV. Tit. Ziff. 4]
²⁵ BRB vom 19. Aug. 1948 ( AS 1948 886 ).

Schlussbestimmung zur Änderung vom 17. Juni 2005 ²⁶

²⁶ AS 2006 1205 ; BBl 2001 4202
Die Ausführungsverordnungen des Bundesgerichts bleiben in Kraft, soweit sie dem neuen Recht inhaltlich nicht widersprechen und solange der Bundesrat nichts anderes bestimmt.
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