Beschluss über Arbeitsentgelt und Vergütung für die in den Konkordatseinrichtungen eingewiesenen oder gefangenen minderjährigen Personen
Beschluss vom 31. Oktober 2013 über Arbeitsentgelt und Vergütung für die in den Konkordatseinrichtungen eingewiesenen oder gefangenen minderjährigen Personen Die Konferenz des Konkordats über den Vollzug der strafrechtlichen Einschliessung Jugendlicher aus den Westschweizer Kantonen (und teilweise aus dem Kanton Tessin) (die Konferenz) gestützt auf die Artikel 1, 2 und 27 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über das Jugendstrafrecht (Jugendstrafgesetz, JStG); gestützt auf die Artikel 74, 83 und 372 Abs. 3 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 (StGB); gestützt auf Artikel 45 der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009 (JStPO); gestützt auf Artikel 7, 3. Spiegelstrich, des Konkordats vom 24. Mai 2005 über den Vollzu g der strafrechtlichen Einschliessung Jugendlicher aus den Westschweizer Kantonen (und teilweise aus dem Kanton Tessin); in Erwägung: Gemäss Artikel 1 Abs. 2 JStG sind mehrere Bestimmungen des Strafgesetzbuchs sinngemäss anwendbar, namentlich und insbesond ere die
Artikel 74 (Vollzugsgrundsätze) und 83 (Arbeitsentgelt). Absatz 3 führt
näher aus, dass bei der Anwendung dieser Bestimmungen des Strafgesetzbuchs die Grundsätze nach Artikel 2 JStG – das heisst die wegleitende Bedeutung des Schutzes und der Erzieh ung des Jugendlichen in der Anwendung des Gesetzes – beachtet werden müssen sowie dass Alter und Entwicklungsstand des Jugendlichen zu seinen Gunsten berücksichtigt werden müssen. Das Bundesrecht führt somit den Grundsatz ein, dass die gefangene Person Rec ht auf ein Arbeitsentgelt hat. Der Artikel 27 JStG sieht in den Absätzen
2 und 3 vor, dass der Freiheitsentzug in einer Einrichtung für Jugendliche zu vollziehen ist, in der jeder Jugendliche entsprechend seiner Persönlichkeit erzieherisch betreut und insb esondere auf die soziale
Eingliederung nach der Entlassung vorbereitet wird. Die Einrichtung muss somit geeignet sein, die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen zu fördern. Ist ein Schulbesuch, eine Lehre oder eine Erwerbstätigkeit ausserhalb der Ein richtung nicht möglich, so ist dem Jugendlichen in der Einrichtung selbst der Beginn, die Fortsetzung und der Abschluss einer Ausbildung oder eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Der Grundsatz der Fortsetzung von beruflichen, schulischen, kulturellen und sportlichen Tätigkeiten in der Einrichtung ist im weiten Sinne als Arbeit mit einem Arbeitsentgelt zu betrachten. Im Hinblick auf die Ausbildung wird mit der angemessenen Vergütung nach Artikel 83 Abs. 3 StGB die Praxis festgelegt, die in der lateinischen Schweiz seit mehreren Jahren im Bereich der erwachsenen Gefangenen vorherrscht, wonach eine anerkannte und bewilligte Ausbildung ein Arbeitsentgelt beziehungsweise eine angemessene Vergütung rechtfertigt. Gemäss Artikel 45 Abs. 6 JStPO kann der Jugendliche , wenn er über ein regelmässiges Erwerbseinkommen oder über Vermögen verfügt, zu einem angemessenen Beitrag an die Vollzugskosten verpflichtet werden. berücksichtigt. Auf Antrag der Konkor datskommission vom 7. Oktober 2013, beschliesst:
Art. 1 Geltungsbereich
1 Dieses Reglement gilt für minderjährige Personen in Untersuchungshaft oder im Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer Unterbringungsmassnahme.
2 Es gilt auch für Personen über 18 Jahren, über die von einer Jugendstrafbehörde Untersuchungshaft verhängt, eine Strafe oder eine Massnahme ausgesprochen wurde oder die diese Strafe oder Massnahme vollziehen, während sie volljährig geworden sind (Art. 1 A bs. 2 des Konkordats).
Art. 2 Grundsätze
1 Jede in einer Konkordatseinrichtung eingewiesene oder gefangene Person erhält zusätzlich zu den Naturalleistungen (Unterkunft, Verpflegung und Betreuung) ein Nettoarbeitsentgelt für die Tätigkeit, die sie ausübt. Dasselbe gilt für Personen, die ausserhalb der Einrichtung eine Tätigkeit ausüben, die von der Direktion der Einrichtung organisiert wurde.
2 Bei Teilnahme an einem anerkannten Ausbildungsprogramm, zum Beispiel bei einer Grundausbildung oder Weiterbildung, das im Erziehungsprogramm an Stelle einer Arbeit vorgesehen ist, erhält die eingewiesene oder gefangene Person eine angemessene Vergütung. D ie Zeit, die für dieses Ausbildungsprogramm aufgewendet wird, muss mindestens der Dauer der täglichen Arbeit entsprechen.
3 Das Arbeitsentgelt wird nur an Personen entrichtet, die die in ihrem individuellen Programm vorgesehene Tätigkeit ausüben.
Art. 3 Zi ele
Das Arbeitsentgelt oder die angemessene Vergütung für die eingewiesene oder gefangene Person hat folgende Ziele: a) Wertschätzung der regelmässig erbrachten Leistungen, die von guter Qualität sein müssen, für eine Arbeit oder Tätigkeit, die Bestandteil des Erziehungskonzepts ist; b) der eingewiesenen oder gefangenen Person die Möglichkeit geben, während des Freiheitsentzugs die persönlichen Ausgaben zu decken, Rückzahlungen für die Entschädigungen zur Genugtuung zu leisten (z. B. OHG) oder für die Entla ssung zu sparen; c) die eingewiesene oder gefangene Person mit den Regeln der Arbeitswelt, des gesellschaftlichen Lebens und dem Umgang mit einem eigenen Budget vertraut machen und sie diesbezüglich schulen.
Art. 4 Festsetzung des Arbeitsentgelts oder der angemessenen
Vergütung
1 Das Arbeitsentgelt und die angemessene Vergütung werden auf der Grundlage der erbrachten Leistungen nach qualitativen und quantitativen Kriterien festgesetzt; sie werden den Umständen angepasst.
2 Das Arbeitsentgelt oder die Vergüt ung wird nicht gekürzt, wenn die eingewiesene oder gefangene Person während der ordentlichen Arbeitszeit an Gesprächen oder Unterredungen teilnehmen muss, die in ihrem individuellen Programm vorgesehen sind (z. B. medizinische Kontrolle, therapeutische Bet reuung, Behördengang oder Gespräche mit Drittbeteiligten oder Beteiligten im Rahmen des Strafverfahrens).
Art. 5 Kürzung oder Streichung des Arbeitsentgelts oder der
angemessenen Vergütung
1 Die Direktion der Einrichtung kann Kürzungen des Arbeitsentgelts oder der angemessenen Vergütung vornehmen, wenn die Arbeitsleistung ungenügend ist oder die Person eine negative Haltung an den Tag legt.
2 Das Arbeitsentgelt oder die angemessene Vergütung wird nur zum Teil entrichtet: a) bei ärztlich bescheinigter Arbeit sunfähigkeit oder verminderter Arbeitsfähigkeit während über drei Tagen infolge von Krankheit oder Unfall; b) wenn der Einrichtung die Möglichkeiten für eine Beschäftigungszuweisung fehlen, ohne dass dies von der betroffenen Person zu verantworten ist. Das Einrichtungsreglement legt die entsprechenden Modalitäten fest .
3 Es wird kein Arbeitsentgelt oder keine angemessene Vergütung entrichtet: a) während der Aufnahmephase nach dem Eintritt in die Einrichtung (während höchstens sieben aufeinanderfolgenden Tag en); b) für die Zeit im Ausgang und die Besuchszeiten mit privatem Charakter; c) wenn die eingewiesene oder gefangene Person die Arbeit verweigert oder aufgrund ihres Verhaltens keinem Arbeitsplatz zugewiesen werden kann oder eine Disziplinarsanktion verbüsst; d) wenn die betroffene Person eine Krankheit simuliert oder sie die Krankheit oder den Unfall absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat.
4 Während der Aufnahmephase und bei Untersuchungshaft, während der jegliche Tätigkeit oder Kontakt durch d ie Untersuchungsbehörde untersagt ist, sorgt die Direktion der Einrichtung dafür, dass die betroffenen Personen dennoch über einige grundlegende Bedarfsartikel verfügen.
Art. 6 Betrag des Arbeitsentgelts und der angemessenen Vergütung
Die Konferenz setzt p eriodisch einen Höchstbetrag pro Arbeitstag für eine eingewiesene oder gefangene Person fest. Der Betrag wird folgendermassen festgesetzt:
1. zwischen 5 und 15 Franken bei Untersuchungshaft und Vollzug einer Strafe oder einer Massnahme;
2. von 8 Franken (P hase I) bis höchstens 28 Franken (Phase IV) bei Schutzmassnahmen.
Art. 7 Berechnung des Arbeitsentgelts und der Vergütung
1 Das Nettoarbeitsentgelt und die Vergütung werden von der Einrichtungsleitung festgesetzt.
2 Sie werden in drei Teile aufgeteilt: a) verfügbar (50 %);
b) gebunden (35 %); c) gesperrt (15 %).
Art. 8 Verwendung des Arbeitsentgelts und der Vergütung durch die
gefangene Person
1 Der verfügbare Teil (50 %) kann frei verwendet werden, namentlich für: a) persönliche Bedarfsartikel (übliche Gebrauchsartikel, Lebensmittel, Getränke, Tabakwaren usw.), Zeitungsabonnemente, Freizeitartikel usw.; dasselbe gilt für Rückzahlungen; b) die Kosten und Ausgaben für die bewilligten Ausgänge; c) die Radio - und Fernsehgebühren sowie für die verschiedenen Kommunikationsmittel; d) die Kosten für Beschädigungen oder Schäden, die die eingewiesene oder gefangene Person absichtlich oder grobfahrlässig angerichtet hat.
2 Falls nötig muss der gebundene Teil (35 %), ohne Zustimmung der gefangenen Person, verwendet w erden für: a) die Zahlung von Entschädigungen, die dem Opfer als Wiedergutmachung zugesprochen wurden; b) die Wiedergutmachung von Schäden, die in der Einrichtung oder bei bewilligten Ausgängen verursacht wurden; c) die Bezahlung von Bussen; d) die Transpo rtkosten im Rahmen der bewilligten Ausgänge; e) die Sozialversicherungs - (z. B. AHV/IV) und anderen Versicherungsbeiträge.
3 Der für die Vorbereitung auf die bedingte oder definitive Entlassung gesperrte Teil (15 %) kann von der eingewiesenen oder gefangenen Person nicht abgehoben werden. Dieser Betrag wird zum Zeitpunkt der Erleichterung folgenden Personen oder Stellen zur Verfügung gestellt, entweder: a) der in Artikel 29 Abs. 3 JStG bezeichneten Person, wenn die Vollzugsbehörde dem bedingt entlassenen Jugendlichen eine Probezeit auferlegt; oder b) der Einweisungsbehörde; oder c) den gesetzlichen Vertretern.
4 Die Beträge zur Deckung der Ausbildungskosten oder der Kosten für die berufliche Eingliederung können vom gebundenen und gesperrten Teil
abgehoben w erden. Der verfügbare Teil kann mit dem Einverständnis des Jugendlichen ebenfalls beansprucht werden.
Art. 9 Überweisung des Arbeitsentgelts oder der angemessenen
Vergütung
1 Die Beträge werden von der Direktion der Einrichtung alle zwei Wochen einem für die eingewiesene oder gefangene Person eingerichteten Konto gutgeschrieben.
2 Je nach Dauer des Freiheitsentzugs oder den Besonderheiten der Situation der eingewiesenen oder g efangenen Person ist eine Aufteilung in mehrere Überweisungen möglich.
3 Die eingewiesene oder gefangene Person erhält eine detaillierte Abrechnung.
Art. 10 Geld oder Wertsachen im Besitz der gefangenen Person bei
Einrichtungseintritt oder im Laufe des Str afvollzugs
1 Die eingewiesene oder gefangene Person, die bei ihrem Eintritt in ein Gefängnis oder in eine Einrichtung über Geld verfügt, das sie nicht für eine vorher in einer anderen Vollzugseinrichtung geleistete Arbeit erhalten hat, muss dieses auf dem gesperrten Konto hinterlegen. Davon können monatlich höchstens 50 Franken abgezogen und auf das verfügbare Konto einbezahlt werden.
2 Diese Regeln gelten auch für die Geldbeträge, die die betroffene Person während der Unterbringung oder des Freiheitsentzugs erhält.
3 Das Geld, das eine aus einer anderen Einrichtung überstellte Person mitbringt und das den Ertrag einer in dieser Einrichtung ausgeübten Tätigkeit darstellt, wird auf die in Artikel 7 vorgesehenen Konten aufgeteilt.
4 Die weiteren Eigentumswerte der eingewiesenen oder gefangenen Person werden gegen Quittung bei der Einrichtung hinterlegt, die sie bis zur Überstellung oder Entlassung der betroffenen Person aufbewahrt.
Art. 11 Schlussbestimmungen
1 Die Konferenz lädt die Kantonsregierungen der lateinischen Schweiz ein, ihre kantonalen Regelungen über Arbeitsentgelt und Vergütungen an eingewiesene oder gefangene Jugendliche in den Konkordatseinrichtungen anzupassen.
2 Dieser Beschluss tritt am 1. Jan uar 2014 in Kraft.
3 Er wird auf der Internetseite der Konferenz veröffentlicht.
Verabschiedung In seiner Sitzung vom 28. Januar 2014 hat der Staatsrat des Kantons Freiburg diesen Beschluss verabschiedet.
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