Gesetz über die Wahl der Richterinnen und Richter und die Aufsicht über sie (131.0.2)
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Gesetz über die Wahl der Richterinnen und Richter und die Aufsicht über sie

Gesetz vom 11. Mai 2007 über die Wahl der Richterinnen und Richter und die Aufsicht über sie (RWAG) Der Grosse Rat des Kantons Freiburg gestützt auf die Artikel 86, 121, 125, 127 und 128 der Verfassung des Kantons Freiburg vom 16. Mai 2004; gestützt auf die Botschaft des Staatsrates vom 12. März 2007; auf Antrag dieser Behörde, beschliesst:
1. KAPITEL Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand

Dieses Gesetz regelt die Wahl der Mitglieder der Justiz und der Staatsanwaltschaft (Richterinnen und Richter) und die Aufsicht über sie.

Art. 2 Begriffe

1 Als Richterinnen und Richter im Sinne dieses Gesetzes gelten: a) die Kantonsrichterinnen und -richter, die Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte und der vom Gesetz vorgesehenen Spezialgerichte, die Untersuchungsrichterinnen und -richter, die Friedensrichterinnen und -richter sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter; b) die Mitglieder der besonderen Ve rwaltungsjustizbehörden sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter, mit Ausnahme der Mitglieder des Staatsrates und der Mitglieder der als Beschwerdeinstanz urteilenden Verwaltungsbehörden; c) die Generalstaatsanwältin ode r der Generalstaatsanwalt und die Substitutinnen und Substituten der Staatsanwaltschaft;
d) die Beisitzerinnen und Beisitzer der Gerichte, der Friedensgerichte und der besonderen Verwaltungsjustizbehörden sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter.
2 Als Berufsrichterinnen und -richter im Sinne dieses Gesetzes gelten die Richterinnen und Richter, die ihr Amt als Beruf ausüben, unabhängig davon, ob es sich um ein Vollpensum oder ein Teilpensum handelt.

Art. 2a Natur der Entscheide

Die Wahlen und die Entscheide des Grossen Rates und des Justizrats im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Richterinnen und Richter werden in letzter kantonaler Instanz getroffen.
2. KAPITEL Wahl

Art. 3 Wählbarkeit

a) Im Allgemeinen
1 Als Richterinnen und Richter sind Personen wählbar: a) die Schweizer Aktivbürgerinnen oder -bürger oder ausländische Staatsangehörige mit Nied erlassungsbewilligung sind; b) gegen die keine Verlustscheine ausgestellt wurden; c) die nicht strafrechtlich verurte ilt wurden wegen Handlungen, die mit dem Amt einer Richterin oder eines Richters nicht vereinbar sind.
2 Die ausländischen Staatsangehörigen müssen zudem seit mindestens fünf Jahren Wohnsitz im Kanton haben.
3 Die von der Verfassung und vom Ge richtsorganisationsgesetz vorgesehenen Unvereinbarke iten bleiben vorbehalten.

Art. 4 b) Ausbildung

1 Die Berufsrichterinnen und -richter müssen im Besitz eines Anwaltspatentes oder eines Lizentiates oder Masters der Rechte sein und sich über genügende praktische Kenntnisse zur Ausübung des vorgesehenen Amtes ausweisen können.
2 Diese Anforderungen gelten nicht für die Friedensrichterinnen und -richter.

Art. 5 Verfahren

a) Grundsätze
1 Die Richterinnen und Richter werden auf Stellungnahme des Justizrates vom Grossen Rat gewählt.
2 Die Stellen müssen vorgängi g ausgeschrieben werden.

Art. 6 b) Aufgaben des Justizrates

1 Der Justizrat organisiert die Ausschreibung, überprüft die Wählbarkeitsvoraussetzungen und beurteilt die Bewerbungen.
2 Er leitet die Bewerbungsunterlagen an den Grossen Rat weiter; dieser unterbreitet sie der Justizkommission zur Stellungnahme.

Art. 7 c) Verfahren vor dem Grossen Rat

1 Die Richterinnen und Richter werden aus den Bewerberinnen und Bewerbern in Einzelwahl gewählt.
2 Die Wahlen werden von der Justizkommission vorbereitet.

Art. 8 Eid oder feierliches Versprechen

1 Vor Amtsantritt leisten die Richte rinnen und Richter vor dem Grossen getreu auszuüben.
2 Die Wahl wird hinfällig, wenn die gewählte Person den Eid nicht leisten oder das feierliche Versprechen nicht abgeben will.

Art. 9 Wohnsitzpflicht

Die Richterinnen und Richter müssen im Kanton Wohnsitz haben.
3. KAPITEL Aufsicht

Art. 10 Grundsätze

1 Die Richterinnen und Richter unterstehen der Aufsicht durch den Justizrat.
2 Der Justizrat übt seine Aufsicht von Amtes wegen aus; er stützt sich dabei auf die von ihm gesammelten In formationen, auf Beschwerden und Anzeigen.
3 Liegt ein Sachverhalt vor, der nach Ansicht des Justizrats Anlass zu einer Disziplinarmassnahme oder einer a nderen Massnahme geben könnte, so eröffnet er ein Verfahren. Er informiert das Kantonsgericht.

Art. 11 Disziplinarrecht

a) Massnahmen
1 Gegen die Richterinnen und Richter, die ihre Dienstpflichten absichtlich oder fahrlässig verletzen oder deren Ve rhalten mit der Würde ihres Amtes unvereinbar ist, können folgende Disziplinarmassnahmen ergriffen werden: a) der Ordnungsruf; b) der Verweis; c) die disziplinarische Abberufung.
2 Zusammen mit dem Verweis kann di e Abberufung angedroht werden.

Art. 12 b) Verfahren

1 Die Disziplinarmassnahmen können nur nach einer vom Justizrat geführten Untersuchung ausgesproche n werden. Die betroffene Person wird über die Eröffnung der Untersuchung in Kenntnis gesetzt.
2 Die betroffene Person wird münd lich angehört. Nach der Untersuchung kann sie eine schriftliche Stellungnahm e einreichen und eine ergänzende Untersuchung beantragen.
3 Im Übrigen sind die Bestimmungen de s Verwaltungsrechtspflegegesetzes anwendbar.

Art. 13 c) Zuständigkeit

1 Der Ordnungsruf und der Verweis werden vom Justizrat ausgesprochen.
2 Gelangt der Justizrat nach Absc hluss der Untersuchung zur Auffassung, der Sachverhalt könnte eine Abberufung rechtfertigen, so überweist er die Akten dem Grossen Rat; dieser unterbreitet sie der Justizkommission zur Stellungnahme.
3 Er informiert das Kantonsgericht.

Art. 14 d) Verjährung

1 Das Recht, Disziplinarmassnahmen au szusprechen, verjährt zwei Jahre nach Kenntnis des Vorfalles.
2 Diese Frist steht während der Daue r eines Strafverfahrens und während eines Beschwerdeverfahrens gegen den Disziplinarentscheid still.
3 In jedem Fall verjährt das Recht, eine Disziplinarmassnahme auszusprechen, sieben Jahre nach der Begehung des Verschuldens.

Art. 15 Abberufung

a) Gründe
1 Ausser aus disziplinarischen Gründen werden die Richterinnen und Richter abberufen, wenn sie: a) die Wählbarkeitsvoraussetzungen nicht mehr erfüllen; b) sich als unfähig erweisen oder ein anderer Grund vorliegt, der die Belassung im Amt verunmöglicht.
2 Wenn die Umstände es erlauben, werden sie vor der Abberufung schriftlich verwarnt.

Art. 16 b) Aufgaben des Justizrates

1 Das Abberufungsverfahren wird vom Justizrat eröffnet. Im Übrigen ist

Artikel 12 anwendbar.

2 Der Justizrat kann gemäss den Be stimmungen des Gesetzes über das Staatspersonal, die sinngemäss gelten, die betroffene Person vorläufig in ihrer Tätigkeit suspendieren und die Gehaltszahlungen einstellen.
3 Nach Abschluss der Untersuchung überweist er die Akten dem Grossen Rat; dieser unterbreitet sie der Justizkommission.

Art. 17 c) Verfahren vor dem Grossen Rat

1 Die Justizkommission prüft die Akten, hört die betroffene Person an und stellt dem Plenum Antrag.
2 Die Beratungen und die Abstimmung sind geheim.
3 Der Entscheid wird dem Justiz rat mitgeteilt. Er ist endgültig.
4. KAPITEL Schlussbestimmungen

Art. 18 Übergangsrecht

a) Wahl der Richterinnen und Richter
1 Die Richterinnen und Richter im Sinne dieses Gesetzes, die gemäss bisherigem Recht ernannt oder gewählt worden sind, werden gemäss neuem Recht wiedergewählt. Das Wahlverfahren wird jedoch ohne Ausschreibung durchgeführt, sofern de r Justizrat nicht etwas anderes beschliesst.
1bis Der Grosse Rat kann eine kollektive Wiederwahl der Richterinnen und Richter durchführen, deren Amt nicht ausgeschrieben worden ist.
2 Sie werden auf das Ende ihrer Amtszeit wiedergewählt.
3 Die Friedensrichterinnen und -richter werden gemäss neuem Recht auf den 1. Januar 2008 gewählt.

Art. 19 b) Entschädigungen im Falle einer Nichtwiederwahl

1 Werden Berufsrichterinnen und -richter nicht wiedergewählt, so haben sie Anspruch auf eine Entschädigung in der Höhe eines Jahresgehalts.
2 Die Entschädigung wird jedoch nicht geschuldet, wenn sie aus einem vom Justizrat gebührend festge stellten Abberufungsgrund nicht wiedergewählt werden.
3 Absatz 1 gilt nicht für die Ri chterinnen und Richter, die den Übergangsbestimmungen des Gese tzes über die Gehälter und die berufliche Vorsorge der Staatsräte, der Oberamtmänner und der Kantonsrichter unterstellt sind.

Art. 20 Aufhebung bisherigen Rechts

Es werden aufgehoben: a) Gesetz vom 21. Mai 1873 betreffend die Richter, die sich in der Unmöglichkeit befinden, ihre Amtspf licht zu erfüllen (SGF 131.0.5); b) Geschäftsordnung vom 29. Dezem ber 1967 des Wahlkollegiums (SGF
131.0.12).

Art. 21 Änderung bisherigen Rechts

Folgende Gesetze werden gemäss den Bestimmungen des Anhangs, der Bestandteil dieses Gesetzes ist, geändert:
1. Gesetz vom 6. April 2001 über die Ausübung der politischen Rechte (PRG) (SGF 115.1);
2. Grossratsgesetz vom 6. September 2006 (GRG) (SGF 121.1);
3. Gesetz vom 11. Februar 1873 über die Staatsanwaltschaft (SGF
122.4.1);
4. Gesetz vom 6. Oktober 2006 über den Justizrat (JRG) (SGF 130.1);
5. Gesetz vom 22. November 1949 übe r die Gerichtsorganisation (SGF
131.0.1);
6. Gesetz vom 22. November 1972 über die Gewerbegerichtsbarkeit (SGF 132.1);
7. Gesetz vom 18. Mai 1989 über die Mietgerichtsbarkeit (MGG) (SGF
132.2);
8. Gesetz vom 27. November 1973 über die Jugendstrafrechtspflege (SGF 132.6);
9. Gesetz vom 26. November 1998 über die fürsorgerische Freiheitsentziehung (SGF 212.5.5);
10. Gesetz vom 18. Februar 1986 über das Grundbuch (SGF 214.5.1);
11. Gesetz vom 7. November 2003 über die amtliche Vermessung (AVG) (SGF 214.6.1);
12. Ausführungsgesetz vom 9. Ma i 1996 über den Mietvertrag und den nichtlandwirtschaftlichen Pachtver trag (MPVG) (SGF 222.3.1);
13. Gesetz vom 19. November 1997 über die Universität (SGF 430.1);
14. Gesetz vom 23. Februar 1984 über die Enteignung (SGF 76.1);
15. Gesetz vom 30. Mai 1990 über die Bodenverbesserungen (SGF
917.1).

Art. 22 Inkrafttreten und Referendum

1 Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.
2 Die Bestimmungen betreffend die Wahl der Richterinnen und Richter (Art. 3–9) treten jedoch am 1. Juli 2007 in Kraft.
3 Dieses Gesetz untersteht dem Gesetzesreferendum. Es untersteht nicht dem Finanzreferendum. ANHANG Änderung von Gesetzen Die in Artikel 21 aufgeführten Gese tze werden wie folgt geändert:
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