Beschluss über das Arbeitsexternat und das Arbeits- und Wohnexternat
Beschluss vom 25. September 2008 über das Arbeitsexternat und das Arbeits- und Wohnexternat Die lateinische Konfer enz der in Straf- und Massnahmenvollzugsfragen zuständigen Behörden gestützt auf die Artikel 59 – 61 und 64, 74 und 75, 75a, 77a, 90 Abs. 2 bis ,
372 Abs. 3, 379 Abs. 1 und 380 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB); gestützt auf die Verordnung vom 19. September 2006 zum Schweizerischen Strafgesetzbuch und zum Militärstrafgesetz (V-StGB-MStG); gestützt auf Artikel 4 Bst. b des Konkordats vom 10. April 2006 über den Vollzug der Freiheitsstrafen und Massnahmen an Erwachsenen und jungen Erwachsenen in den Kantonen der lateinischen Schweiz (Konkordat über den strafrechtlichen Freiheitsentzug an Erwachsenen); in Erwägung: Das neue Sanktionenrecht, das am 1. Januar 2007 in Kraft trat, wurde bereits 2006 und 2007 revidiert (insbesondere die Artikel 75a und 90 Abs.
4 bis StGB). Des Weitern haben die ei dgenössischen Räte zusätzliche Änderungen im Zusammenhang mit der lebenslänglichen Verwahrung von extrem gefährlichen Straftätern beschlossen (AS 2008, S. 2961 ff.). Diese Änderungen sind am 1. August 2008 in Kraft getreten und haben einen direkten Einfluss auf die Regeln über die Ausgangsbewilligungen. Während des Strafvollzugs, der der Verwahrung bzw. lebenslänglichen Verwahrung vorangeht, kann ein extrem gefährlicher Straftäter in der Tat nicht in den Genuss einer Ausgangsbewilligung oder einer anderen Vollzugserleichterung kommen (Art. 84 Abs. 6 bis und 90 Abs. 4 ter StGB). Das neue Sanktionenrecht übernimmt das bisherige System des Arbeitsexternats (früher: Halbfreiheit ), wo die verurteilte Person ab der Hälfte der Freiheitsstrafe ausserhalb der Anstalt für einen externen Arbeitgeber tätig sein kann. Änderunge n ergeben sich allerdings bei der Ausgestaltung (vgl. Art. 77a StGB), z.B. beim Arbeits- und Wohnexternat, das bisher im Massnahmenvollzug gewährt werden konnte und neu auch im Rahmen des Strafvollzugs möglich ist.
In diesem Sinne wird die gefangene Person, die einen Teil der Strafe oder Massnahme im ordentlichen Vollzugsregime verbüsst haben muss (bei Strafen in der Regel die Hälfte der Zeit), eine Erwerbstätigkeit ausüben können, für die in der Regel ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Der Gesetzgeber hat gewollt, dass auch die Hausarbeit, familienbezogene Arbeit, die Betreuung und Obhut von Kindern oder jede andere strukturierte und von der zuständigen Behörde genehmigte Tätigkeit als Arbeitsexternat betrachtet werden kann. Diese Phase des Vollzugsregimes betrifft nicht die gefangenen Personen im ordentlichen Strafvollzug, die ausserhalb der Anstalt bei einem privaten Arbeitgeber ausserhalb der Anstalt oder einem Arbeitgeber arbeiten, der in der Anstalt über Ateliers verfügt, die von privaten Arbeitgebern in Regie betrieben werden (Art. 81 Abs. 2 StGB). Auch kann dieses Vollzugsregime bei stationären therapeutischen Massnahmen nach den Artikeln 59–61 StGB sowie bei Verwahrung nach
Art. 64 Abs. 1 StGB angewendet werden (Art. 90 Abs. 2
bis StGB). Schliesslich werden auch die neuen Anforderungen in Bezug auf die Abklärung der Gemeingefährlichkeit durch eine Fachkommission (Art. 75a und 90 Abs. 2 bis und 4 bis StGB) beachtet werden müssen. Dieser Beschluss trägt der Praxis und den gemachten Erfahrungen sowie den neuen gesetzlichen Bestimmungen Rechnung. Auf Antrag der Konkordatskommission und der Westschweizer Kommission der Schutzaufsichtsämter vom 20. Juni 2008, beschliesst:
Art. 1 Grundsätze
1 Das Arbeitsexternat und das Arbeits- und Wohnexternat bilden eine wichtige Etappe zur Vorbereitung auf die Freilassung. In der Regel und von Ausnahmen abgesehen beginnen sie ab Verbüssung der Hälfte der Strafe. Sie dienen der stufenweisen Wiedereingliederung der gefangenen Person und bilden Teil des Vollzugsplans für die Strafen und Massnahmen
2 Die Bestimmungen der Artikel 75a und 90 Abs. 4 bis StGB bleiben vorbehalten.
3 Die gefangene Person arbeitet ausserhalb der Anstalt und verbringt ihre Freizeit und die Nächte in der Anstalt.
4 Wenn die gefangene Person die Phase des Arbeitsexternats erfolgreich verbringt, kann sie danach ausserhalb der Anstalt wohnen.
5 In der Regel geht dieser Phase der Vollzug der freiheitsentziehenden Strafen und Massnahmen in einer offe nen Anstalt oder in einer offenen Abteilung einer geschlossenen Anstalt voraus.
6 Das Arbeitsexternat und das Arbeits- und Wohnexternat sind zeitlich beschränkt und dauern in der Regel nicht länger als 12 Monate. Vorbehalten bleiben die Situationen von gefangenen Personen, die zu einer langen Freiheitsstrafe oder Massnahme verurteilt worden sind, und jene der jungen Erwachsenen.
7 Die gefangene Person kann während des Vollzugs allein oder in Gruppen bei einem privaten oder öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausserhalb der Anstalt beschäftigt werden oder eine Beschäftigung, die auf ihr erwiesenes Problem psychosozialer Natur abgestimmt ist, ausüben.
8 Sie erhält grundsätzlich gemäss einem Arbeitsvertrag ein der Arbeit und den erbrachten Leistungen angepasstes Entgelt. Die gefangene Person muss der Beschäftigung im Externat zustimmen.
9 Während der Beschäftigungszeit ausserhalb der Anstalt untersteht die gefangene Person weiterhin dem Vollzugsregime für die Strafen und Massnahmen und der Disziplinargewalt der Anstalt.
Art. 2 Zuständigkeit
1 Die vom Urteilskanton bezeichneten zuständigen Behörden (vgl. auch
Art. 75a und 90 Abs. 4
bis StGB) entscheiden über die Versetzung ins Arbeitsexternat und ins Arbeits- und Wohnexternat sowie über deren Widerruf.
2 Sie bestimmen den Haft- und Arbeitsort und genehmigen gegebenenfalls den Ort des Wohnexternats.
3 Sie können die in Artikel 1 Abs. 1 aufgezählten Befugnisse an die Anstaltsleitung delegieren. Die Bestimmungen der Artikel 75a und 90 Abs.
4 bis StGB bleiben vorbehalten.
4 Die Anstaltsleitung oder eine andere zuständige Behörde (z.B. das Amt für Bewährungshilfe) entscheidet über die Beschäftigung einer gefangenen Person bei einem privaten oder öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im Externat. Sie informiert darüber vorgängig die zuständigen Behörden, die das Arbeitsexternat sowie das Arbeits- und Wohnexternat bewilligt haben.
5 Die Bewilligung des Arbeitsexternats sowie des Arbeits- und Wohnexternats und der Beschäftigung nach Artikel 1 Abs. 7 dieses Beschlusses kann an besondere Bedi ngungen, namentlich an die Einhaltung finanzieller Verpflichtungen, geknüpft werden.
Art. 3 Voraussetzungen für die Bewilligung
1. Im Allgemeinen a) Das Arbeitsexternat, das Arbeits- und Wohnexternat und die Beschäftigung nach Artikel 1 Abs. 7 dieses Beschlusses können bewilligt werden, wenn die gefangene Person: aa) über ein offizielles Dokument verfügt, das ihre Identität ausweist; ab) keinen Anlass gibt für die Annahme, sie könnte fliehen oder weitere Straftaten begehen; ac) die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet; ad) den Vollzugsplan für die Strafen und Massnahmen eingehalten hat; ae) sich aktiv an den Wiedereingliederungsbemühungen beteiligt hat; af) aufgezeigt hat, dass sie fähig ist, ihre Verpflichtungen einzuhalten; ag) fähig ist, die Pflichten einzuhalten, die vom Arbeitgeber festgesetzt wurden, am Arbeitsort vorgesehen sind, von der Anstalt festgesetzt wurden oder für das Wohnexternat gelten. b) Die Arbeitsmarktbedingungen und die Arbeitsplatzmöglichkeiten müssen für die Bewilligung dieser Vollzugsregime gegeben sein.
2. Arbeitsexternat Die gefangene Person kann ins Arbeitsexternat versetzt werden, wenn: a) sie mindestens die Hälfte der Strafe verbüsst hat; b) sie sich in der Regel während mindestens 6 Monaten im offenen Haftregime bewährt und mehrere Urlaube reibungslos verbracht hat; c) in einer für den Vollzug in Form des Arbeitsexternats anerkannten Einrichtung ein Platz zur Verfügung steht; d) eine angemessene Arbeit ausserhalb der Anstalt gewährleistet ist. In der Regel wird eine Vollzeitarbeit verlangt; in Ausnahmefällen kann der Umfang des Beschäftigungsgrads auf bis zu 50 % reduziert werden, wenn die gefangene Person nur eine beschränkte Arbeitsleistung erbringen kann oder wenn der auswärtige Arbeitgeber dies wünscht, unter der Bedingung, dass die Anstalt ausreichende Strukturen und eine genügende Betreuung der gefangenen Person während ihrer freien Zeit gewährleistet.
3. Wohnexternat
a) Die gefangene Person kann ins Wohnexternat versetzt werden, wenn: aa) sie sich in der Regel während zwei Dritteln der voraussichtlichen Dauer des Arbeits externats (je nach bedingter und/oder definitiver Entlassung) zufriedenstellend verhalten hat; ab) der Umstand, dass die gefangene Person eine unabhängige Unterkunft hat, sich günstig auf ihre Wiedereingliederung und auf eine positive Entwicklung im Hinblick auf die Verwirklichung der im Vollzugsplan für die Strafen und Massnahmen vorgesehenen Zielsetzungen auswirkt; ac) sie über ein passendes Zimmer oder eine passende Wohnung verfügt; ad) sie in der Lage ist, alle entsprechenden Kosten zu tragen. b) Die gefangene Person hat selber, allenfalls mit Hilfe des Amtes für Bewährungshilfe, eine externe Wohngelegenheit zu organisieren. c) Die übliche Wohnung der gefangenen Person kann in bestimmten Fällen als Wohngelegenheit für das Wohnexternat anerkannt werden. d) Die externe Wohngelegenheit kann nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde festgelegt werden. e) Vorbehalten bleiben die kantonalen Bestimmungen über den elektronisch überwachten Strafvollzug (EM).
Art. 4 Anstalten
1. Im Allgemeinen a) Das Vollzugsregime des Arbeitsexternats wird in einer öffentlichen oder privaten Anstalt durchgeführt. Letztere muss von den zuständigen Behörden des Kantons, in dem die Anstalt liegt, anerkannt sein. b) Die Anstalt muss gewährleisten, dass: ba) sie über eine gefestigte Organisation, ein Vollzugskonzept und ein Hausreglement verfügt, das von der zuständigen Behörde des Kantons, in dem die Anstalt liegt, genehmigt wurde; bb) die Betreuung der gefangenen Person und ein Bereitschaftsdienst rund um die Uhr sichergestellt sind. c) Ausserhalb des Konkordatsbereichs gelegene Einrichtungen gelten als anerkannt, wenn sie von den Behörden des Konkordats, auf dessen Gebiet sie gelegen sind, anerkannt sind.
2. Spezifische Aufgaben a) Die Anstalt sorgt dafür, dass der Vollzugsplan für die Strafen und Massnahmen, das Hausreglement und allfällige andere Richtlinien eingehalten werden. Sie bestimmt je nach Arbeitszeiten und der Hausorganisation die Zeit, während der die gefangene Person die Anstalt verlassen darf. Sie überprüft insbesondere, ob die gefangene Person regelmässig arbeitet und ihre Pflichten erfüllt. b) Der Lohn der gefangenen Person wird auf das Konto der Anstalt oder der zuständigen Behörde überwiesen. Diese arbeitet zusammen mit der gefangenen Person ein Budget aus und entscheidet, über welchen Betrag die gefangene Person unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und der Vollzugsdaten verfügen darf; im Budget zu berücksichtigen sind namentlich die notwendigen Ausgaben der gefangenen Person, ihre finanz iellen Verpflichtungen gegenüber der Familie und die allenfalls vorzusehende Tilgung von Schulden. c) Die Anstalt sorgt dafür, dass die zuständigen Behörden ein Gesuch um bedingte Entlassung zusammen mit einem ausführlichen entsprechenden Bericht rechtzeitig erhalten.
3. Beziehungen zur Aussenwelt a) Die zuständigen Behörden des Urteilskantons erteilen der gefangenen Person im Rahmen des Vollzugsplans für die Strafen und Massnahmen Urlaube. Di e Anzahl der Urlaube kann stufenweise gemäss folgender Skala erhöht werden: aa) Während des 1. Monats hängt die Dauer des Urlaubs davon ab, wann eine Versetzung ins Externat erfolgt: – zwischen dem 1. und dem 8. des Monats: höchstens 52 Stunden; – zwischen dem 9. und dem 15. des Monats: höchstens 36 Stunden; – zwischen dem 16. und dem 31. des Monats: höchstens 12 Stunden. ab) Ab dem 2. Monat beträgt die Höchstdauer des monatlichen Urlaubs 72 Stunden. ac) Ab dem 3. Monat beträgt die Höchstdauer des monatlichen Urlaubs 86 Stunden. ad) Ab dem 4. Monat beträgt die Höchstdauer des monatlichen Urlaubs 124 Stunden.
ae) Ab dem 5. Monat beträgt die Höchstdauer des monatlichen Urlaubs 172 Stunden. af) Ab dem 6. Monat kann an jedem Wochenende Urlaub von höchstens 54 Stunden gewährt werden. b) In der Regel dauert der Urlaub von Freitagabend (nach Beendigung der Arbeit) bis zum Sonntagabend. Der gefangenen Person können besondere Bedingungen (eventuell technische Massnahmen) auferlegt werden. c) Die zuständigen Behörden können den Anstaltsdirektionen erlauben, Sonderurlaub zu gewähr en. Bei Brücken anlässlich von Feiertagen können 2 Urlaube kombiniert werden; in diesen Fällen beträgt die Höchstdauer des Urlaubs 96 Stunden. d) Die jährliche Schliessung eines Unternehmens und Feier- oder arbeitsfreie Tage geben in der Regel keinen Anspruch auf zusätzliche Ausgangsbewilligungen. Während dieser Zeit wird die gefangene Person in der Anstalt beschäftigt.
4. Wohnexternat a) Während der Zeit des Wohnexternats wohnt die gefangene Person ausserhalb der Anstalt (z.B. in einem Zimmer oder in einer Wohnung). b) Die zuständige Behörde vergewissert sich, dass die der gefangenen Person auferlegten Bedingungen eingehalten werden. c) Sie kann diese Aufgabe namentlich den Ämtern für Bewährungshilfe übertragen.
5. Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben Das beauftragte Amt trifft alle notwendigen Vorkehrungen für die Aufrechterhaltung der Ordnung und informiert unverzüglich die für die Versetzung ins Externat zuständigen Behörden, namentlich bei Unregelmässigkeiten, wenn z.B. die gefangene Person ohne Begründung der Arbeit fernbleibt oder den Vollzugsplan für die Strafen und Massnahmen, das Hausreglem ent oder andere Anordnungen der Anstaltsdirektion nicht einhält.
Art. 5 Widerruf des Arbeitsexternats sowie des Arbeits- und
Wohnexternats Erfüllt eine im Genuss einer solchen Bewilligung stehende gefangene Person die entsprechenden Bedingungen nicht mehr und können die zuständigen Behörden noch keinen Entscheid treffen, so kann das beauftragte Amt die Versetzung ins Externat aus schwerwiegenden
Gründen oder als vorsorgliche Massnahme vorläufig sperren. Es benachrichtigt unverzüglich die zuständigen Behörden, die innert einer Frist von zehn Tagen entscheiden müssen . Die gefangene Person muss bis zum Vorliegen eines Entscheids der angerufenen Behörde in eine Anstalt rückversetzt werden.
Art. 6 Beteiligung an den Vollzugskosten
1 Die Anstalt zieht bei den gefa ngenen Personen, die sich im Arbeitsexternat befinden, einen Betrag als Beteiligung an den Vollzugskosten ein.
2 Die Konferenz hat den Betrag für das Arbeitsexternat per 1. Januar 2007 auf 21 Franken pro Tag festgesetzt. Die gefangene Person, die eine anerkannte Ausbildung absolviert, einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nachkommen muss oder lediglich eine strukturierte und betreute Tätigkeit hat, entrichtet einen geringeren Betrag, mindestens aber 10 Franken pro Tag.
3 Für das Arbeits- und Wohnexternat beträgt die Beteiligung 5 Franken pro Tag.
4 Bei ausgewiesenen Härtefällen kann die zuständige Behörde die Beteiligung an den Vollzugskosten reduzieren. Die gefangene Person muss hierfür zu Beginn des Monats ein begründetes Gesuch einreichen.
Art. 7 Schlussbestimmungen
1 Die Empfehlung Nr. 7 vom 27. Oktober 2006 über das Arbeitsexternat und das Arbeits- und Wohnexternat wird aufgehoben.
2 Die Konferenz lädt die Kantonsregierungen der lateinischen Schweiz ein, ihre Bestimmungen über das Arbeitsexternat sowie über das Arbeits- und Wohnexternat anzupassen.
3 Dieser Beschluss tritt am 1. November 2008 in Kraft.
4 Er wird auf der Internetseite der Konferenz veröffentlicht.
Feedback