Verordnung über die Bezirksarchive (421.211)
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Verordnung über die Bezirksarchive

421.211
6. August 1943 Verordnung über die Bezirksarchive Der Regierungsrat des Kantons Bern, in der Absicht, für die Sicherung der erhaltenswerten Bestände der Bezirksarchive und die Regelung der Aufbewahrung, Ausscheidung und Ablieferung ihrer Akten zu sorgen, auf Antrag der Justizdirektion, beschliesst:

Art. 1

1 Für die geordnete Behandlung und Unterbringung der Archivalien der Bezirksamtsstellen ist der Vorsteher der Amtsstelle verantwortlich. Wo die Archivalien der sämtlichen Bezirksamtsstellen in einem gemeinsamen Archiv untergebracht sind, ist in erster Linie der Regierungsstatthalter verantwortlich. Der Regierungsstatthalter erstattet jährlich bis 30. November dem Staatsarchivar Bericht über den Zustand der staatlichen Archive des Amtsbezirks.
2 Der Staatsarchivar übt die Oberaufsicht über die Bezirksarchive aus. Er nimmt periodisch Kontrollen vor und beantragt bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion [Fassung vom 10. 11. 1993] die notwendigen Massnahmen.

Art. 2

1 Das Schriftmaterial der Bezirksarchive gliedert sich in einen historischen und einen neueren Teil. Der historische Teil umfasst das Material vor 1831, der neuere Teil dasjenige nach 1831.
2 Bestände des historischen Teils dürfen von der Bezirksverwaltung nicht beseitigt werden. Bei Raummangel können sie an das Staatsarchiv abgegeben werden. Für die Ablieferung gelten die bezüglichen Bestimmungen dieser Verordnung.

Art. 3

1 Der neuere Teil umfasst die Bestände seit 1831, also das Material des Regierungsstatthalters, des Amtsschreibers und Grundbuchführers, des Gerichtspräsidenten, des Gerichtsschreibers und Handels- und Güterrechtsregisterführers, des Amtsschaffners und des Betreibungs- und Konkursbeamten.
2 Diese Bestände zerfallen im Hinblick auf den Wert ihrer Aufbewahrung in drei Klassen: Die erste Klasse enthält die dauernd aufzubewahrenden Akten. Die zweite Klasse enthält die befristet aufzubewahrenden Akten, deren Vernichtung eine Sichtung vorauszugehen hat. Die Sichtung erfolgt durch die Bezirksverwaltung nach Weisungen des Staatsarchives. Die dritte Klasse enthält die Akten, welche nach einem bestimmten Zeitraum ohne weiteres zu vernichten sind.
3 Über die Zugehörigkeit der Akten zu den genannten drei Klassen geben die vom Regierungsrat genehmigten Verzeichnisse der Bestände der Bezirksarchive Aufschluss. Diese Verzeichnisse sind periodisch vom Staatsarchiv in Verbindung mit der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion zu ergänzen und dem Regierungsrat zur Genehmigung zu unterbreiten. Sie bestimmen ebenfalls die einzuhaltenden Aufbewahrungsfristen der zweiten und dritten Klasse.
4 Für die Aufbewahrung amtlicher Drucksachen in den Bezirksarchiven gelten die besondern Weisungen in Anhang I. Für die Aufbewahrung und Sichtung der Strafakten gelten die Richtlinien in Anhang II.

Art. 4

Die Organe der Bezirksverwaltung haben darüber zu wachen, dass bei Veräusserung ausgeschiedener Bestände der Bezirksarchive die restlose Vernichtung gesichert ist. Eine Veräusserung an Händler ist unzulässig.

Art. 5

Alle Bestände sind in guter Ordnung, gebunden oder in Schachteln oder Mappen an trockenem Ort
unterzubringen. Bei Beständen der ersten Klasse ist besonders auf sichere Unterbringung und dauerhafte Verpackung zu achten.

Art. 6

1 Grundsätzlich kommen für die Ablieferung an das Staatsarchiv keine Bestände des neueren Teils in Frage, solange sich noch solche des historischen Teils im Bezirksarchiv befinden. Bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung durchgeführte Ablieferungen an das Staatsarchiv werden von ihren Bestimmungen nicht berührt.
2 Der Ablieferung hat eine Verständigung mit dem Staatsarchivar voranzugehen.
3 Die Bestände sind geordnet, mit Verzeichnis, zu übergeben und werden vom Staatsarchiv an seinem Standort in Bern abgenommen.
4 Die Kosten der Ablieferungen gehen zu Lasten der Bezirksverwaltung.

Art. 7

Diese Verordnung tritt sofort in Kraft. Sie ist im Amtsblatt zu veröffentlichen und in die Gesetzessammlung aufzunehmen. Sämtliche dieser Verordnung entgegenstehende Weisungen sind aufgehoben. Bern, 6. August 1943 Rudolf Schneider Anhang I Amtliche Drucksachen Für die Haltung und Aufbewahrung der amtlichen Drucksachen in den Bezirken gelten nachstehende Bestimmungen. Es sind I. Auf dem Regierungsstatthalteramt:
1. die bernische Gesetzessammlung seit 1803, jahrgangsweise gebunden, in einer Serie;
2. die Kreisschreibensammlung;
3. die Staatsverwaltungsberichte, eine Serie;
4. das Tagblatt des Grossen Rates mit Beilagen, eine Serie;
5. die Staatskalender, eine Serie;
6. die Amtsanzeiger, eine Serie. II. Auf der Gerichtsschreiberei:
1. [Fassung vom 18. 3. 1958] das bernische Amtsblatt seit 1832 bzw. 1833, jahrgangsweise gebunden, eine Serie, auf den Gerichtsschreibereien Bern, Biel und Pruntrut. Auf den übrigen Gerichtsschreibereien ist es während der Dauer von 20 Jahren uneingebunden aufzubewahren;
2. [Fassung vom 21. 2. 1956] das Schweizerische Handelsamtsblatt seit 1920, jahrgangsweise gebunden, eine Serie. In den Amtsbezirken Bern und Biel seit 1882. III. Die Aufbewahrung und Verwaltung von amtlichen Drucksachen in den verschiedenen Ämtern der Bezirksverwaltung über die Erhaltung der in Ziffern I und II genannten Sammlungen hinaus, wird den praktischen Bedürfnissen dieser Amtsstellen anheimgestellt. Anhang II Richtlinien für die Sichtung der Strafakten Aufzubewahren sind:
1. die grossen Straffälle, welche «Staub aufgewirbelt haben»;
2. die juristisch (Motivierung) besonders eigenartigen Straffälle;
3. die Fälle, welche kulturgeschichtlich interessante Delikte betreffen (nicht die gewöhnlichen);
4. Fälle, welche Persönlichkeiten oder Örtlichkeiten von besonderem Interesse berühren;
5. Fälle, welche, abgesehen vom Delikt, kulturgeschichtlich wertvolle Beschreibungen enthalten (soziale Verhältnisse, charakteristische Zeitumstände, kulturelle Entwicklungsmomente). Die Akten sind entsprechend zu ordnen: I. Grosse Straffälle (Bandregister nach Personen). II. Juristische Besonderheiten (Bandregister nach Personen und Motivierungen). III. Interessante Delikte (Bandregister nach Personen und Delikten). IV. Personen und Örtlichkeiten (Bandregister nach Personen [Delinquenten] und sonst berühmten Personen und Orten). V. Kulturhistorisches (Bandregister nach Personen und nach Materien). In der ganzen Sammlung ist anzulegen: eine Kartothek nach Fällen (Personen) mit Hinweis auf die Nummer in der betreffenden Gruppe. In den Gruppen sind die einzelnen Fälle nach Nummern zu ordnen und innerhalb der Nummern im Bedarfsfall separat zu paginieren; Aufbewahrung in Mappen oder Schachteln. Da Strafakten der letzten Jahrzehnte mitunter noch praktisch beansprucht werden müssen, empfiehlt es sich, vorerst nur die Strafakten bis und mit 1900 nach den oben angegebenen Gesichtspunkten zu sichten. Anhang III Änderungen
21. 2. 1956 V GS 1956/55, in Kraft am 21. 2. 1956
18. 3. 1958 V GS 1958/64, in Kraft am 18. 3. 1958
10. 11. 1993 V GS 1993/682, in Kraft am 1. 1. 1994
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