Gerichtsorganisationsgesetz (III A/2)
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Gerichtsorganisationsgesetz

III A/2 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) Vom 5. September 2021 (Stand 1. Juli 2022) Die Landsgemeinde, gestützt auf Artikel 75 Absatz 1 und Artikel 112 Absatz 1 der Kantonsverfas - sung 1 ) , die Zivilprozessordnung (ZPO) 2 ) , das Schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) 3 ) , die Strafprozessordnung (StPO) 4 ) und die Jugendstrafprozessord - nung (JStPO) 5 ) , erlässt: 1. Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand und Geltungsbereich

1 Dieses Gesetz regelt die Organisation der Rechtspflege, soweit sie nicht durch die einschlägigen Verfahrensordnungen bestimmt wird.
2 Es gilt für die in Artikel 2 aufgeführten gerichtlichen Behörden.
3 Hinsichtlich der weiteren Behörden mit Aufgaben in der Rechtspflege ge - langt dieses Gesetz vorbehältlich eigener Vorschriften in den Spezialerlas - sen sinngemäss zur Anwendung.

Art. 2 Gerichtliche Behörden

1 Es bestehen folgende gerichtliche Behörden:
a. das Obergericht und das Verwaltungsgericht als die obersten kantonalen Gerichte;
b. das Kantonsgericht als das erstinstanzliche kantonale Gericht in Zivil- und Strafsachen;
c. die Schlichtungsbehörde;
d. die verwaltungsunabhängigen Kommissionen. 2. Aufsicht

Art. 3 Oberaufsicht

1 Der Landrat übt die Oberaufsicht über die Verwaltung der Rechtspflege 1) GS I A/1/1 2) SR 272 3) SR 311.0 4) SR 312.0 5) SR 312.1 SBE 2022 10 1
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2 Die Verwaltungskommission der Gerichte, das Obergericht und das Ver - waltungsgericht berichten dem Landrat jährlich über ihre Tätigkeit.

Art. 4 Aufsicht

1 Das Obergericht beaufsichtigt die Geschäftsführung des Kantonsgerichts.
2 Das Verwaltungsgericht beaufsichtigt die Geschäftsführung der verwal - tungsunabhängigen Kommissionen.
3 Das Kantonsgericht beaufsichtigt die Geschäftsführung der Schlichtungs - behörde.
4 Die Aufsicht wird insbesondere ausgeübt durch:
a. Prüfung der Berichte;
b. Einholen von Auskünften;
c. Erteilen von mündlichen und schriftlichen Weisungen;
d. Untersuchungen;
e. Genehmigung von Erlassen.
5 Die Aufsichtsbehörden sind verpflichtet, gegen Missstände von Amtes we - gen einzuschreiten und nötigenfalls ihrer übergeordneten Aufsichtsbehörde Mitteilung zu machen.

Art. 5 Aufsichtsbeschwerde

1 Wegen Verletzungen von Amtspflichten kann bei der übergeordneten Auf - sichtsbehörde Beschwerde erhoben werden.
2 Das Verfahren richtet sich nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz 1 ) .
3 Die Aufsichtsbeschwerde ist unzulässig, wenn nach Gesetz ein Rechtsmit - tel ergriffen werden kann. 3. Verwaltungskommission der Gerichte

Art. 6 Organisation

1 Mitglieder der Verwaltungskommission der Gerichte sind:
a. das Obergerichtspräsidium und das teilamtliche Obergerichtsvize - präsidium;
b. das Verwaltungsgerichtspräsidium;
c. die beiden Kantonsgerichtspräsidien.
2 Die Verwaltungskommission der Gerichte wählt alle zwei Jahre den Vorsitz und dessen Stellvertretung.
3 Wählbar sind das Obergerichtspräsidium und das Verwaltungsgerichtsprä - sidium. Eine Wiederwahl ist zulässig.
4 Im Übrigen konstituiert sich die Verwaltungskommission der Gerichte selbst. 1) GS III G/1
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Art. 7 Beschlussfassung

1 Die Verwaltungskommission der Gerichte ist beschlussfähig, wenn mindes - tens drei Mitglieder anwesend sind.
2 Die Mitglieder der Verwaltungskommission der Gerichte können sich durch ein Mitglied des jeweiligen Gerichts vertreten lassen.
3 Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Im Fall der Stimmen - gleichheit steht der oder dem Vorsitzenden der Stichentscheid zu.
4 Beschlüsse auf dem Zirkularweg sind zulässig, wenn sämtliche Mitglieder zustimmen.

Art. 8 Aufgaben

1 Die Verwaltungskommission der Gerichte erfüllt die ihr durch Gesetz über - tragenen Aufgaben und behandelt alle Justizverwaltungsgeschäfte, sofern dafür nicht die Gerichte selber oder diesen unterstellte Behörden zuständig sind.
2 Sie hat insbesondere folgende Aufgaben:
a. Anstellung und Zuweisung des gesamten Personals der Gerichte;
b. Unterbreitung von Anträgen zu Gesetzen und Stellungnahmen zu Vernehmlassungen an das zuständige Departement zu Handen des Regierungsrates, soweit dies nicht durch das im betreffenden Sachgebiet tätige Obergericht oder Verwaltungsgericht erfolgt;
c. Unterbreitung von Budget und Rechnung der Verwaltungskommis - sion der Gerichte an den Regierungsrat zu Handen des Landrates;
d. Bestimmung der Vertretung im Landrat;
e. Erlass von Bestimmungen in ihrem Zuständigkeitsbereich.
3 Eine Vertretung der Verwaltungskommission der Gerichte kann an der Be - ratung der Budgets und der Rechnungen der Gerichte und der Verwaltungs - kommission der Gerichte im Landrat teilnehmen. 4. Gerichte 4.1. Kantonsgericht

Art. 9 Organisation

1 Das Kantonsgericht besteht als Gesamtbehörde aus zwei vollamtlichen Präsidien, einem teilamtlichen Vizepräsidium und zwölf Mitgliedern.
2 Es kann Kammern bilden, aus den Mitgliedern weitere Vizepräsidien be - stimmen und ist als Gesamtbehörde, Kollegialgericht und Einzelgericht tätig.

Art. 10 Gesamtbehörde

1 Die Gesamtbehörde erlässt Bestimmungen über die Organisation des Kantonsgerichts und unterbreitet sie dem Obergericht zur Genehmigung. 3
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2 Sie entscheidet in:
a. Angelegenheiten, welche die Organisation des Kantonsgerichts betreffen, soweit hierfür nicht ein Präsidium zuständig ist;
b. Fragen einer einheitlichen Rechtsprechung;
c. den vom Gesetz der Gesamtbehörde zugewiesenen Fällen.

Art. 11 Präsidium

1 Die Präsidien haben insbesondere folgende Aufgaben:
a. Vorsitz in der Gesamtbehörde;
b. Geschäftsleitung des Kantonsgerichts;
c. Ausübung der Aufsicht.

Art. 12 Kollegialgericht

1 Das Kollegialgericht entscheidet in Fünferbesetzung:
a. als erstinstanzliches Gericht im ordentlichen Verfahren gemäss den Artikeln 219 ff. ZPO;
b. als erstinstanzliches Gericht im Sinne von Artikel 13 Buchsta - be b StPO, soweit eine der folgenden Sanktionen beantragt ist: 1. Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, alleine oder zu - sammengerechnet mit gleichzeitig zu widerrufenden be - dingten Sanktionen; 2. Verwahrung nach Artikel 64 StGB; 3. Behandlung nach Artikel 59 Absatz 3 StGB.
2 Das Kollegialgericht entscheidet in Dreierbesetzung:
a. als erstinstanzliches Gericht im Sinne von Artikel 13 Buchsta - be b StPO über Verbrechen und Vergehen, soweit das Kollegialge - richt nicht in Fünferbesetzung entscheidet;
b. als Jugendgericht im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchsta - be b JStPO.

Art. 13 Einzelgericht

1 Das Einzelgericht entscheidet in Besetzung mit einem Präsidium oder dem teilamtlichen Vizepräsidium:
a. als erstinstanzliches Gericht in Zivilsachen, welche nicht dem or - dentlichen Verfahren gemäss den Artikeln 219 ff. ZPO unterliegen;
b. bei umfassender Einigung über Ehescheidung, Ehetrennung und Auflösung der eingetragenen Partnerschaft;
c. über die Gewährung von Rechtshilfe gemäss Artikel 5 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessord - nung 1 ) ;
d. als einzige Instanz in Angelegenheiten der Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne von Artikel 356 Absatz 2 ZPO; 1) GS III C/1
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e. als erstinstanzliches Gericht bei Übertretungen im Sinne von Arti - kel 19 Absatz 2 Buchstabe a StPO;
f. als Zwangsmassnahmengericht im Sinne von Artikel 13 Buchsta - be a StPO und Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a JStPO;
g. als Genehmigungsbehörde bei der Anordnung der Überwachung im Sinne von Artikel 37 Absatz 3 des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs 2 ) . 4.2. Obergericht

Art. 14 Organisation

1 Das Obergericht besteht als Gesamtbehörde aus dem Präsidium, dem teil - amtlichen Vizepräsidium und sieben Mitgliedern.
2 Es kann Kammern bilden, aus den Mitgliedern weitere Vizepräsidien be - stimmen und ist als Gesamtbehörde, Kollegialgericht und Einzelgericht tätig.

Art. 15 Gesamtbehörde

1 Die Gesamtbehörde erlässt Bestimmungen über die Organisation des Obergerichts.
2 Sie entscheidet in:
a. Angelegenheiten, welche die Organisation des Obergerichts sowie die Aufsicht betreffen, soweit hierfür nicht das Präsidium zustän - dig ist;
b. Fragen einer einheitlichen Rechtsprechung;
c. den vom Gesetz der Gesamtbehörde zugewiesenen Fällen.

Art. 16 Präsidium

1 Das Präsidium hat insbesondere folgende Aufgaben:
a. Vorsitz in der Gesamtbehörde;
b. Geschäftsleitung des Obergerichts;
c. Unterbreitung von Anträgen zu Gesetzen und Stellungnahmen zu Vernehmlassungen im Sachgebiet des Obergerichts an das zu - ständige Departement zu Handen des Regierungsrates unter vor - gängiger Inkenntnissetzung der Verwaltungskommission der Ge - richte;
d. Unterbreitung von Budget und Rechnung des Obergerichts, des Kantonsgerichts und der Schlichtungsbehörde an den Regie - rungsrat zu Handen des Landrates; 2) SR 780.1 5
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e. Ausübung der Aufsicht, soweit nicht Anordnungen im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe d und e zu treffen sind oder das Prä - sidium im Einzelfall die Angelegenheit der Gesamtbehörde über - trägt.

Art. 17 Kollegialgericht

1 Das Kollegialgericht entscheidet in Fünferbesetzung:
a. als Rechtsmittelinstanz in Strafsachen für die Behandlung von Berufungen nach den Artikeln 398 ff. StPO;
b. als Rechtsmittelinstanz in Zivilsachen für die Behandlung von Berufungen nach den Artikeln 308 ff. ZPO.
2 Das Kollegialgericht entscheidet in Dreierbesetzung:
a. als Rechtsmittelinstanz in Strafsachen für die Behandlung von Be - schwerden nach den Artikeln 393 ff. StPO;
b. als Rechtsmittelinstanz in Jugendstrafsachen für die Behandlung von Berufungen nach Artikel 40 JStPO sowie Beschwerden nach Artikel 39 JStPO;
c. als Rechtsmittelinstanz in Zivilsachen für die Behandlung von Be - schwerden nach den Artikeln 319 ff. ZPO;
d. als oberes Gericht in Angelegenheiten der Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne von Artikel 356 Absatz 1 Buchstabe a ZPO;
e. in Zivil- und Strafsachen, wo das Bundesrecht eine einzige kanto - nale Instanz vorschreibt, sofern das kantonale Recht keine andere Zuständigkeit bestimmt.

Art. 18 Einzelgericht

1 Das Einzelgericht entscheidet in Besetzung mit dem Präsidium oder dem teilamtlichen Vizepräsidium:
a. in Zivilsachen gemäss Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe g ZPO;
b. hinsichtlich vorsorglicher Massnahmen und Rechtsschutz in kla - ren Fällen im Zuständigkeitsbereich des Obergerichts;
c. in Schiedssachen gemäss Artikel 356 Absatz 1 Buchstabe b ZPO;
d. über Rückführungsgesuche, einschliesslich der Massnahmen zum Schutz von Kindern gemäss Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen 1 ) ;
e. über die invasive Probeentnahme und die Analyse der Probe zur Erstellung eines DNA-Profils ausserhalb von Strafverfahren ge - mäss Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe b des DNA-Profil-Gesetzes 2 ) . 1) SR 211.222.32 2) SR 363
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III A/2 4.3. Verwaltungsgericht

Art. 19 Organisation

1 Das Verwaltungsgericht besteht als Gesamtbehörde aus dem vollamtlichen Präsidium und acht Mitgliedern.
2 Es kann Kammern bilden, bestimmt aus den Mitgliedern die Vizepräsidien und ist als Gesamtbehörde, Kollegialgericht und Einzelgericht tätig.

Art. 20 Gesamtbehörde

1 Die Gesamtbehörde erlässt Bestimmungen über die Organisation des Ver - waltungsgerichts.
2 Sie entscheidet in:
a. Angelegenheiten, welche die Organisation des Verwaltungsge - richts sowie die Aufsicht betreffen, soweit hierfür nicht das Präsi - dium zuständig ist;
b. Fragen einer einheitlichen Rechtsprechung;
c. den vom Gesetz der Gesamtbehörde zugewiesenen Fällen.

Art. 21 Präsidium

1 Das Präsidium hat insbesondere folgende Aufgaben:
a. Vorsitz in der Gesamtbehörde;
b. Geschäftsleitung des Verwaltungsgerichts;
c. Unterbreitung von Anträgen zu Gesetzen und Stellungnahmen zu Vernehmlassungen im Sachgebiet des Verwaltungsgerichts an das zuständige Departement zu Handen des Regierungsrates unter vorgängiger Inkenntnissetzung der Verwaltungskommission der Gerichte;
d. Unterbreitung von Budget und Rechnung des Verwaltungsgerichts und der Steuerrekurskommission an den Regierungsrat zu Handen des Landrates;
e. Ausübung der Aufsicht, soweit nicht Anordnungen im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe d und e zu treffen sind oder das Prä - sidium im Einzelfall die Angelegenheit der Gesamtbehörde über - trägt.

Art. 22 Kollegialgericht

1 Das Kollegialgericht beurteilt in Dreierbesetzung als einzige oder letzte In - stanz Streitigkeiten, welche nicht dem Einzelgericht vorbehalten sind.

Art. 23 Einzelgericht

1 Das Präsidium entscheidet in den gesetzlich vorgesehenen Fällen. 7
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Art. 24 Verwaltungsunabhängige Kommissionen und Schiedsgerichte

1 Die verwaltungsunabhängigen Kommissionen beurteilen öffentlich-rechtli - che Streitigkeiten, soweit dies das Gesetz vorsieht.
2 Die Schiedsgerichte beurteilen öffentlich-rechtliche Angelegenheiten, so - weit dies das Gesetz vorsieht. 4.4. Gemeinsame Bestimmungen 4.4.1. Allgemeines

Art. 25 Konstituierung

1 Die Gerichte konstituieren sich vorbehältlich der Kompetenzen der Wahl - behörden sowie besonderer gesetzlicher Bestimmungen selbst.
2 Die Konstituierung erfolgt auf die verfassungsmässige Amtsdauer und ist zu veröffentlichen.

Art. 26 Parteivertretung

1 Die Vertretung von Parteien ist untersagt:
a. allen Präsidien und teilamtlichen Vizepräsidien vor glarnerischen Gerichten und der Schlichtungsbehörde sowie den glarnerischen Strafverfolgungsbehörden;
b. den Mitgliedern des Kantonsgerichts, des Obergerichts und der Schlichtungsbehörde vor diesen Behörden und den Vorinstanzen sowie den glarnerischen Strafverfolgungsbehörden;
c. den Mitgliedern des Verwaltungsgerichts und der verwaltungsun - abhängigen Kommissionen vor diesen Behörden und deren Vorin - stanzen.

Art. 27 Nebenbeschäftigungen und Interessenbindungen

1 Die vollamtlichen Präsidien dürfen:
a. keinen Beruf ausüben und kein Gewerbe betreiben;
b. nicht als Mitglied der Verwaltung oder bei der Revision in Gesell - schaften tätig sein, die einen Erwerb bezwecken;
c. keine Beschäftigungen ausüben, die mit ihrem Vollamt oder mit ih - rer Unabhängigkeit unvereinbar sind.
2 Die teilamtlichen Präsidien und Vizepräsidien sowie die Mitglieder der Ge - richte dürfen keine Beschäftigungen ausüben, die mit ihrem Teilamt bezie - hungsweise Nebenamt oder mit ihrer Unabhängigkeit unvereinbar sind.
3 Die Verwaltungskommission der Gerichte macht alle Nebenbeschäftigun - gen und anderweitigen Interessenbindungen in geeigneter Form öffentlich zugänglich, sofern sie gemäss den vorstehenden Absätzen von Interesse sind.
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Art. 28 Amtsgeheimnis

1 Die Richterinnen und Richter sind zur Verschwiegenheit über amtliche Angelegenheiten verpflichtet, soweit an der Geheimhaltung ein überwiegen - des öffentliches oder privates Interesse gemäss Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen (IDAG) besteht oder wenn eine besondere gesetzliche Bestimmung dies vorsieht.
2 Die Präsidien der einzelnen Gerichte entscheiden über die aktive Informati - on der Öffentlichkeit sowie über Zugangsgesuche nach Artikel 11 IDAG.
3 Die Bestimmungen in der Kantonsverfassung, in den gesetzlichen Verfah - rensordnungen und in anderen Erlassen über die Entbindung vom Amtsge - heimnis und die Verpflichtung zur Offenbarung sowie über die Öffentlichkeit von Verhandlungen bleiben vorbehalten.
4 Über die Entbindung vom Amtsgeheimnis entscheidet die Verwaltungs - kommission der Gerichte.

Art. 29 Zuwendungen und andere Vorteile

1 Den Richterinnen und Richtern ist es untersagt, im Zusammenhang mit amtlichen Tätigkeiten oder im Hinblick auf solche für sich oder Dritte irgend - welche Zuwendungen wie Geschenke, Barbeträge und dergleichen anzu - nehmen, sich Vorteile zu verschaffen oder versprechen zu lassen.
2 Widerrechtlich angenommene Zuwendungen und andere Vorteile verfallen dem Kanton. 4.4.2. Gerichtsergänzung und Entscheid über den Ausstand

Art. 30 Stellvertretung und Ergänzung

1 Für die Präsidien und Vizepräsidien gelten folgende Stellvertretungsregeln:
a. die Präsidien des Kantonsgerichts vertreten sich gegenseitig oder werden durch eines ihrer Vizepräsidien oder durch ein Mitglied des Kantonsgerichts vertreten;
b. das Obergerichtspräsidium wird durch seine Vizepräsidien oder durch ein Mitglied des Obergerichts vertreten;
c. das Verwaltungsgerichtspräsidium wird durch seine Vizepräsidien oder durch ein Mitglied des Verwaltungsgerichts vertreten;
d. die Vizepräsidien sowie vorsitzende Mitglieder werden durch ein Präsidium, ein Vizepräsidium oder durch ein Mitglied des jeweili - gen Gerichts vertreten.
2 Die Kollegialgerichte ergänzen sich bei Ausstand und Verhinderung ihrer weiteren Mitglieder wie folgt:
a. das Kantonsgericht durch Beizug anderer Mitglieder des Kantons - gerichts; 9
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b. das Obergericht durch Beizug anderer Mitglieder des Oberge - richts und nötigenfalls durch Beizug von Mitgliedern des Kantons - gerichts;
c. das Verwaltungsgericht durch Beizug anderer Mitglieder des Ver - waltungsgerichts.
3 Kann ein Kollegialgericht nicht rechtzeitig gemäss Absatz 2 vollständig be - setzt werden, so ergänzt es sich durch Beizug einer Gerichtsschreiberin oder eines Gerichtsschreibers mit sämtlichen Rechten und Pflichten eines Richters beziehungsweise einer Richterin.
4 Die Stellvertretung und Ergänzung bei den verwaltungsunabhängigen Kommissionen und bei Schiedsgerichten richtet sich nach den einschlägi - gen Vorschriften. Fehlen solche, gelten Absatz 1 Buchstabe c und d sowie Absatz 2 Buchstabe c sinngemäss.

Art. 31 Besondere Fälle

1 Der Landrat wählt auf Antrag der Verwaltungskommission der Gerichte die notwendigen ausserordentlichen Präsidien oder Mitglieder.
2 Besteht keine Regelung bei den verwaltungsunabhängigen Kommissionen und den Schiedsgerichten in den einschlägigen Vorschriften, ist Absatz 1 sinngemäss anwendbar.

Art. 32 Entscheid über Ausstandsbegehren

1 Über streitige Ausstandsbegehren entscheidet:
a. ein Präsidium des Kantonsgerichts, wenn das Präsidium, das Vi - zepräsidium oder Mitglieder der Schlichtungsbehörde betroffen sind;
b. die Stellvertretung gemäss Artikel 30 Absatz 1, wenn die Kantons - gerichtspräsidien, das Obergerichtspräsidium, das Verwaltungs - gerichtspräsidium sowie Vizepräsidien oder vorsitzende Mitglieder betroffen sind;
c. die oder der Vorsitzende des Kollegialgerichts, wenn dessen Mit - glieder, Gerichtsschreiberinnen oder Gerichtsschreiber betroffen sind;
d. das Einzelgericht, wenn dessen Gerichtsschreiberinnen oder Ge - richtsschreiber betroffen sind.
2 In Strafsachen bleibt die Zuständigkeitsregelung gemäss Artikel 59 StPO vorbehalten.
3 Kann in einem Verfahren vor dem Obergericht oder dem Verwaltungsge - richt keine Stellvertretung gemäss Artikel 30 Absatz 1 amten, entscheidet das Präsidium des anderen Gerichts über das Ausstandsbegehren.
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III A/2 4.4.3. Geschäftsordnung

Art. 33 Besetzung

1 Die Gerichte müssen stets vollständig und in derselben Sache gleich be - setzt sein.
2 Ist dies nicht möglich, gelten die Bestimmungen in Ziffer 4.4.2.

Art. 34 Verfahrensleitung

1 Das Präsidium oder Vizepräsidium fällt die verfahrensleitenden Entscheide, trifft die Anordnungen zur Vorbereitung der Verhandlungen und leitet die Verhandlungen.
2 Es fällt alle Vor-, Teil- und Endentscheide, in denen nicht in der Sache ent - schieden wird, insbesondere über:
a. den Kostenvorschuss;
b. die Leistung einer Sicherheit;
c. die unentgeltliche Rechtspflege;
d. die Beweisverfügung;
e. die vorsorgliche Beweisführung;
f. die Anordnung einer Mediation.

Art. 35 Geschäftskontrolle und beförderliche Verfahrenserledigung

1 Die Gerichte führen fortlaufende Kontrollen über alle eingeleiteten Verfah - ren und die Art der Erledigung.
2 Sie erledigen die Verfahren beförderlich. Länger als ein Jahr vor einem Ge - richt hängige Verfahren werden im Tätigkeitsbericht aufgeführt.

Art. 36 Protokoll

1 Zu jeder Verhandlung wird ein Protokoll geführt, das insbesondere die An - träge und die wesentlichen mündlichen Ausführungen der Parteien sowie die Beweiserhebungen enthält.
2 Für die Protokollführung können Aufzeichnungsgeräte verwendet werden.

Art. 37 Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber

1 Die Gerichtsschreiberinnen oder Gerichtsschreiber nehmen mit beratender Stimme am Verfahren teil und sind antragsberechtigt. Zu ihren Aufgaben ge - hören:
a. die Protokollführung;
b. die administrative Abwicklung des Verfahrens nach den Weisun - gen der Verfahrensleitung.
2 In Verfahren vor Einzelgericht können die Gerichtsschreiberinnen oder Ge - richtsschreiber durch Kanzleiangestellte ersetzt werden. 11
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Art. 38 Amtssprache

1 Die Gerichtssprache ist Deutsch.
2 Vorbehältlich anderslautender gesetzlicher oder staatsvertraglicher Be - stimmungen können fremdsprachige Eingaben zur Übersetzung zurückge - wiesen werden.
3 Sind Parteien oder Zeugen der deutschen Sprache nicht mächtig, ist eine Übersetzerin beziehungsweise Dolmetscherin oder ein Übersetzer bezie - hungsweise Dolmetscher beizuziehen.
4 In anderen Fällen erschwerter Verständigung zieht das Gericht geeignete Hilfspersonen bei.

Art. 39 Geschäftsverwaltungssysteme und elektronischer Rechtsver

- kehr
1 Die Gerichte können für ihre Geschäftsprozesse sowie für die Verwaltung von amtlichen Dokumenten elektronische Geschäftsverwaltungssysteme führen.
2 Soweit Personendaten sowie Daten juristischer Personen einschliesslich besonders schützenswerter Daten in den Anwendungsbereich des IDAG fal - len, dürfen sie in den Geschäftsverwaltungssystemen bearbeitet werden, wenn sie insbesondere dazu dienen:
a. Geschäfte zu bearbeiten;
b. Arbeitsabläufe zu organisieren;
c. festzustellen, ob Daten über eine bestimmte Person bearbeitet werden;
d. den Zugang zu amtlichen Dokumenten zu erleichtern.
3 Die Verwaltungskommission der Gerichte regelt die Einzelheiten, insbeson - dere zur Organisation und zum Betrieb der Geschäftsverwaltungssysteme sowie zum Schutz der darin erfassten Personendaten und der Daten juristi - scher Personen.
4 Die Verwaltungskommission der Gerichte erlässt für die Gerichte die not - wendigen Bestimmungen zur elektronischen Übermittlung und zur elektroni - schen Aktenführung.

Art. 40 Religiöse Symbole

1 Die Richterinnen und Richter sowie das Personal der Gerichte tragen in Verhandlungen und bei der Eröffnung von Entscheiden keine sichtbaren reli - giösen Symbole.

Art. 41 Sicherheit und Berichterstattung

1 Die Verwaltungskommission der Gerichte kann Bestimmungen erlassen:
a. zur Gewährleistung der Sicherheit im Gerichtsbetrieb;
b. zur Zulassung sowie zu den Rechten und Pflichten der Gerichts - berichterstatterinnen und Gerichtsberichterstatter.
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Art. 42 Verbot der Raterteilung

1 Den Richterinnen und Richtern sowie dem Personal der Gerichte ist es un - tersagt, im Hinblick auf einen bevorstehenden oder anhängigen Rechtsstreit Rat zu erteilen oder sich darüber unterrichten zu lassen.
2 Das zuständige Gericht ist über Beeinflussungsversuche zu informieren.

Art. 43 Akteneinsicht Dritter

1 Vom Verfahren nicht betroffene Personen sind zur Einsichtnahme in die Ak - ten nicht berechtigt.
2 Die Präsidien der betreffenden Behörde können begründete Ausnahmen bewilligen.

Art. 44 Urteilsberatung

1 Die Urteilsberatung ist nicht öffentlich.
2 Das Gericht urteilt durch Mehrheitsentscheid. Stimmenthaltung ist nicht zulässig.
3 Entscheide auf dem Zirkularweg sind zulässig, wenn sämtliche Mitglieder zustimmen. 4.4.4. Personal

Art. 45 Generalsekretariat

1 Das Generalsekretariat nimmt mit beratender Stimme an den Sitzungen der Verwaltungskommission der Gerichte teil und ist antragsberechtigt. Zu sei - nen Aufgaben gehört:
a. die Unterstützung der oder des Vorsitzenden bei der Vorbereitung der Geschäfte der Verwaltungskommission der Gerichte;
b. die Führung der ihm von der Verwaltungskommission der Gerichte übertragenen gerichtsübergreifenden Geschäfte;
c. die Protokollführung.

Art. 46 Gerichtskasse

1 Die Gerichtskasse betreut das Rechnungswesen und vollstreckt alle Geld - forderungen aus Entscheiden der Gerichte sowie der Schlichtungsbehörde.
2 Ihr kann die Vollstreckung weiterer finanzieller Leistungen, insbesondere im Sinne von Artikel 442 StPO, übertragen werden.
3 Die Gerichtskasse veranlasst die Nachzahlung in Fällen von unentgeltlicher Rechtspflege oder amtlicher Verteidigung.
4 Die Verwaltungsbehörden des Kantons erteilen der Gerichtskasse alle für die Nachzahlung erforderlichen Auskünfte zu Einkommen und Vermögen der kostenpflichtigen Partei. 13
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Art. 47 Organisation

1 Das Personal untersteht mit Ausnahme der in Absatz 2 genannten Ange - stellten in fachlicher Hinsicht dem jeweiligen Gericht und im Übrigen der Verwaltungskommission der Gerichte.
2 Die Generalsekretärin oder der Generalsekretär und das für die Gerichts - kasse zuständige Personal unterstehen der Verwaltungskommission der Ge - richte.
3 Die Verwaltungskommission der Gerichte regelt die Rechte und Pflichten des Personals, die Stellvertretung und die Unterschriftsberechtigung. 4.4.5. Gebühren und Entschädigung Dritter

Art. 48 Gebühren und Tarife

1 Der Landrat regelt die in der Zivil-, Straf- und Verwaltungsrechtspflege zu erhebenden Kosten.
2 Die Verfahrenskosten richten sich nach dem Streitwert oder dem sonstigen Interesse der Parteien an der Beurteilung der Angelegenheit sowie nach dem erforderlichen Zeit- und Sachaufwand.
3 Die Gebühren für andere Verrichtungen richten sich nach dem erforderli - chen Zeit- und Sachaufwand.

Art. 49 Entschädigung Dritter

1 Die Verwaltungskommission der Gerichte regelt die Entschädigung von Zeugen und weiteren entschädigungsberechtigten Personen in gerichtlichen Verfahren und Strafuntersuchungen. 5. Schlichtungsbehörde

Art. 50 Organisation

1 Die Schlichtungsbehörde besteht aus einem Präsidium, einem Vizepräsidi - um und acht paritätischen Mitgliedern.
2 Das Präsidium und das Vizepräsidium unterstehen dem Personalgesetz, wobei das Vizepräsidium auch im Nebenamt tätig sein kann.

Art. 51 Wahl

1 Der Landrat wählt für die verfassungsmässige Amtsdauer das Präsidium und das Vizepräsidium der Schlichtungsbehörde auf Vorschlag der Verwal - tungskommission der Gerichte.
2 Für die Wahl der paritätischen Mitglieder der Schlichtungsbehörde ist die Verwaltungskommission der Gerichte zuständig.
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Art. 52 Präsidium

1 Das Präsidium hat folgende Aufgaben:
a. Geschäftsleitung; b . Unterbreitung von Budget und Rechnung der Schlichtungsbehör - de an die Aufsichtsbehörde.

Art. 53 Zuständigkeit

1 Die Schlichtungsbehörde führt in Einerbesetzung die Schlichtungsverhand - lungen gemäss den Artikeln 197 ff. ZPO durch und ist Rechtsberatungsstelle im Sinne von Artikel 201 Absatz 2 ZPO.
2 Die Schlichtungsbehörde tagt in Dreierbesetzung:
a. in Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäfts - räumen mit paritätischer Vertretung der Vermieter- und Mieterseite beziehungsweise der Pächter- und Verpächterseite;
b. in Streitigkeiten aus privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen und aus dem Arbeitsvermittlungsgesetz 1 ) mit paritätischer Vertretung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite;
c. in Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz 2 ) .
3 Streitigkeiten über Gleichstellungsfragen bei öffentlich-rechtlichen Arbeits - verhältnissen richten sich nach dem Kantonalen Gleichstellungsgesetz 3 ) .

Art. 54 Stellvertretung und Ergänzung

1 Die Verwaltungskommission der Gerichte wählt eine ausserordentliche Stellvertretung oder Ergänzung, wenn die Schlichtungsbehörde nicht voll - ständig besetzt werden kann.

Art. 55 Verfahrensleitung

1 Das Präsidium, das Vizepräsidium oder ein weiteres Mitglied der Schlich - tungsbehörde leitet die ihm zugewiesenen Verfahren und fällt alle Vor-, Teil- und Endentscheide, in denen nicht in der Sache entschieden wird. 1) SR 823.11 2) SR 151.1 3) GS I E/1/1 15
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