Regulativ betreffend die Tillier-Stipendienstiftung
438.511
23. September 1876 Regulativ betreffend die Tillier-Stipendienstiftung I. Zweck der Stiftung
Art. 1
Das Stiftungsgut ist gemäss der Stiftungsurkunde vom 31. März 1562 zur Ausrichtung von Stipendien an Theologie-Studierende und Kandidaten der evangelisch-reformierten Landeskirche bestimmt.
Art. 2
Diese Stipendien sollen an solche Bewerber entrichtet werden, welche zum Zwecke der Vollendung ihrer wissenschaftlichen Ausbildung Universitäten oder höhere theologische Anstalten des Auslandes zu besuchen gedenken. - Was vom Zinsertrag der Stiftung wegen Mangel an Bewerbern nicht zur Verwendung kommen sollte, ist zum Kapital zu schlagen. II. Verwaltung
Art. 3
1 Die Verwaltung steht in Gemässheit der Stiftungsurkunde der gesamten Predigerschaft der Stadt Bern, d. h. sämtlichen an den stadtbernischen Kirchen jeweilen angestellten Pfarrern der evangelisch- reformierten Landeskirche zu, welche sich zu diesem Zwecke als Kuratorenkollegium konstituieren.
2 Dasselbe wählt mit Stimmenmehrheit einen Präsidenten, Vizepräsidenten und Sekretär auf die Dauer von vier Jahren.
Art. 4
Das Kuratorenkollegium bestellt einen sachkundigen Verwalter, welcher alles, was die eigentliche Vermögensverwaltung, wie die Einziehung der Einkünfte usw., betrifft, zu besorgen und dem Kuratorenkollegium alljährlich auf Jahresschluss über seine Verhandlungen Rechnung zu legen hat.
Art. 5
Das Kuratorenkollegium entscheidet endgültig über die Vergebung der Stipendien gemäss Artikel 3 oben durch Mehrheitsbeschluss und zwar nach Mitgabe der nachfolgenden Bestimmungen. III.
Art. 6
Der Vergebung der Stipendien hat jeweilen eine öffentliche Ausschreibung durch Publikation im Amtsblatte und einem andern verbreiteten kantonalen Blatte, sowie durch Anschlagen am schwarzen Brette in der Hochschule vorherzugehen. Diese Ausschreibung soll wenigstens vier Wochen vor der Vergebung stattfinden.
Art. 7
1 Die Bewerber haben sich bei ihrer Anmeldung darüber auszuweisen, dass sie entweder die theologische Staatsprüfung mit Erfolg bestanden oder während wenigstens zwei Semestern theologischen Studien mit Fleiss und gutem Erfolg obgelegen sind.
2 Es ist ferner nach Ablauf des Anmeldungstermins über die Bewerber das Gutachten der Evangelisch- theologischen Fakultät der bernischen Hochschule einzuholen. Solche, die anderswo studiert, haben ein Zeugnis der betreffenden theologischen Fakultät einzureichen. Ordentlicherweise treten die Stipendiaten erst dann in den Genuss des Stipendiums ein, wenn sie ihre Studienreise angetreten haben.
Art. 8
Die Stipendiaten haben sich überdies zu verpflichten:
a wenigstens drei Jahre hindurch, wenn sie hierzu berufen werden, sich dem bernischen Kirchendienste zu widmen.Als Kirchendienst wird auch betrachtet die Tätigkeit als Dozent an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Hochschule Bern; b über den Gang ihrer Studien während der Zeit, in welcher sie im Genusse des Stipendiums stehen, dem Kuratorenkollegium am Schlusse jedes Semesters schriftlich Bericht abzustatten.
Art. 9
1 Die Vergebung der Stipendien erfolgt im Monat Juni jedes Jahres. Sie werden auf ein halbes oder ganzes Jahr vergeben.
2 Die Zahl derselben richtet sich nach den zur Verfügung stehenden Geldmitteln und den eingelangten Anmeldungen, und es ist deren Betrag jeweilen bei der Vergebung nach Massgabe der konkreten Verhältnisse festzusetzen.
3 Die Stipendien dürfen den Betrag von 1600 Franken per Jahr und 1000 Franken per halbes Jahr nicht übersteigen. Auch soll ein Stipendiat nicht länger als ein Jahr im Genusse des Stipendiums sein. IV.
Art. 10
1 Das Kuratorenkollegium hat die von ihm beschlossenen Stipendienerteilungen sowie die von ihm genehmigten Jahresrechnungen des Verwalters jeweilen ungesäumt der Direktion der Erziehung zuhanden des Staates zur Kenntnisnahme mitzuteilen.
2 Es darf ferner ohne Genehmigung des Regierungsrates der Kapitalstock der Stiftung, welcher dermalen
83 237.18 Franken an zinstragenden Kapitalien beträgt, nicht angegriffen, noch dieselbe selbst oder der Ertrag derselben zu andern Zwecken als den im gegenwärtigen Regulativ in Übereinstimmung mit der Stiftungsurkunde aufgestellten verwendet werden.
Art. 11
Dieses Regulativ unterliegt der Genehmigung des Regierungsrates; ebenso alle Abänderungen desselben, welche das Kuratorenkollegium beschliessen sollte. Also beschlossen von den Pfarrern der Stadt Bern als Kuratoren der Tillierstiftung, 2. August 1876. Haller, Thellung, SANKTION Der Regierungsrat des Kantons Bern erteilt hiermit dem vorstehenden Regulativ die Genehmigung. Bern, 23 September 1876 Rohr Trächsel
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