Vertrag (0.351.913.61)
CH - Schweizer Bundesrecht

Vertrag

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung Abgeschlossen am 13. November 1969 Von der Bundesversammlung genehmigt am 11. März 1971² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 22. März 1976 In Kraft getreten am 1. Januar 1977 (Stand am 1. Januar 2013) ¹ Der Originaltext des Vertrages enthält für Begriffe, bei denen der Sprachgebrauch beider Staaten auseinandergeht, sowohl die in Deutschland als auch die in der Schweiz gebräuchlichen Ausdrücke. Die der Bundesversammlung zur Genehmigung vorgeleg­te Fassung enthielt nur die in der Schweiz gebräuchlichen Bezeichnungen. In der vorliegenden Wiedergabe sind die in verwendeten Bezeichnungen in Fussnoten beige­fügt. ² Abs. 1 Ziff. 2 des BB vom 11. März 1971 ( AS 1977 85 )
Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Bundesrepublik Deutschland
in dem Wunsch, die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die Rechts­hilfe in Strafsachen³ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern und die in diesem Übereinkommen vorgesehene Regelung der Rechtshilfe in Strafsachen zu ergänzen,
sind übereingekommen, einen Vertrag zu schliessen und haben hierfür zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
Die Bevollmächtigten haben nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart:
³ SR 0.351.1
Art. I (Zu Art. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen ⁴ , im Folgenden als Übereinkommen bezeichnet)
Rechtshilfe wird auch geleistet:
a) in Verfahren wegen Handlungen, die nach dem Recht eines oder beider Staaten nur mit Geldbusse bedroht sind, soweit mindestens in einem der bei­den Staaten ein auch für Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann;
b) in Verfahren über Ansprüche auf Entschädigung wegen ungerechtfertigter Haft;
c) in Gnadensachen.
⁴ SR 0.351.1
Art. II (Zu Art. 3 des Übereinkommens)
¹ Gegenstände können auch ohne Vorlage eines Beschlagnahmebeschlusses der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates herausgegeben werden, wenn sich aus dem Ersuchen eines Richters dieses Staates ergibt, dass die für eine Beschlagnahme nach dessen Recht erforderlichen Voraussetzungen vorliegen würden.
² Rechte dritter Personen und – unbeschadet des Absatzes 7 – des ersuchten Staates an den nach Artikel 3 des Übereinkommens oder nach diesem Vertrag herauszuge­benden Gegenständen oder Schriftstücken bleiben unberührt.
³ Ausser den in Artikel 3 des Übereinkommens erwähnten Beweisstücken werden auf Ersuchen einer zuständigen Behörde auch Gegenstände herausgegeben, die aus einer mit Strafe bedrohten Handlung herrühren, sowie das durch ihre Verwertung erlangte Entgelt, es sei denn, dass eine an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person Rechte an ihnen geltend macht und ihre Ansprüche weder befriedigt noch sicher­gestellt worden sind. Der Vorlage eines Beschlagnahmebeschlusses oder eines richterlichen Ersuchens nach Absatz 1 bedarf es nicht.
⁴ Der ersuchende Staat ist berechtigt, von der in Artikel 6 Ziffer 2 des Überein­kom­mens vorgesehenen Rückgabe von Gegenständen an den ersuchten Staat abzusehen, wenn in diesem Staat keine Rechte an diesen Gegenständen geltend gemacht wer­den.
⁵ Ersuchen nach Absatz 3 können auch noch bis zur Beendigung der Strafvollstreckung gestellt werden.
⁶ Auf Ersuchen einer für den Entzug von Ausweisen für Führer von Motorfahrzeu­gen* zuständigen Behörde werden dieser die strafgerichtlichen Erkenntnisse und Akten zur Verfügung gestellt, soweit sie für die Entscheidung von Bedeutung sein können.
*  für die Bundesrepublik: die Entziehung der Fahrerlaubnis
⁷ Ein Zollpfandrecht oder eine sonstige dingliche Haftung nach den Vorschriften des Zoll‑ oder Steuerrechts wird der ersuchte Staat bei der Herausgabe von Gegenstän­den unter Verzicht auf deren Rückgabe nicht geltend machen, es sei denn, dass der durch die strafbare Handlung geschädigte Eigentümer der Gegenstände die Abgabe selbst schuldet.
⁸ Gegenstände, Schriftstücke oder Akten, deren Herausgabe bewilligt worden ist, werden, soweit im Einzelfall nichts anderes vereinbart wird, mit der Post übersandt oder an der Grenze übergeben.
Art. III (Zu Art. 4 des Übereinkommens)
Die Anwesenheit von Prozessbeteiligten bei der Vornahme von Rechtshilfehandlun­gen im ersuchten Staat wird gestattet, auch wenn dessen Recht die Anwesenheit von Prozessbeteiligten bei Untersuchungshandlungen nicht vorsieht, dies aber nach den innerstaatlichen Vorschriften des ersuchenden Staates zulässig ist.
Art. III A ⁵ (Zu Art. 7 des Übereinkommens)
a) Die zuständigen Stellen eines Vertragsstaates können im Rahmen der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, für die im anderen Vertragsstaat die Leistung von Rechtshilfe zulässig ist, gerichtliche und andere behördliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post an Personen übersenden, die sich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten. Die Vertragsstaaten übermitteln sich wechselseitig eine Liste der behördlichen Schriftstücke, die auf diesem Wege übersandt werden dürfen;
b) Schriftstücke oder zumindest deren wesentliche Passagen werden in der am Zustellungsort des Empfängers gesprochenen Amtssprache oder in der vom Empfänger gesprochenen Amtssprache der Vertragsstaaten abgefasst oder in eine dieser Amtssprachen übersetzt;
c) Die Artikel 8, 9 und 12 des Übereinkommens gelten auch für den Fall, dass die Vorladung durch die Post zugestellt worden ist.
⁵ Eingefügt durch Art. 1 Ziff. 1 des Vertrages vom 8. Juli 1999, genehmigt durch die BVers am 26. Sept. 2000 und in Kraft seit 1. März 2002 ( AS 2003 1022 , 2002 2730 Art. 1 Abs. 1 Bst. b; BBl 2000 862 ).
Art. IV (Zu Art. 10 des Übereinkommens)
Artikel 10 Ziffer 3 des Übereinkommens findet auf die Fälle der Ladung eines Zeu­gen oder Sachverständigen Anwendung, auch wenn die Voraussetzungen des Arti­kels 10 Ziffer 1 des Übereinkommens nicht vorliegen.
Art. V (Zu Art. 11 des Übereinkommens)
Gestattet der ersuchte Staat die Anwesenheit einer im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates in Haft befindlichen Person bei der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens, so hat er sie für die Dauer ihres Aufenthalts in seinem Hoheitsgebiet in Haft zu halten und sie nach Vornahme der Rechtshilfehandlung dem ersuchenden Staat unverzüglich wieder zuzuführen, sofern nicht dieser die Freilassung verlangt. Entsprechendes gilt für die Durchbeförderung eines solchen Häftlings durch das Hoheitsgebiet eines der beiden Staaten.
Art. VI (Zu Art. 12 des Übereinkommens)
Solange ein Häftling, dessen Anwesenheit bei der Erledigung eines Rechtshilfe­­ersuchens im ersuchten Staat gestattet worden ist, sich in dessen Hoheitsgebiet aufhält, darf er dort wegen keiner vor seiner Zuführung begangenen Handlung verfolgt wer­den.
Art. VII (Zu Art. 14 des Übereinkommens)
¹ Telefonische und telegrafische Ersuchen bedürfen schriftlicher Bestätigung.
² Werden in dringenden Fällen auf Veranlassung von Justizbehörden Rechtshilfeer­suchen von dem Bundesamt für Polizei⁶ oder dem Bundeskriminalamt der Bundesre­publik Deutschland gestellt, so ist ausserdem der Auftrag der Justizbehörde ein­schliesslich des Aktenzeichens anzugeben.
³ In Zustellungsersuchen ist bei den Angaben über den Gegenstand und den Grund des Ersuchens auch die Art des zuzustellenden Schriftstücks sowie die Stellung des Empfängers im Verfahren zu bezeichnen.
⁶ Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikations­verordnung vom 17. Nov. 2004 ( AS 2004 4937 ) angepasst. Die Anpassung wurde im ganzen Text vorgenommen.
Art. VIII (Zu Art. 15 des Übereinkommens)
¹ Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, können die Justizbehörden der bei­den Staaten unmittelbar miteinander verkehren.⁷ Im Zusammenhang mit einem Rechtshilfeersuchen kann auf diesem Weg auch der Antrag gestellt werden, die Anwesenheit von Prozessbeteiligten bei der Vornahme der Rechtshilfehandlungen im ersuchten Staat zu gestatten.
² Ersuchen um Zuführung oder Durchbeförderung von Häftlingen werden durch die Justizministerien der Länder (Landesjustizverwaltungen) der Bundesrepublik Deutschland einerseits und das Bundesamt für Justiz⁸ der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits übermittelt. In dringenden Fällen können Doppel der Ersuchen gleichzeitig auf dem in Absatz 1 vorgesehenen Weg übermittelt werden.⁹
³ Verwaltungsbehörden, die Zuwiderhandlungen zu verfolgen oder über den Entzug des Führerausweises* infolge einer Zuwiderhandlung gegen die Verkehrsvorschrif­ten zu entscheiden haben, sind zur Stellung von Rechtshilfeersuchen berechtigt. Diese Ersuchen sind an die Strafverfolgungsbehörden des anderen Staates zu rich­ten, in deren Amtsbezirk die Rechtshilfe geleistet werden soll.¹⁰
⁴ Ersuchen um Übermittlung von Auskünften oder Auszügen aus dem Strafregister zu strafrechtlichen Zwecken, einschliesslich der Löschung von Eintragungen im Strafregister, sind zu richten an das Bundesamt für Justiz¹¹ einerseits und an die Straf­registerbehörden der Bundesrepublik Deutschland andererseits; in Angelegenheiten
*  für die Bundesrepublik: die Entziehung der Fahrerlaubnis
der Erteilung von Auskünften über Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvor­schriften wird der Schriftverkehr jedoch unmittelbar zwischen dem Bundesamt für Polizei in Bern und dem Kraftfahrt‑Bundesamt der Bundesrepublik Deutschland in Flensburg geführt.
⁵ In Angelegenheiten der Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister zu nicht­strafrechtlichen Zwecken, soweit sie nicht zu fremdenpolizeilichen Zwecken ver­langt werden, findet der Schriftverkehr zwischen dem Bundesamt für Justiz und dem Bundesministerium der Justiz der Bundesrepublik Deutschland statt.
⁷ Die örtlich zuständige deutsche Justizbehörde kann über folgende Internetseite ermittelt werden: www.justiz.de/OrtsGerichtsverzeichnis/index.php Ein aktuelles Verzeichnis der schweizerischen Behörden findet sich über folgenden Link: www.rhf.admin.ch/rhf/de/home/straf/behoerden.html
⁸ Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikations­verordnung vom 17. Nov. 2004 ( AS 2004 4937 ) angepasst.
⁹ Fassung gemäss Art. 1 Ziff. 2 des Vertrages vom 8. Juli 1999, genehmigt durch die BVers am 26. Sept. 2000 und in Kraft seit 1. März 2002 ( AS 2003 1022 , 2002 2730 Art. 1 Abs. 1 Bst. b; BBl 2000 862 ).
¹⁰ Die örtlich zuständige deutsche Justizbehörde kann über folgende Internetseite ermittelt werden: www.justiz.de/OrtsGerichtsverzeichnis/index.php Ein aktuelles Verzeichnis der schweizerischen Behörden findet sich über folgenden Link: www.rhf.admin.ch/rhf/de/home/straf/behoerden.html
¹¹ Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikations­verordnung vom 17. Nov. 2004 ( AS 2004 4937 ) angepasst. Die Anpassung wurde im ganzen Text vorgenommen.
Art. IX
In strafrechtlichen Angelegenheiten, mit denen die Polizei befasst ist und in denen nur Auskünfte oder Einvernahmen* durch die Polizei oder Fahndungsmassnahmen erforderlich sind, kann der polizeiliche Rechtshilfeverkehr unmittelbar zwischen dem Bundesamt für Polizei und dem Bundeskriminalamt der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden.
*  für die Bundesrepublik: Vernehmungen
Art. X (Zu Art. 16 des Übereinkommens)
Die Ersuchen und sonstigen Schriftstücke werden in der Sprache des ersuchenden Staates abgefasst. Übersetzungen können nicht gefordert werden.
Art. XI (Zu Art. 20 des Übereinkommens)
Die durch die Herausgabe eines Gegenstandes lediglich zum Zwecke der Rückgabe an den Berechtigten nach Artikel 11 Absatz 3 entstandenen Kosten sind zu erstatten.
Art. XII (Zu Art. 21 des Übereinkommens)
¹ Ersucht ein Staat den anderen um Übernahme der Strafverfolgung gegen einen Angehörigen dieses Staates oder eine Person, die dort ihren gewöhnlichen Aufent­halt hat, wegen einer im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begangenen strafba­ren Handlung, so kann die Strafverfolgung nicht ausschliesslich mit der Begründung abgelehnt werden, die Tat sei im Ausland begangen worden.
² Die Verfolgung einer im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates im Strassenver­kehr begangenen Zuwiderhandlung ist auch dann zulässig, wenn diese nach dem Recht eines Staates oder beider Staaten als Übertretung oder Ordnungswidrigkeit zu würdigen ist. Dabei sind die am Tatort geltenden Verkehrsregeln zu berücksichtigen.
³ Der vom Verletzten bei einer zuständigen Behörde des ersuchenden Staates fristge­recht gestellte, nach dem Recht beider Staaten erforderliche Strafantrag ist auch im anderen Staat wirksam. Ist der Strafantrag nur nach dem Recht des ersuchten Staates erforderlich, so kann er innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist nachgeholt wer­den; diese beginnt mit dem Eingang des Ersuchens bei der zur Strafverfolgung zuständigen Behörde.
⁴ Dem Ersuchen werden beigefügt:
a) die Akten in Urschrift oder Abschrift sowie etwaige Beweisgegenstände;
b) eine Abschrift der Strafbestimmungen, die nach dem am Tatort geltenden Recht auf die Tat anwendbar wären;
c) in den Fällen des Absatzes 2 ausserdem eine Abschrift der am Tatort gelten­den Verkehrsregeln.
⁵ Der ersuchende Staat wird so bald wie möglich von dem auf Grund des Ersuchens Veranlassten unterrichtet; zu gegebener Zeit wird ihm eine Ausfertigung oder eine als richtig bescheinigte Abschrift der abschliessenden Entscheidung übersandt. Die überlassenen Gegenstände und Akten werden nach Abschluss des Verfahrens kostenfrei zurückgegeben, sofern nicht darauf verzichtet wird.
⁶ Wurde eine Strafverfolgung eingeleitet, so sehen die Behörden des ersuchenden Staates von weiteren Verfolgungs‑ oder Vollstreckungsmassnahmen gegen den Beschuldigten wegen derselben Tat ab,
a) wenn das Verfahren von einem Gericht oder einer Strafverfolgungsbehörde aus materiellrechtlichen Gründen endgültig eingestellt worden ist, insbeson­dere wenn die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder der Beschul­digte ausser Verfolgung gesetzt worden und die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels abgelaufen ist;
b) wenn er rechtskräftig freigesprochen worden ist;
c) wenn die erkannte Strafe vollstreckt, erlassen oder verjährt ist;
d) solange der Strafvollzug* ganz oder teilweise ausgesetzt oder der Entscheid über die Bestrafung** aufgeschoben ist.
*  für die Bundesrepublik: die Vollstreckung der Strafe oder der Massregel der Sicherung und Besserung
** für die Bundesrepublik: der Ausspruch einer Strafe
⁷ Sie können jedoch die Verfolgung oder die Vollstreckung fortsetzen oder wieder­aufnehmen, wenn sie aus nachträglich bekannt gewordenen Gründen vor Erlass ei­ner gerichtlichen Strafverfügung oder eines gerichtlichen Strafbefehls, vor Beginn der erstinstanzlichen Hauptverhandlung oder vor Erlass einer Verwaltungsverfügung des ersuchten Staates das Ersuchen zurückgenommen haben.
⁸ Die aus der Anwendung dieses Artikels entstehenden Kosten werden nicht er­stat­tet.
⁹ Dieser Artikel findet auch auf Verfahren nach Artikel 6 Ziffer 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957¹² Anwendung.
¹² SR 0.353.1
Art. XIII (Zu Art. 22 des Übereinkommens)
¹ Die Strafnachrichten werden mindestens einmal vierteljährlich zwischen dem Bun­desamt für Justiz und dem Bundesministerium der Justiz der Bundesrepublik Deutschland ausgetauscht.
² Auf Ersuchen übermittelt der eine Staat dem anderen im Einzelfall Abschriften strafgerichtlicher Erkenntnisse, um diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob inner­staatliche Massnahmen auf Grund der angeforderten Entscheidung getroffen werden sollen. Der Schriftverkehr hierüber findet zwischen dem Bundesamt für Justiz und dem Bundesministerium der Justiz der Bundesrepublik Deutschland statt.
Art. XIV (Zu Art. 29 des Übereinkommens)
Kündigt eine der Vertragsparteien das Übereinkommen, so bleibt es zwischen ihnen weiterhin, zunächst für zwei Jahre, in Kraft. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung gegenüber den anderen Parteien des Übereinkommens wirk­sam wird. Sie gilt stillschweigend für jeweils ein Jahr erstreckt*, es sei denn, dass eine der Vertragsparteien der anderen sechs Monate vor dem Ablauf der Frist schriftlich mitteilt, sie stimme einer weiteren Erstreckung** nicht zu.
*  für die Bundesrepublik: verlängert
** für die Bundesrepublik: Verlängerung
Art. XV
Dieser Vertrag gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundes­republik Deutschland gegenüber dem Schweizerischen Bundesrat innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages eine gegenteilige Erklärung abgibt.
Art. XVI
¹ Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation; die Ratifikationsurkunden sollen so bald wie möglich in Bern ausgetauscht werden.
² Dieser Vertrag tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft, sofern in diesem Zeitpunkt das Europäische Übereinkommen über die Rechts­hilfe in Strafsachen für beide Parteien des vorliegenden Vertrages verbindlich ist, andernfalls zugleich mit diesem Übereinkommen.
³ Dieser Vertrag kann jederzeit schriftlich gekündigt werden; er tritt sechs Monate nach der Kündigung ausser Kraft. Er tritt auch ohne besondere Kündigung in dem Zeitpunkt ausser Kraft, in dem das Europäische Übereinkommen über die Rechts­hilfe in Strafsachen zwischen den Parteien des vorliegenden Vertrages unwirksam wird.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterschrieben und mit ihren Siegeln versehen.
Geschehen zu Bonn, am 13. November 1969, in zwei Urschriften in deutscher Sprache.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Hans Lacher

Für die
Bundesrepublik Deutschland:

Duckwitz
H. Maassen

Bemerkungen

Anlässlich der Verhandlungen vom 20. Februar bis 2. März 1967 in Bern über den Abschluss eines Vertrages zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkom­mens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung haben die beiden Delegationen ihren Beratungen folgende Erwä­gungen zugrunde gelegt und zur Vereinheitlichung der praktischen Anwendung des Übereinkommens und dieses Vertrages festgehalten:
Zu Artikel 1 des Übereinkommens und Artikel I dieses Vertrages
a) Es wird als selbstverständlich erachtet, dass der ersuchende Staat vor der Stellung eines Ersuchens prüft, ob der ersuchte Staat voraussichtlich in der Lage ist, die Rechtshilfe zu leisten.
b) Ausschliesslich mit Geldbusse bedrohte Handlungen können nach schweize­rischem Recht Übertretungen sein. Die Verfolgung von Übertretungen, gleich­gültig ob sie mit Haft oder nur mit Geldbusse bedroht sind, ist nach dem Recht einzelner Kantone den Verwaltungsbehörden übertragen. Inso­weit stehen diese Behörden den Justizbehörden im Sinne von Artikel 1 des Übereinkommens gleich.
c) In Disziplinarsachen und Angelegenheiten der Ehrengerichtsbarkeit wird nur ausnahmsweise Rechtshilfe geleistet.
Zu Artikel 2 des Übereinkommens
Die Delegationen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass Artikel 2 des Übereinkommens nicht ausschliesst, die Leistung der verlangten Rechtshilfe an Bedingungen oder Auflagen zu knüpfen, und dass allfällige Bedingungen oder Auf­lagen von den Behörden des ersuchenden Staates zu beachten sind. Sie werden deshalb ihren zuständigen Behörden empfehlen, in den Fällen des Artikels 2 Buchstabe b des Übereinkommens nach Möglichkeit die Rechtshilfe unter Bedingungen oder Auflagen zu leisten anstatt das Ersuchen abzulehnen, wenn dadurch die Beeinträch­tigung der Interessen des ersuchten Staates vermieden werden kann.
Zu Artikel II dieses Vertrages
a) Nach der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts ist ein Beschluss über die Beschlagnahme eines nicht in der Schweiz befindlichen Ge­genstandes nichtig. Die in Absatz 1 getroffene Regelung soll dem Rechnung tragen. Diese Bestimmung hindert die deutsche Staatsanwaltschaft nicht, selbst ein Ersuchen um Herausgabe von Gegenständen zu stellen, wenn sie ihm einen richterlichen Beschlagnahmebeschluss beifügt.
b) Es wurde davon ausgegangen, dass Ersuchen um Herausgabe von Gegen­ständen ohne Rücksicht auf ein Strafverfahren im Hoheitsgebiet des ersu­chenden Staates lediglich zum Zwecke der Rückgabe an den Berechtigten gestellt werden können.
c) Für Ersuchen nach Absatz 5 bleibt die Strafverfolgungsbehörde zuständig.
Zu Artikel III dieses Vertrages
a) Es wurde davon ausgegangen, dass sich die Teilnahme der am Verfahren im ersuchenden Staat beteiligten Behörden oder Personen jeweils nach dem Recht des Staates richten sollte, das die Teilnahme in weiterem Umfange zulässt. Dasselbe gilt hinsichtlich des Rechts dieser Personen, ergänzende Fragen anzuregen.
b) Artikel III ist erforderlich, weil in der Schweiz das Recht einzelner Kantone die Anwesenheit von Prozessbeteiligten bei Untersuchungshandlungen in ihren Strafverfahren nicht zulässt.
c) Nur die Justizbehörden, nicht aber die sonstigen Prozessbeteiligten haben das Recht, unmittelbar bei der ersuchten Behörde den Antrag auf Anwesen­heit im Rechtshilfetermin zu stellen. Anwesende Prozessbeteiligte sind je­doch berechtigt, ergänzende Fragen anzuregen.
Zu Artikel 7 des Übereinkommens
Artikel 7 Ziffer 1 des Übereinkommens schliesst nach übereinstimmender Ausle­gung aus, dass die dort erwähnten Schriftstücke aus dem einen Staat auf dem Post­weg unmittelbar an den Empfänger im anderen Staat zugestellt werden, soweit darüber nichts anderes vereinbart wird.
Zu Artikel IV dieses Vertrages
Das Ersuchen um Gewährung eines Vorschusses kann von den Zeugen oder Sach­verständigen gestellt werden.
Zu Artikel 11 Ziffer 2 des Übereinkommens und Artikel V dieses Vertrages
a) Die deutsche Delegation hat darauf hingewiesen, dass möglicherweise das Bundesverfassungsgericht die Rückführung eines in Haft befindlichen Deut­schen nach Artikel 11 des Übereinkommens als Auslieferung nach Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ansehen und als verfassungswidrig erklären wird.*
b) Die Bundesrepublik Deutschland wird die Durchbeförderung deutscher Staatsangehöriger nicht bewilligen.
c) Eine im ersuchten Staat möglicherweise anhängige Strafverfolgung gegen den Häftling gilt im Falle der Anwendung des Artikels V als ausgesetzt.
*  Die Bemerkung unter Buchstabe a zu Artikel 11 Ziffer 2 des Übereinkommens und Artikel V ist durch den Entscheid des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Oktober 1970 gegenstandslos geworden, wonach Artikel 16 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland der Rückführung nicht entgegensteht.
Zu Artikel VIII dieses Vertrages
a) Jeder der beiden Staaten wird dem andern ein Verzeichnis seiner nach Arti­kel VIII des Zusatzvertrages zum unmittelbaren Schriftverkehr berechtigten Justiz‑ und Verwaltungsbehörden übermitteln.¹³
b) Der unmittelbare Geschäftsverkehr zwischen den von den beiden Vertrags­parteien aufgrund mehrseitiger Übereinkommen als Zentralstellen bezeich­neten Behörden bleibt unberührt.
Zu Artikel IX dieses Vertrages
a) Im Sinne des Artikels IX des Zusatzvertrages ist die Polizei mit einer strafrechtlichen Angelegenheit befasst, wenn sie diese selbständig bearbeitet. Darunter ist nicht zu verstehen die Durchführung einzelner Massnahmen auf Veranlassung einer Justizbehörde. Von einer selbständigen Bearbeitung einer strafrechtlichen Angelegenheit durch die Polizei kann jedoch auch dann gesprochen werden, wenn ihr von der Strafverfolgungsbehörde ein all­gemein gehaltener Auftrag erteilt worden ist.
b) Zu den Fahndungsmassnahmen im Sinne dieser Bestimmung gehören: aa) Nachforschungen nach Personen, die – soweit es das innerstaatliche Recht zulässt – festgenommen werden können;
bb) Ermittlungen über den Aufenthalt von Personen;
cc) Ermittlungen über die Identität einer Person;
dd) Nachforschungen nach Gegenständen, deren Herausgabe nach Arti­kel II möglicherweise in Betracht kommt, und – bei Gefahr im Verzug – deren Sicherstellung.
Zu Artikel X dieses Vertrages
In einigen Kantonen der Schweiz ist die französische oder die italienische Sprache Amtssprache. Rechtshilfeersuchen und sonstige Schriftstücke aus diesen Kantonen sind daher in einer dieser Sprachen abgefasst.
Zu Artikel XI dieses Vertrages
Es ist Sache des ersuchenden Staates, sich über den Ersatz der Kosten für die Her­ausgabe eines Gegenstandes lediglich zum Zwecke der Rückgabe mit dem Berech­tigten zu verständigen.
Zu Artikel XII dieses Vertrages
a) Zu Absatz 2
Eine erneute Prüfung der Frage, ob die Übernahme der Verfolgung von Zuwiderhandlungen im Strassenverkehr in diesem Vertrage geregelt werden soll, führte zur Aufnahme dieses Absatzes. Die Zulässigkeit der Verfolgung dieser Zuwiderhandlungen im anderen Staat dürfte umso notwendiger sein, als deren Zahl ständig steigt. Die Regelung in Absatz 2 dürfte es auch als weitgehend unnötig erscheinen lassen, von dem betroffenen Fahrer eine Sicherheitsleistung für eine etwaige Geldstrafe und die Verfahrenskosten zu fordern oder zu diesem Zweck das Fahrzeug zu beschlagnahmen. Diese Regelung stellt eine Anordnung im Sinne von Paragraph 6 des deutschen Straf­gesetzbuches dar.
b) Zu Absatz 3
Es wurde davon ausgegangen, dass die zur Verfolgung zuständige Behörde des ersuchten Staates gegebenenfalls die ersuchende Behörde sofort nach Eingang ihres Ersuchens benachrichtigt, wenn ein nach dem Recht des ersuchten Staates erforderlicher Strafantrag nicht vorliegt. Die ersuchende Be­hörde hat den Berechtigten auf die Rechtslage und die hierüber zwischen den beiden Staaten getroffene vertragliche Regelung hinzuweisen.
c) Zu Absatz 6 aa) Die Delegationen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Verjährung als materiellrechtlicher Grund im Sinne des Artikels XII Absatz 6 Buchstabe a des Zusatzvertrages anzusehen ist.
bb) Die Regelung unter Buchstabe c dieses Absatzes bezieht sich auch auf die Vollstreckung einer sichernden Massnahme (Massregel der Siche­rung und Besserung).
cc) Artikel XII Absatz 6 Buchstabe d des Zusatzvertrages wird so verstan­den, dass der Strafvollzug (die Vollstreckung der Strafe oder der Mass­regel der Sicherung und Besserung) im Sinne dieser Bestimmung aus­gesetzt ist, wenn eine der nachstehend genannten, einander nach dem Recht der beiden Staaten entsprechenden Massnahmen angeordnet worden ist:

nach schweizerischem Recht

nach deutschem Recht

1. der bedingte Strafvollzug

2. die bedingte Entlassung

3. der Aufschub des
Straf­antrittes

die Strafaussetzung zur Bewährung

die bedingte Entlassung

der Aufschub der Vollstreckung
einer Freiheitsstrafe

Diese Begriffbestimmung ist getroffen worden, weil die genannten Massnahmen in dem Recht beider Staaten unterschiedlich bezeichnet werden. Der Aufschub des Strafantrittes ist im schweizerischen Recht nicht geregelt.
d) Zu Absatz 7
Die Einfügung der Worte «vor Erlass einer Verwaltungsverfügung» erschien unter anderem notwendig, weil die bedingte Entlassung und deren Widerruf in der Schweiz auch von Verwaltungsbehörden angeordnet werden können.
Zu Artikel 19 des Übereinkommens
Es wird als selbstverständlich angesehen, dass auch die teilweise Ablehnung eines Ersuchens begründet werden muss.
Zu Artikel XIII Absatz 2 dieses Vertrages
Betrifft das strafgerichtliche Erkenntnis mehrere Verurteilte, so kann der ersuchte Staat die auf die von dem ersuchenden Staat benannten Personen bezüglichen Teile des angeforderten Urteils auszugsweise übermitteln.
Bern und Bonn, den 11. April 1969

Der Leiter
der schweizerischen Delegation:

O. Schürch

Der Leiter
der deutschen Delegation:

D. Grützner

¹³ Die örtlich zuständige deutsche Justizbehörde kann über folgende Internetseite ermittelt werden: www.justiz.de/OrtsGerichtsverzeichnis/index.php Ein aktuelles Verzeichnis der schweizerischen Behörden findet sich über folgenden Link: www.rhf.admin.ch/rhf/de/home/straf/behoerden.html

Verzeichnis der Justizbehörden der Bundesrepublik Deutschland, die berechtigt sind, in Strafsachen und Zivilsachen unmittelbar mit den Justizbehörden der Schweiz zu verkehren ¹⁴

¹⁴ Die örtlich zuständige deutsche Justizbehörde kann im Internet an folgender Adresse ermittelt werden: www.justiz.de/OrtsGerichtsverzeichnis/index.php

Verzeichnis der schweizerischen Behörden, denen der direkte Verkehr in Rechtshilfesachen mit ausländischen Amtsstellen gestattet ist ¹⁵

¹⁵ Ein aktuelles Verzeichnis der schweizerischen Behörden ist im Internet an folgender Adresse abrufbar: www.rhf.admin.ch/rhf/de/home/straf/behoerden.html
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