Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Ungarischen Volksrepublik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen
Abgeschlossen am 5. Oktober 1988 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 16. Mai 1989 (Stand am 16. Mai 1989) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes.
Präambel
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Ungarischen Volksrepublik,
vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten zum beiderseitigen Nutzen zu verstärken,
im Bestreben, günstige Bedingungen für Investitionen von Investoren der einen Vertragspartei auf dem Gebiete der anderen Vertragspartei zu schaffen und zu erhalten,
in der Erkenntnis, dass Förderung und Schutz von Investitionen zur Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes in beiden Staaten beitragen,
haben folgendes vereinbart:
Art. 1 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Abkommens:
(1) Bezieht sich der Begriff «Investor» hinsichtlich beider Vertragsparteien auf
(a) natürliche Personen, die gemäss der Gesetzgebung der betreffenden Vertragspartei als ihre Staatsangehörigen betrachtet werden;
(b) juristische Gebilde, einschliesslich Gesellschaften, Körperschaften, geschäftliche Vereinigungen und andere Organisationen, die nach dem Recht der betreffenden Vertragspartei konstituiert oder sonstwie rechtmässig organisiert sind und ihren Sitz im Gebiet derselben Vertragspartei haben und dort eine echte Wirtschaftstätigkeit entfalten;
(c)²
juristische Gebilde, die nach dem Recht eines beliebigen Staates gegründet sind und direkt oder indirekt von Staatsangehörigen der betreffenden Vertragspartei oder von juristischen Gebilden kontrolliert werden, die ihren Sitz im Gebiet der betreffenden Vertragspartei haben und dort eine echte Wirtschaftstätigkeit entfalten.
(2) Umfasst der Begriff «Investitionen» alle Arten von Vermögenswerten und Guthaben, insbesondere
(a) bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche dinglichen Rechte ‑wie Dienstbarkeiten, Hypotheken, Pfandrechte und Nutzniessungen;
(b) Aktien, Anteile und andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften;
(c) Forderungen auf Geld oder auf irgendwelche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen;
(d) Urheberrechte, gewerbliche Eigentumsrechte (wie Patente, Gebrauchsmuster, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik‑, Handels‑ und Dienstleistungsmarken, Handelsnamen, Ursprungsbezeichnungen), «Know‑how» und «Goodwill»;
(e) Öffentlich‑rechtliche Konzessionen, einschliesslich solcher zur Prospektion, Gewinnung und Verwertung von natürlichen Ressourcen, sowie sämtliche anderen Rechte, die durch Gesetz, Vertrag oder Entscheid einer Behörde in Anwendung des Gesetzes verliehen werden.
² Siehe auch das Prot. am Schluss des vorliegenden Abkommens.
Art. 2 Anwendungsbereich
(1) Dieses Abkommen ist anwendbar auf Investitionen innerhalb des Gebietes einer Vertragspartei, die in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften von Investoren der anderen Vertragspartei getätigt worden sind, sofern solche Investitionen mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen und nach dem 31. Dezember 1972 vorgenommen wurden.
(2) Dieses Abkommen berührt nicht die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien hinsichtlich Investitionen, die nicht in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen.
Art. 3 Förderung und Zulassung von Investitionen
(1) Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Gebiet nach Möglichkeit Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zu.
(2) Hat eine Vertragspartei auf ihrem Gebiet eine Investition zugelassen, so erteilt sie in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften die im Zusammenhang mit der Investition erforderlichen Bewilligungen, einschliesslich solcher für die Durchführung von Lizenzverträgen und von Verträgen über technische, kommerzielle oder administrative Unterstützung. Jede Vertragspartei ist bestrebt, die Bewilligungen zu erteilen, die gegebenenfalls für die Tätigkeit von Beratern und anderen qualifizierten Personen fremder Staatsangehörigkeit erforderlich sind.
Art. 4 ³ Schutz und Behandlung von Investitionen
(1) Jede, Vertragspartei schützt auf ihrem Gebiet die in Übereinstimmung mit ihrer Gesetzgebung und übrigen Rechtsvorschriften von Investoren der anderen Vertragspartei getätigten Investitionen und unterlässt es, die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutzniessung, die Erweiterung, den Verkauf und allenfalls die Liquidation solcher Investitionen durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Massnahmen zu behindern.
(2) Jede Vertragspartei stellt auf ihrem Gebiet eine gerechte und billige Behandlung der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei sicher. Diese Behandlung darf nicht weniger günstig sein als jene, welche die Vertragspartei Investitionen angedeihen lässt, die auf ihrem Gebiet von eigenen Investoren getätigt wurden, oder als die Behandlung, die Investitionen von Investoren der am meisten begünstigten Nation geniessen, sofern diese Behandlung günstiger ist.
(3) Die Meistbegünstigung bezieht sich nicht auf Vorteile, welche eine Vertragspartei Investoren eines Drittstaates aufgrund dessen Mitgliedschaft bei oder Assoziation mit einer Freihandelszone, einer Zoll‑ oder Wirtschaftsunion zukommen lässt.
³ Siehe auch das Prot. am Schluss des vorliegenden Abkommens.
Art. 5 Repatriierung und Transfer
Jede Vertragspartei, auf deren Gebiet Investoren der anderen Vertragspartei Investitionen getätigt haben, gewährt diesen Investoren den freien Transfer von Zahlungen im Zusammenhang mit diesen Investitionen, namentlich:
(a) Zinsen, Dividenden, Gewinne und andere laufende Erträge;
(b) Rückzahlungen von Darlehen;
(c) Beträge, die zur Deckung der Kosten der Investitionsverwaltung bestimmt sind;
(d) Lizenzgebühren und andere Zahlungen für Rechte, die in Artikel 1 Absatz (2) Buchstaben c), d) und e) dieses Abkommens aufgezählt sind;
(e) zusätzliche Kapitalleistungen, die für den Unterhalt oder die Ausweitung der Investitionen erforderlich sind;
(f) Erlöse aus dem Verkauf oder der teilweisen oder vollständigen Liquidation einer Investition, einschliesslich allfälliger Wertzunahmen.
Art. 6 Enteignung und Entschädigung
(1) Keine Vertragspartei darf direkt oder indirekt Enteignungs‑ oder Verstaatlichungsmassnahmen oder irgendwelche andere Massnahmen von derselben Art oder mit derselben Wirkung gegenüber Investitionen treffen, die Investoren der anderen Vertragspartei gehören, es sei denn, solche Massnahmen erfolgten im öffentlichen Interesse, seien nicht diskriminierend und entsprächen den gesetzlichen Vorschriften und vorausgesetzt, dass eine wertentsprechende und tatsächlich verwertbare Entschädigung vorgesehen ist. Der Entschädigungsbetrag einschliesslich Zinsen ist in der Währung des Herkunftslandes der Investition zu zahlen und dem Berechtigten ohne Verzögerung und unabhängig von seinem Wohn‑ oder Geschäftssitz zu überweisen.
(2) Investoren einer Vertragspartei, deren Investitionen als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, einer Revolution, eines Ausnahmezustandes oder einer Rebellion auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei Schaden genommen haben, haben Anspruch darauf, von der letzteren hinsichtlich Rückerstattung, Entschädigung, Abfindung oder anderer Entgelte nach Massgabe von Artikel 4 Absatz (2) dieses Abkommens behandelt zu werden.
Art. 7 Günstigere Bedingungen
Bestimmungen, die zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei vereinbart worden sind oder werden und die dem Investor eine günstigere Behandlung zuerkennen als jene, die im vorliegenden Abkommen vorgesehen ist, gehen diesem Abkommen vor.
Art. 8 Subrogation
Hat eine der Vertragsparteien für Investitionen, die durch einen Investor auf dem Gebiete der anderen Vertragspartei getätigt wurde, eine finanzielle Garantie gegen nichtkommerzielle Risiken gewährt und wurde aufgrund dieser Garantie eine Zahlung geleistet, so anerkennt die andere Vertragspartei aufgrund des Subrogationsprinzips den Übergang der Rechte des Investors auf die erste Vertragspartei.
Art. 9 Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien
(1) Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind auf diplomatischem Wege beizulegen.
(2) Falls die beiden Vertragsparteien sich nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Ausbruch der Streitigkeit verständigen können, ist sie auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter. Diese beiden so bezeichneten Schiedsrichter ernennen einen Angehörigen eines Drittstaates zum Vorsitzenden.
(3) Falls eine Vertragspartei ihren Schiedsrichter nicht bezeichnet und der Aufforderung der anderen Vertragspartei, innerhalb von zwei Monaten diese Bezeichnung vorzunehmen, nicht nachkommt, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen der letzteren Vertragspartei vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(4) Können sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bezeichnung auf die Wahl des Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.
(5) Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den in Absatz (3) und Absatz (4) erwähnten Fällen an seiner Mandatsausübung verhindert, oder ist er Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen vom Vizepräsidenten vorgenommen. Ist auch dieser verhindert oder Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen durch das amtsälteste Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist.
(6) Sofern die Vertragsparteien nichts anderes bestimmen, regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selber.
(7) Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.
Art. 10 Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei
(1) Zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten über Investitionen zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der andern Vertragspartei finden, unbeschadet von Artikel 9 dieses Abkommens (Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien), Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.
(2) Führen diese Beratungen innerhalb von sechs Monaten nicht zu einer Lösung, so können die Streitparteien wie folgt vorgehen:
(a) Eine Streitigkeit betreffend Artikel 6 dieses Abkommens wird auf Ersuchen des Investors dem unter dem Washingtoner Abkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18. März 1965⁴ errichteten Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten unterbreitet.
(b) Im Falle einer Streitigkeit, die nicht unter Absatz (2) Buchstabe (a) dieses Artikels fällt, wird der Streit, sofern beide Streitparteien einwilligen, dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten unterbreitet.
(3) Sind sich die Parteien nicht einig, ob ein Vergleichsverfahren oder Schiedsverfahren durchzuführen ist, liegt die Wahl beim betroffenen Investor. Die am Streit beteiligte Vertragspartei kann in keiner Phase des Streitbeilegungs‑ oder Vollstreckungsverfahrens den Einwand erheben, der Investor habe aufgrund eines Versicherungsvertrages eine Entschädigung für einen Teil oder die Gesamtheit des entstandenen Schadens erhalten.
(4) Eine Gesellschaft, die gemäss den auf dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei geltenden Gesetzen gegründet oder errichtet wurde und die vor dem Entstehen der Streitigkeit von Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei beherrscht wird, gilt im Sinne von Artikel 25 (2) (b) des Washingtoner Übereinkommens als Gesellschaft der anderen Vertragspartei.
⁴ SR 0.975.2
Art. 11 Einhaltung der Verpflichtungen
Jede Vertragspartei gewährleistet zu jedem Zeitpunkt die Einhaltung der durch sie eingegangenen Verpflichtungen bezüglich der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei.
Art. 12 Schlussbestimmungen
(1) Das vorliegende Abkommen tritt am Tage in Kraft, an dem sich die beiden Regierungen mitteilen, dass die verfassungsmässigen Vorschriften für den Abschluss und das Inkrafttreten von internationalen Abkommen erfüllt sind, und gilt für die Dauer von zehn Jahren. Wird es nicht durch schriftliche Anzeige sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, verlängert sich seine Laufzeit um jeweils weitere fünf Jahre.
(2) Im Falle der Kündigung dieses Abkommens gelten für Investitionen, die vor seiner Kündigung getätigt wurden, die in den Artikeln 1–11 enthaltenen Bestimmungen noch während einer Dauer von zehn Jahren.
Geschehen zu Bern, am 5. Oktober 1988, in zwei Originalen, in französisch, ungarisch und in englisch, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist.
Für den Silvio Arioli | Für die Regierung András Patkó |
Protokoll
Bei der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Ungarischen Volksrepublik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen haben die bevollmächtigten Unterzeichner im weiteren die nachfolgenden Bestimmungen vereinbart, die einen integrierenden Bestandteil dieses Abkommens bilden.
Zu Artikel 1
a) Ein Investor im Sinne des Artikels 1 Absatz (1) Buchstabe c) kann von der Vertragspartei, auf deren Gebiet die Investition getätigt worden ist oder werden soll, ersucht werden, den Nachweis der Kontrolle über die betreffende Investition zu erbringen, damit er als Investor der anderen Vertragspartei anerkannt werden kann.
b) Investoren gemäss Artikel 1 Absatz (1) Buchstabe c) können keinen Anspruch gestützt auf Artikel 6 des Abkommens geltend machen, sofern gemäss einer ähnlichen Bestimmung in einem anderen Investitionsschutzabkommen der Vertragspartei, auf deren Gebiet die Investition getätigt worden ist, Entschädigung geleistet worden ist.
Zu Artikel 4
a) Es besteht Einverständnis darüber, dass die in diesem Artikel vorgesehene Behandlung auch Investitionen in der Form einer juristischen Person zukommt, an denen Investoren beider Vertragsparteien beteiligt sind.
b) Die Mitgliedschaft in einer «Wirtschaftsunion» schliesst die Mitgliedschaft im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) ein.
Geschehen zu Bern, am 5. Oktober 1988, in zwei Originalen, in französisch, ungarisch und in englisch, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist.
Für den Silvio Arioli | Für die Regierung András Patkó |
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