Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren (172.061)
CH - Schweizer Bundesrecht

Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG)

(Vernehmlassungsgesetz, VlG) vom 18. März 2005 (Stand am 26. November 2018)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf Artikel 147 der Bundesverfassung¹, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 21. Januar 2004²,
beschliesst:
¹ SR 101 ² BBl 2004 533
Art. 1 Geltungsbereich
¹ Dieses Gesetz regelt die Grundzüge des Vernehmlassungsverfahrens.
² Es gilt für Vernehmlassungsverfahren, die vom Bundesrat, von einem Departement, der Bundeskanzlei, einer Einheit der Bundesverwaltung oder einer parlamentarischen Kommission eröffnet werden.³
³ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 2 Zweck des Vernehmlassungsverfahrens
¹ Das Vernehmlassungsverfahren bezweckt die Beteiligung der Kantone, der politischen Parteien und der interessierten Kreise an der Meinungsbildung und Entscheidfindung des Bundes.
² Es soll Aufschluss geben über die sachliche Richtigkeit, die Vollzugstauglichkeit und die Akzeptanz eines Vorhabens des Bundes.
Art. 3 ⁴ Gegenstand des Vernehmlassungsverfahrens
¹ Ein Vernehmlassungsverfahren findet statt bei der Vorbereitung von:
a. Verfassungsänderungen;
b. Gesetzesvorlagen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 der Bundesverfassung;
c. völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b oder nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung dem Referendum unterliegen oder wesentliche Interessen der Kantone betreffen;
d. Verordnungen und anderen Vorhaben, die von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Trag­weite sind;
e. Verordnungen und anderen Vorhaben, die nicht unter Buchstabe d fallen, aber einzelne oder alle Kantone in erheblichem Mass betreffen oder in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden.
² Eine Vernehmlassung kann auch bei Vorhaben durchgeführt werden, die keine der Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen.
⁴ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 3 a ⁵ Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren
¹ Auf ein Vernehmlassungsverfahren kann verzichtet werden, wenn:
a. das Vorhaben vorwiegend die Organisation oder das Verfahren von Bundesbehörden oder die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundesbehörden betrifft; oder
b. keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist.
² Der Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren muss sachlich begründet werden.
⁵ Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 4 Teilnahme
¹ Jede Person und jede Organisation kann sich an einem Vernehmlassungsverfahren beteiligen und eine Stellungnahme einreichen.
² Zur Stellungnahme eingeladen werden:
a.⁶
die Kantonsregierungen;
b. die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien;
c. die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berg­gebiete;
d. die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft;
e.⁷
die im Einzelfall interessierten ausserparlamentarischen Kommissionen und weiteren Kreise.
³ Die Bundeskanzlei führt die Liste der Vernehmlassungsadressaten nach Absatz 2 Buchstaben a–d.
⁶ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
⁷ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 5 ⁸ Eröffnung
¹ Vernehmlassungsverfahren zu Vorhaben, die von der Bundesverwaltung ausgehen, werden eröffnet:
a. vom Bundesrat bei Vorhaben nach Artikel 3 Absatz 1;
b. vom zuständigen Departement oder von der Bundeskanzlei bei Vorhaben nach Artikel 3 Absatz 2;
c. von der zuständigen Einheit der zentralen oder der dezentralen Bundes­verwaltung, wenn sie zur Rechtsetzung befugt ist.
² Vernehmlassungsverfahren zu Vorhaben, die von der Bundesversammlung aus­gehen, werden von der zuständigen parlamentarischen Kommission eröffnet.
³ Die Bundeskanzlei koordiniert die Vernehmlassungen. Sie gibt jede Eröffnung eines Vernehmlassungsverfahrens öffentlich bekannt und gibt dabei die Vernehm­lassungsfrist und die Stelle für den Bezug der Vernehmlassungsunterlagen an.
⁸ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 6 ⁹ Durchführung
¹ Die für die Eröffnung der Vernehmlassung zuständige Behörde bereitet das Vernehmlassungsverfahren vor, führt es durch, stellt die Vernehmlassungs­ergebnisse zusammen und wertet sie aus. Eröffnet der Bundesrat eine Vernehm­lassung, so erfüllt diese Aufgaben das zuständige Departement.
² Parlamentarische Kommissionen können für die Vorbereitung der Vernehm­lassungen und für die Zusammenstellung der Ergebnisse Dienststellen der Bundes­verwaltung beiziehen.
⁹ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 6 a ¹⁰ Anforderungen an die Erläuterung des Vorhabens
Für die Erläuterung des Vorhabens gelten die Anforderungen an die Botschaften des Bundesrates nach Artikel 141 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002¹¹ sinngemäss.
¹⁰ Eingefügt durch Ziff. II 2 des BG vom 15. Juni 2018 (Verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts), in Kraft seit 26. Nov. 2018 ( AS 2018 3461 ; BBl 2017 6797 6865 ).
¹¹ SR 171.10
Art. 7 ¹² Form und Frist
¹ Die Vernehmlassungsunterlagen werden in Papierform oder in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Vernehmlassungen ausschliesslich elektronisch durchgeführt werden, wenn die nötigen technischen Voraussetzungen gegeben sind.
² Die für die Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens zuständige Behörde kann die interessierten Kreise zusätzlich zu Sitzungen einladen. Diese sind zu protokollieren.
³ Die Vernehmlassungsfrist beträgt mindestens drei Monate. Sie wird unter Berücksichtigung von Ferien- und Feiertagen sowie von Inhalt und Umfang der Vorlage angemessen verlängert. Die Mindestfrist verlängert sich bei einer Vernehmlassung:
a. welche die Zeit vom 15. Juli bis zum 15. August umfasst: um drei Wochen;
b. welche die Zeit von Weihnachten und Neujahr umfasst: um zwei Wochen;
c. welche die Ostertage umfasst: um eine Woche.
⁴ Duldet das Vorhaben keinen Aufschub, so kann die Frist ausnahmsweise verkürzt werden. Die Dringlichkeit ist gegenüber den Vernehmlassungsadressaten sachlich zu begründen.
¹² Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 8 Behandlung der Stellungnahmen
¹ Die Stellungnahmen werden zur Kenntnis genommen, gewichtet und ausgewertet.
² Die Ergebnisse der Vernehmlassung werden in einem Bericht zusammengefasst.¹³
¹³ Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 9 Öffentlichkeit
¹ Öffentlich zugänglich sind:
a. die Vernehmlassungsunterlagen sowie alle Dokumente, Stellungnahmen oder Gutachten, die im erläuternden Bericht erwähnt werden;
b. nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist: die Stellungnahmen und gegebenenfalls das Protokoll der Sitzungen nach Artikel 7 Absatz 2;
c. nach der Kenntnisnahme durch die eröffnende Behörde: der Ergebnisbericht (Art. 8 Abs. 2).¹⁴
² Die Stellungnahmen werden durch Gewährung der Einsichtnahme, Abgabe von Kopien oder Veröffentlichung in elektronischer Form zugänglich gemacht und können zu diesem Zweck technisch aufbereitet werden.
³ Das Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004¹⁵ findet keine Anwendung.
¹⁴ Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, in Kraft seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
¹⁵ SR 152.3
Art. 10 ¹⁶
¹⁶ Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 26. Sept. 2014, mit Wirkung seit 1. April 2016 ( AS 2016 925 ; BBl 2013 8875 ).
Art. 11 Ausführungsbestimmungen
Der Bundesrat regelt in einer Verordnung die Einzelheiten, namentlich:
a. die Planung und die Koordination der einzelnen Vernehmlassungsverfahren;
b. den Inhalt der Vernehmlassungsunterlagen, deren Bereitstellung und Abgabe;
c. die Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens in elektronischer Form;
d. die Behandlung der eingereichten Stellungnahmen, namentlich deren Auswertung, technische Aufbereitung, Veröffentlichung und Archivierung.
Art. 12 Änderung bisherigen Rechts
Die nachstehenden Bundesgesetze werden wie folgt geändert:
…¹⁷
¹⁷ Die Änderungen können unter AS 2005 4099 konsultiert werden.
Art. 13 Referendum und Inkrafttreten
¹ Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
² Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.
Datum des Inkrafttretens: 1. September 2005¹⁸
¹⁸ BRB vom 17. August 2005
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