Verordnung über die Polizeibefugnisse der Armee (510.32)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über die Polizeibefugnisse der Armee (VPA)

(VPA) vom 26. Oktober 1994 (Stand am 1. Januar 2009) ¹ AS 1995 40
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf Artikel 92 Absatz 4 des Militärgesetzes (MG)²,³
verordnet:
² SR 510.10 ³ Fassung gemäss Ziff. I der V vom 19. Juni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 ( AS 1995 4141 ).

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Geltungsbereich
¹ Diese Verordnung regelt die Befugnisse der militärischen Polizeiorgane. Vorbe­hal­ten bleiben weitere Befugnisse von militärischen Polizeiorganen aufgrund ande­rer Erlasse.
² Sie gilt im Ausbildungsdienst und, soweit nichts anderes verordnet ist, auch im Assistenz- und Aktivdienst.⁴
³ Sie gilt auch für kantonale Aufgebote zum Ordnungsdienst; der Kanton kann abweichende Bestimmungen erlassen.⁵
⁴ Sie gilt nicht für:
a. die Anwendung militärischer Gewalt gegen feindliche Militärpersonen und Truppenverbände;
b. die Wahrung der Lufthoheit.⁶
⁴ Fassung gemäss Ziff. I der V vom 19. Juni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 ( AS 1995 4141 ).
⁵ Fassung gemäss Ziff. I der V vom 19. Juni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 ( AS 1995 4141 ).
⁶ Eingefügt durch Ziff. I der V vom 19. Juni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 ( AS 1995 4141 ).
Art. 2 Militärische Polizeiorgane
Militärische Polizeiorgane sind:
a. die Polizeiorgane der Truppe: 1. Wachen,
2. Truppendetachemente und Verbände mit polizeilichen Aufgaben;
b. die Angehörigen der Militärischen Sicherheit, namentlich die Organe der Mili­tärpolizeizonen;
c. das Festungswachtkorps;
d. Zivilpersonen mit militärischen Polizeiaufgaben.
Art. 3 ⁷ Zweck
¹ Im Ausbildungs-, Assistenz- und Aktivdienst dürfen polizeiliche Zwangsmass­nah­men eingesetzt werden, um:
a. Gefahren für die Sicherheit der Armee abzuwehren;
b. Störungen der militärischen Ordnung zu beseitigen;
c. bei der Verfolgung von Straftaten gegen die Armee oder ihre Angehörigen bis zum Eintreffen der zuständigen Strafverfolgungsorgane die unaufschieb­baren Massnahmen zu treffen.
² Im Assistenz- und Aktivdienst dürfen polizeiliche Zwangsmassnahmen auch zur Erfüllung der jeweiligen Aufträge der Armee, ihrer Verbände und Organe eingesetzt werden, soweit der Einsatzbefehl dies ausdrücklich vorsieht.
⁷ Fassung gemäss Ziff. I der V vom 19. Juni 1995, in Kraft seit 1. Jan. 1996 ( AS 1995 4141 ).
Art. 4 ⁸ Polizeiliche Zwangsmassnahmen
¹ Polizeiliche Zwangsmassnahmen sind:
a. Wegweisung und Fernhaltung;
b. Anhaltung und Identitätsfeststellung;
c. Befragung;
d. Durchsuchung von Personen;
e. Kontrolle von Sachen;
f. Beschlagnahme;
g. vorläufige Festnahme;
h. Anwendung von körperlichem Zwang;
i. Waffengebrauch.
² Es dürfen folgende Waffen eingesetzt werden:
a. Feuerwaffen;
b. Reizstoffe;
c. nicht tödlich wirkende Destabilisierungsgeräte (Destabilisierungsgeräte).
³ Beim Waffengebrauch darf folgende Munition eingesetzt werden:
a. Vollmantelmunition;
b. Hilfsmunition;
c. Munition mit kontrollierter Expansionswirkung.
⁴ Destabilisierungsgeräte und Munition mit kontrollierter Expansionswirkung dürfen nur vom militärischen Personal und Angehörigen der militärischen Sicherheit sowie von weiteren Angehörigen der Armee, die speziell dafür ausgebildet sind, eingesetzt werden.
⁸ Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 der Zwangsanwendungsverordnung vom 12. Nov. 2008, in Kraft seit 1. Jan. 2009 ( SR 364.3 ).
Art. 5 Verhältnismässigkeit
¹ Jede polizeiliche Zwangsmassnahme muss zur Wahrung oder Herstellung des recht­mässigen Zustandes geeignet sein.
² Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zweckes erforderlich ist.
³ Sie darf nicht zu einem Nachteil führen, der in einem Missverhältnis zum verfolg­ten Zweck steht.
Art. 6 Zusammenarbeit mit zivilen Polizeiorganen
¹ Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport⁹ kann anordnen, dass für militärische Poli­zeiorgane und Truppen, die zur Unterstützung ziviler Behörden eingesetzt sind, an­stelle der Vorschriften des zweiten Abschnittes die zivilen Vorschriften über poli­zeiliche Zwangsmassnahmen gelten.
² …¹⁰
⁹ Bezeichnung gemäss nicht veröffentlichtem BRB vom 19. Dez. 1997. Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt.
¹⁰ Aufgehoben durch Art. 10 der V vom 14. April 1999 über die Ausbildung der Truppe bei polizeilichen Einsätzen ( SR 512.26 ).

2. Abschnitt: Die Voraussetzungen der einzelnen polizeilichen Zwangs­massnahmen

Art. 7 Grundsatz
Polizeiliche Zwangsmassnahmen können im Rahmen der Befugnisse nach Artikel 3 angewendet werden, soweit es zur Erfüllung des Auftrags notwendig ist.
Art. 8 Wegweisung und Fernhaltung
Personen können von bestimmten Orten weggewiesen oder ferngehalten werden, wenn:
a. sie sonst ernsthaft und unmittelbar gefährdet würden;
b. es für die Sicherheit der Armee, ihrer Angehörigen, ihres Materials, ihrer oder von ihr bewachter Objekte, zum Schutz wichtiger Informationen oder für die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung notwendig ist;
c. sie Einsätze behindern, die von der zuständigen Behörde zur Aufrechterhal­tung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zur Durchsetzung vollstreckbarer Anordnungen befohlen worden sind.
Art. 9 Anhaltung und Identitätsfeststellung
¹ Verdächtige Personen können angehalten, und es kann ihre Identität festgestellt werden. Die zivile Polizei kann beigezogen werden, um abzuklären, ob nach diesen Personen oder nach Sachen, die von ihnen mitgeführt werden, gefahndet wird.
² Personen, die Zutritt zu Truppenstandorten, militärischen oder militärisch bewach­ten Objekten begehren, können angehalten, und es kann ihre Identität festgestellt werden, auch wenn gegen sie kein Verdacht vorliegt.
³ Angehaltene Personen müssen auf Verlangen ihre Personalien angeben und mitge­führte Ausweispapiere vorweisen.
⁴ Wenn die Identität an Ort und Stelle nicht sicher oder nur mit erheblichen Schwie­rigkeiten festgestellt werden kann, oder wenn erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, an der Echtheit der Ausweispapiere oder am rechtmässigen Besitz von Sachen bestehen, so können die angehaltenen Personen zu einer militärischen Kommando- oder Dienststelle gebracht oder den zuständigen Polizei- oder Unter­suchungsorganen überstellt werden.
⁵ Angehaltene Personen sind nach der Identitätsfeststellung unverzüglich zu entlas­sen, wenn nicht die Voraussetzungen für andere Zwangsmassnahmen vorliegen.
Art. 10 Befragung
¹ Personen können über Sachverhalte befragt werden, deren Kenntnis zur Erfüllung des Auftrags von Bedeutung ist.
² Befragte Personen sind auf das Recht zur Verweigerung der Aussage hinzuweisen.
Art. 11 Durchsuchung von Personen
¹ Personen können durchsucht werden, wenn sie:
a. eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig sind;
b. Waffen oder andere gefährliche Gegenstände auf sich tragen und verdächtigt werden, diese widerrechtlich zu gebrauchen;
c. vorläufig festgenommen oder verhaftet worden sind;
d. bewusstlos oder sonst hilflos sind und die Durchsuchung zur Feststellung der Personalien erforderlich ist.
² Personen, die Zutritt zu Truppenstandorten, militärischen oder militärisch bewach­ten Objekten begehren, können durchsucht werden, ohne dass eine Voraussetzung nach Absatz 1 gegeben ist.
³ Weibliche Personen dürfen nur von Frauen durchsucht werden; hiervon ausge­nom­men ist die Durchsuchung auf Waffen. Im Aktivdienst gilt diese Bestimmung, soweit weibliches Personal verfügbar ist.
Art. 12 Kontrolle von Sachen
¹ Angehaltene Personen können verpflichtet werden, mitgeführte Sachen vorzuzei­gen und Behältnisse sowie Fahrzeuge zu öffnen.
² Behältnisse und Fahrzeuge können durchsucht werden, wenn der Verdacht besteht, dass sich darin Gegenstände befinden, die der Beschlagnahme unterliegen.
³ Mitgeführte Behältnisse und Fahrzeuge von Personen, die Zutritt zu Truppen­stand­orten, militärischen oder militärisch bewachten Objekten begehren, können durchsucht werden, ohne dass die Voraussetzung von Absatz 2 gegeben ist.
Art. 13 Beschlagnahme
¹ Gegenstände können beschlagnahmt werden, wenn:
a. von ihnen eine erhebliche Gefahr ausgeht;
b. an oder mit ihnen eine strafbare Handlung begangen wurde;
c. sie zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt sind oder waren;
d. sie durch eine strafbare Handlung hervorgebracht oder erlangt worden sind;
e. sie als Beweismittel von Bedeutung sein können.
² Über jede Beschlagnahme ist ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll enthält min­destens die Bezeichnung der beschlagnahmten Gegenstände, die Personalien all­fälliger Auskunftspersonen sowie Grund, Ort und Zeit der Massnahme. Das Pro­to­koll ist von den Personen, denen die Gegenstände abgenommen wurden, zu unter­schreiben. Eine Verweigerung der Unterschrift ist im Protokoll zu vermerken.
³ Die beschlagnahmten Gegenstände sind den zuständigen Polizei- oder Unter­suchungsorganen zu übergeben.
Art. 14 Vorläufige Festnahme
¹ Personen können vorläufig festgenommen werden, wenn:
a. sie die Sicherheit der Armee, ihrer Angehörigen, ihres Materials, ihrer oder von ihr bewachter Objekte oder von wichtigen Informationen gefährden oder die militärische Ordnung stören, sofern eine Wegweisung und Fernhaltung nicht genügt;
b. sie eine Straftat gegen die Armee oder ihre Angehörigen begangen oder ver­sucht haben und von einem militärischen Polizeiorgan oder der Truppe unmit­telbar verfolgt werden;
c. sie sich oder andere ernsthaft gefährden;
d. sie wegen ihres Zustandes oder Verhaltens in schwerwiegender Weise öffentli­ches Ärgernis erregen oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung ernsthaft stören;
e. nach ihnen gefahndet wird.
² Über jede Festnahme ist unverzüglich ein Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll ent­hält mindestens die Personalien der festgenommenen Personen und allfälliger Aus­kunftspersonen sowie Grund, Ort und Zeit der Massnahme. Das Protokoll ist von den festgenommenen Personen zu unterschreiben. Eine Verweigerung der Unterschrift ist im Protokoll zu vermerken.
³ Festgenommene Personen sind nach Aufnahme des Protokolls unverzüglich den zuständigen Polizei- oder Untersuchungsorganen zu übergeben. Militärpersonen können auch ihren vorgesetzten Truppenkommandanten übergeben werden.
⁴ Festgenommene Personen dürfen gefesselt werden, wenn sie Widerstand leisten oder wenn Gefahr besteht, dass sie fliehen, andere Personen angreifen oder sich sel­ber verletzen.
Art. 15 Anwendung von körperlichem Zwang
Körperlicher Zwang darf nur angewendet werden, wenn er unmittelbar geboten ist und weniger schwerwiegende Mittel sich nicht eignen.
Art. 16 Waffengebrauch
¹ Waffen sind nur als letztes Mittel einzusetzen. Jeder Waffengebrauch muss den Umständen angemessen sein.
² Wenn andere verfügbare Mittel nicht ausreichen, ist in einer den Umständen angemessenen Weise von der Schusswaffe Gebrauch zu machen:
a. wenn die militärischen Polizeiorgane mit einem gefährlichen Angriff unmit­tel­bar bedroht oder gefährlich angegriffen werden;
b. wenn andere Personen mit einem gefährlichen Angriff unmittelbar bedroht oder gefährlich angegriffen werden;
c. wenn die dienstlichen Aufgaben nicht anders als durch Schusswaffen­gebrauch ausgeführt werden können, insbesondere: 1. wenn Personen, welche ein schweres Verbrechen oder ein schweres Ver­gehen begangen haben oder eines solchen dringend verdächtigt sind, sich der Festnahme oder einer bereits vollzogenen Verhaftung durch Flucht zu entziehen versuchen,
2. wenn die militärischen Polizeiorgane aufgrund erhaltener Informatio­nen oder aufgrund persönlicher Feststellungen annehmen dürfen oder müssen, dass Personen für andere eine unmittelbar drohende Gefahr an Leib und Leben darstellen und sich diese der Festnahme oder einer bereits vollzo­genen Verhaftung durch Flucht zu entziehen versuchen,
3. zur Befreiung von Geiseln,
4. zur Verhinderung eines unmittelbar drohenden schweren Verbrechens oder schweren Vergehens an Einrichtungen, die der Allgemeinheit die­nen oder die für die Allgemeinheit wegen ihrer Verletzlichkeit eine besondere Gefahr bilden,
5. wenn die widerrechtliche Wegnahme von Material, das eine schwere Ge­fahr für die Allgemeinheit bilden kann, verhindert werden muss,
6. wenn eine militärische Anlage, die wichtig für die Auftragserfüllung der Armee oder wesentlicher Teile davon ist, unmittelbar bedroht oder ge­fährlich angegriffen wird,
7. wenn eine schwere Verletzung des militärischen Geheimnisses verhin­dert werden muss.
³ Die Befugnis zum Schusswaffengebrauch kann auf einzelne der in Absatz 2 genannten Fälle beschränkt, oder es kann deren Anwendungsbereich eingeschränkt und präzisiert werden. Solche Anordnungen berücksichtigen, neben Lage und Auf­trag, ins­besondere den Ausbildungsstand der betroffenen Angehörigen der militäri­schen Poli­zei­organe.
⁴ Im Aktivdienst kann das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Be­völ­ke­rungsschutz und Sport oder der General die Befugnis zum Waffengebrauch erweitern.
Art. 17 Allgemeine Grundsätze zum Waffengebrauch
¹ Jeder Angehörige der militärischen Polizeiorgane ist für den Einsatz seiner Waffe persönlich verantwortlich.
² Dem Schusswaffengebrauch hat ein deutlicher Warnruf, wenn nötig verstärkt durch ein deutliches Zeichen, vorauszugehen, sofern der Zweck und die Umstände es zulassen. Ein Warnschuss darf nur abgegeben werden, sofern die Umstände die Wirkung eines Warnrufes vereiteln.
³ Mit einem gezielten Schuss darf nur die Angriffsunfähigkeit beziehungsweise die Fluchtunfähigkeit angestrebt werden.
⁴ Bei unverhältnismässiger Gefährdung unbeteiligter Dritter ist auf den Schusswaf­fengebrauch zu verzichten.
⁵ Dem durch Waffengebrauch Verletzten ist der nötige Beistand zu leisten.
⁶ Der Angehörige der militärischen Polizeiorgane, der von der Waffe Gebrauch gemacht hat, ist zu betreuen.
⁷ In jedem Fall von Waffengebrauch ist dem Vorgesetzten unverzüglich Meldung zu erstatten.
⁸ Zur Spurensicherung und zur Fahndung nach geflüchteten Personen ist unverzüg­lich die zivile oder die Militärpolizei beizuziehen. Eingesetzte Waffen sind für die Unter­su­chung sicherzustellen.

3. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 18 Vollzug
Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport voll­zieht diese Verordnung.
Art. 19 Änderung bisherigen Rechts
Die Anlageschutzverordnung vom 2. Mai 1990¹¹ wird wie folgt geändert:
Art. 7
¹¹ SR 510.518.1 . Die hiernach aufgeführte Änd. ist eingefügt in der genannten V.
Art. 20 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1995 in Kraft.
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