Gewaltschutzgesetz (351)
CH - ZH

Gewaltschutzgesetz

1 Gewaltschutzgesetz (GSG)
351 Gewaltschutzgesetz (GSG) (vom 19. Juni 2006)
1 Der Kantonsrat, nach Einsichtnahme in die Anträge des Regierungsrates vom 6. Juli 2005
2 und der Kommission für Justiz und öffe ntliche Sicherheit vom 4. April
2006, beschliesst: A. Allgemeines
Zweck

§ 1.

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1 Das Gesetz bezweckt den Schu tz, die Sicherheit und die Unterstützung von Personen, die betroffen sind von a. häuslicher Gewalt, b. Stalking.
2 Der Kanton fördert vorbeugende Massnahmen zur Verminderung von häuslicher Gewalt und Stalking sowie die Zusammenarbeit der damit befassten Stellen.
Begriffe

§ 2.

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1 Häusliche Gewalt liegt vor, wenn eine Person in einer beste henden oder einer aufgelösten fa miliären oder partnerschaftlichen Be ziehung in ihrer körperlichen, sexu ellen oder psychischen Integrität ver letzt oder gefährdet wird a. durch Ausübung oder Androhung von Gewalt oder b. durch mehrmaliges Belästigen, Auflauern oder Nachstellen.
2 Stalking liegt vor, wenn jemand durch mehrmaliges Belästigen, Auf lauern, Nachstellen oder Drohen in se iner Handlungsfrei heit beeinträch tigt oder gefährdet wird.
3 Als gefährdende Person gilt, wer häusliche Gewalt oder Stalking ausübt oder androht.
4 Als gefährdete Person gilt, wer von häuslicher Gewalt oder Stal king betroffen ist.
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351 Gewaltschutzgesetz (GSG) B. Anordnung von Schutzmassnahmen Polizeiliche Anordnung; Geltung

§ 3.

1 Liegt ein Fall von häuslicher Gewa lt oder Stalking vor, stellt die Polizei den Sachverhalt fest und ordnet umgehend die zum Schutz der gefährdeten Pe rsonen notwendigen Massnahmen an.
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2 Die Polizei kann a. die gefährdende Person aus der Wohnung oder dem Haus weisen, b. ihr untersagen, von der Polizei be zeichnete, eng umgrenzte Gebiete zu betreten, und c. ihr verbieten, mit den gefährdet en und diesen nahe stehenden Per
- sonen in irgendeiner Fo rm Kontakt aufzunehmen.
3 Die Schutzmassnahmen gelten während 14 Tagen ab Mitteilung an die gefährdende Person. Sie ergehen unter der Strafandrohung gemäss
3 Mitteilung

§ 4.

1 Die Polizei teilt die angeordne ten Schutzmassnahmen schrift
- lich mit. In der Regel händigt si e die Verfügung der gefährdenden und der gefährdeten Person zusammen mi t einer Information über das wei
- tere Verfahren persönlich aus.
2 Ist die persönliche Aushändigung an die gefährdende Person trotz sachdienlicher Nachforschungen nicht möglich, wird sie durch geeignete Bekanntmachung am Ort, wo sie wo hnt oder sich gewöhnlich aufhält, aufgefordert, sich sofort bei der Poliz ei zu melden. Meldet sie sich innert drei Tagen nicht, wird die Verfüg ung zusammen mit einem Hinweis auf Abs. 3 Satz 2 im Am tsblatt veröffentlicht.
3 Wurde eine gefährdende Person im Sinne von §
3 Abs. 2 lit. a aus der Wohnung oder aus dem Haus gewiese n, so hat sie eine Adresse für behördliche Mitteilungen zu bezeichn en. Unterlässt sie dies, können Vor
- ladungen und Verfügungen nach dies em Gesetz während der Geltungs
- dauer der Schutzmassnahmen bei der Polizei hinterlegt werden und gel
- ten als zugestellt. Gerichtliche Beurteilung

§ 5.

Innert fünf Tagen nach Gelt ungsbeginn der Schutzmassnahme kann die gefährdende Person das Gesu ch um gerichtl iche Beurteilung stellen. Dem Begehren kommt ke ine aufschiebende Wirkung zu. Verlängerung, Änderung und

§ 6.

1 Die gefährdete Person kann inne rt acht Tagen nach Geltungs
- beginn der Schutzmassnahmen beim Gericht um de ren Verlängerung ersuchen.
2 Ändern sich die Verhältnisse, so können die Parteien um Aufhe
- bung, Änderung oder Ve rlängerung der haftric hterlichen Schutzmass
- nahmen ersuchen.
3 Gewaltschutzgesetz (GSG)
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3 Die gerichtlich verfügten Schutzm assnahmen dürfen insgesamt drei Monate nicht übersteigen.
Verhältnis
zu anderen
Massnahmen

§ 7.

1 Schutzmassnahmen fallen dahin, wenn entsprechende zivil rechtliche Massnahmen rechtskräfti g angeordnet und vollzogen sind. In diesen Fällen teilen die Organe der Zivilrechtspflege ihre Entscheidun gen der Polizei mit.
2 Schutzmassnahmen werden durch di e Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nicht aufgehoben. C. Gemeinsame Verfahrensbestimmungen
Form der
Gesuche;
Zuständigkeit

§ 8.

1 Die Gesuche um gerichtliche Beurteilung einer polizeilichen Schutzmassnahme und um Verlän gerung, Änderung oder Aufhebung einer haftrichterlichen Schutzmassnahme müssen unter Beilage der Ver fügung schriftlich begründet werden.
2 Zuständiges Gericht is t die Haftrichterin oder der Haftrichter am Ort der Begehung der häuslich en Gewalt oder des Stalkings.
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Verfahrens
-
grundsätze

§ 9.

1 Das zuständige Gericht entscheidet innert vier Arbeitstagen über Gesuche nach den §§
5 und 6.
2 Es stellt den Sachverhalt von Am tes wegen fest und fordert unver züglich die polizeilichen Akten und, sofern ein Strafverfahren eingelei tet wurde, jene der Strafuntersuc hung an. Auf Verlangen des Gerichts nehmen die Polizei und die Staats anwaltschaft zum Gesuch Stellung.
3 Das Gericht hört die Gesuchsgegnerin oder den Gesuchsgegner nach Möglichkeit an. Es kann auch eine Anhörung der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers anordnen. Es sorgt dafür, dass sich die Par teien vor Gericht nicht begegnen, wenn die gefährde te Person darum ersucht und dem Anspruch der gefä hrdenden Person auf rechtliches Gehör in anderer Weise Rec hnung getragen werden kann.
4 Beweise können abgenommen werden , soweit sie das Verfahren nicht verzögern.
Haftrichterlicher
Entscheid

§ 10.

1 Das zuständige Gericht weis t das Gesuch um Aufhebung der Schutzmassnahmen ab oder heis st das Gesuch um Verlängerung der Massnahmen gut, wenn der Fo rtbestand der Gefährdung glaubhaft ist. Es kann eine andere Schutzmassnahme gemäss §
3 Abs. 2 anordnen.
2 Bei Gesuchen um Verlängerung , Änderung oder Aufhebung von Schutzmassnahmen entscheidet das Gericht vorläufig, wenn die Ge suchsgegnerin oder der Gesuchsgeg ner nicht angehört worden ist.
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3 Es teilt den Entscheid den Partei en sowie der Polizei mit einer kurzen Begründung schriftlich mit, auch wenn der Entscheid mündlich eröffnet wurde. Einsprache gegen vorläufige Entscheide

§ 11.

1 Entscheidet das zuständige Gericht vorläufig, so setzt es der Gesuchsgegnerin oder dem Gesuchsgegner eine Frist von fünf Tagen, um gegen den Entscheid Einsprache zu erheben. Die Fristansetzung erfolgt unter der Androhung, dass es im Säumnisfall be im vorläufigen Entscheid sein Bewenden habe.
2 Die Einsprache ist schriftlich be gründet zu erheben. Ihr kommt keine aufschiebe nde Wirkung zu. Beschwerde ans Verwaltungs gericht

§ 11

a.
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1 Gegen Entscheide des zustä ndigen Gerichts kann innert fünf Tagen beim Verw altungsgericht Beschw erde erhoben werden.
2 Dem Lauf der Beschwerdefrist und der Einreichung der Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Kosten

§ 12.

1 Wird das Gesuch um Aufhebung einer Schutzmassnahme gemäss §
5 gutgeheissen, so werden die Verfahrenskosten auf die Staats
- kasse genommen. In den übrigen Fä llen können die Kosten der unter
- liegenden Partei auferlegt werden , wenn gegen sie Massnahmen nach

§ 3 Abs. 2 erlassen oder verlängert werden.

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2 Jede Partei hat die Gegenpartei nach Massgabe ihres Unterliegens für Kosten und Umtriebe zu entschädigen. D. Gewahrsam Anordnung

§ 13.

1 Neben der Anordnung von Sc hutzmassnahmen kann die Polizei die gefährdende Person übe rdies in Gewahrsam nehmen, wenn a. die Gefährdung gemäss §
2 Abs. 1 schwer wiegend und unmittelbar ist und nicht auf andere Weise abgewendet werden kann oder b. dies zur Sicherung des Vollzugs einer Schutzmassnahme notwendig ist.
2 Die Polizei darf eine Person nich t länger als notwe ndig, längstens aber 24 Stunden in Gewahrsam beha lten. Die Rechtmässigkeit des Ge
- wahrsams wird auf Gesuch der betr offenen Person durch das zuständige Gericht überprüft. Dem Begehren kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
8 Verlängerung

§ 14.

1 Ist ein Gewahr sam von mehr als 24 Stunden notwendig, so stellt die Polizei innert 24 Stunden ab Beginn des Gewahrsams dem zu
- ständigen Gericht gemäss §
8 Abs. 2 einen begründe ten Antrag auf Ver
- längerung.
5 Gewaltschutzgesetz (GSG)
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2 Das Gericht hört die gefährdende Person an und entscheidet in- nert zweier Arbeitstage ab Antragseingang. Die Verlängerung erfolgt für längstens vier Tage. Art. 224 ff. StPO
4 sind sinngemäss anzuwenden.
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3 Der Entscheid ist mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht an fechtbar. §
11 a gilt sinngemäss.
7 E. Flankierende Massnahmen
Informations-
und Mitteilungs
-
pflichten

§ 15.

1 Leben Minderjährige im Haushalt der gefährdeten oder gefährdenden Person, so teilt die Po lizei bei häuslicher Gewalt die an geordneten Schutzmassnahmen der zuständigen Kindes- und Erwach senenschutzbehörde (KESB) mit. Be i Stalking erfolgt nur eine Mittei lung, wenn das Kindeswohl gefährdet erscheint.
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2 Die Polizei informiert die gefä hrdete und die ge fährdende Person über das weitere Verfahren und die sp ezialisierten Beratungsstellen. Sie übermittelt die Verfügung, mit de r die Schutzmassnahmen angeordnet worden sind, sowie allenfalls weitere notwendige Unterlagen je einer Beratungsstelle für gefährde te und gefährdende Personen.
3 Die polizeilichen und haftrichte rlichen Akten werden der KESB und den Organen der Zivilrechtspflege auf Anfrage zugestellt.
Beratungs
-
stellen

§ 16.

1 Der Kanton bezeichnet spezialisierte Bera tungsstellen für gefährdende und gefährdete Personen und unterstützt die Tätigkeit die ser Organisationen.
2 Nach Erhalt einer Verfügung gemäss §
15 Abs. 2 nehmen die Be ratungsstellen mit den gefährdete n und den gefährdenden Personen umgehend Kontakt auf. Wünscht ei ne Person keine Beratung, werden die von der Polizei übermittelten Un terlagen von den Beratungsstellen vernichtet.
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Interventions
-
stelle

§ 17.

1 Die kantonale Interventionsst elle gegen häusliche Gewalt gewährleistet, steuert, koordini ert und überprüft die Zusammenarbeit der mit häuslicher Gewalt und St alking befassten Behörden und Bera tungsstellen.
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2 Die zuständige Direktion des Regi erungsrates setzt eine fachüber greifende Arbeitsgruppe ein, welche die Arbeit der Interventionsstelle unterstützt und begleitet.
Aus- und
Weiterbildung

§ 18.

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1 Der Kanton sorgt für die fachliche Aus- und Weiterbildung der mit häuslicher Gewalt und St alking befassten Behörden und Bera tungsstellen.
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351 Gewaltschutzgesetz (GSG)
2 Er fördert die regelmässige Information der Bevölkerung zu Fra
- gen von häuslicher Gewalt und Stalking.
3 Er unterstützt die Tätigkeit ents prechender Organisationen, insbe
- sondere für vorbeugende Massnahmen zur Verm inderung der Gewalt. F. Schlussbestimmung Änderung des geltenden Rechts

§ 19.

Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. Juni 1976 wird wie folgt geändert: . . .
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1 OS 61, 445 . Inkrafttreten: 1. April 2007.
2 ABl 2005, 762 .
3 SR 311.0 .
4 SR 312.0 .
5 Text siehe OS 61, 445 .
6 Eingefügt durch G über die Anpassung des kantonalen Ve rwaltungsverfah
- rensrechts vom 22. März 2010 ( OS 65, 390 ; ABl 2009, 801 ). In Kraft seit 1. Juli
2010.
7 Fassung gemäss G über die Anpassung des kantonalen Verwaltungsverfah
- rensrechts vom 22. März 2010 ( OS 65, 390 ; ABl 2009, 801 ). In Kraft seit 1. Juli
2010.
8 Fassung gemäss G über die Anpassung der kantonalen Behördenorganisation und des kantonalen Prozessrechts in Zi vil- und Strafsachen an die neuen Pro
- zessgesetze des Bundes vom 10. Mai 2010 ( OS 65, 520, 583 ; ABl 2009, 1489
). In Kraft seit 1. Januar 2011.
9 Fassung gemäss Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht vom 25. Juni 2012 ( OS 67, 443 ; ABl 2011, 2567 ). In Kraft seit 1. Januar 2013.
10 Fassung gemäss G vom 13. Januar 2020 ( OS 75, 301 ; ABl 2019-03-22 ). In Kraft seit 1. Juli 2020.
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