Verordnung des VBS über die Beschaffung, die Nutzung und die Ausserdienststellung von... (514.20)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung des VBS über die Beschaffung, die Nutzung und die Ausserdienststellung von Material (Materialverordnung VBS, MatV)

(Materialverordnung VBS, MatV) vom 26. März 2018 (Stand am 18. August 2020)
Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS),
gestützt auf Artikel 3 Absatz 2 der Organisationverordnung vom 7. März 2003¹ für das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport,
verordnet:
¹ SR 172.214.1

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Geltungsbereich
Diese Verordnung gilt für die Gruppe Verteidigung, für die übrigen Ämter des VBS sowie für die Armee.
Art. 2 Begriffe
¹ In dieser Verordnung bedeuten:
a. Material im VBS : Das Material im VBS umfasst Güter und Dienstleistungen des VBS, die für die Auftragserfüllung von Armee und Verwaltung notwendig sind.
b.²
Armeematerial: Das Armeematerial umfasst insbesondere Waffen, Muni­tion, Kriegsmaterial, die persönliche Ausrüstung, sonstige Güterlieferungen, Dienstleistungen, Forschungs- oder Entwicklungsleistungen sowie die zugehörige Bevorratung, welche die Armee für die Erfüllung ihres Auftrages benötigt.
c. Ausserdienststellung : Durch die Ausserdienststellung wird Armeematerial nach Massgabe der militärischen Bedürfnisse, der gesetzlichen Grundlagen, der politischen Vorgaben und der finanziellen Rahmenbedingungen aus der militärischen Nutzung genommen.
² Überdies gelten für diese Verordnung die Begriffe, die in den Artikeln 6 und 9 bestimmt sind.
² Die Berichtigung vom 18. Aug. 2020 betrifft nur den italienischen Text ( AS 2020 3583 ).

2. Kapitel: Bestimmungen für das gesamte Material im VBS

Art. 3 Aufgaben und Zuständigkeiten
¹ Die Aufgaben und die Zuständigkeiten der Bedarfsstellen richten sich nach Artikel 16 und Anhang 1 der Verordnung über die Organisation des öffentlichen Beschaffungswesens der Bundesverwaltung vom 24. Oktober 2012³ (Org-VöB).
² Die Bedarfsstellen melden der jeweils zuständigen zentralen Beschaffungsstelle ihren Bedarf mittels einer Bedarfsmeldung. Die Bedarfsmeldung beinhaltet:
a.
die Anforderungen;
b.
den Beschaffungsumfang;
c.
die Erklärung, dass die betrieblichen Aspekte in der Nutzungsphase einschliesslich der Finanzierung berücksichtigt wurden.
³  Die Beschaffungsstelle kann weitere Unterlagen verlangen.
³ SR 172.056.15
Art. 4 Beauftragte Dritte
Soweit Dritte im Auftrag der Verwaltungseinheiten nach Artikel 1 handeln, ist mit diesen Dritten eine mit dieser Verordnung vergleichbare Regelung zu verein­baren.

3. Kapitel: Lebenswegphasen des Armeematerials

1. Abschnitt: Zusammenarbeit zwischen der Gruppe Verteidigung und der armasuisse

Art. 5
Die Gruppe Verteidigung und das Bundesamt für Rüstung (armasuisse) regeln die Modalitäten ihrer Zusammenarbeit.

2. Abschnitt: Militärische Gesamtplanung

Art. 6
¹  Der Armeestab ist zuständig für die militärische Gesamtplanung. Er berücksichtigt dabei unter anderem die Grundsätze des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS.
²  Zu den Aufgaben des Armeestabes gehören namentlich:
a.
die Erbringung des Bedürfnis- und des Wirtschaftlichkeitsnachweises, die Bedarfsermittlung und die entsprechende Mitteilung an die zuständige zentrale Beschaffungsstelle;
b.
die kontinuierliche Beurteilung der in der Armee eingeführten Systeme hinsichtlich der materiellen Bereitschaft, der Wirksamkeit und des Nutzens für die Armee;
c.
die Beauftragung zur Ausserdienststellung des nicht mehr benötigten Armeematerials.
³  Der Armeestab bestimmt die Notwendigkeit von Truppenversuchen im Rahmen von Beschaffungsaufträgen und Beschaffungsprojekten.
⁴  Als Truppenversuch gilt die Ermittlung und die Validierung der spezifischen Anforderungen oder der Zuschlagskriterien für die Beschaffung von Armeematerial im Rahmen eines eigenständigen Prüfprozesses mit der Truppe als Anwenderver ­treterin.

3. Abschnitt: Beschaffung von Armeematerial

Art. 7 Beschaffungsauftrag
Beschaffungen ausserhalb eines Projektes erfordern einen Beschaffungsauftrag mit Angabe von Beschaffungsgegenstand und Beschaffungsmenge.
Art. 8 Beschaffungsprojekt
¹ Komplexe Beschaffungen werden als Projekte durchgeführt.
² Die Steuerung, die Führung und die Ausführung von Beschaffungsprojekten werden nach der Projektmanagementmethode HERMES durchgeführt. Die Einzelheiten der Projektabwicklung sind im Anhang abgebildet.
Art. 9 Zusätzliche Aufgaben der Bedarfsstelle bei der Beschaffung von Armeematerial
¹ Bei der Beschaffung von Armeematerial hat die Bedarfsstelle in Ergänzung zu Artikel 3 und im Hinblick auf die Beschaffungsreife folgende Aufgaben:
a.
Festlegung der projektspezifischen Anforderungen;
b.
Festlegung des Immobilienbedarfs;
c.
Erarbeitung folgender Konzepte, sofern erforderlich: 1. Einsatzkonzept,
2. Ausbildungskonzept,
3. Systembewirtschaftungskonzept,
4. Betriebskonzept bei IT- bzw. IKT-Systemen,
5. Sicherheitsbericht oder Informationssicherheitskonzept gemäss Einstufungsentscheid der Stelle für Informations- und Objektsicherheit;
d.
Ermittlung der Auswirkungen hinsichtlich der Armeeorganisation, der Immobilien, des Personal- und Finanzbedarfs, der Einführung, des Betriebs, der Systembewirtschaftung und der Ausbildung im Hinblick auf die Armeebotschaft;
e.
Erklärung, dass die Anforderungen hinsichtlich der Verwendung durch die Truppe erfüllt sind (Truppentauglichkeit).
²  Die Anforderungen müssen der Art und der Komplexität des zu beschaffenden Materials oder der zu beschaffenden Dienstleistung Rechnung tragen und werden im Projektverlauf von der zuständigen Stelle weiter präzisiert. Sie werden namentlich in Bezug auf Funktionalität, Einsatz, Ausbildung, Technologie, Technik, Logistik, Systemumgebung, Systemarchitektur, Informationssicherheit, Schutz und Sicherheit, Infrastruktur und Umwelt festgelegt.
³  Im Rahmen der Projektabwicklung wird bezüglich des Anforderungsmanagements ein methodisches Vorgehen definiert.
⁴ Im Systembewirtschaftungskonzept nach Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 3 sind sämtliche logistischen Aspekte geregelt, insbesondere:
a.
die Ausgestaltung der zivilen (truppenfernen) und militärischen (truppen ­nahen) Instandsetzung;
b.
der Nachschub;
c.
die personellen und materiellen Mittel;
d.
die Tätigkeiten und Kompetenzen;
e.
die zeitlichen Intervalle; und
f.
die hierzu notwendigen Ausbildungen.
⁵ Das Systembewirtschaftungskonzept enthält die für die Beschaffung logistisch relevanten Daten und Informationen und regelt die logistische Umsetzung in der Nutzungsphase mit dem Ziel, die geforderte Einsatzbereitschaft von Systemen und Objekten nach wirtschaftlichen Aspekten sicherzustellen.
⁶ Als IT- bzw. IKT-Systeme nach Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 4 gelten Applikationen, Plattformen oder Netzwerke der Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie umfassen neben den üblichen Kompetenten namentlich auch:
a.
Systeme zur militärischen Cyberabwehr von Cyber-Bedrohungen und Systeme der elektronischen Kriegsführung;
b.
zugehörige Immaterialgüterrechte wie beispielsweise Lizenzen.
Art. 10 Endverbleibserklärung
¹ Wird Material beschafft, für das vom Lieferanten oder vom Lieferland definiert wird, dass es beim Empfänger verbleiben muss und nur von diesem genutzt werden darf, so ist dafür eine Endverbleibserklärung notwendig.
² Die Endverbleibserklärung ist von der armasuisse zu unterzeichnen.
³ Ein Transfer des Materials ist nur mit dem Einverständnis des Lieferanten oder des Lieferlandes zulässig.
Art. 11 Völkerrechtliche Prüfung neuer Waffen, Mittel und Methoden der Kriegsführung sowie deren Änderung und andere Verwendung
¹ Werden Waffen, Mittel und Methoden der Kriegsführung (Waffensysteme) neu beschafft, abgeändert oder einem anderen Verwendungszweck zugeführt, so müssen diese auf ihre völkerrechtliche Konformität geprüft werden.
² Folgende Waffensysteme sind zu prüfen:
a. alle Mittel, die dazu bestimmt sind, Menschen zu töten, zu verletzen oder ihre Leistungsfähigkeit vorübergehend zu beeinträchtigen;
b. alle Mittel, die dazu bestimmt sind, im Rahmen der Kriegführung Objekte zu zerstören, zu beschädigen oder vorübergehend funktionsunfähig zu machen;
c. Munition, Projektile oder Substanzen, welche die Effekte nach den Buchstaben a und b verursachen;
d. Plattformen, die Mittel nach den Buchstaben a, b und c zum Einsatz bringen können.
³ Die für die völkerrechtliche Prüfung zuständige Stelle im Armeestab ist im Beschaffungsprozess von der Bedarfs- oder der Beschaffungsstelle mit einzubeziehen. Die zuständige Stelle führt eine unabhängige Prüfung durch und erhält dafür Zugang zu den relevanten Informationen.
⁴ Vor der Erarbeitung eines Konzepts sowie vor der Realisierung und der Einführung eines Waffensystems muss jeweils eine positive Erklärung der Völkerrechtskonformität vorliegen.
Art. 12 Beschaffungsreife
Die armasuisse erklärt die Beschaffungsreife, wenn die Bedarfsstelle ihren Verpflichtungen nach den Artikeln 3 und 9 nachgekommen ist und die folgenden Bedingungen erfüllt sind: ⁴
a. Der Zuschlag beziehungsweise der Typenentscheid ist erfolgt.;
b. Es liegen verbindliche Offerten oder die notwendigen Vereinbarungen mit dem Lieferanten vor.
⁴ Die Berichtigung vom 20. Nov. 2018 betrifft nur den französischen Text ( AS 2018 4091 ).

4. Abschnitt: Nutzung

Art. 13
¹ Die Logistikbasis der Armee verwaltet das Armeematerial.
² Die Gruppe Verteidigung kann der Führungsunterstützungsbasis IT- bzw. IKT-Systeme zur Verwaltung zuweisen.
³ Die Verwaltung des Armeematerials umfasst:
a. die Systemverantwortung;
b. sämtliche logistischen Prozesse.

5. Abschnitt: Ausserdienststellung

Art. 14 Ausserdienststellung von Armeematerial
Die Ausserdienststellung von Armeematerial erfolgt nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip über:
a. die Weiterverwendung;
b. den Verkauf;
c. die Verwertung;
d. die Zuweisung zur Sammlung des historischen Materials der Schweizer Armee;
e. die unentgeltliche Abgabe an Dritte;
f. die Entsorgung.
Art. 15 Zuständigkeiten bei der Ausserdienststellung von Armeematerial
¹ Über die Ausserdienststellung von Waffensystemen mit Auswirkungen auf die Armeeorganisation, die nicht vom Parlament verabschiedet werden müssen, entscheidet der Chef oder die Chefin VBS.
² Über die Ausserdienststellung von Waffensystemen ohne Auswirkungen auf die Armeeorganisation entscheidet der Chef oder die Chefin der Armee oder eine von ihm oder ihr bezeichnete Stelle.
³ Wurde bei der Beschaffung eine Endverbleibserkärung ausgestellt, so bedarf die Umsetzung der Ausserdienststellung einer Bewilligung der armasuisse.
Art. 16 Verkauf, Verwertung und Entsorgung von Armeematerial
¹ Die armasuisse ist zuständig für den Verkauf, die Verwertung und die Entsorgung von Armeematerial.
² Der Armeestab kann im Rahmen der Ausserdienststellung Material bezeichnen, das z wingend entsorgt werden muss.
Art. 17 Sammlung des historischen Materials der Schweizer Armee
¹ Die Sammlung des historischen Materials der Schweizer Armee umfasst Gegenstände und Dokumente, welche die technische und die historische Entwicklung der Armee und ihrer Ausrüstung nachvollziehbar darstellen. Sie ist interessierten Personen zugänglich.
² Der Chef oder die Chefin der Armee regelt im Einvernehmen mit dem Rüstungschef oder der Rüstungschefin die fachgerechte Auswahl, Aufbewahrung und Instandhaltung sowie die wissenschaftliche Betreuung der Gegenstände und der Dokumente der Sammlung. In dieser Regelung werden auch die Voraussetzungen zur Abgabe von Gegenständen und Dokumenten an anerkannte nationale Museen festgelegt.

6. Abschnitt: Schutz und Behandlung von Armeematerial

Art. 18
¹ Der Chef oder die Chefin der Armee erlässt im Einvernehmen mit der Informations- und Objektsicherheit VBS Weisungen zum Schutz des Armeematerials.
² Diese Weisungen regeln die Schutzstufen, die Zuweisung des Armeematerials zu denselben, die Behandlungsgrundsätze und die Erstellung der Behandlungsvorschriften.

4. Kapitel: Bestimmungen für das übrige Material im VBS

Art. 19 Beschaffung
¹ Die Ämter führen komplexe Beschaffungen als Projekte durch und wenden dabei die Projektmanagementmethode HERMES in der für die allgemeine Bundesverwaltung geltenden Version an.
² Soweit die armasuisse gestützt auf die Org-VöB⁵ als zentrale Beschaffungsstelle für die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen zuständig ist, kann sie den Ämtern auf deren Antrag hin nach Artikel 12–14 Org-VöB für Beschaffungen unterhalb des Schwellenwerts eine Beschaffungsdelegation erteilen.
³ Vorbehalten bleiben weitergehende projektbezogene Beschaffungsdelegationen.
⁵ SR 172.056.15
Art. 20 Nutzung, Unterhalt und Sicherheit
Die Ämter des VBS erlassen die erforderlichen Weisungen für die Nutzung, den Unterhalt und die Sicherheit ihres Materials.
Art. 21 Ausserdienststellung
Nicht mehr benötigtes Material wird durch die Ämter verkauft oder entsorgt.

5. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 22 Aufhebung eines anderen Erlasses
Die Verordnung des VBS vom 6. Dezember 2007⁶ über das Armeematerial wird aufgehoben.
⁶ [ AS 2007 6801 , 2008 547 , 2009 3547 , 2010 6099 Ziff. I 3]
Art. 23 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Mai 2018 in Kraft.

Anhang

(Art. 8 Abs. 2)

Projektphasen mit den entsprechenden Meilensteinen nach HERMES VBS, Szenario Beschaffung Verteidigung

Abbildung 1
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
1. Erläuterungen
1.1 Meilenstein 10: Projektinitialisierungsauftrag. Zuständig für die Erstellung des Projektinitialisierungsauftrags ist der Armeestab.
1.2 Projektphase «Initialisierung» von Meilenstein 10 bis Meilenstein 20: Festlegen des Beschaffungsinhalts. Zuständig für die Führung der Phase Initialisierung ist der Armeestab.
1.3 Meilenstein 20: Entscheid über die Projektfreigabe und Unterzeichnen des Projektauftrags.
1.4 Projektphase «Konzept» von Meilenstein 20 bis Meilenstein 30: Durchführen der Vorevaluation und der Evaluation, Erarbeiten von Konzepten. Zuständig für die Führung der Phase Konzept ist die armasuisse.
1.5 Meilenstein 25: Entscheid über die Freigabe der Evaluation.
1.6 Vor Meilenstein 30: Entscheid über die Typenwahl und Entscheid über die Beschaffungsreife (Art. 9) durch die armasuisse.
1.7 Meilenstein 30: Entscheid über die Freigabe der Realisierung.
1.8 Projektphase «Realisierung» von Meilenstein 30 bis Meilenstein 40: Realisierung der Beschaffung und der Abnahmen. Zuständig für die Führung der Phase Realisierung ist die armasuisse.
1.9 Meilenstein 40: Entscheid über die Freigabe der Einführung.
1.10 Projektphase «Einführung» von Meilenstein 40 bis Meilenstein 50: Aktivieren von System und Material, Einsatz- und Ausbildungsorganisation, Systembewirtschaftung und Betriebsorganisation. Zuständig für die Führung der Phase Einführung ist die armasuisse.
1.11 Meilenstein 45: Entscheid über die Einsatzfähigkeit durch die Bedarfsstelle.
1.12 Meilenstein 50: Übergabe an die Bedarfsstelle. Projektabschluss und Auf­lösen der Projektorganisation.
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