Verordnung über Pilotversuche nach dem Betäubungsmittelgesetz (812.121.5)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über Pilotversuche nach dem Betäubungsmittelgesetz (BetmPV)

(BetmPV) vom 31. März 2021 (Stand am 15. Mai 2021)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf Artikel 8 a des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 1951¹ (BetmG),
verordnet:
¹ SR 812.121

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand
Diese Verordnung regelt die Voraussetzungen für die Durchführung von wissenschaftlichen Pilotversuchen mit Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis nach Artikel 8 a BetmG (Pilotversuche).
Art. 2 Ziel der Pilotversuche
¹ Es dürfen nur Pilotversuche durchgeführt werden, die der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Auswirkungen von Massnahmen, Instrumenten oder Vorgehensweisen, namentlich Vertriebssystemen, betreffend den Umgang mit Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken dienen.
² Sie müssen insbesondere Erkenntnisse liefern zu den Auswirkungen auf:
a. die physische und psychische Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten sowie auf deren Leistungsfähigkeit;
b. das Konsumverhalten;
c. sozioökonomische Aspekte;
d. den Drogenmarkt eines bestimmten Gebiets;
e. den Jugendschutz; oder
f. die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
Art. 3 Geltung des Betäubungsmittelgesetzes
¹ Auf Pilotversuche finden keine Anwendung:
a. das Verbot, Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis in Verkehr zu bringen (Art. 8 Abs. 1 Bst. d BetmG);
b. die Verpflichtung für Ärztinnen und Ärzte, Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis nur nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaften abzugeben (Art. 11 und 20 Abs. 1 Bst. d und e BetmG);
c. die Verpflichtung für Apotheken, Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis nur auf ärztliche Verordnung hin abzugeben (Art. 13 und 20 Abs. 1 Bst. d BetmG).
² Für den Verkauf von Cannabisprodukten an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Pilotversuchen können auch andere als die in den Artikeln 11 und 13 BetmG bezeichneten Stellen vorgesehen werden.
Art. 4 Begriffe
In dieser Verordnung bedeuten:
a. Cannabisprodukte: Produkte, die Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis sind oder enthalten, im Rahmen von Pilotversuchen zugänglich gemacht werden und zum Rauchen, Verdampfen oder zur oralen Einnahme bestimmt sind;
b.
unverarbeitete Cannabisprodukte: Cannabisprodukte, die aus unverarbeiteten Hanfpflanzen oder unverarbeiteten Teilen von Hanfpflanzen bestehen, insbesondere Cannabisblüten;
c. verarbeitete Cannabisprodukte: Cannabisprodukte, die durch ein Verarbeitungsverfahren wie Siebung oder Extraktion aus Teilen von Hanfpflanzen gewonnen werden, insbesondere Cannabisextrakt oder Haschisch;
d.
unvermischte Cannabisprodukte: Cannabisprodukte, die ausschliesslich aus Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis bestehen;
e.
vermischte Cannabisprodukte: Cannabisprodukte, bei denen Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis vom Hersteller mit Zusatzstoffen vermischt werden, um beispielsweise deren Aufnahme, Wirkung, Geschmack oder Aussehen zu modifizieren.

2. Abschnitt: Anforderungen an Pilotversuche

Art. 5 Örtliche und zeitliche Begrenzung
¹ Pilotversuche sind örtlich auf eine oder mehrere Gemeinden zu begrenzen.
² Die Dauer der Pilotversuche muss wissenschaftlich begründet sein und darf höchstens fünf Jahre betragen. Sie kann auf Gesuch hin einmalig um höchstens zwei Jahre verlängert werden.
Art. 6 Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Die Anzahl der Personen, die an einem Pilotversuch teilnehmen, ist auf das für die wissenschaftliche Aussagekraft erforderliche Mass zu begrenzen. Sie darf 5000 Personen nicht überschreiten.
Art. 7 Vorgaben zur Herkunft von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis
¹ Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis, die im Rahmen von Pilotversuchen zugänglich gemacht werden, müssen in der Schweiz produziert werden.
² Ausnahmsweise können Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis eingeführt werden, wenn gegenüber dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) glaubhaft gemacht wird, dass eine ausreichende Produktion in der Schweiz zeitnah nicht sichergestellt werden kann. Die Bestimmungen nach Artikel 8 Absatz 1 gelten auch für eingeführte Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis.
Art. 8 Vorgaben zum Anbau von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis
¹ Für den Anbau von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis gelten folgende Vorgaben:
a. Produktion nach den Vorschriften der Bio-Verordnung vom 22. September 1997²;
b. Einhaltung der Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis für den Anbau von Heilpflanzen, die sich an der Guideline on good agricultural and collection practice (GACP) for starting materials of herbal origin der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA)³ orientiert.
² In Abweichung von Absatz 1 Buchstabe a können Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis auch aus konventionellem Anbau stammen, wenn:
a. gegenüber dem BAG glaubhaft gemacht wird, dass eine ausreichende Produktion gemäss den Qualitätsanforderungen nach Absatz 1 Buchstabe a zeitnah nicht sichergestellt werden kann; und
b. sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf diejenigen beschränkt, die in Anhang 1 der Verordnung des WBF vom 22. September 1997⁴ über die biologische Landwirtschaft aufgelistet sind.
³ Das BAG führt zur Beurteilung, ob eine ausreichende Produktion nach Absatz 1 sichergestellt werden kann, eine Liste mit interessierten Anbauern, die sich potenziell für einen Anbau gemäss den Vorgaben nach Absatz 1 eignen.
² SR 910.18
³ Die Guideline on good agricultural and collection practice (GACP) for starting materials of herbal origin der EMA kann im Internet kostenlos abgerufen werden unter www.ema.europa.eu > Human regulatory > Herbal products > Scientifics guidelines.
⁴ SR 910.181
Art. 9 Anforderungen an die Produktqualität
¹ Cannabisprodukte müssen folgenden Qualitätsanforderungen genügen:
a. Der Gesamt-THC-Gehalt darf höchstens 20 Prozent betragen.
b. Cannabisprodukte, die zur oralen Einnahme bestimmt sind, dürfen maximal 10 Milligramm Gesamt-THC pro Konsumeinheit enthalten.
c. Cannabisprodukte dürfen keine gesundheitlich bedenklichen Gehalte an Kontaminanten, namentlich fremden Bestandteilen, mikrobiellen Kontaminanten, Mykotoxinen, Schwermetallen, Pflanzenschutzmitteln und Lösungsmittelrückständen aus der Extraktion, aufweisen.
d. Sie dürfen keine Zusatzstoffe enthalten, die bei ihrem üblichen Gebrauch die Gesundheit unmittelbar oder in unerwarteter Weise gefährden, ihre Toxizität um ein signifikantes Mass erhöhen oder eine psychotrope Wirkung haben.
e. Bei vermischten Cannabisprodukten, die Lebensmittel enthalten und zur oralen Einnahme bestimmt sind, gelten die entsprechenden lebensmittelrechtlichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen. Davon ausgenommen sind die Höchstgehalte für Delta-9-THC in Anhang 9 der Kontaminantenverordnung vom 16. Dezember 2016⁵.
² Die gemessenen Wirkstoffgehalte nach Absatz 1 Buchstabe a dürfen in unverarbeiteten Cannabisprodukten höchstens um 25 Prozent und in verarbeiteten Cannabisprodukten höchstens um 15 Prozent von den auf den Cannabisprodukten deklarierten Angaben abweichen.
³ Die Höchstgehalte für Kontaminanten nach Absatz 1 Buchstabe c sind im Anhang geregelt. Das Eidgenössische Departement des Innern passt diesen regelmässig an den Stand der Wissenschaft und Technik an.
⁵ SR 817.022.15
Art. 10 Kontrolle der Produktqualität
¹ Die Hersteller bestimmen den Gesamt-THC- und den Gesamt-CBD-Gehalt der Cannabisprodukte.
² Sie entnehmen die Proben von Produktchargen für analytische Untersuchungen nach Artikel 9 Absätze 2 und 3 nach den Vorgaben der Pharmacopoea Europaea gemäss Artikel 1 der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über den Erlass der Pharmakopöe und die Anerkennung von Arzneibüchern vom 9. November 2001⁶.
³ Sie behalten von jeder Produktcharge 250 Gramm als Rückstellmuster für Stichprobenkontrollen durch die zuständigen kantonalen Behörden (Art. 31) für drei Jahre unter gleichen Lagerbedingungen wie die Produktcharge zurück. Die Produktchargen sind dem Produktionsvolumen entsprechend zu bestimmen.
⁴ Die Hersteller bestimmen die Wirkstoffgehalte nach Absatz 1 sowie die Höchstgehalte für Kontaminanten nach Artikel 9 Absatz 3 nach anerkannten Analyseverfahren von zertifizierten Analyselaboren.
⁶ SR 812.214.11
Art. 11 Verpackung und Produktinformation
¹ Cannabisprodukte dürfen nur in einer versiegelten Verpackung abgegeben werden. Cannabisprodukte zur oralen Einnahme müssen kindersicher verpackt werden.
² Die Verpackung von Cannabisprodukten ist zu versehen mit:
a. einer neutralen Produktinformation;
b. einer Angabe zum Gewicht des Produkts;
c. einer Deklaration der Inhaltsstoffe, insbesondere des Gesamt-THC- und des Gesamt-CBD-Gehalts in Prozent;
d. einem Hinweis auf den konkreten Pilotversuch;
e. einem Warnhinweis bezüglich der gesundheitlichen Risiken, einem Hinweis zur Suchtprävention und einem Hinweis zur Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit;
f. einem Hinweis auf allenfalls weniger schädliche Konsumationsformen; und
g. einem Hinweis, dass das Produkt nicht an Dritte weitergegeben und nicht an unter 18-jährige Personen abgegeben werden darf.
³ Bei vermischten Cannabisprodukten, die Lebensmittel enthalten, gelten die entsprechenden Kennzeichnungsanforderungen nach der Verordnung des EDI vom 16. Dezember 2016⁷ betreffend die Information über Lebensmittel.
⁷ SR 817.022.16
Art. 12 Werbung
Die Werbung für Cannabisprodukte ist verboten.
Art. 13 Verkaufsstellen
Cannabisprodukte dürfen nur durch Verkaufsstellen zugänglich gemacht werden, die:
a. über fachkundiges und entsprechend ausgebildetes Personal verfügen;
b. über eine adäquate Infrastruktur verfügen und die Produkte vor Diebstahl gesichert aufbewahren.
Art. 14 Teilnahme
¹ An Pilotversuchen können Personen teilnehmen, die:
a. nachweislich bereits Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis konsumieren;
b. ihren Wohnsitz in dem Kanton haben, in dem der Pilotversuch durchgeführt wird; und
c. den Bedingungen der wissenschaftlichen Studie zustimmen und ihre schriftliche Einwilligung zur Teilnahme geben.
² Ausgeschlossen ist die Teilnahme von Personen, die:
a. minderjährig sind;
b. urteilsunfähig sind;
c. schwanger sind oder stillen;
d. an einer ärztlich diagnostizierten Krankheit leiden, bei welcher Cannabiskonsum kontraindiziert ist.
³ Es besteht kein Anspruch auf Teilnahme an Pilotversuchen.
⁴ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können ihre Einwilligung nach Absatz 1 Buchstabe c jederzeit widerrufen.
Art. 15 Informationspflicht
Wer Pilotversuche durchführt, muss die Teilnehmerinnen und Teilnehmer:
a. über Inhalt und Umfang des Pilotversuchs sowie die Teilnahmebedingungen informieren und über mögliche Risiken aufklären;
b. darauf hinweisen, dass es verboten ist, Cannabisprodukte: 1. an Dritte weiterzugeben, und
2. im öffentlich zugänglichen Raum zu konsumieren.
Art. 16 Abgabe
¹ Die Menge der Cannabisprodukte, die einer Teilnehmerin oder einem Teilnehmer abgegeben wird, orientiert sich am persönlichen Bedarf pro Monat. Sie darf 10 Gramm Gesamt-THC pro Monat nicht überschreiten.
² Die Menge der unvermischten Cannabisprodukte, die einer Teilnehmerin oder einem Teilnehmer abgegeben wird, darf 10 Gramm pro Abgabe nicht überschreiten. Bei vermischten Cannabisprodukten darf sie 2 Gramm Gesamt-THC pro Abgabe nicht überschreiten.
³ Cannabisprodukte dürfen nur gegen Entgelt an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgegeben werden. Bei der Festlegung des Preises sind der Wirkstoffgehalt sowie der ortsübliche Schwarzmarktpreis zu berücksichtigen.
⁴ Die abgegebene Menge ist zu registrieren und nach Artikel 27 Absatz 3 zu dokumentieren.
Art. 17 Konsum und Folgen des unsachgemässen Umgangs
¹ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen die Cannabisprodukte, die sie erwerben, nur zum Eigengebrauch verwenden und nicht im öffentlich zugänglichen Raum konsumieren.
² Wer solche Cannabisprodukte weitergibt, wird durch den Inhaber der Bewilligung für den entsprechenden Pilotversuch mit geeigneten Massnahmen sanktioniert und im Wiederholungsfall vom Pilotversuch ausgeschlossen.
Art. 18 Öffentliche Sicherheit
Wer Pilotversuche durchführt, muss:
a. vor der Gesuchseinreichung die notwendigen Abklärungen mit den Vollzugs- und den Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf den Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vornehmen;
b. den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Ausweis ausstellen, der sie als Studienteilnehmerinnen oder -teilnehmer erkennbar macht;
c. die Verkaufsstellen den betroffenen kantonalen Behörden und Gemeindebehörden melden.
Art. 19 Überwachung des Gesundheitszustands
¹ Die Inhaber von Bewilligungen für Pilotversuche überwachen den Gesundheitszustand der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und stellen deren Behandlung im Falle von studienbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sicher.
² Sie haben zu diesem Zweck eine verantwortliche Ärztin oder einen verantwortlichen Arzt zu bezeichnen.
Art. 20 Entsorgung
¹ Nach Abschluss des Pilotversuchs nicht verwendete Cannabisprodukte sind der zuständigen kantonalen Vollzugsbehörde zur Entsorgung zu übergeben.
² Dies gilt auch für Rückstellmuster nach Ablauf der Aufbewahrungsdauer nach Artikel 10 Absatz 3.

3. Abschnitt: Bewilligungsverfahren

Art. 21 Gesuchsteller
Gesuche können von öffentlichen oder privaten Organisationen eingereicht werden.
Art. 22 Gesuche
¹ Das Gesuch zur Durchführung eines Pilotversuchs ist beim BAG einzureichen.
² Das Gesuch muss mindestens enthalten:
a. Angaben über die Tätigkeit der gesuchstellenden öffentlichen oder privaten Organisation;
b. Bezeichnung einer verantwortlichen Person, die die Aufsicht über die Durchführung des Pilotversuchs ausübt;
c. Strafregisterauszug der verantwortlichen Person nach Buchstabe b, der nicht älter als sechs Monate ist;
d. Angaben über Ziel und Nutzen des Pilotversuchs;
e. Beschreibung des Versuchs, namentlich Angaben zum Inhalt, zur Methodik und zu den Vorgehensweisen, zur Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer, zur Aufklärung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, zur Finanzierung sowie zum Zeitplan;
f. Bezeichnung der Forschungsleitung;
g. Angaben, welche Cannabisprodukte zugänglich gemacht werden sollen;
h. Auflistung der Verkaufsstellen, die Cannabisprodukte zugänglich machen;
i. Angaben zum Einbezug der betroffenen kantonalen Behörden und Gemeindebehörden sowie das Einverständnis der betroffenen Gemeinden zu den vorgesehenen Verkaufsstellen;
j. Angaben zu den vorgesehenen Abgabemengen und zum Abgabepreis;
k. Angaben zu Anbau, Einfuhr, Herstellung und Inverkehrbringen der Cannabisprodukte;
l. Beschreibung der Vorkehrungen zur Gewährleistung der Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie der Vorkehrungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit;
m. Angaben zur Überwachung des Gesundheitszustands der Teilnehmerinnen und Teilnehmer;
n. ein Präventions-, ein Jugendschutz- sowie ein Gesundheitsschutzkonzept;
o. einen Nachweis, dass bei der zuständigen Ethikkommission ein Bewilligungsgesuch nach Artikel 45 des Humanforschungsgesetzes vom 30. September 2011⁸ (HFG) eingereicht wurde oder um eine Bestätigung ersucht wurde, dass keine Bewilligung erforderlich ist.
³ Ein Gesuch um Verlängerung nach Artikel 5 Absatz 2 ist zu begründen.
⁸ SR 810.30
Art. 23 Bewilligung
¹ Das BAG erteilt die Bewilligung nach Anhörung der betroffenen Kantone und Gemeinden, wenn:
a. die Anforderungen an Pilotversuche erfüllt sind; und
b. eine Bewilligung der zuständigen Ethikkommission in Bezug auf den Pilotversuch vorliegt oder deren Bestätigung, dass keine Bewilligung erforderlich ist.
² Es lehnt Gesuche ab, wenn ein Pilotversuch voraussichtlich zu keinen neuen oder zusätzlichen Erkenntnissen bezüglich der Ziele nach Artikel 2 führt.
Art. 24 Ausnahmebewilligung für Anbau, Einfuhr und Herstellung von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis
¹ Für den Anbau, die Einfuhr und die Herstellung von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis, die im Rahmen von Pilotversuchen abgegeben werden, ist eine Ausnahmebewilligung des BAG nach Artikel 8 Absatz 5 BetmG erforderlich.
² Das im Zeitpunkt der Erteilung der Ausnahmebewilligung bestimmte Anbauverfahren nach Artikel 8 Absatz 1 oder 2 gilt grundsätzlich für die gesamte Dauer des bewilligten Pilotversuchs.
³ Von dem in der Ausnahmebewilligung bestimmten Anbauverfahren kann während der Durchführung des Pilotversuchs abgewichen werden, namentlich wenn dieses Anbauverfahren nicht mehr gewährleistet werden kann oder vom konventionellen auf den biologischen Anbau umgestellt werden kann.
Art. 25 Koordination und Information bei Bewilligungsverfahren
¹ Das BAG koordiniert die Verfahren zur Durchführung eines Pilotversuchs und damit zusammenhängende Gesuche für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach Artikel 8 Absatz 5 BetmG.
² Der Gesuchsteller kann das Gesuch um Durchführung eines Pilotversuchs beim BAG und das Gesuch bei der zuständigen Ethikkommission nach Artikel 45 HFG⁹ gleichzeitig einreichen.
³ Das BAG und die zuständige Ethikkommission informieren sich gegenseitig und koordinieren ihre Beurteilungen.
⁹ SR 810.30
Art. 26 Gebührenfreiheit
Keine Gebühren werden erhoben für Entscheide:
a. über Bewilligungen zur Durchführung eines Pilotversuchs;
b. über Ausnahmebewilligungen nach Artikel 8 Absatz 5 BetmG im Zusammenhang mit Pilotversuchen.

4. Abschnitt: Auskunfts-, Dokumentations- und Meldepflichten

Art. 27 Auskunfts-, Dokumentations- und Meldepflichten der Inhaber von Bewilligungen für Pilotversuche
¹ Die Inhaber von Bewilligungen für Pilotversuche erteilen dem BAG sämtliche Auskünfte, die es zur Ausübung seiner Kontrolltätigkeit nach Artikel 29 benötigt.
² Sie führen über ihren gesamten Verkehr mit Cannabisprodukten Buch und berichten dem BAG und den Kantonen jeweils auf Jahresende über ihren Verkehr mit Cannabisprodukten und über die Vorräte in den einzelnen Verkaufsstellen.
³ Die Dokumentations-, Melde- und Belegpflichten betreffend den Verkehr mit Cannabisprodukten richten sich sinngemäss nach den Artikeln 57–65 der Betäubungsmittelkontrollverordnung vom 25. Mai 2011¹⁰.
⁴ Die Inhaber von Bewilligungen für Pilotversuche melden dem BAG unverzüglich ausserordentliche Ereignisse.
¹⁰ SR 812.121.1
Art. 28 Meldepflicht der Strafverfolgungsbehörden
Die Strafverfolgungsbehörden erstatten den Inhabern von Bewilligungen für Pilotversuche Meldung, falls festgestellt wurde, dass eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer Cannabisprodukte an Dritte weitergegeben hat.

5. Abschnitt: Aufsicht und Kontrolle

Art. 29 Bund
¹ Das BAG kontrolliert, ob die Inhaber von Bewilligungen für Pilotversuche die Bestimmungen dieser Verordnung einhalten. Es kann dazu die zuständigen kantonalen Vollzugsbehörden beiziehen.
² Das BAG widerruft die Bewilligung, namentlich wenn:
a. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist;
b. die Gesundheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erheblich und in unerwarteter Weise gefährdet ist;
c. der Inhaber der Bewilligung sich wiederholt oder in schwerwiegender Weise nicht an Vorgaben hält, die mit der Bewilligung verbunden sind;
d. die Bewilligung der zuständigen Ethikkommission widerrufen wurde;
e. die Voraussetzungen, die zur Erteilung der Bewilligung geführt haben, nicht mehr erfüllt sind.
³ Das BAG und die zuständige Ethikkommission informieren sich gegenseitig und koordinieren ihre Massnahmen.
Art. 30 Selbstkontrolle
Wer Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis für Pilotversuche anbaut, einführt, herstellt oder in Verkehr bringt, ist hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen nach den Artikeln 8–11 zur Selbstkontrolle verpflichtet.
Art. 31 Kantone
Die kantonalen Behörden bezeichnen die zuständigen Kontrollstellen für die Überprüfung der Einhaltung der Anforderungen an die Qualität von Cannabisprodukten nach Artikel 9.

6. Abschnitt: Berichterstattung und Auswertung der Pilotversuche

Art. 32 Berichterstattung und Forschungsbericht
¹ Die Inhaber von Bewilligungen für Pilotversuche haben das BAG jährlich über den Verlauf des Pilotversuchs sowie über die bezogenen, abgegebenen und gelagerten Mengen der Cannabisprodukte zu informieren.
² Sie haben den Pilotversuch nach anerkannten wissenschaftlichen Standards auszuwerten und die Ergebnisse in einem Forschungsbericht zu dokumentieren.
³ Der Forschungsbericht ist dem BAG einzureichen.
⁴ Auf Anfrage sind dem BAG die anonymisierten Rohdaten für sekundäre Datenanalysen und Auswertungen über die verschiedenen Pilotversuche hinweg zuzustellen.
Art. 33 Information der Öffentlichkeit
Das BAG informiert die Öffentlichkeit periodisch über die laufenden Pilotversuche.
Art. 34 Prüfung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs
¹ Das BAG wertet die Forschungsberichte laufend aus im Hinblick auf den Erlass einer möglichen Gesetzesänderung für die Regelung des Umgangs mit Betäubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis.
² Untersucht werden insbesondere:
a. die Auswirkungen auf die individuelle und öffentliche Gesundheit, das Konsumverhalten, den Jugendschutz sowie die öffentliche Ordnung und Sicherheit;
b. die Eignung der untersuchten Massnahmen, Instrumente und Vorgehensweisen, namentlich Vertriebssysteme, im Hinblick auf den Erlass einer möglichen Gesetzesänderung.
³ Das BAG erstellt spätestens nach Abschluss sämtlicher Pilotversuche zuhanden des Bundesrates einen Bericht. Der Bericht wertet die während der Pilotversuche gemachten Erfahrungen aus.
⁴ Der Bundesrat informiert die Bundesversammlung spätestens nach Abschluss sämtlicher Pilotversuche über deren Ergebnisse.

7. Abschnitt: Inkrafttreten

Art. 35
Diese Verordnung tritt am 15. Mai 2021 in Kraft und gilt bis zum 14. Mai 2031.

Anhang

(Art. 9 Abs. 3)

Höchstgehalte für Kontaminanten

1.  Die Höchstgehalte für Kontaminanten nach Artikel 9 Absatz 3 beziehen sich auf das unzerkleinerte oder zerkleinerte getrocknete Pflanzenmaterial von weiblichen Pflanzen der Gattung Cannabis sativa L. (Hanfpflanze). Dieses Pflanzenmaterial kann dabei direkt als unverarbeitetes Cannabisprodukt verwendet werden oder als Ausgangsmaterial für verarbeitete oder vermischte Cannabisprodukte nach Artikel 4 dienen.
2.  Für frisches Pflanzenmaterial als Ausgangsmaterial sowie für verarbeitete oder vermischte Cannabisprodukte gelten, falls nicht anders vermerkt, die gleichen Höchstgehalte, wobei die durch die Verarbeitung oder die Vermischung bewirkten Veränderungen der Höchstgehalte zu berücksichtigen sind.
3.  Tabelle

Parameterklasse

Parameter

Höchstgehalte
für Kontaminanten

Fremde Bestandteile

≤ 2 %

Mikrobielle Kontaminanten

Total aerobic microbial count (TAMC)/g

≤ 10 000 000 CFU/g

Total combined yeasts and moulds count (TYMC)/g

≤ 100 000 CFU/g

Escherichia coli/g

≤ 1 000 CFU/g

Salmonella/25 g

Abwesend

Mykotoxine

Aflatoxin B1

≤ 2 µg/kg

Aflatoxin Σ (B1, B2, G1, G2)

≤ 4 µg/kg

Ochratoxin A

≤ 5 µg/kg

Schwermetalle

Blei (Pb)

≤ 3,0 mg/kg

Cadmium (Cd)

≤ 1,0 mg/kg

Quecksilber (Hg)

≤ 0,1 mg/kg

Arsen (As)

≤ 1 mg/kg

Pflanzenschutzmittel (Pestizide)

Für Pflanzenschutzmittel gilt ein Höchstgehalt von 0,01 mg/kg (Bestimmungsgrenze).

Pyrrolizidinalkaloide

21 Stoffe aus der Gruppe der Pyrrolizidinalkaloide, die im Anhang der Verordnung (EU) 2020/2040¹¹ aufgeführt sind

Eine Prüfung der Pyrrolizidinalkaloide sollte bei Material, das aus Freilandproduktion stammt, durchgeführt werden.

Es gilt eine max. Tagesdosis von 1 µg/kg für die Summe der 21 Stoffe aus der Gruppe der Pyrrolizidinalkaloide, die im Anhang der Verordnung (EU) 2020/2040 aufgeführt sind.

Lösungsmittel

Extraktionslösungsmittel, die für Cannabisprodukte nach Art. 4 verwendet werden dürfen, sind in Anhang 1 der Verordnung des EDI vom 16. Dezember 2016¹² über technologische Verfahren sowie technische Hilfsstoffe zur Behandlung von Lebensmitteln (VtVtH) aufgeführt.

Für Lösungsmittel gelten die in Anhang 1 der VtVtH definierten Höchstgehalte in extrahierten Lebensmitteln.

Lösungsmittel, für die nach Anhang 1 der VtVtH keine Höchstgehalte festgelegt wurden, dürfen nach guter Herstellungspraxis verwendet werden, wenn sichergestellt wird, dass Rückstände oder Derivate in technisch unvermeidbaren Mengen vorhanden sind, die keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen.

¹¹ Verordnung (EU) 2020/2040 der Kommission vom 11. Dezember 2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hinsichtlich der Höchstgehalte an Pyrrolizidinalkaloiden in bestimmten Lebensmitteln, ABl. L 420 vom 14.12.2020, S. 1.
¹² SR 817.022.42
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