Verordnung über das Informationssystem Strassenverkehrsunfälle (741.57)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über das Informationssystem Strassenverkehrsunfälle (ISUV)

(ISUV) vom 30. November 2018 (Stand am 1. September 2023)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf die Artikel 89 i  Absatz 4, 89 l  Absatz 3 und 89 n des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958¹ (SVG), die Artikel 5 Absatz 1 und 7 Absatz 1 des Bundesstatistikgesetzes vom 9. Oktober 1992² (BstatG) sowie die Artikel 8 Absatz 3 und 33 des Datenschutzgesetzes vom 25. September 2020³ (DSG),⁴
verordnet:
¹ SR 741.01 ² SR 431.01 ³ SR 235.1 ⁴ Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. II 78 der Datenschutzverordnung vom 31. Aug. 2022, in Kraft seit 1. Sept. 2023 ( AS 2022 568 ).

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand
Diese Verordnung regelt die Organisation, den Betrieb und die Nutzung des Informationssystems Strassenverkehrsunfälle (ISU).
Art. 2 Aufbau und Zweck des Informationssystems
¹ Das ISU besteht aus einem Erfassungssystem und einem Auswertungssystem.
² Das Erfassungssystem dient:
a. der Erfassung und der Ablage von Daten, die bei polizeilich oder militär­polizeilich registrierten Stras­senverkehrsunfällen aufgenommenen worden sind;
b. der Unterstützung der meldenden Behörden bei der Durchführung von Straf­verfahren gegen Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer im Zusammen­hang mit Strassenverkehrsunfällen;
c. als Datenquelle für das Auswertungssystem.
³ Das Auswertungssystem dient:
a. dem Erkennen, der Analyse und der Sanierung von Unfallschwerpunkten und Gefahrenstellen;
b. der Unfallursachenforschung unter spezieller Berücksichtigung der Einfluss­faktoren Mensch, Fahrzeug und Infrastruktur;
c. dem Erstellen der Strassenverkehrsunfall-Statistik;
d. der Vorbereitung, Durchführung und Überprüfung von Massnahmen zur Verbesserung der Strassenverkehrssicherheit;
e. der Analyse der Unfallfolgen und -kosten unter spezieller Berücksichtigung von Verletzungsart und -schwere der am Unfall beteiligten Personen.
Art. 3 Beteiligte Behörden und Zuständigkeiten
¹ Das Erfassungssystem wird vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) in Zusammen­arbeit mit den Kantonen und dem Schadenzentrum des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (Schadenzentrum VBS) geführt.
² Das Auswertungssystem wird vom ASTRA geführt.
³ Das ASTRA trägt die Verantwortung für das ISU. Es ist verantwortlich für die rechtmässige Datenbearbeitung und die rechtmässige Nutzung des Informations­systems und gewährleistet die Informatiksicherheit.
⁴ Es ist zuständig für die Erteilung, die Änderung und den Entzug von Zugriffs­berechtigungen.
⁵ Es koordiniert seine Tätigkeiten mit den am ISU beteiligten Behörden.
⁶ Es erlässt ein Bearbeitungsreglement, in dem insbesondere die Organisation und der Betrieb des Informationssystems festgelegt sind.

2. Abschnitt: Erfassungssystem

Art. 4 Inhalt
Das Erfassungssystem enthält folgende Daten zu Strassenverkehrsunfällen:
a. Daten der am Unfall beteiligten Personen nach dem Anhang Ziffer 1;
b. Daten der am Unfall beteiligten Fahrzeuge nach dem Anhang Ziffer 2;
c. Daten zum Unfallort nach dem Anhang Ziffer 3;
d. Daten zum Unfalltyp und zu den Unfallursachen nach dem Anhang Ziffer 4;
e. Unfallskizzen;
f. Einvernahmeprotokolle;
g. Verzeigungsrapporte.
Art. 5 Datenerfassung
¹ Die Polizeiorgane und das Schadenzentrum VBS erfassen die Daten nach Artikel 4 Buchstaben a–d von allen polizeilich oder militärpolizeilich registrierten Strassenverkehrsunfällen direkt im Erfassungssystem oder übermitteln sie diesem.
² Sie erfassen oder übermitteln die Daten fortlaufend, spätestens aber:
a. die Daten der ersten Jahreshälfte: bis zum 20. August des laufenden Jahres;
b. die Daten der zweiten Jahreshälfte: bis zum 20. Februar des Folgejahres.
³ Müssen Unfalldaten eines Jahres nach dem 20. Februar des Folgejahres berichtigt oder ergänzt werden, so muss dies in Absprache mit dem ASTRA erfolgen.
Art. 6 Übertragung von Daten ins Auswertungssystem
¹ Die Daten nach Artikel 4 Buchstaben a–e werden in pseudonymisierter oder ano­nymisierter Form aus dem Erfassungssystem ins Auswertungssystem übertragen.
² Die Pseudonymisierung erfolgt:
a. für Personendaten: unter Verwendung der jeweiligen persönlichen Identifikationsnummer des Informationssystems Verkehrszulassung (PIN IVZ-Personen);
b. für Fahrzeugdaten: unter Verwendung der jeweiligen Stammnummer.
³ Daten von am Unfall beteiligten Personen, die kein Motorfahrzeug geführt haben, dürfen nur in anonymisierter Form ins Auswertungssystem übertragen werden.
Art. 7 Zugriffsberechtigungen
¹ Bei den kantonalen Polizeiorganen sind die Personen zugriffsberechtigt, die gemäss der kantonalen Polizeigesetzgebung für die Erfassung von Verkehrsunfällen zuständig sind. Sie haben Zugriff auf:
a. die von ihnen erfassten Daten;
b. die Daten, die Unfälle in ihrem Kantonsgebiet betreffen.
² Das Schadenzentrum VBS hat Zugriff auf:
a. die von ihm erfassten Daten;
b. die Daten von Unfällen in seinem Zuständigkeitsbereich.
³ Das ASTRA hat Zugriff im Umfang seiner Aufgaben nach Artikel 3. Es bezeichnet die dazu ermächtigte Person und regelt die Stellvertretung.
Art. 8 Auskunfts- und Berichtigungsrecht
¹ Jede Person hat das Recht, bei der für die Datenerfassung nach Artikel 5 zustän­digen Behörde Auskunft über ihre eigenen Daten zu verlangen.
² Die Behörde gibt die betreffenden Daten unter Vorbehalt des kantonalen Prozess­rechts innert 30 Tagen seit Erhalt des Auskunftsbegehrens vollständig, unentgeltlich und in der Regel schriftlich bekannt.
³ Jede Person kann verlangen, dass unrichtige Daten, die sie betreffen, berichtigt oder vernichtet werden.
Art. 9 Vernichtung und Archivierung von Daten
¹ Spätestens zehn Jahre nach dem Unfalldatum werden die zugehörigen Daten im Erfassungs­system vernichtet.
² Nicht mehr benötigte und zur Vernichtung bestimmte Daten bietet das ASTRA dem Bundesarchiv zur Archivierung an.

3. Abschnitt: Auswertungssystem

Art. 10 Inhalt
¹ Das Auswertungssystem enthält folgende Daten zu Strassenverkehrsunfällen:
a. Daten der am Unfall beteiligten Personen und Fahrzeuge nach Artikel 4 Buchstaben a und b in pseudonymisierter oder anonymisierter Form;
b. Daten zum Unfallort, zum Unfalltyp und zu den Unfallursachen nach Arti­kel 4 Buchstaben c und d;
c. die im Erfassungssystem aufgenommenen Unfallskizzen nach Artikel 4 Buchstabe e.
² Die Daten werden nach Artikel 6 aus dem Erfassungssystem übernommen.
³ Die PIN IVZ-Personen und die Stammnummer sind bei der Datenbearbeitung im Auswertungssystem nicht sichtbar.
Art. 11 Zugriffsberechtigungen
¹ Das ASTRA hat Zugriff auf die Daten des Auswertungssystems.
² Das Schadenzentrum VBS hat Zugriff auf:
a. die von ihm im Erfassungssystem erfassten Daten;
b. die Daten von Unfällen in seinem Zuständigkeitsbereich.
³ Die Kantone haben Zugriff auf:
a. die Daten, die im Erfassungssystem von der jeweiligen kantonalen Behörde erfasst worden sind;
b. die Daten, die Unfälle in ihrem Kantonsgebiet betreffen.
⁴ Dritte haben Zugriff im Rahmen einer vom ASTRA nach Artikel 17 erteilten Zugriffsberechtigung.
Art. 12 Auswertung
¹ Das ASTRA kann die Daten zu den Zwecken nach Artikel 2 Absatz 3 auswerten oder sie Dritten zur Auswertung zu diesen Zwecken zur Verfügung stellen.
² Das Schadenzentrum VBS kann die Daten zu den Zwecken nach Artikel 2 Absatz 3 Buchstaben b und d auswerten.
³ Die Kantone können die Daten nach Artikel 11 Absatz 3 auswerten.
Art. 13 Verknüpfung mit Daten aus anderen Datenquellen
¹ Für eine vertiefte Analyse der Unfallursachen können die Daten verknüpft werden mit:
a. Daten aus den Subsystemen IVZ-Personen und IVZ-Massnahmen des Informationssystems Verkehrszulassung (IVZ) zur Beurteilung des Einflussfaktors Mensch;
b. Daten aus dem Subsystem IVZ-Fahrzeuge des IVZ zur Beurteilung des Einflussfaktors Fahrzeug;
c. Daten zur Strasseninfrastruktur und zum Strassenverkehr zur Beurteilung des Einflussfaktors Infrastruktur.
² Für eine vertiefte Analyse der Unfallfolgen und -kosten können die Daten verknüpft werden mit:
a. Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS);
b. Daten der Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung.
³ Der Zugang zu und die Nutzung von Daten zur Strasseninfrastruktur und zum Strassenverkehr richtet sich:
a. für Geodaten: nach dem Geoinformationsgesetz vom 5. Oktober 2007⁵ und der Geoinformationsverordnung vom 21. Mai 2008⁶;
b. für Fachdaten betreffend die Infrastruktur: nach dem Bundesgesetz vom 8. März 1960⁷ über die Nationalstrassen und der Nationalstrassenverord­nung vom 7. November 2007⁸.
⁴ Für die Verknüpfung mit Daten des BFS (Abs. 2 Bst. a) oder mit Daten, die im Rahmen des BStatG erhoben worden sind, gilt Artikel 14 a BStatG.
⁵ Der Zugang zu und die Nutzung von Daten der Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung richtet sich nach der Verordnung, die das Eidgenössische Departement des Innern gestützt auf Artikel 105 der Verordnung vom 20. Dezember 1982⁹ über die Unfallversicherung erlassen hat.
⁵ SR 510.62
⁶ SR 510.620
⁷ SR 725.11
⁸ SR 725.111
⁹ SR 832.202
Art. 14 Vernichtung und Archivierung von Daten
¹ Die Daten im Auswertungssystem werden vernichtet, sobald sie nicht mehr benö­tigt werden.
² Nicht mehr benötigte und zur Vernichtung bestimmte Daten bietet das ASTRA dem Bundesarchiv zur Archivierung an.

4. Abschnitt: Gemeinsame Bestimmungen

Art. 15 Datenqualität und Datenberichtigung
¹ Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten im Erfassungssystem ist diejenige Behörde verantwortlich, welche die Daten erfasst oder übermittelt. Stellt eine Behörde unvollständige oder fehlerhafte Daten fest, so veranlasst sie deren Berichtigung.
² Das ASTRA kontrolliert die Daten im Auswertungssystem auf Vollständigkeit und Plausibilität. Bei unvollständigen oder fehlerhaften Daten veranlasst es deren Berichtigung.
Art. 16 Strassenverkehrsunfall-Statistik
Das ASTRA erstellt halbjährlich eine standardisierte Strassenverkehrsunfall-Statis­tik. Es stellt diese in Zusammenarbeit mit dem BFS vorab den zuständigen kantonalen Behörden und danach der Öffentlichkeit in geeigneter Weise zur Verfügung.
Art. 17 Datenbekanntgabe
¹ Das ASTRA stellt dem BFS und der Schweizerischen Bera­tungsstelle für Unfallverhütung die Daten, die diese Stellen für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen, gestützt auf Leistungs- und Datenschutzverein­barungen in anonymisierter Form zur Verfügung.
² Das ASTRA kann Behörden, Organisationen und Privaten anonymisierte Daten für eigene Auswertungen zur Verfügung stellen. Es schliesst dafür Leistungs- und Datenschutzvereinbarungen ab. Darin kann es Zugriffsberechtigungen auf das Auswertungssystem erteilen.
³ Dritten werden anonymisierte Jahresdaten erst zur Verfügung gestellt, nachdem sie in der Strassenverkehrsunfall-Statistik publiziert worden sind.
⁴ Die Bekanntgabe von Daten zu Statistik- oder Forschungszwecken richtet sich nach dem DSG und der Datenschutzverordnung vom 31. August 2022¹⁰ sowie nach dem BStatG und der Statistikerhebungsverordnung vom 30. Juni 1993¹¹.¹²
¹⁰ SR 235.11
¹¹ SR 431.012.1
¹² Fassung gemäss Anhang 2 Ziff. II 78 der Datenschutzverordnung vom 31. Aug. 2022, in Kraft seit 1. Sept. 2023 ( AS 2022 568 ).
Art. 18 Datensicherheit
¹ Die zugriffsberechtigten Stellen treffen in ihrem Bereich die nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundes erforderlichen organisatorischen und technischen Massnahmen, damit ihre Daten vor Verlust und gegen jegliche unbefugte Bearbei­tung, unbefugte Kenntnisnahme oder Entwendung geschützt sind.
² Das ASTRA stellt sicher, dass durch die Bekanntgabe von Daten nach Artikel 17 Absatz 2 nicht auf die Identität von am Unfall beteiligten Personen geschlossen werden kann.
³ Im Rahmen der Datenbearbeitung ist automatisch zu protokollieren, welche Benut­zerin oder welcher Benutzer wann welche Daten bearbeitet hat.

5. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 19 Aufhebung eines anderen Erlasses
Die Verordnung vom 14. April 2010¹³ über das Strassenverkehrsunfall-Register wird aufgehoben.
¹³ [ AS 2010 1659 ; 2011 4945 ; 2012 7153 ]
Art. 20 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2019 in Kraft.

Anhang

(Art. 4)

Erfassungssystem

1 Daten der am Unfall beteiligten Personen

11 Personalien

– Name
– Vorname
– Adresse
– Nationalität
– Geburtsdatum
– Geschlecht

12 Unfallfolgen

– Verletzungsart
– Verletzungsschwere
– NACA-Code
– Todesdatum

13 Schutzsysteme, insbesondere Sicherheitsgurten oder Helme

14 Nichteinhalten der Meldepflicht

15 Zweck der Fahrt oder des Gehens

16 Führerausweisdaten

17 Alkohol

– Anordnung einer Atemalkoholprobe
– Ergebnis einer Atemalkoholprobe
– Anordnung einer Blutprobe
– Ergebnis einer Blutprobe

18 Arzneimittel

– Anordnung einer Blut- oder Urinprobe
– Ergebnis einer Blut- oder Urinprobe

19 Betäubungsmittel

– Anordnung einer Blut- oder Urinprobe
– Ergebnis einer Blut- oder Urinprobe

2 Daten der am Unfall beteiligten Fahrzeuge

– Fahrzeugart
– Kontrollschild
– Kontrollschildart
– Stammnummer
– Marke
– Typ
– Farbe
– Angaben zum Mitführen eines Anhängers
– Angaben zum Anprall

3 Daten zum Unfallort

– Koordinaten
– Angabe, ob innerorts oder ausserorts
– Strasse
– Hausnummer
– Postleitzahl
– Ortschaft
– Gemeinde
– Strassenart
– Zonensignalisation
– Höchstgeschwindigkeit
– Lage der Unfallstelle
– Vortrittsregelung
– Verkehrsaufkommen
– Witterung
– Strassenzustand
– Strassenbeleuchtung

4 Daten zum Unfalltyp und zu den Unfallursachen

– Unfalltyp
– Hauptursache des Unfalls
– Unfallursachen
– Hauptverursacherin oder -verursacher
– Unfalldatum und Unfallzeit
– Höhe des Sachschadens
– Bericht zum Unfallhergang
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