Gesetz über die Integration der ausländischen Bevölkerung
1 124.1 Gesetz über die Integration der ausländischen Bevölkerung (Integrationsgesetz, IntG) vom 25.03.2013 (Stand 01.03.2021) Der Grosse Rat des Kantons Bern, in Ausführung von Artikel 4 und 10 der Kantonsverfassung 1 ) und gestützt auf Artikel 124 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) 2 ) auf Antrag des Regierungsrates, beschliesst:
1 Allgemeines
Art. 1
Zweck und Gegenstand
1 Das Gesetz bezweckt die Integration der ausländischen Bevölkerung nach dem Grundsatz von Fördern und Fordern.
2 Zur Erfüllung dieses Zwecks strebt dieses Gesetz die Chancengleichheit für die ausländische Bevölkerung an.
3 Es legt die Ziele der Integration für die im Kanton Bern wohnhaften Auslände rinnen und Ausländer sowie deren Beitrag zur Integration fest.
4 Es regelt die Aufgaben des Kantons und der Gemeinden im Bereich der Inte gration.
Art. 2
Ziel der Integration
1 Ziel der Integration ist ein konstruktives und auf gegenseitigem Respekt beru hendes Zusammenleben der schweizerischen und der ausländischen Bevölke rung auf der Grundlage der schweizerischen Rechtsordnung.
2 Der ausländischen Bevölkerung soll ermöglicht werden, an der Bildung sowie am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben teilzuhaben.
1) BSG 101.1
2) SR 142.20 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
14-80
124.1 2
3 Die Förderung der Integration beschränkt sich auf Personen, für die das Bun desrecht vorsieht, dass Massnahmen zu ihrer Integration ergriffen werden sol len.
2 Massnahmen zur Förderung der Integration
Art. 3
Beitrag der Ausländerinnen und Ausländer zur Integration
1 Die Ausländerinnen und Ausländer tragen zu ihrer Integration bei, indem sie a sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten verpflichten, die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Verwaltungskreises, in dem sie ihren Wohnsitz haben, zu erlernen, b sich bemühen, für ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln aufzukom men, c sich bemühen, die notwendige Bildung für die Teilnahme am wirtschaftli chen, sozialen und kulturellen Leben zu erwerben, d die öffentliche Sicherheit und Ordnung respektieren.
Art. 4
Förderung der Integration
1 Die Förderung der Integration erfolgt im Rahmen der bestehenden öffentli chen und privaten Strukturen. Besondere Massnahmen nach diesem Gesetz werden nur im Sinne einer ergänzenden Unterstützung angeboten.
2 Die Förderung der Integration basiert auf a den individuellen Ressourcen der Betroffenen, b der Akzeptanz der Gleichstellung von Frau und Mann, c den Bedürfnissen von Familien und Erziehenden, d dem Gebot, dass niemand diskriminiert werden darf, namentlich nicht we gen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der Herkunft, der Lebensform, der sexuellen Orientierung, politischer oder religiöser Überzeugungen oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3 Sie setzt bei Kindern und Jugendlichen, unter Einbezug der Eltern, möglichst früh ein.
Art. 5
Erstinformation durch die Gemeinde
1 Neu aus dem Ausland zugezogene Ausländerinnen und Ausländer sowie Aus länderinnen und Ausländer, die sich vor ihrem Zuzug aus einem andern Kanton noch nicht mehr als zwölf Monate in der Schweiz aufgehalten haben, haben sich persönlich bei der zuständigen Stelle der Gemeinde anzumelden.
3 124.1
2 Die zuständige Stelle der Gemeinde orientiert Personen gemäss Absatz 1 bei der persönlichen Anmeldung ausreichend über ihre Rechte und Pflichten sowie über die örtlichen Lebensbedingungen und die Angebote zur Förderung der In tegration.
3 Stellt die zuständige Stelle bei diesem Erstgespräch fest, dass bei der sich anmeldenden Person oder bei deren minderjährigen Kindern ein besonderer Informationsbedarf zu Fragen der Integration vorliegen könnte, meldet sie die betroffenen Personen mit Angabe der Gründe bei einer Ansprechstelle für die Integration an.
4 Ein besonderer Informationsbedarf kann insbesondere vorliegen, wenn die Personen a über keine oder nur wenige Kenntnisse der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Verwaltungskreises verfügen, in dem sie ihren Wohn sitz haben, b über keine in der Schweiz anerkannte berufliche Qualifikation verfügen, keine Aus- oder Weiterbildung absolvieren werden oder keine Erwerbstä tigkeit ausüben, c minderjährige Kinder haben.
5 Der Regierungsrat regelt das Nähere in einer Verordnung und sorgt für eine einheitliche Rechtsanwendung.
Art. 6
Zuweisung zur Ansprechstelle
1 Die einer Ansprechstelle zugewiesenen Personen sind verpflichtet, diese auf zusuchen. Die Einhaltung dieser Pflicht ist Voraussetzung für die Erteilung der ausländerrechtlichen Bewilligung.
2 Für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Freihandelsassoziation gilt die Zuweisung als Empfeh lung.
3 Die Ansprechstelle meldet der für den Vollzug der Ausländergesetzgebung zuständigen Behörde (Migrationsbehörde) die zugewiesenen Personen, wel che die Ansprechstelle nicht aufgesucht haben.
Art. 7
Ansprechstellen für die Integration
1 Die Ansprechstellen für die Integration beraten Privatpersonen sowie private und öffentliche Organisationen in Fragen der Integration.
2 völkerung des ganzen Kantons Ansprechstellen zur Verfügung stehen. *
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3 Sie bezeichnet die zuständigen Ansprechstellen in Absprache mit den Gemeinden.
4 Sie kann die Führung der Ansprechstellen mit einem Leistungsvertrag an Gemeinden oder private Organisationen übertragen.
Art. 8
Beratung und Begleitung durch die Ansprechstelle
1 Die Ansprechstelle für die Integration führt mit den Betroffenen ein Beratungs gespräch durch und klärt ab, ob ein Bedarf für Integrationsmassnahmen vor liegt.
2 Sie teilt das Ergebnis ihrer Abklärung der Migrationsbehörde mit.
3 Sofern keine Integrationsvereinbarung gemäss Artikel 9 abgeschlossen wer den kann, jedoch ein Bedarf für Integrationsmassnahmen festgestellt wird, empfiehlt sie den Betroffenen Integrationsmassnahmen. Sie begleitet und kontrolliert sie bei deren Durchführung.
Art. 9
Integrationsvereinbarung mit der Migrationsbehörde 1. Mitwirkung der Ansprechstelle
1 Falls die Abklärung ergeben hat, dass Bedarf für eine Integrationsmassnahme besteht, klärt die Ansprechstelle mit der Migrationsbehörde ab, ob diese beab sichtigt, mit der betroffenen Person eine Integrationsvereinbarung abzuschlies sen.
2 Die Ansprechstelle erarbeitet mit der betroffenen Person den Entwurf für eine Vereinbarung zuhanden der Migrationsbehörde.
3 Die Migrationsbehörde schliesst mit der betroffenen Person die Integrations vereinbarung ab.
4 Sie verbindet die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit der Verpflichtung zum Abschluss und zur Erfüllung einer Integrationsvereinba rung.
Art. 10
2. Inhalt und Kosten der Massnahmen
1 Die Integrationsvereinbarung enthält a die Verpflichtung zum Besuch und zum Abschluss eines Sprachkurses oder zu einer anderen aufenthaltsrechtlich relevanten Integrationsmass nahme, b
2 Die Kosten der Integrationsmassnahmen gemäss Absatz 1 Buchstabe a trägt
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Art. 11
3. Begleitung, Kontrolle und Rechtsfolgen
1 Nach Abschluss einer Integrationsvereinbarung sorgt die zuweisende An sprechstelle für die notwendige Begleitung und Kontrolle bei der Erfüllung die ser Vereinbarung.
2 Die Ansprechstelle erstattet der zuständigen Migrationsbehörde und der Wohnsitzgemeinde Bericht über die Umsetzung der Vereinbarung.
3 Die mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden berücksichtigen die Einhaltung der Vereinbarungen in Verfahren betreffend Erteilung, Verlänge rung oder Widerruf von Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligungen.
3. Aufgaben von Kanton, Gemeinden sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern
Art. 12
Aufgaben von Kanton und Gemeinden 1. Rahmenbedingungen für die Integration
1 Kanton und Gemeinden erfüllen ihre Aufgaben im Bereich Integration in Zu sammenarbeit mit öffentlich-rechtlichen und privaten Organisationen, ein schliesslich der Sozialpartner und der Organisationen der Ausländerinnen und Ausländer.
2 Sie überprüfen ihre rechtlichen Regelungen und den Zugang zu kantonalen und kommunalen Leistungen auf Integrationshemmnisse und treffen Massnah men zu deren Beseitigung.
Art. 13
2. Kanton und Gemeinden als Arbeitgeber
1 Der Kanton und die Gemeinden gewähren Ausländerinnen und Ausländern bei der Besetzung von Stellen und Lehrstellen bei vergleichbarer Qualifikation den gleichen Zugang wie Bewerberinnen und Bewerbern schweizerischer Na tionalität.
2 Vorbehalten bleiben Regelungen der besonderen Gesetzgebung, die für die Anstellung das Schweizer Bürgerrecht verlangen.
3 Der Kanton und die Gemeinden stellen die Schulung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit häufigen Kontakten zur ausländischen Bevölkerung zu inte grationsspezifischen Fragen sicher und fördern deren transkulturelle Kompe tenz.
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Art. 14
3. Schutz vor Diskriminierung
1 Der Kanton und die Gemeinden sorgen für die Vermeidung und Bekämpfung von Diskriminierung gegenüber Ausländerinnen und Ausländern wie auch ge genüber Personen schweizerischer Nationalität.
2 Sie können namentlich eine gezielte Öffentlichkeits- und Sensibilisierungsar beit betreiben und ein Beratungsangebot für Betroffene bereitstellen. Sie ko operieren dabei mit den zuständigen Behörden des Bundes und anderen auf diesem Gebiet tätigen öffentlichen und privaten Einrichtungen.
Art. 15
Aufgaben des Kantons 1. Information
1 Der Kanton informiert die Bevölkerung über die Integrationspolitik und über Themen der Migration und Integration.
Art. 16
2. Sprach- und Integrationskurse
1 Der Kanton stellt sicher, dass für Ausländerinnen und Ausländer bedarfsge recht Sprachkurse angeboten werden.
Art. 17
3. Integrationskommission
1 Der Regierungsrat kann als beratendes Organ für die kantonale Integrations politik eine Kommission einsetzen, die ihn, die Kantonsverwaltung und die Gemeinden bei der Umsetzung dieses Gesetzes berät.
Art. 18
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
1 Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber informieren mit Unterstützung des Kantons ihre ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Angebote zur Förderung der Integration.
4 Finanzierung
Art. 19
Vorfinanzierung und Lastenausgleich
1 Die Gemeinden finanzieren die Kosten der Erstinformation gemäss Artikel 5.
2 Der Kanton finanziert die Ansprechstellen für die Integration zur Durchführung der Beratung und Begleitung gemäss Artikel 8, 9 und 11.
3 Die Aufwendungen der Gemeinden gemäss Absatz 1 und des Kantons ge mäss Absatz 2 unterliegen dem Lastenausgleich nach der Sozialhilfegesetzge bung, soweit die für diese Zwecke gewährten Beiträge des Bundes nicht aus reichen.
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4 Der Regierungsrat regelt durch Verordnung die Lastenausgleichsberechti gung der Aufwendungen der Gemeinden. Er kann Pauschalen festlegen.
Art. 20
Weitere Massnahmen und Projekte
1 Der Kanton und die Gemeinden können in ihrem Zuständigkeitsbereich auf der Grundlage dieses Gesetzes weitere Massnahmen zur Förderung der Inte gration treffen und Projekte selbst durchführen oder mit Beiträgen unterstützen.
2 Eine Finanzierung nach Artikel 19 oder eine Unterstützung mit Beiträgen er folgt soweit möglich ergänzend zu Beiträgen des Bundes oder von Dritten.
3 Die nach diesem Gesetz oder nach der besonderen Gesetzgebung zuständi ge Behörde des Kantons gewährt Beiträge für Massnahmen und Projekte ge mäss Absatz 1 mit Verfügung oder Leistungsvertrag.
5 Leistungsverträge
Art. 21
Leistungsverträge 1. Abschluss
1 Der Kanton und die Gemeinden können miteinander und mit Dritten Leis tungsverträge zur Umsetzung von Integrationsmassnahmen abschliessen.
2 Für den Abschluss von Leistungsverträgen gelten die folgenden Vorausset zungen: a ein ausgewiesener Bedarf für das Leistungsangebot, b für Leistungen, die von fachlich kompetentem Personal erbracht werden müssen, der Nachweis, dass das entsprechende Personal vorhanden ist, c die Unterstützung der kantonalen Integrationspolitik, namentlich der im In tegrationsgesetz vorgesehenen Zielsetzungen und Massnahmen im Sinne des Förderns und Forderns und d eine der Aufgabe entsprechende Organisation der Leistungserbringerin oder des Leistungserbringers.
3 Die Voraussetzungen gemäss Absatz 2 gelten auch für Beiträge, die mit Ver fügung gewährt werden.
Art. 22
* ...
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Art. 23
2. Verletzung der Verträge *
1 Verletzt eine Leistungserbringerin oder ein Leistungserbringer vertragliche Pflichten, kann die zuständige Stelle des Kantons oder der Gemeinde die Bei träge nach erfolgloser Mahnung kürzen, einstellen oder sie samt Zins seit der Auszahlung zurückfordern.
2 Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen können die Verträge fristlos gekün digt werden.
6 Vollzug
Art. 24
1 Der Regierungsrat erlässt die zum Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen.
2 Er analysiert die Situation der Ausländerinnen und Ausländer in Bezug auf die Integration, lässt Massnahmenpläne zum Vollzug dieses Gesetzes im ge samten Tätigkeitsgebiet der Kantonsverwaltung erarbeiten und genehmigt die Massnahmenpläne.
3 Die zuständige Stelle der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion ko ordiniert die Integrationsmassnahmen des Kantons. Sie ist Ansprechstelle für die Behörden von Bund und Kanton, für die Gemeinden und für private Organi sationen. Sie überwacht die Durchführung der Integrationsmassnahmen in Zu sammenarbeit insbesondere mit der Sicherheitsdirektion. *
7 Schlussbestimmungen
Art. 25
Änderung eines Erlasses
1 Das Gesetz vom 20. Juni 1995 über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (Organisationsgesetz, OrG) 1 ) wird wie folgt geändert:
Art. 26
Inkrafttreten
1 Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Bern, 25. März 2013 Im Namen des Grossen Rates Die Präsidentin: Rufer-Wüthrich Die Vizestaatsschreiberin: Aeschmann
1) BSG 152.01
9 124.1 RRB Nr. 1245 vom 22. Oktober 2014: Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2015
124.1 10 Änderungstabelle - nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung BAG-Fundstelle
25.03.2013 25.03.2013 Erlass Erstfassung 14-80
09.09.2015 01.01.2017
Art. 22
aufgehoben 16-079
09.09.2015 01.01.2017
Art. 23
Titel geändert 16-079
16.12.2020 01.03.2021
Art. 7 Abs. 2
geändert 21-001
16.12.2020 01.03.2021
Art. 24 Abs. 3
geändert 21-001
11 124.1 Änderungstabelle - nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung BAG-Fundstelle Erlass 25.03.2013 25.03.2013 Erstfassung 14-80
Art. 7 Abs. 2
16.12.2020 01.03.2021 geändert 21-001
Art. 22
09.09.2015 01.01.2017 aufgehoben 16-079
Art. 23
09.09.2015 01.01.2017 Titel geändert 16-079
Art. 24 Abs. 3
16.12.2020 01.03.2021 geändert 21-001
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