Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (313.0)
CH - Schweizer Bundesrecht

Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)

(VStrR) vom 22. März 1974 (Stand am 1. Januar 2020)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf die Artikel 64bis, 106 und 114 der Bundesverfassung¹,² nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 21. April 1971³,
beschliesst:
¹ [BS 1 3]. Den genannten Bestimmungen entsprechen heute die Art. 123, 188 und 190 (nach Inkrafttreten des BB vom 8. Okt. 1999 über die Reform der Justiz – BBl 1999 8633 – Art. 123, 188 und 189 ) der BV vom 18. April 1999 ( SR 101 ). ² Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 22. Dez. 1999, in Kraft seit 1. Okt. 2000 ( AS 2000 2141 ; BBl 1998 1529 ). ³ BBl 1971 I 993

Erster Titel: Geltungsbereich des Gesetzes

Geltungsbereich

Art. 1
Ist die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Ver­wal­tungsbehörde des Bundes übertragen, so findet dieses Gesetz Anwendung.

Zweiter Titel: Verwaltungsstrafrecht

Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

A. Anwendung des Schweize­ri­schen Straf­­gesetzbuches

Art. 2
Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches⁴ gelten für Taten, die in der Verwaltungsgesetzgebung des Bundes mit Strafe bedroht sind, soweit dieses Gesetz oder das einzelne Ver­waltungsgesetz nichts anderes bestimmt.
⁴ SR 311.0

B. Ordnungs­­widrigkeit

Art. 3
Ordnungswidrigkeit im Sinne dieses Gesetzes ist die vom einzelnen Verwaltungsgesetz als solche bezeichnete oder die mit Ordnungsbusse bedrohte Übertretung.

C. Abweichun­gen vom Strafgesetzbuch

I. Jugendliche

Art. 4 ⁵
Begeht ein Jugendlicher vor Vollendung des 15. Altersjahres eine mit Strafe bedrohte Tat, so wird er nicht strafrechtlich verfolgt.
⁵ Fassung gemäss Art. 44 Ziff. 2 des Jugendstrafgesetzes vom 20. Juni 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2006 3545 ; BBl 1999 1979 ).

II. Teilnahme

Art. 5
Anstiftung und Gehilfenschaft zu einer Übertretung, ausgenommen zu einer Ordnungswidrigkeit, sind strafbar.

III. Wider­handlungen in Geschäftsbetrieben, durch Be­auf­trag­te u. dgl.

1. Regel
Art. 6
¹ Wird eine Widerhandlung beim Besorgen der Angelegenheiten einer juristischen Person, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft, Einzel­firma oder Personengesamtheit ohne Rechtspersönlichkeit oder sonst in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher Verrichtungen für einen andern begangen, so sind die Strafbestimmungen auf diejenigen natür­lichen Personen anwendbar, welche die Tat verübt haben.
² Der Geschäftsherr, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unter­lässt, eine Widerhandlung des Untergebenen, Beauftragten oder Ver­treters abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben, untersteht den Strafbestimmungen, die für den entsprechend handelnden Täter gelten.
³ Ist der Geschäftsherr, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene eine juristische Person, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft, Einzel­firma oder Personengesamt­heit ohne Rechtspersönlichkeit, so wird Absatz 2 auf die schuldigen Organe, Organmitglieder, geschäfts­füh­renden Gesellschafter, tatsächlich leitenden Personen oder Liquida­to­ren angewendet.
2. Sonder­ordnung bei Bussen bis zu 5000 Franken
Art. 7
¹ Fällt eine Busse von höchstens 5000 Franken in Betracht und würde die Ermittlung der nach Artikel 6 strafbaren Personen Untersuchungs­massnahmen bedingen, die im Hinblick auf die verwirkte Strafe unverhältnismässig wären, so kann von einer Verfolgung dieser Per­so­nen Umgang genommen und an ihrer Stelle die juristische Person, die Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder die Einzelfirma zur Bezahlung der Busse verurteilt werden.
² Für Personengesamtheiten ohne Rechtspersönlichkeit gilt Absatz 1 sinngemäss.

IV. Straf­zumessung

1. Bussen
Art. 8
Bussen bis zu 5000 Franken sind nach der Schwere der Wider­handlung und des Verschuldens zu bemessen; andere Strafzumessungs­gründe müssen nicht berücksichtigt werden.
2. Zusammen­treffen von straf­baren Hand­lungen oder von Straf­bestim­mungen
Art. 9
Die Vorschriften von Artikel 68 des Strafgesetzbuches⁶ über das Zu­sam­mentreffen von strafbaren Handlungen oder Straf­bestimmungen gelten nicht für Bussen und Umwandlungsstrafen.
⁶ SR 311.0 . Heute: von Art. 49.

V. Umwandlung der Busse

Art. 10
¹ Soweit eine Busse nicht eingebracht werden kann, wird sie vom Richter in Haft, bei Jugendlichen in Einschliessung umgewandelt. Die Busse wegen einer Ordnungswidrigkeit unterliegt der Umwandlung nicht.
² Der Richter kann die Umwandlung ausschliessen, sofern der Ver­urteilte nachweist, dass er schuldlos ausserstande ist, die Busse zu bezahlen. Der Ausschluss der Umwandlung ist jedoch nicht zulässig, wenn der Verurteilte die Widerhandlung vorsätzlich begangen hat und wenn zur Zeit der Tat noch nicht fünf Jahre vergangen sind, seit er wegen einer Widerhandlung gegen das gleiche Verwaltungsgesetz, die nicht eine blosse Ordnungswidrigkeit war, verurteilt worden ist.⁷
³ Im Falle der Umwandlung werden 30 Franken einem Tag Haft oder Einschliessung gleichgesetzt, jedoch darf die Umwandlungsstrafe die Dauer von drei Monaten nicht übersteigen. Sind Teilzahlungen ent­richtet worden, so setzt der Richter die Umwandlungsstrafe im Ver­hältnis dieser Teilzahlungen zum ganzen Bussenbetrag herab.
⁴ Wird die Busse, nachdem sie umgewandelt worden ist, bezahlt, so fällt die Umwandlungsstrafe, soweit sie noch nicht vollzogen ist, dahin.
⁷ Fassung gemäss Anhang Ziff. II 6 des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 ( AS 2018 5247 , 2019 4631 ; BBl 2015 8901 ).

VI. Verjährung

Art. 11
¹ Eine Übertretung verjährt in zwei Jahren.
² Besteht jedoch die Übertretung in einer Hinterziehung oder Ge­fähr­dung von Abgaben oder im unrechtmässigen Erlangen einer Rück­­erstattung, Ermässigung oder eines Erlasses von Abgaben, so beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre; sie kann durch Unterbrechung nicht um mehr als die Hälfte hinausgeschoben werden.
³ Die Verjährung ruht bei Vergehen und Übertretungen während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage oder solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst.
⁴ Die Strafe einer Übertretung verjährt in fünf Jahren.

D. Hinter­ziehung; Erschlei­chen eines Bei­trages u. dgl.

I. Leistungs- und Rück­leistungs­pflicht

Art. 12
¹ Ist infolge einer Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes zu Unrecht:
a. eine Abgabe nicht erhoben, zurückerstattet, ermässigt oder erlas­sen worden; oder
b. vom Bund, von einem Kanton, einer Gemeinde, einer Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts oder von einer mit öf­fentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisation eine Ver­gü­tung oder ein Beitrag gewährt oder eine Forderung nicht gel­tend gemacht worden;
so sind die Abgabe, die Vergütung, der Beitrag oder der nicht ein­geforderte Betrag und der Zins, ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person, nachzuentrichten oder zurückzuerstatten.
² Leistungs- oder rückleistungspflichtig ist, wer in den Genuss des unrecht­mässigen Vorteils gelangt ist, insbesondere der zur Zahlung der Abgabe Verpflichtete oder der Empfänger der Vergütung oder des Beitrages.
³ Wer vorsätzlich die Widerhandlung begangen oder an ihr teilgenom­men hat, haftet für den nachzuentrichtenden oder zurückzuerstat­ten­den Betrag solidarisch mit den nach Absatz 2 Zahlungspflichtigen.
⁴ Leistungs- und Rückleistungspflicht verjähren nicht, solange die Strafverfolgung und Strafvollstreckung nicht verjährt sind.

II. Selbstanzeige

Art. 13
Hat der Täter die Widerhandlung, die eine Leistungs- oder Rück­lei­s­tungspflicht begründet, aus eigenem Antrieb angezeigt, hat er überdies, soweit es ihm zumutbar war, über die Grundlagen der Leistungs- oder Rückleistungspflicht vollständige und genaue Anga­ben gemacht, zur Abklärung des Sachverhalts beigetragen und die Pflicht, wenn sie ihm obliegt, erfüllt, und hat er bisher noch nie wegen einer vorsätzlichen Widerhandlung der gleichen Art Selbstanzeige geübt, so bleibt er straflos.

Zweiter Abschnitt: Besondere Bestimmungen

A. Strafbare Handlungen ⁸

⁸ Ab 1. Jan. 2007 sind die angedrohten Strafen und die Verjährungsfristen in Anwendung von Art. 333 Abs. 2–6 des Strafgesetzbuches ( SR 311.0 ) in der Fassung des BG vom 13. Dez. 2002 ( AS 2006 3459 ; BBl 1999 1979 ) zu interpretieren beziehungsweise umzu­rechnen.

I. Leistungs- und Abgabebe­trug

Art. 14
¹ Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder sie in einem Irrtum arglistig bestärkt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben, eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht, oder bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.⁹
² Bewirkt der Täter durch sein arglistiges Verhalten, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Ab­gabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird, so ist die Strafe Gefängnis bis zu einem Jahr oder Busse bis zu 30 000 Franken.
³ Sieht das einzelne Verwaltungsgesetz für die entsprechende nicht arglistig begangene Widerhandlung einen höheren Höchstbetrag der Busse vor, so gilt dieser auch in den Fällen der Absätze 1 und 2.
⁴ Wer gewerbsmässig oder im Zusammenwirken mit Dritten Widerhandlungen nach Absatz 1 oder 2 in Abgaben- oder Zollangelegen­heiten begeht und sich oder einem andern dadurch in besonders erheblichem Umfang einen unrechtmässigen Vorteil verschafft oder das Gemeinwesen am Vermögen oder an andern Rechten besonders erheblich schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Mit der Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden.¹⁰
⁹ Fassung gemäss Ziff. III des BG vom 17. Juni 1994, in Kraft seit 1. Jan. 1995 ( AS 1994 2290 ; BBl 1991 II 969 ).
¹⁰ Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 3. Okt. 2008 zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière ( AS 2009 361 ; BBl 2007 6269 ). Fassung gemäss Ziff. I 5 des BG vom 12. Dez. 2014 zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière, in Kraft seit 1. Jan. 2016 ( AS 2015 1389 ; BBl 2014 605 ).

II. Urkunden­­fälschung; Er­schleichen einer falschen Beur­kundung

Art. 15
1.  Wer in der Absicht, sich oder einem andern einen nach der Verwal­tungsgesetzgebung des Bundes unrechtmässigen Vorteil zu verschaf­fen oder das Gemeinwesen am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht oder die echte Unter­schrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unwahren Urkunde benützt oder eine Urkunde dieser Art zur Täu­schung gebraucht,
wer durch Täuschung bewirkt, dass die Verwaltung oder eine andere Behörde oder eine Person öffentlichen Glaubens eine für die Durch­führung der Verwaltungsgesetzgebung des Bundes erhebliche Tat­­sache unrichtig beurkundet, und wer eine so erschlichene Urkunde zur Täuschung der Verwaltung oder einer anderen Behörde gebraucht,
wird mit Gefängnis oder Busse bis zu 30 000 Franken bestraft.
2.  Ziffer 1 gilt auch für Urkunden des Auslandes.

III. Unter­­drückung von Ur­kun­den

Art. 16
¹ Wer in der Absicht, sich oder einem andern einen nach der Ver­wal­tungsgesetzgebung des Bundes unrechtmässigen Vorteil zu ver­schaf­fen oder das Gemeinwesen am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen, Urkunden, die er nach dieser Gesetzgebung aufzubewahren verpflichtet ist, beschädigt, vernichtet oder beiseite ­schafft, wird mit Gefängnis oder Busse bis zu 30 000 Franken bestraft.
² Offenbart der Täter die beiseite geschafften Urkunden aus eigenem Antrieb und bevor die Verwaltung die Untersuchung abgeschlossen hat, so kann von einer Bestrafung Umgang genommen werden.
³ Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Urkunden des Auslandes.

IV. Begünsti­gung

Art. 17
1.¹¹ Wer in einem Verwaltungsstrafverfahren jemanden der Strafver­folgung oder dem Strafvollzug, soweit dieser der beteiligten Verwal­tung obliegt, entzieht,
wer dazu beiträgt, einem Täter oder Teilnehmer die Vorteile einer Widerhandlung gegen die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes zu sichern,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die auf den Täter anwendbare Strafdrohung darf dabei nicht überschritten werden.
2.  Wer dazu beiträgt, den Vollzug einer verwaltungsstrafrechtlichen Massnahme widerrechtlich zu verunmöglichen, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder Busse bis zu 30 000 Franken bestraft.
3.  Steht der Begünstiger in so nahen Beziehungen zum Begünstigten, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so kann von einer Bestrafung Umgang genommen werden.
¹¹ Fassung gemäss Ziff. I 2 des BG vom 3. Okt. 2008 zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière, in Kraft seit 1. Febr. 2009 ( AS 2009 361 ; BBl 2007 6269 ).

B. Gleich­stellung der mit öf­fent­lich-recht­li­chen Aufgaben be­trauten Or­ga­ni­sationen

Art. 18
Soweit mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisationen und ihre Organe oder Beauftragten die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes anzuwenden haben, stehen sie in den Artikeln 14–17 dem Gemeinwesen und seiner Verwaltung gleich.

Dritter Titel: Verwaltungsstrafverfahren

Erster Abschnitt: Behörden; allgemeine Verfahrensvorschriften

A. Behörden

I. Anzeige und dringliche Mass­nahmen

Art. 19
¹ Strafanzeigen wegen Widerhandlungen gegen ein Verwaltungsgesetz des Bundes sind einem Beamten der beteiligten Bundesverwaltung oder einer Polizeistelle zu erstatten.
² Die Bundesverwaltung und die Polizei der Kantone und Gemeinden, deren Organe in ihrer dienstlichen Tätigkeit eine Widerhandlung wahrnehmen oder von einer solchen Kenntnis erhalten, sind ver­pflich­tet, sie der beteiligten Verwaltung anzuzeigen.
³ Die Organe der Bundesverwaltung und der Polizei, die Zeugen der Widerhandlung sind oder unmittelbar nach der Tat dazukommen, sind bei Gefahr im Verzuge berechtigt, den Täter vorläufig festzunehmen, die mit der Widerhandlung in Zusammenhang stehenden Gegenstände vorläufig zu beschlagnahmen und zu diesem Zweck den Täter oder den Inhaber des Gegenstandes in Wohnungen und andere Räume sowie in unmittelbar zu einem Hause gehörende umfriedete Liegen­schaften hinein zu verfolgen.
⁴ Ein vorläufig Festgenommener ist sofort dem untersuchenden Beamten der beteiligten Verwaltung zuzuführen; beschlagnahmte Gegen­stände sind unverzüglich abzuliefern.

II. Untersuchung

Art. 20
¹ Für die Untersuchung ist die beteiligte Verwaltung zuständig. Mit der Durchführung von Einvernahmen, Augenscheinen und Zwangs­massnahmen sind besonders ausgebildete Beamte zu betrauen.
² Die Polizei der Kantone und Gemeinden unterstützt die Verwaltung in ihrer Untersuchung; insbesondere darf der untersuchende Beamte polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn ihm bei einer Unter­­suchungshandlung, die innerhalb seiner Amtsbefugnisse liegt, Wider­stand geleistet wird.
³ Sind in einer Strafsache sowohl die Zuständigkeit der beteiligten Verwaltung als auch Bundesgerichtsbarkeit oder kantonale Gerichts­barkeit gegeben, so kann das Departement, dem die beteiligte Ver­waltung angehört, die Vereinigung der Strafverfolgung in der Hand der bereits mit der Sache befassten Strafverfolgungsbehörde anordnen, sofern ein enger Sachzusammenhang besteht und die Strafverfol­gungs­behörde der Vereinigung vorgängig zugestimmt hat.¹²
¹² Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. Dezember 1999, in Kraft seit 1. Okt. 2000 ( AS 2000 2141 ; BBl 1998 1529 ).

III. Beurteilung

1. Sachliche Zu­ständigkeit
Art. 21
¹ Für die Beurteilung ist die beteiligte Verwaltung zuständig; hält jedoch das übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Massnahme oder einer Landesverweisung nach Artikel 66 a oder 66 a bis des Strafgesetzbuchs¹³ für gegeben, so ist das Gericht zuständig.¹⁴
² Der von der Strafverfügung der Verwaltung Betroffene kann die Beurteilung durch das Gericht verlangen.
³ Dem Bundesrat steht in allen Fällen die Überweisung der Strafsache an das Bundesstrafgericht frei.
⁴ Die zur Ausfällung der Hauptstrafe zuständige Behörde erkennt auch über Nebenstrafen, Massnahmen und Kosten.
¹³ SR 311.0
¹⁴ Fassung gemäss Anhang Ziff. 6 des BG vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), in Kraft seit 1. Okt. 2016 ( AS 2016 2329 ; BBl 2013 5975 ).
2. Örtliche Zu­ständigkeit
Art. 22
¹ Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, das nach den Artikeln 31–37 der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007¹⁵ (StPO) zuständig ist oder in dessen Bezirk der Beschuldigte wohnt.¹⁶ Die Verwaltung wählt zwi­schen den bei­den Gerichtsständen.
² Artikel 40 Absatz 2 StPO gilt sinngemäss.¹⁷ Das Bundes­strafge­richt¹⁸ ist in seinem Entscheid nicht an die von der Ver­waltung getrof­fene Wahl gebunden.
¹⁵ SR 312.0
¹⁶ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
¹⁷ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
¹⁸ Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 10 des Strafgerichtsgesetzes vom 4. Okt. 2002, in Kraft seit 1. April 2004 ( AS 2003 2133 2131 ; BBl 2001 4202 ).

IV. Verfahren gegen Jugendliche

Art. 23
¹ Begeht ein Jugendlicher nach Vollendung des 15., aber vor Vollen­dung des 18. Altersjahres eine mit Strafe bedrohte Tat, so sind für die Untersuchung und Beurteilung die Vorschriften dieses Gesetzes mass­gebend. Erscheinen jedoch besondere Erhebungen für die Beurteilung des Jugendlichen oder die Anordnung jugendrechtlicher Massnahmen als geboten oder stellt die zuständige kantonale Behörde der Jugend­rechtspflege ein dahinlautendes Begehren oder hat der von der Straf­verfügung der Verwaltung betroffene Jugendliche die gerichtliche Beur­teilung verlangt, so hat die Verwaltung die Weiterführung des Verfahrens der zuständigen kantonalen Behörde der Jugendrechts­pflege zu übertragen, gegebenenfalls unter Trennung des Verfahrens von demjenigen gegen andere Beschuldigte; die Artikel 73–83 dieses Gesetzes gelten sinngemäss.¹⁹
² In Abweichung von Artikel 22 bestimmt sich der Gerichtsstand nach Artikel 10 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009²⁰.²¹
³ Der urteilsfähige Minderjährige kann neben dem Inhaber der elter­lichen Sorge, dem Vormund oder dem Beistand selbständig die Rechtsmittel ergreifen.²²
¹⁹ Fassung gemäss Art. 44 Ziff. 2 des Jugendstrafgesetzes vom 20. Juni 2003, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2006 3545 ; BBl 1999 1979 ).
²⁰ SR 312.1
²¹ Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1573 ; BBl 2006 1085 , 2008 3121 ).
²² Fassung gemäss Anhang Ziff. 15 des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Per­sonenrecht und Kindesrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 ( AS 2011 725 ; BBl 2006 7001 ).

V. Staatsanwaltschaft des Bundes

Art. 24 ²³
Die Staatsanwaltschaft des Bundes kann in jedem gerichtlichen Verfahren auftreten.
²³ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

VI. Beschwerde­kammer ²⁴

²⁴ Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 10 des Strafgerichtsgesetzes vom 4. Okt. 2002, in Kraft seit 1. April 2004 ( AS 2003 2133 2131 ; BBl 2001 4202 ). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt.
Art. 25
¹ Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts²⁵ entscheidet über die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Beschwerden und Anstände.
² Wenn es für ihren Entscheid erforderlich ist, ordnet die Beschwerde­kammer eine Beweisaufnahme an; sie kann dabei die Dienste der beteiligten Verwaltung und des für das betreffende Sprachgebiet gewähl­ten eidgenössischen Untersuchungsrichters in Anspruch neh­men.
³ Wo es zur Wahrung wesentlicher öffentlicher oder privater Inter­es­sen nötig ist, hat die Beschwerdekammer von einem Beweismittel unter Aus­schluss des Beschwerdeführers oder Antragstellers Kenntnis zu nehmen.
⁴ Die Kostenpflicht im Beschwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer bestimmt sich nach Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010²⁶.²⁷
²⁵ Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 10 des Strafgerichtsgesetzes vom 4. Okt. 2002, in Kraft seit 1. April 2004 ( AS 2003 2133 2131 ; BBl 2001 4202 ). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt.
²⁶ SR 173.71
²⁷ Fassung gemäss Anhang Ziff. II 9 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 3267 ; BBl 2008 8125 ).

B. Beschwerde gegen Unter­­suchungs­handlun­gen

I. Bei Zwangs­massnahmen

Art. 26
¹ Gegen Zwangsmassnahmen (Art. 45 ff.) und damit zusammen­­hängende Amtshandlungen und Säumnis kann bei der Beschwerdekam­mer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden.
² Die Beschwerde ist einzureichen:
a. wenn sie gegen eine kantonale Gerichtsbehörde oder gegen den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung gerichtet ist: bei der Beschwerdekammer;
b. in den übrigen Fällen: beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung.
³ Berichtigt der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung in den Fällen von Absatz 2 Buchstabe b die Amtshandlung oder Säumnis im Sinne der gestellten Anträge, so fällt die Beschwerde dahin; andern­falls hat er sie mit seiner Äusserung spätestens am dritten Werktag nach ihrem Eingang an die Beschwerdekammer weiterzuleiten.

II. Bei sonstigen Unter­suchungs­handlungen

Art. 27
¹ Soweit nicht die Beschwerde nach Artikel 26 gegeben ist, kann gegen Amtshandlungen sowie gegen Säumnis des untersuchenden Beamten beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung Beschwerde geführt werden.
² Der Beschwerdeentscheid ist dem Beschwerdeführer schriftlich mit­zuteilen und hat eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.
³ Gegen den Beschwerdeentscheid kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden, jedoch nur wegen Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens.
⁴ Für Beschwerden wegen Untersuchungshandlungen und Säumnis von Organen der mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten Organisationen gelten die Absätze 1–3 sinngemäss; erste Beschwerdeinstanz ist jedoch das übergeordnete De­partement.

III. Gemeinsame Bestimmungen

Art. 28
¹ Zur Beschwerde ist berechtigt, wer durch die angefochtene Amts­handlung, die gerügte Säumnis oder den Beschwerdeentscheid (Art. 27 Abs. 2) berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung hat; zur Beschwerde gegen die Freilassung eines vor­läufig Festgenommenen oder Verhafteten durch die kantonale Gerichtsbehörde (Art. 51 Abs. 5, 59 Abs. 3) ist auch der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung befugt.
² Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sach­verhalts oder die Unangemessenheit gerügt werden; vorbehalten bleibt Artikel 27 Absatz 3.
³ Die Beschwerde gegen eine Amtshandlung oder gegen einen Beschwerdeentscheid ist innert drei Tagen, nachdem der Beschwerde­füh­rer von der Amtshandlung Kenntnis erhalten hat oder ihm der Beschwerdeentscheid eröffnet worden ist, bei der zuständigen Behörde schriftlich mit Antrag und kurzer Begründung einzureichen; befindet sich der Beschwerdeführer in Haft, so genügt die Aushändi­gung der Beschwerde an die Gefängnisleitung, die zur sofortigen Wei­terleitung verpflichtet ist.
⁴ Die bei der unzuständigen Behörde eingereichte Beschwerde ist unverzüglich der zuständigen Behörde zu überweisen; rechtzeitige Ein­reichung der Beschwerde bei der unzuständigen Behörde wahrt die Beschwerdefrist.
⁵ Die Beschwerde hat, wenn es das Gesetz nicht anders bestimmt, keine aufschiebende Wirkung, soweit sie ihr nicht durch vorsorgliche Verfügung der Beschwerdeinstanz oder ihres Präsidenten verliehen wird.

C. Allgemeine Verfahrens­bestimmungen

I. Ausstand

Art. 29
¹ Beamte, die eine Untersuchung zu führen, einen Entscheid zu treffen oder diesen vorzubereiten haben, sowie Sachverständige, Übersetzer und Dolmetscher treten in Ausstand, wenn sie:
a. in der Sache ein persönliches Interesse haben;
b.²⁸
mit dem Beschuldigten durch Ehe oder eingetragene Partner­schaft verbunden sind oder mit ihm eine faktische Lebens­­gemeinschaft führen;
bbis.²⁹ mit dem Beschuldigten in gerader Linie oder bis zum dritten Grade in der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind;
c. aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten.
² Ist der Ausstand streitig, so entscheidet darüber, unter Vorbehalt der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 27 Abs. 3), der Vorgesetzte des betreffenden Beamten oder des­jenigen, der den Sachverständigen, Übersetzer oder Dolmetscher beigezogen hat.
³ Der Ausstand im gerichtlichen Verfahren sowie von kantonalen Beamten und Angestellten richtet sich nach dem einschlägigen eid­­genös­sischen oder kantonalen Recht.
²⁸ Fassung gemäss Anhang Ziff. 21 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2005 5685 ; BBl 2003 1288 ).
²⁹ Eingefügt durch Anhang Ziff. 21 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2005 5685 ; BBl 2003 1288 ).

II. Rechtshilfe

Art. 30
¹ Die Verwaltungsbehörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden haben den mit der Verfolgung und Beurteilung von Ver­wal­tungsstrafsachen betrauten Behörden in der Erfüllung ihrer Auf­gabe Rechtshilfe zu leisten; sie haben ihnen insbesondere die benö­tigten Auskünfte zu erteilen und Einsicht zu gewähren in amtliche Akten, die für die Strafverfolgung von Bedeutung sein können.
² Die Rechtshilfe darf nur verweigert werden, soweit ihr wesentliche öffentliche Interessen, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit des Bundes oder der Kantone, entgegenstehen oder wenn die Rechts­hilfe die angegangene Behörde in der Durchführung ihrer Aufgabe wesentlich beeinträchtigen würde. Berufsgeheimnisse im Sinne der Artikel 171–173 StPO³⁰ sind zu wahren.³¹
³ Im Übrigen sind für die Rechtshilfe die Artikel 43–48 StPO anwendbar.³²
⁴ Die mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen sind im Rahmen dieser Aufgaben gleich den Behörden zur Rechtshilfe verpflichtet.
⁵ Anstände unter Bundesbehörden entscheidet der Bundesrat, An­stän­de zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Bis der Entscheid erfolgt, sind ange­ordnete Sicherheitsmassregeln aufrechtzuerhalten.
³⁰ SR 312.0
³¹ Fassung zweiter Satz gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
³² Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

III. Fristen

Art. 31
¹ Für die Berechnung der Fristen, die Fristverlängerung und die Wie­derherstellung gegen die Folgen der Fristversäumnis gelten die Arti­kel 20–24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968³³ sinnge­mäss.
² Die Fristen im gerichtlichen Verfahren richten sich nach der StPO³⁴.³⁵
³³ SR 172.021
³⁴ SR 312.0
³⁵ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

IV. Form der Mitteilungen und der Zustellung

Art. 31 a ³⁶
¹ Mitteilungen erfolgen in Schriftform, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
² Die Zustellung erfolgt durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung.
³ Sie gilt als erfolgt, wenn die Sendung vom Adressaten oder von einer angestellten oder einer im gleichen Haushalt lebenden, mindestens 16 Jahre alten Person entgegengenommen wurde. Vorbehalten bleiben Anweisungen, eine Mitteilung dem Adressaten persönlich zuzustellen.
⁴ Sie gilt zudem als erfolgt:
a. bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist: am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch, sofern der Adressat mit einer Zustellung rechnen musste;
b. bei persönlicher Zustellung, wenn der Adressat die Annahme verweigert und dies vom Überbringer festgehalten wird: am Tag der Weigerung.
³⁶ Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 ( AS 2019 4417 ; BBl 2015 8901 ).

Zweiter Abschnitt: Untersuchung und Strafverfügung der Verwaltung

Erster Unterabschnitt: Allgemeine Bestimmungen

A. Verteidiger

I. Bestellung
Art. 32
¹ Der Beschuldigte kann in jeder Lage des Verfahrens einen Ver­teidi­ger bestellen.
² Als berufsmässige Verteidiger im Verfahren der Verwaltung werden zugelassen:
a. die ihren Beruf in einem Kanton ausübenden patentierten Rechts­anwälte;
b. Angehörige von Berufen, die der Bundesrat unter bestimmten Bedingungen zur Verteidigung in Verwaltungsstrafsachen ermächtigt hat.
³ Ausnahmsweise und unter Vorbehalt des Gegenrechts kann die beteiligte Verwaltung auch einen ausländischen Verteidiger zulassen.
⁴ Die Behörde kann den Verteidiger auffordern, sich durch schriftliche Vollmacht auszuweisen.
II. Amtlicher Verteidiger
Art. 33
¹ Sofern der Beschuldigte nicht anderweitig verbeiständet ist, bestellt ihm die beteiligte Verwaltung von Amtes wegen aus dem Kreis der in Artikel 32 Absatz 2 Buchstabe a genannten Personen unter tunlicher Berücksichtigung seiner Wünsche einen amtlichen Verteidiger:
a. wenn der Beschuldigte offensichtlich nicht imstande ist, sich zu verteidigen;
b. für die Dauer der Untersuchungshaft, wenn diese nach Ablauf von drei Tagen aufrechterhalten wird.
² Kann der Beschuldigte wegen Bedürftigkeit keinen Verteidiger bei­ziehen, so wird auf sein Verlangen ebenfalls ein amtlicher Verteidiger bestellt. Ausgenommen sind Fälle, bei denen nur eine Busse unter 2000 Franken in Betracht fällt.
³ Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers wird auf Grund eines vom Bundesrat aufzustellenden Tarifs, unter Vorbehalt der Beschwer­de an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 25 Abs. 1), durch die beteiligte Verwaltung festgesetzt und gehört zu den Verfahrens­ko­sten; der Beschuldigte, dem Kosten auferlegt werden, hat dem Bund diese Entschädigung in den Fällen von Absatz 1 zurückzu­erstatten, wenn ihm nach seinem Einkommen oder Vermögen der Beizug eines Verteidigers zumutbar gewesen wäre.

B. Zustellung

I. Zustellungs­domizil
Art. 34 ³⁷
¹ Mitteilungen sind den Adressaten an ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort oder an ihren Sitz zuzustellen.
² Beschuldigte mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland haben in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu bezeich­nen. Vorbehalten bleiben staatsvertragliche Vereinbarungen, wonach Mitteilungen direkt zugestellt werden können.
³ Mitteilungen an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, werden rechtsgültig an diesen zugestellt.
⁴ Für den von der Einziehung Betroffenen gelten diese Vorschriften sinngemäss.
³⁷ Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 ( AS 2019 4417 ; BBl 2015 8901 ).
II. Zustellung durch Veröffent­lichung
Art. 34 a ³⁸
¹ Die Zustellung erfolgt durch Veröffentlichung im Bundesblatt, wenn:
a. der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist und trotz zu­mutbarer Nachforschungen nicht ermittelt werden kann;
b. eine Zustellung unmöglich ist oder mit ausserordentlichen Umtrieben verbunden wäre;
c. eine Partei oder ihr Rechtsbeistand mit Wohnsitz, gewöhn­lichem Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland kein Zustellungs­domizil in der Schweiz bezeichnet hat.
² Die Zustellung gilt am Tag der Veröffentlichung als erfolgt.
³ Von Endentscheiden wird nur das Dispositiv veröffentlicht.
⁴ Schlussprotokolle gelten auch ohne Veröffentlichung als zugestellt.
³⁸ Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2020 ( AS 2019 4417 ; BBl 2015 8901 ).

C. Teilnahme an Beweis­­aufnah­men

Art. 35
¹ Der untersuchende Beamte gestattet dem Beschuldigten und seinem Verteidiger, an Beweisaufnahmen teilzunehmen, wenn das Gesetz die Teilnahme nicht ausschliesst und keine wesentlichen öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen.
² Der untersuchende Beamte darf die Teilnahme des Beschuldigten und des Verteidigers an einer Beweisaufnahme ausschliessen, wenn ihre Anwesenheit die Untersuchung beeinträchtigt.

D. Akteneinsicht

Art. 36
Die Artikel 26–28 des Verwaltungsverfah­rensgesetzes vom 20. De­zember 1968³⁹ gelten sinn­gemäss.
³⁹ SR 172.021

Zweiter Unterabschnitt: Untersuchung

A. Umfang

Art. 37
¹ Der untersuchende Beamte der beteiligten Verwaltung erforscht den Sachverhalt und sichert den Beweis.
² Der Beschuldigte kann jederzeit die Vornahme bestimmter Unter­­suchungshandlungen beantragen.
³ Sind besondere Untersuchungshandlungen nicht nötig, so wird so­gleich nach Artikel 61 das Schlussprotokoll aufgenommen.
⁴ Vorbehalten bleiben die Vorschriften von Artikel 65 über den Straf­bescheid im abgekürzten Verfahren.

B. Protokollie­rung

Art. 38
¹ Die Eröffnung der Untersuchung, ihr Verlauf und die dabei gewon­nenen wesentlichen Feststellungen sollen aus den amtlichen Akten ersichtlich sein.
² Das Protokoll über eine Einvernahme wird während der Verhand­lung niedergeschrieben und ist unmittelbar nach Schluss der Ein­ver­nahme vom Einvernommenen, nachdem es ihm zur Kenntnis ge­bracht worden ist, und vom untersuchen­den Beamten durch Unter­schrift als richtig zu bestätigen; fehlt die Unterschrift des Einvernom­menen, so ist der Grund anzuge­ben.
³ Das Protokoll über eine andere Untersuchungshandlung ist sobald als möglich, spätestens am folgenden Werktag aufzunehmen; seine Rich­tigkeit ist vom untersuchenden Beamten durch Unterschrift zu bestä­ti­gen.
⁴ In jedem Protokoll sind Ort und Zeit der Untersuchungshandlung und die Namen der Beteiligten anzugeben. Ferner ist kenntlich zu machen, was auf eigener Wahr­nehmung des untersuchenden Beamten und was auf Mitteilung Dritter beruht.

C. Einver­nahmen, Auskünfte

I. Beschuldigter
Art. 39
¹ Der Beschuldigte wird vorerst über Name, Alter, Beruf, Heimat und Wohnort befragt.
² Der untersuchende Beamte teilt dem Beschuldigten mit, welcher Tat er beschuldigt wird. Er fordert ihn auf, sich über die Beschuldigung auszusprechen und Tatsachen und Beweismittel zu seiner Verteidi­gung anzuführen.
³ Der Beschuldigte kann, sofern es sich nicht um seine erste Ver­neh­mung handelt, verlangen, dass der Verteidiger zugegen sei; dieser hat das Recht, über den untersuchenden Beamten Ergänzungsfragen zu stellen.
⁴ Weigert sich der Beschuldigte auszusagen, so ist das aktenkundig zu machen.
⁵ Zwang, Drohung, Versprechungen, unwahre Angaben und verfäng­­liche Fragen oder ähnliche Mittel sind dem untersuchenden Beamten untersagt.
II. Auskünfte
Art. 40
Der untersuchende Beamte kann mündliche oder schriftliche Aus­künfte einholen oder Auskunftspersonen einvernehmen; wer auf Grund des Zeugnisverweigerungsrechts die Aussage verweigern kann, ist vorher darauf aufmerksam zu machen.
III. Zeugen
Art. 41
¹ Lässt sich der Sachverhalt auf andere Weise nicht hinreichend abklä­ren, so können Zeugen einvernommen werden.
² Auf die Vernehmung und die Entschädigung der Zeugen sind die Artikel 163–166 und 168–176 StPO⁴⁰ und Artikel 48 des Bundes­gesetzes vom 4. Dezember 1947⁴¹ über den Bundeszivilprozess sinngemäss anwendbar; verweigert ein Zeuge ohne gesetzlichen Grund die Aussage, zu der er unter Hinweis auf Artikel 292 des Strafgesetz­buches⁴² und dessen Strafdrohung aufgefordert worden ist, so ist er wegen Ungehorsams gegen diese Verfügung an den Strafrichter zu über­weisen.⁴³
³ Der Beschuldigte und sein Verteidiger haben Anspruch darauf, den Zeugeneinvernahmen beizuwohnen und über den untersuchenden Beamten Ergänzungsfragen zu stellen.
⁴⁰ SR 312.0
⁴¹ SR 273
⁴² SR 311.0
⁴³ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
IV. Vorladung und Vorführung
Art. 42
¹ Beschuldigte und Zeugen werden in der Regel schriftlich vorgela­den. Sie sind auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hinzuwei­sen.
² Bleibt der gehörig Vorgeladene ohne genügende Entschuldigung aus, so kann er polizeilich vorgeführt werden. Der Vorführungsbefehl wird vom untersuchenden Beamten schriftlich erteilt.
³ Dem unentschuldigt Ausgebliebenen können die Kosten auferlegt werden, die durch sein Ausbleiben entstanden sind.

D. Sach­verständige

Art. 43
¹ Setzt die Feststellung oder Beurteilung von Tatsachen besondere Fachkenntnisse voraus, so können Sachverständige beigezogen wer­den.
² Dem Beschuldigten ist Gelegenheit zu geben, sich zur Wahl und zu den vorzulegenden Fragen zu äussern.⁴⁴ Im Übrigen gelten für die Ernennung der Sachverständigen sowie für ihre Rechte und Pflichten die Artikel 183–185, 187, 189 sowie 191 StPO⁴⁵ und Artikel 61 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947⁴⁶ über den Bundeszivil­prozess sinngemäss.⁴⁷
⁴⁴ Fassung gemäss Anhang Ziff. 10 des Strafgerichtsgesetzes vom 4. Okt. 2002, in Kraft seit 1. April 2004 ( AS 2003 2133 2131 ; BBl 2001 4202 ).
⁴⁵ SR 312.0
⁴⁶ SR 273
⁴⁷ Fassung zweiter Satz gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

E. Augenschein

Art. 44
¹ Der untersuchende Beamte ordnet einen Augenschein an, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen kann. Der Beschuldigte und sein Verteidiger haben Anspruch darauf, dem Augenschein bei­zuwohnen.
² Werden Geschäfts- und Betriebseinrichtungen einem Augenschein unterzogen, so ist auf die berechtigten Interessen des Inhabers Rück­sicht zu nehmen.

F. Zwangs­mass­nahmen

I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 45
¹ Bei einer Beschlagnahme, Durchsuchung, vorläufigen Festnahme oder Verhaftung ist mit der dem Betroffenen und seinem Eigentum gebührenden Schonung zu verfahren.
² Im Falle einer Ordnungswidrigkeit sind Zwangsmassnahmen nicht zulässig.
II. Beschlag­nahme
1. Gegenstand
Art. 46
¹ Vom untersuchenden Beamten sind mit Beschlag zu belegen:
a. Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein kön­nen;
b. Gegenstände und andere Vermögenswerte, die voraussichtlich der Einziehung unterliegen;
c. die dem Staate verfallenden Geschenke und anderen Zuwen­dun­gen.
² Andere Gegenstände und Vermögenswerte, die zur Begehung der Widerhandlung gedient haben oder durch die Widerhandlung hervor­gebracht worden sind, können beschlagnahmt werden, wenn es zur Verhinderung neuer Widerhandlungen oder zur Sicherung eines gesetzlichen Pfandrechtes als erforderlich erscheint.
³ Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer Person mit ihrem Anwalt dürfen nicht beschlagnahmt werden, sofern dieser nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000⁴⁸ zur Vertretung vor schweizeri­schen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sach­zu­sammenhang nicht selber beschuldigt ist.⁴⁹
⁴⁸ SR 935.61
⁴⁹ Eingefügt durch Ziff. I 7 des BG vom 28. Sept. 2012 über die Anpassung von verfahrens-rechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis, in Kraft seit 1. Mai 2013 ( AS 2013 847 ; BBl 2011 8181 ).
2. Verfahren
Art. 47
¹ Der Inhaber eines beschlagnahmten Gegenstandes oder Vermögens­wertes ist verpflichtet, ihn dem untersuchenden Beamten gegen Emp­fangsbescheinigung oder ein Doppel des Beschlagnahmeproto­kolls herauszugeben.
² Die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte werden im Beschlag­nahmeprotokoll verzeichnet und sind zu verwahren.
³ Gegenstände, die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind oder einen kostspieligen Unterhalt erfordern, kann die Verwaltung öffent­lich versteigern lassen und in dringenden Fällen freihändig verkaufen.
III. Durch­suchung von Woh­nungen und Personen
1. Gründe, Zuständigkeit
Art. 48
¹ Wohnungen und andere Räume sowie unmittelbar zu einem Hause gehörende umfriedete Liegenschaften dürfen nur durchsucht werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich der Beschuldigte darin ver­bor­gen hält oder dass sich Gegenstände oder Vermögenswerte, die der Beschlagnahme unterliegen, oder Spuren der Widerhandlung darin befin­den.
² Der Beschuldigte darf nötigenfalls durchsucht werden. Die Durch­­suchung ist von einer Person des gleichen Geschlechts oder von ei­nem Arzt vorzunehmen.
³ Die Durchsuchung erfolgt aufgrund eines schriftlichen Befehls des Direktors oder Chefs der beteiligten Verwaltung.⁵⁰
⁴ Ist Gefahr im Verzuge und kann ein Durchsuchungsbefehl nicht rechtzeitig eingeholt werden, so darf der untersuchende Beamte von sich aus eine Durchsuchung anordnen oder vornehmen. Die Mass­nahme ist in den Akten zu begründen.
⁵⁰ Fassung gemäss Ziff. I der V vom 21. Nov. 2018, in Kraft seit 1. Jan. 2019 ( AS  2018  4587 ).
2. Durchführung
Art. 49
¹ Vor Beginn der Durchsuchung hat sich der untersuchende Beamte auszuweisen.
² Der anwesende Inhaber der Räume ist über den Grund ihrer Durch­suchung zu unterrichten und zu dieser beizuziehen; anstelle des ab­we­senden Inhabers ist ein Verwandter oder Hausgenosse beizuzie­hen. Im weitern ist die von der zuständigen kantonalen Behörde be­zeichnete Amtsperson oder, falls der untersuchende Beamte von sich aus durch­sucht, ein Mitglied der Gemeindebehörde oder ein Kantons‑, Bezirks- oder Gemeindebeamter beizuziehen, der darüber wacht, dass sich die Massnahme nicht von ihrem Zweck entfernt. Ist Gefahr im Verzuge oder stimmt der Inhaber der Räume zu, so kann der Bei­zug von Amts­personen, Hausgenossen oder Verwandten unterblei­ben.
³ An Sonn- und allgemeinen Feiertagen und zur Nachtzeit darf im Allgemeinen nur in wichtigen Fällen und bei dringender Gefahr eine Durchsuchung stattfinden.
⁴ Das Protokoll über die Durchsuchung wird im Beisein der Be­teilig­ten sofort aufgenommen; auf Verlangen ist den Beteiligten ein Doppel des Durchsuchungsbefehls und des Protokolls auszuhändigen.
IV. Durch­suchung von Pa­pie­ren
Art. 50
¹ Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durch­suchen; insbesondere sollen Papiere nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind.
² Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis sowie Geheimnisse, die Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten, Apothekern, Heb­ammen und ihren berufli­chen Gehilfen in ihrem Amte oder Beruf anvertraut wurden, zu wahren.
³ Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 25 Abs. 1).
V. Vorläufige Festnahme und Vorführung vor den Richter
Art. 51
¹ Der untersuchende Beamte kann den einer Widerhandlung dringend Verdächtigen vorläufig festnehmen, wenn ein Haftgrund nach Arti­kel 52 angenommen werden muss und Gefahr im Verzuge ist.
² Der Festgenommene oder der nach Artikel 19 Absatz 4 Zugeführte ist unverzüglich einzuvernehmen; dabei ist ihm Gelegenheit zu geben, den bestehenden Verdacht und die Gründe der Festnahme zu entkräf­ten.
³ Muss nach wie vor ein Haftgrund angenommen werden, so ist der Festgenommene unverzüglich der zur Ausstellung von Haftbefehlen ermächtigten kantonalen Gerichtsbehörde zuzuführen. Ist die Fest­nahme in abgelegenem oder unwegsamem Gebiet erfolgt oder ist die zuständige kantonale Gerichtsbehörde nicht sogleich erreichbar, so hat die Zuführung innert 48 Stunden zu erfolgen.
⁴ Die Gerichtsbehörde prüft, ob ein Haftgrund bestehe; der unter­­suchende Beamte und der Festgenommene sind dazu anzuhören.
⁵ Hierauf verfügt die Gerichtsbehörde die Verhaftung oder die Frei­las­sung, gegebenenfalls gegen Sicherheitsleistung. Der Entscheid kann mit Beschwerde angefochten werden (Art. 26).
⁶ Meldet der untersuchende Beamte gegen eine Freilassung so­gleich die Beschwerde an, so wird die Festnahme vorläufig auf­recht erhalten. Der Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung hat der Gerichts­­behörde innert 24 Stunden mitzuteilen, ob er die Beschwerde auf­rechterhalte. Hält er sie aufrecht, so bleibt die Festnahme bis zum Entscheid der Beschwerdekammer bestehen; vor­behalten bleibt die gegen­tei­lige An­ordnung der Beschwerdekammer oder ihres Präsi­denten.
VI. Verhaftung
1. Zulässigkeit
Art. 52
¹ Ist der Beschuldigte einer Widerhandlung dringend verdächtigt, so darf gegen ihn ein Haftbefehl erlassen werden, wenn bestimmte Umstände den Verdacht begründen, dass:
a. er sich der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug entziehen werde; oder dass
b. er Spuren der Tat verwischen, Beweisgegenstände beseitigen, Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder auf ähnliche Weise den Zweck der Untersuchung ge­fähr­den werde.
² Ein Haftbefehl darf nicht erlassen werden, wenn dies zu der Bedeu­tung der Sache in einem Missverhältnis stehen würde.
2. Haftbefehl
Art. 53
¹ Der untersuchende Beamte kann einen Haftbefehl beantragen.
² Zum Erlass des Haftbefehls sind zuständig:
a. wenn der Beschuldigte vorläufig festgenommen ist: die am Orte der Festnahme zuständige kantonale Gerichtsbehörde;
b. in allen andern Fällen: die nach Artikel 22 zuständige kanto­nale Gerichtsbehörde.
³ Der Haftbefehl ist schriftlich zu erlassen und hat anzugeben: die Personalien des Beschuldigten und die Tat, deren er beschuldigt wird; die Strafbestimmungen; den Haftgrund; das Untersuchungsgefängnis, in das der Verhaftete einzuliefern ist; eine Belehrung über die Rechts­mit­tel, die Parteirechte, die Freilassung gegen Sicherheitsleistung und über das Recht zur Benachrichtigung der Angehörigen.
Art. 54
¹ Dem Beschuldigten ist bei der Verhaftung ein Doppel des Haft­­befehls auszuhändigen.
² Der Verhaftete ist der zuständigen kantonalen Behörde unter gleich­zeitiger Aushändigung eines Doppels des Haftbefehls zu übergeben.
³ Kann der Haftbefehl nicht vollzogen werden, so ist die Fahndung anzuordnen. Der Haftbefehl kann öffentlich bekannt gemacht werden.
Art. 55
¹ Die Behörde, die den Haftbefehl erliess, hat den Beschuldigten, sofern dieser nicht bereits einvernommen wurde (Art. 51 Abs. 4), späte­stens am ersten Werktag nach der Verhaftung einzuvernehmen, um ab­zuklären, ob ein Haftgrund weiter bestehe; der untersuchende Beamte ist dazu anzuhören.
² Wird die Haft aufrechterhalten, so sind dem Beschuldigten die Gründe zu eröffnen; wird der Beschuldigte freigelassen, so gilt Arti­kel 51 Absatz 6 sinngemäss.
3. Mitteilung an die Angehörigen
Art. 56
Der Verhaftete hat das Recht, wenn es der Zweck der Untersuchung nicht verbietet, seinen nächsten Angehörigen die Verhaftung durch den untersuchenden Beamten sogleich mitteilen zu lassen.
4. Dauer der Haft
Art. 57
¹ Wird die Haft aufrechterhalten, so ist die Untersuchung möglichst zu beschleunigen. Die Haft darf in jedem Falle die voraussichtliche Dauer einer Freiheits- oder Umwandlungsstrafe nicht übersteigen.
² Eine nach Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe b verfügte Unter­suchungs­haft darf nur mit besonderer Bewilligung der Behörde, die den Haft­befehl ausstellte, länger als 14 Tage aufrecht erhalten werden.
5. Durchführung der Haft
Art. 58
¹ Die kantonale Behörde hat für den richtigen Vollzug der Haft zu sor­gen. Der Verhaftete darf in seiner Freiheit nicht weiter beschränkt werden, als es der Zweck der Haft und die Ordnung im Unter­­­su­chungsgefängnis erfordern.
² Der mündliche oder schriftliche Verkehr des Verhafteten mit seinem Verteidiger bedarf der Bewilligung des untersuchenden Beamten, der ihn nur beschränken oder ausschliessen kann, wenn es der Zweck der Untersuchung erfordert. Eine Beschränkung oder ein Ausschluss die­ses Verkehrs für mehr als drei Tage bedarf der Zustimmung der Behörde, die den Haftbefehl ausstellte; diese Zustimmung darf jeweils höchstens für zehn Tage erteilt werden.
³ Der Vollzug der Haft richtet sich im Übrigen nach den Artikeln 234–236 StPO⁵¹.⁵²
⁵¹ SR 312.0
⁵² Eingefügt durch Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
6. Haft­­entlassung
Art. 59
¹ Der untersuchende Beamte hat den Verhafteten freizulassen, sobald kein Haftgrund mehr besteht.
² Der Verhaftete kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen.
³ Solange die Akten nicht zur gerichtlichen Beurteilung überwiesen sind, entscheidet über das Gesuch die Behörde, die den Haftbefehl erliess. Sie hat den untersuchenden Beamten oder die Amtsstelle, bei der die Sache hängig ist, zum Gesuch anzuhören; die Vorschriften von Artikel 51 Absätze 5 und 6 gelten sinngemäss.
7. Freilassung gegen Sicher­heitsleistung
Art. 60
¹ Der Beschuldigte, der auf Grund von Artikel 52 Absatz 1 Buch­stabe  a zu verhaften wäre oder verhaftet ist, kann auf sein Verlangen gegen Sicherheitsleistung in Frei­heit gelassen werden.
² Für die Freilassung gegen Sicherheitsleistung gelten die Artikel 238–240 StPO⁵³ sinngemäss.⁵⁴ Die Sicherheit ist jed­och beim Eidgenössischen Finanz­de­parte­ment⁵⁵ zu leisten; sie ver­fällt auch, wenn sich der Beschuldigte der Voll­streckung der ausge­sprochenen Busse entzieht, wobei der Überschuss bei Verwendung der verfallenen Sicherheit dem Bunde zufällt.
⁵³ SR 312.0
⁵⁴ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
⁵⁵ Bezeichnung gemäss nicht veröffentlichtem BRB vom 19. Dez. 1997.

G. Schluss­protokoll

Art. 61
¹ Erachtet der untersuchende Beamte die Untersuchung als vollständig und liegt nach seiner Ansicht eine Widerhandlung vor, so nimmt er ein Schlussprotokoll auf; dieses enthält die Personalien des Be­schul­digten und umschreibt den Tatbestand der Widerhandlung.
² Der untersuchende Beamte eröffnet das Schlussprotokoll dem Be­schuldigten und gibt ihm Gelegenheit, sich sogleich dazu auszuspre­chen, die Akten einzusehen und eine Ergänzung der Unter­suchung zu beantragen.
³ Ist der Beschuldigte bei Aufnahme des Schlussprotokolls nicht zu­gegen oder stellt der anwesende Beschuldigte ein entsprechendes Begeh­ren oder lassen es die Umstände, insbesondere die Schwere des Falles, sonst als geboten erscheinen, so sind das Schlussprotokoll und die nach Absatz 2 erforderlichen Mitteilungen schriftlich zu eröffnen unter Bekanntgabe des Ortes, wo die Akten eingesehen werden können. Die Frist, sich zu äussern und Anträge zu stellen, endigt in diesem Falle zehn Tage nach Zustellung des Schlussprotokolls; sie kann erstreckt werden, wenn zureichende Gründe vorliegen und das Er­streckungs­gesuch innert der Frist gestellt wird.
⁴ Gegen die Eröffnung des Schlussprotokolls und seinen Inhalt ist kei­ne Beschwerde zulässig. Die Ablehnung eines Antrages auf Ergän­zung der Untersuchung kann nur in Verbindung mit dem Straf­­­bescheid angefochten werden.
⁵ …⁵⁶
⁵⁶ Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 2018, mit Wirkung seit 1. Jan. 2020 ( AS 2019 4417 ; BBl 2015 8901 ).

Dritter Unterabschnitt: Entscheid der Verwaltung

A. Art des Ent­scheids

I. Im Straf­­verfah­ren
Art. 62
¹ Die Verwaltung erlässt einen Strafbescheid oder stellt das Verfahren ein; vorbehalten bleibt die Überweisung zur gerichtlichen Beurteilung (Art. 21 Abs. 1 und 3).
² Die Einstellung des Verfahrens ist allen Personen mitzuteilen, die als Beschuldigte am bisherigen Verfahren teilgenommen haben. Eine mündlich mitgeteilte Einstellung ist auf Verlangen schriftlich zu bestä­tigen.
II. Über die Lei­stungs- oder Rück­leistungs­pflicht
Art. 63
¹ Die nachzuentrichtenden oder zurückzuerstattenden Abgaben, Ver­gütungen, Beiträge, Forderungsbeträge und Zinsen werden gemäss den Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften des betreffenden Ver­wal­tungsgesetzes geltend gemacht.
² Ist die Verwaltung befugt, über die Leistungs- und Rückleistungs­pflicht zu entscheiden, so kann sie ihren Entscheid mit dem Straf­­bescheid verbinden; der Entscheid unterliegt aber in jedem Falle der Überprüfung nur in dem Verfahren, welches das betreffende Ver­wal­tungsgesetz für seine Anfechtung vorsieht, und hat die ent­sprechende Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.
³ Fusst ein Strafbescheid auf einem Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht und wird lediglich dieser nach Absatz 2 ange­fochten und in der Folge geändert oder aufgehoben, so entscheidet die Verwaltung neu gemäss Artikel 62.

B. Strafbescheid

I. Im ordent­lichen Verfahren
Art. 64
¹ Der Strafbescheid ist schriftlich zu erlassen und stellt fest:
– den Beschuldigten;
– die Tat;
– die gesetzlichen Bestimmungen, die angewendet werden;
– die Strafe, die Mithaftung nach Artikel 12 Absatz 3 und die beson­deren Massnahmen;
– die Kosten;
– die Verfügung über beschlagnahmte Gegenstände;
– das Rechtsmittel.
² Weicht der Strafbescheid zum Nachteil des Beschuldigten wesent­lich vom Schlussprotokoll ab, so sind diese Abweichungen anzugeben und kurz zu begründen.
³ …⁵⁷
⁵⁷ Aufgehoben durch Anhang Ziff. 2 des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 2018, mit Wirkung seit 1. Jan. 2020 ( AS 2019 4417 ; BBl 2015 8901 ).
II. Im abgekürz­ten Verfahren
Art. 65
¹ Ist die Widerhandlung offenkundig, beträgt die Busse nicht mehr als 2000 Franken und verzichtet der Beschuldigte nach Bekanntgabe der Höhe der Busse und der Leistungs- oder Rückleistungspflicht aus­drücklich auf jedes Rechtsmittel, so kann der Strafbescheid ohne vorherige Aufnahme eines Schlussprotokolls erlassen werden.⁵⁸
² Der vom Beschuldigten und dem untersuchenden Beamten unter­zeichnete Strafbescheid im abgekürzten Verfahren steht einem rechts­kräftigen Urteil gleich; verwei­gert der Beschuldigte die Unter­zeich­nung, so fällt der gemäss Absatz 1 erlassene Strafbescheid dahin.
⁵⁸ Fassung gemäss Anhang Ziff. 3 des Zollgesetzes vom 18. März 2005, in Kraft seit 1. Mai 2007 ( AS 2007 1411 ; BBl 2004 567 ).
III. Selbständige Einziehung
Art. 66
¹ Führt das Strafverfahren nicht zu einem Strafbescheid oder zur Über­weisung des Beschuldigten an das Strafgericht, sind aber nach Gesetz Gegenstände oder Vermögenswerte einzuziehen, Geschenke oder andere Zuwendungen verfallen zu erklären oder ist an Stelle einer sol­chen Massnahme auf eine Ersatzforderung zu erkennen, so wird ein selbständiger Einziehungsbescheid erlassen.
² Ein solcher Bescheid wird auch dann erlassen, wenn die Massnahme andere Personen als den Beschuldigten beschwert.
³ Artikel 64 gilt sinngemäss. Der Einziehungsbescheid ist den unmit­telbar Betroffenen zu eröffnen.

C. Einsprache

I. Einreichung
Art. 67
¹ Gegen den Straf- oder Einziehungsbescheid kann der Betroffene innert 30 Tagen seit der Eröffnung Einsprache erheben.
² Wird innert der gesetzlichen Frist nicht Einsprache erhoben, so steht der Straf- oder Einziehungsbescheid einem rechtskräftigen Urteil gleich.
II. Einreiche­stelle und Form
Art. 68
¹ Die Einsprache ist schriftlich bei der Verwaltung einzureichen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
² Die Einsprache hat einen bestimmten Antrag zu enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen anzugeben; die Beweismittel sollen bezeichnet und, soweit möglich, beigelegt werden.
³ Genügt die Einsprache den in Absatz 2 umschriebenen Anforde­run­gen nicht, oder lassen die Begehren des Einsprechers oder deren Be­gründung die nötige Klarheit vermissen und stellt sich die Ein­sprache nicht als offensichtlich unzulässig heraus, so wird dem Ein­sprecher eine kurze Nachfrist zur Verbesserung eingeräumt.
⁴ Die Verwaltung verbindet diese Nachfrist mit der Androhung, nach unbenutztem Fristablauf auf Grund der Akten zu entscheiden oder, wenn Begehren, Begründung oder Unterschrift fehlen, auf die Ein­sprache nicht einzutreten.
III. Verfahren
Art. 69
¹ Ist Einsprache erhoben, so hat die Verwaltung den angefochtenen Bescheid mit Wirkung für alle durch ihn Betroffenen zu überprüfen; sie kann eine mündliche Verhandlung anordnen und die Untersuchung ergänzen.
² Fusst der angefochtene Bescheid auf einem Entscheid über die Lei­s­tungs- oder Rückleistungspflicht und ist dieser angefochten wor­den, so wird, bis darüber rechtskräftig entschieden ist, das Einsprache­ver­fahren ausgesetzt.
IV. Straf­verfügung
Art. 70
¹ Auf Grund der Ergebnisse ihrer neuen Prüfung trifft die Verwaltung eine Einstellungs-, Straf- oder Einziehungsverfügung. Sie ist dabei nicht an die gestellten Anträge gebunden, darf jedoch die Strafe gegenüber dem Strafbescheid nur dann verschärfen, wenn im Verfah­ren nach Artikel 63 Absatz 2 auf eine höhere Leistungs- oder Rück­­leis­tungspflicht erkannt worden ist. In diesem Fall ist ein Rückzug der Einsprache unbeachtlich.
² Die Verfügung ist zu begründen; im Übrigen gelten die Vorschriften von Artikel 64 über Inhalt und Eröffnung des Strafbescheides sinn­gemäss.
V. Überspringen des Einspra­che­verfahrens
Art. 71
Auf Antrag oder mit Zustimmung des Einsprechers kann die Ver­wal­tung eine Einsprache als Begehren um Beurteilung durch das Straf­gericht behandeln.

D. Begehren um gerichtliche Be­urteilung

Art. 72
¹ Der von der Straf- oder Einziehungsverfügung Betroffene kann innert zehn Tagen seit der Eröffnung die Beurteilung durch das Straf­ge­richt verlangen.
² Das Begehren um gerichtliche Beurteilung ist schriftlich bei der Ver­waltung einzu­reichen, welche die Straf- oder Einziehungsverfügung getroffen hat.
³ Wird innert der gesetzlichen Frist die Beurteilung durch das Straf­­gericht nicht verlangt, so steht die Straf- oder Einziehungsverfügung ei­nem rechtskräftigen Urteil gleich.

Dritter Abschnitt: Gerichtliches Verfahren

A. Verfahren vor den kantonalen Gerichten

I. Einleitung

Art. 73
¹ Ist die gerichtliche Beurteilung verlangt worden oder hält das übergeordnete Departement die Voraussetzungen einer Freiheitsstrafe, einer freiheitsentziehenden Massnahme oder einer Landesverweisung nach Artikel 66 a oder 66 a bis des Strafgesetzbuchs⁵⁹ für gegeben, so überweist die beteiligte Verwaltung die Akten der kantonalen Staats­anwaltschaft zuhanden des zuständigen Strafgerichts.⁶⁰ Solange über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht, die dem Strafverfahren zugrunde liegt, nicht rechtskräftig entschieden oder sie nicht durch vorbehaltlose Zah­lung anerkannt ist, unterbleibt die Überweisung.
² Die Überweisung gilt als Anklage. Sie hat den Sachverhalt und die anwendbaren Strafbestimmungen zu enthalten oder auf die Strafver­fü­gung zu verweisen.
³ Eine Untersuchung gemäss StPO⁶¹ findet nicht statt; vorbehalten bleibt die Ergänzung der Akten gemäss Artikel 75 Absatz 2.⁶²
⁵⁹ SR 311.0
⁶⁰ Fassung gemäss Anhang Ziff. 6 des BG vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), in Kraft seit 1. Okt. 2016 ( AS 2016 2329 ; BBl 2013 5975 ).
⁶¹ SR 312.0
⁶² Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

II. Parteien

Art. 74
¹ Parteien im gerichtlichen Verfahren sind der Beschuldigte, die Staatsanwaltschaft des betreffenden Kantons oder des Bundes und die beteiligte Verwaltung.⁶³
² Dem von der Einziehung Betroffenen stehen die gleichen Partei­rechte und Rechtsmittel zu wie einem Beschuldigten.
⁶³ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

III. Vorbereitung der Haupt­ver­handlung

Art. 75
¹ Das Gericht gibt den Parteien vom Eingang der Akten Kenntnis. Es prüft, ob ein rechtzeitig eingereichtes Begehren um gerichtliche Beur­teilung vorliegt.
² Das Gericht kann von sich aus oder auf Antrag einer Partei die Akten vor der Hauptverhandlung ergänzen oder ergänzen lassen.
³ Die Parteien sind rechtzeitig von der Hauptverhandlung zu benach­richtigen.
⁴ Die Vertreter der Staatsanwaltschaft des Bundes und der Verwaltung müssen nicht persönlich erscheinen.⁶⁴
⁵ Der Beschuldigte kann auf sein Ersuchen vom Erscheinen befreit werden.
⁶⁴ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

IV. Säumnis­urteil

Art. 76
¹ Die Hauptverhandlung kann auch stattfinden, wenn der Beschuldigte trotz ordnungsgemässer Vorladung ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen ist. Ein Verteidiger ist zuzulassen.
² Der in Abwesenheit Verurteilte kann innert zehn Tagen, seitdem ihm das Urteil zur Kenntnis gelangt ist, die Wiedereinsetzung anbegehren, wenn er durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Wird das Gesuch bewilligt, so findet eine neue Hauptverhandlung statt.
³ Das Gesuch um Wiedereinsetzung hemmt den Vollzug des Urteils nur, wenn das Gericht oder sein Präsident es verfügt.
⁴ Für den von der Einziehung Betroffenen gelten diese Vorschriften sinngemäss.

V. Haupt­­verhandlung

Art. 77
¹ Die Akten der Verwaltung über die von ihr erhobenen Beweise die­nen auch dem Gericht als Beweismittel; dieses kann von sich aus oder auf Antrag einer Partei weitere zur Aufklärung des Sachverhalts erfor­derliche Beweise aufnehmen oder Beweisaufnahmen der Ver­waltung wiederholen.
² Wo es zur Wahrung wesentlicher öffentlicher oder privater Inter­es­sen, insbesondere von Amts-, Berufs- oder Geschäftsgeheimnissen einer Partei oder eines Dritten nötig ist, hat das Gericht die Öffentlich­keit der Verhandlungen und Beratungen ganz oder teil­weise auszu­schliessen.
³ Das Gericht würdigt die Beweise frei.
⁴ Der rechtskräftige Entscheid über die Leistungs- oder Rücklei­stungs­pflicht ist für das Gericht verbindlich; handelt es sich um einen Ent­scheid der Verwaltung und findet das Gericht, er beruhe auf of­fen­sichtlicher Gesetzesverletzung oder auf einem Ermessensmiss­brauch, so setzt es die Hauptverhandlung aus und weist die Akten zum neuen Entscheid an die beteiligte Verwaltung zurück. Artikel 63 Ab­satz 3 gilt sinngemäss.

VI. Rückzug der Strafverfügung oder des Begeh­rens um gericht­liche Beurteilung

Art. 78
¹ Die Verwaltung kann die Straf- oder Einziehungsverfügung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft des Bundes zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz nicht eröffnet ist.⁶⁵
² Bis zu diesem Zeitpunkte kann auch der Beschuldigte das Begehren um gerichtliche Beurteilung zurückziehen.
³ In diesen Fällen wird das gerichtliche Verfahren eingestellt.
⁴ Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt die Partei, die den Rückzug erklärt.
⁶⁵ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

VII. Inhalt des Urteils

Art. 79
¹ Das Urteil stellt fest:
– den Beschuldigten;
– die Tat;
– die gesetzlichen Bestimmungen, die angewendet werden;
– die Strafe, die Mithaftung nach Artikel 12 Absatz 3 und die beson­deren Massnahmen;
– die Kosten des gerichtlichen und des Verwaltungsverfahrens;
– den Entschädigungsanspruch (Art. 99 und 101);
– die Verfügung über beschlagnahmte Gegenstände.
² Das Urteil ist mit den wesentlichen Entscheidungsgründen den Par­teien schriftlich zu eröffnen, unter Angabe der Fristen für die Rechts­mittel und der Behörden, an die es weitergezogen werden kann.

VIII. Rechts-mittel

Art. 80 ⁶⁶
¹ Gegen Entscheide der kantonalen Gerichte können die Rechtsmittel der StPO⁶⁷ ergriffen werden.
² Auch die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung können diese Rechtsmittel je selbstständig ergreifen.
⁶⁶ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
⁶⁷ SR 312.0

B. Verfahren vor dem Bundes­straf­gericht

Art. 81
Die Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren gelten sinngemäss auch für das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht.

C. Ergänzende Vorschriften

Art. 82 ⁶⁸
Soweit die Artikel 73–81 nichts anderes bestimmen, gelten für das Verfahren vor den kantonalen Gerichten und das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht die entsprechenden Vorschriften der StPO⁶⁹.
⁶⁸ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
⁶⁹ SR 312.0
Art. 83 ⁷⁰
⁷⁰ Aufgehoben durch Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

Vierter Abschnitt: Revision

A. Entscheide der Verwaltung

I. Revisions­gründe

Art. 84
¹ Ein durch Strafbescheid, Strafverfügung oder Einstellungsverfügung der Verwaltung rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren kann auf Antrag oder von Amtes wegen wieder aufgenommen werden:
a. auf Grund erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die der Ver­waltung zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren;
b. wenn nachträglich gegen einen Teilnehmer ein Strafurteil aus­ge­fällt wurde, das mit dem Strafbescheid oder der Straf­ver­fü­gung in unvereinbarem Widerspruch steht;
c. wenn durch eine strafbare Handlung auf den Entscheid der Ver­waltung eingewirkt worden ist.
² Die Revision zugunsten des Beschuldigten ist jederzeit zulässig. Einer neuen Verurteilung steht die nach der Rechtskraft des beanstan­de­ten Entscheids eingetretene Verfolgungsverjährung nicht entgegen.
³ Die Revision zu Ungunsten des Beschuldigten ist nur zulässig auf Grund von Absatz 1 Buchstaben a und c und solange die Verfolgung der Wider­handlung nicht verjährt ist. Die Verjährung beginnt mit der Widerhandlung zu laufen; der frühere Entscheid ist kein Unterbre­chungsgrund.
⁴ Für den Einziehungsbescheid und die Einziehungsverfügung gelten die Vorschriften der Artikel 84–88 sinngemäss.

II. Einleitung des Verfahrens

1. Auf Antrag
Art. 85
¹ Die Revision können nachsuchen der Beschuldigte und, wenn er verstorben ist, sein Ehegatte, seine eingetragene Partnerin oder sein eingetragener Partner, seine Verwandten in gerader Linie und seine Geschwister.⁷¹
² Das Revisionsgesuch ist schriftlich und unter Angabe der Gründe und Beweismittel bei der Verwaltung einzureichen, die den be­anstan­deten Entscheid getroffen hat.
³ Das Gesuch hemmt den Vollzug des beanstandeten Entscheides nur, wenn die Verwaltung es verfügt; sie kann den Vollzug gegen Sicher­heitsleistung aufschieben oder andere vorsorgliche Verfügungen tref­fen.
⁴ Die Verwaltung kann die Untersuchung ergänzen und eine münd­­liche Verhandlung anordnen.
⁷¹ Fassung gemäss Anhang Ziff. 21 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 ( AS 2005 5685 ; BBl 2003 1288 ).
2. Von Amtes wegen
Art. 86
Leitet die Verwaltung die Revision von Amtes wegen ein, so kann sie die Untersuchung wieder eröffnen; den Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, sich zum Revisionsgrund und zu der in Aussicht genommenen Änderung des Entscheides zu äussern.

III. Entscheid

1. Aufhebung des früheren Entscheides
Art. 87
¹ Liegt ein Revisionsgrund vor, so hebt die Verwaltung den früheren Entscheid auf und trifft eine Einstellungs-, Straf- oder Einziehungs­ver­fügung; sie entscheidet gleichzeitig über die Rückleistung von Bussen, Kosten und eingezogenen Vermögenswerten. Vorbehalten bleibt die Überweisung zur gerichtlichen Beurteilung (Art. 21 Abs. 1 und 3).
² Die Verfügung ist zu begründen; im Übrigen gilt Artikel 64 über Inhalt und Eröffnung des Strafbescheides sinngemäss.
³ Gegen die Straf- oder Einziehungsverfügung kann gemäss Artikel 72 die gerichtliche Beurteilung verlangt werden.
⁴ Der richterlichen Überprüfung unterliegt auch das Vorliegen eines Revisionsgrundes im Sinne von Artikel 84.
2. Verneinung des Revisions­grundes
Art. 88
¹ Liegt kein Revisionsgrund vor, so trifft die Verwaltung einen ent­sprechenden Entscheid.
² Bei Abweisung eines Revisionsgesuches können die Verfahrens­kosten dem Gesuchsteller auferlegt werden.
³ Der Entscheid ist zu begründen und den am Revisionsverfahren Beteiligten durch eingeschriebenen Brief zu eröffnen.
⁴ Der Gesuchsteller kann gegen den abweisenden Entscheid innert 30 Tagen seit der Eröffnung bei der Beschwerdekammer des Bundes­strafgerichts Beschwerde führen (Art. 25 Abs. 1); die Verfahrensvor­schriften von Artikel 28 Absätze 2–5 gelten sinngemäss.

B. Urteile der Strafgerichte

Art. 89 ⁷²
Für die Revision rechtskräftiger Urteile kantonaler Gerichte oder des Bundesstrafgerichts gelten die Artikel 379–392 sowie die Artikel 410–415 StPO⁷³.
⁷² Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).
⁷³ SR 312.0

Fünfter Abschnitt: Vollzug

A. Zuständigkeit

Art. 90
¹ Die Bescheide und Verfügungen der Verwaltung und die Urteile der Strafgerichte, soweit diese nicht auf Freiheitsstrafen oder freiheitsent­ziehende Massnahmen lauten, werden von der beteiligten Verwaltung vollstreckt.
² Die Kantone vollziehen die Freiheitsstrafen und die freiheits­entzie­henden Massnahmen. Der Bund hat die Oberaufsicht über den Voll­zug.

B. Vollstreckung von Bussen

Art. 91
¹ Soweit die Busse nicht eingebracht werden kann, wird sie auf Antrag der Verwaltung nach Artikel 10 in Haft oder Einschliessung um­ge­wandelt.
² Zuständig zur Umwandlung ist der Richter, der die Widerhandlung beurteilt hat oder zur Beurteilung zuständig gewesen wäre (Art. 22 und 23 Abs. 2).

C. Rückgabe be­schlagnahmter Gegenstände; Verwertung

Art. 92
¹ Mit Beschlag belegte Gegenstände und Vermögenswerte, die weder eingezogen noch dem Staate verfallen sind und an denen nicht ein gesetzliches Pfandrecht besteht, sind dem Berechtigten zurückzu­geben. Wenn dieser nicht bekannt ist und der Wert der Gegenstände es recht­fertigt, erfolgt eine öffentliche Ausschreibung.
² Meldet sich innert 30 Tagen kein Berechtigter, so kann die Ver­wal­tung die Gegenstände öffentlich versteigern lassen. Meldet sich der Berechtigte nach der Verwertung, so wird ihm der Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten ausgehändigt.
³ Der Anspruch auf Rückgabe der Gegenstände oder Aushändigung des Erlöses erlischt fünf Jahre nach der öffentlichen Ausschreibung.
⁴ Ist streitig, welchem von mehreren Ansprechern die Sache zurück­zu­geben oder der Erlös auszuhändigen sei, so kann sich die Ver­wal­tung durch gerichtliche Hinterlegung befreien.

D. Verwendung der Bussen, ein­gezogenen Ver­mögenswerte usw.

Art. 93
¹ Wenn die Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, fallen Bussen, eingezogene Gegenstände, Vermögenswerte, Geschenke und andere Zuwendungen, als Massnahme auferlegte Geldzahlungen sowie der Erlös aus den eingezogenen oder nach Artikel 92 verwerteten Gegen­ständen dem Bunde zu.
² Lehnt die beteiligte Verwaltung einen nach Artikel 59 Ziffer 1 Absatz 2 des Strafgesetzbuches⁷⁴ beanspruchten Anteil am Verwer­tungserlös eines eingezogenen Gegenstandes oder Vermögenswertes ab, so erlässt sie eine Verfügung nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968⁷⁵ über das Verwaltungsverfahren.⁷⁶
⁷⁴ SR 311.0 . Heute: nach Art. 70 Abs. 1.
⁷⁵ SR 172.021
⁷⁶ Fassung gemäss Anhang Ziff. 10 des Strafgerichtsgesetzes vom 4. Okt. 2002, in Kraft seit 1. April 2004 ( AS 2003 2133 2131 ; BBl 2001 4202 ).

Sechster Abschnitt: Kosten, Entschädigung und Rückgriff

A. Kosten

I. Im Verfahren der Verwaltung

1. Arten
Art. 94
¹ Die Kosten des Verfahrens der Verwaltung bestehen in den Bar­­auslagen, mit Einschluss der Kosten der Untersuchungshaft und der amt­lichen Verteidigung, in einer Spruchgebühr und in den Schreib­gebüh­ren.
² Die Höhe der Spruch- und der Schreibgebühr bestimmt sich nach einem vom Bundesrat aufzustellenden Tarif.
2. Auferlegung
Art. 95
¹ Im Entscheid der Verwaltung werden die Kosten in der Regel dem Verurteilten auferlegt; aus Gründen der Billigkeit kann er von ihnen ganz oder teilweise befreit werden.
² Wird das Verfahren eingestellt, so können dem Beschuldigten Kos­ten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn er die Unter­suchung schuldhaft verursacht oder das Verfahren mutwillig wesentlich erschwert oder verlängert hat.
³ Mehrere Beschuldigte haften solidarisch für die Kosten, wenn der Straf­bescheid oder die Strafverfügung nichts anderes bestimmt.
3. Beschwerde gegen Kosten­­erkenntnis
Art. 96
¹ Der mit Kosten beschwerte Beschuldigte kann, wenn das Verfahren eingestellt wurde oder wenn er die gerichtliche Beurteilung nicht ver­langt, gegen das Kostenerkenntnis innert 30 Tagen seit Eröffnung des Entscheides bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde führen (Art. 25 Abs. 1); die Verfahrensvorschriften von Artikel 28 Ab­sätze 2–5 gelten sinngemäss.
² Wird innert der gesetzlichen Frist keine Beschwerde eingereicht oder eine Beschwerde abgewiesen, so steht das Kostenerkenntnis einem gerichtlichen Urteil gleich.

II. Im gericht­lichen Verfahren

Art. 97
¹ Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und deren Verlegung bestimmen sich, vorbehältlich Artikel 78 Absatz 4, nach den Artikeln 417–428 StPO⁷⁷.⁷⁸
² Im Urteil können die Kosten des Verfahrens der Verwaltung gleich wie die Kosten des gerichtlichen Verfahrens verlegt werden.
⁷⁷ SR 312.0
⁷⁸ Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 11 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 ( AS 2010 1881 ; BBl 2006 1085 ).

III. Kosten­­ver­gütung an den Kan­ton

Art. 98
¹ Der Kanton kann vom Bund die Erstattung der Prozess- und Voll­zugskosten fordern, zu denen der Beschuldigte nicht verurteilt worden ist oder die der Verurteilte nicht bezahlen kann. Besoldungen und Taggelder von Beamten sowie Gebühren und Stempel sind aus­ge­nommen.
¹bis Sind durch die Übertragung von Verfahren nach Artikel 20 Absatz 3 ausserordentliche Kosten entstanden, so kann der Bund sie den Kantonen auf Gesuch hin ganz oder teilweise vergüten.⁷⁹
² Anstände zwischen dem Bund und einem Kanton über die Ver­gü­tung der Kosten entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstraf­gerichts (Art. 25 Abs. 1).
⁷⁹ Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. Dez. 1999, in Kraft seit 1. Okt. 2000 ( AS 2000 2141 ; BBl 1998 1529 ).

B. Entschädi­gung

I. Im Verfahren der Verwaltung

1. Anspruch
Art. 99
¹ Dem Beschuldigten, gegen den das Verfahren eingestellt oder der nur wegen Ordnungswidrigkeit bestraft wird, ist auf Begehren eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, auszurichten; sie kann jedoch ganz oder teilweise verweigert werden, wenn er die Untersuchung schuldhaft verursacht oder das Verfahren mutwillig erschwert oder verlängert hat.
² Dem Inhaber eines beschlagnahmten Gegenstandes oder einer durch­suchten Wohnung, der nicht als Beschuldigter ins Verfahren ein­bezo­gen worden ist, steht ein Anspruch auf Entschädigung zu, insoweit er unverschuldet einen Nachteil erlitten hat.
³ Die Entschädigung geht zu Lasten des Bundes.
2. Geltend­­machung
Art. 100
¹ Der Entschädigungsanspruch des Beschuldigten erlischt, wenn er nicht innert eines Jahres nach Eröffnung der Einstellung oder nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheides geltend gemacht wird.
² Der Entschädigungsanspruch nach Artikel 99 Absatz 2 erlischt, wenn er nicht innert eines Jahres seit der Durchsuchung oder, im Falle einer Beschlagnahme, seit der Rückgabe des beschlagnahmten Gegen­stan­des oder der Aushändigung des Verwertungserlöses geltend ge­macht wird.
³ Das Entschädigungsbegehren ist der beteiligten Verwaltung schrift­lich einzureichen und hat einen bestimmten Antrag sowie dessen Begründung zu enthalten.
⁴ Über das Begehren trifft die Verwaltung spätestens innert drei Mona­ten einen Entscheid. Gegen den Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Eröffnung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafge­richts Beschwerde geführt werden (Art. 25 Abs. 1); die Verfahrensvor­schriften von Artikel 28 Absätze 2–5 gelten sinnge­mäss.

II. Im gericht­lichen Verfahren

Art. 101
¹ Im gerichtlichen Verfahren gilt Artikel 99 sinngemäss. Das Gericht entscheidet auch über die Entschädigung für Nachteile im Verfahren vor der Verwaltung.
² Bevor das Gericht eine Entschädigung festsetzt, hat es der beteiligten Verwaltung Gelegenheit zu geben, sich zum Anspruch und seiner Höhe zu äussern und Anträge zu stellen.

III. Rückgriffs­anspruch

Art. 102
¹ Wer das Verfahren durch Arglist veranlasst hat, kann verpflichtet werden, dem Bunde die nach Artikel 99 oder 101 auszurichtenden Entschädigungen ganz oder teilweise zu ersetzen.
² Über den Rückgriffsanspruch entscheidet die beteiligte Verwaltung.
³ Gegen den Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Eröffnung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden (Art. 25 Abs. 1); die Verfahrensvorschriften von Artikel 28 Ab­sätze 2–5 gelten sinngemäss. Wird innert der gesetzlichen Frist nicht Be­schwerde erhoben, so steht der Entscheid einem rechtskräfti­gen Urteil gleich.
⁴ Der Rückgriffsanspruch erlischt, wenn er nicht innert drei Monaten seit Rechtskraft des Entscheids oder Urteils über den Entschä­di­gungs­anspruch geltend gemacht wird.

Siebenter Abschnitt: Abwesenheitsverfahren

Art. 103
¹ Ist der Beschuldigte, ohne in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu haben, unbekannten Aufenthaltes, so kann das Verfahren von der Ver­waltung und den Gerichten in seiner Abwesenheit durchgeführt wer­den. Artikel 34 Absatz 2 ist anwendbar.
² Wenn der Beschuldigte sich stellt oder ergriffen wird, so kann er innert 30 Tagen, seitdem er vom Strafbescheid, von der Straf­verfü­gung oder vom Urteil Kenntnis erhalten hat, bei der Behörde, die zuletzt gesprochen hat, die Wiedereinsetzung verlangen.
³ Wird das Gesuch rechtzeitig gestellt, so ist das ordentliche Verfahren durchzuführen.
⁴ Bei Einziehung und Umwandlung der Busse in Freiheitsstrafe gelten die Absätze 1–3 sinngemäss.

Vierter Titel: Schlussbestimmungen

A. Änderung von Bundeser­lassen

Art. 104
¹ Änderungen des geltenden Bundesrechts finden sich im Anhang, der Bestandteil dieses Gesetzes ist.
² Der Bundesrat wird ermächtigt, die Vollziehungsverordnung vom 27. November 1934⁸⁰ zum Bundesratsbeschluss vom 4. August 1934 über die eidgenössische Getränkesteuer diesem Gesetz anzupassen.
⁸⁰ [BS 6 283; AS 1974 1955 , 2007 1469 Anhang 4 Ziff. 27. AS 2007 2909 Art. 23 Ziff. 1]. Siehe heute: die Biersteuerverordnung vom 15. Juni 2007 ( SR 641.411.1 ).

B. Neue Zu­stän­digkeiten

Art. 105
Wo nach bisherigem Recht Strafverfügungen vom Bundesrat auszu­­gehen hatten, wird diese Zuständigkeit den Departementen zuge­wie­sen; der Bundesrat kann sie auf die den Departementen unmittelbar nach­geordneten Amtsstellen übertragen.

C. Übergangs­bestimmungen

Art. 106
¹ Strafverfahren, in denen die Strafverfügung der Verwaltung nach Artikel 293 oder 324 des Bundesstrafrechts­pflegegesetzes vom 15. Juni 1934⁸¹ vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften getroffen worden ist, werden nach bisherigem Recht fortgesetzt.
² Strafbarkeit und Mithaftung des Vertretenen, Auftraggebers oder Geschäftsherrn wegen Widerhandlungen, die vor Inkrafttreten dieses Ge­setzes begangen worden sind, richten sich ausschliesslich nach dem alten Recht.
⁸¹ [BS 3 303; AS 1971 777 Ziff. III 4, 1974 1857 Anhang Ziff. 2, 1978 688 Art. 88 Ziff. 4, 1979 1170 , 1992 288 Anhang Ziff. 15 2465 Anhang Ziff. 2, 1993 1993 , 1997 2465 Anhang Ziff. 7, 2000 505 Ziff. I 3 2719 Ziff. II 3 2725 Ziff. II, 2001 118 Ziff. I 3 3071 Ziff. II 1 3096 Anhang Ziff. 2 3308, 2003 2133 Anhang Ziff. 9, 2004 1633 Ziff. I 4, 2005 5685 Anhang Ziff. 19, 2006 1205 Anhang Ziff. 10, 2007 6087 , 2008 1607 Anhang Ziff. 1 4989 Anhang 1 Ziff. 6 5463 Anhang Ziff. 3, 2009 6605 Anhang Ziff. II 3. AS 2010 1881 Anhang 1 Ziff. I 1]

D. Ausführung. Inkrafttreten

Art. 107
¹ Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.
² Er bestimmt das Inkrafttreten dieses Gesetzes.
Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 1975⁸²
⁸² BRB vom 25. Nov. 1974

Anhang

Änderung von Bundeserlassen

…⁸³
⁸³ Die Änd. können unter AS 1974 1857 konsultiert werden.
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