Abkommen (0.513.245.41)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Italienischen Republik über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft Abgeschlossen am 31. Januar 2006 Von der Bundesversammlung genehmigt am 5. Dezember 2005² In Kraft getreten durch Notenaustausch am 8. Februar 2006 (Stand am 30. Mai 2006) ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der italienischen Ausgabe dieser Sammlung. ² AS 2006 2037
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Italienischen Republik,
nachfolgend die Parteien genannt,
in Anbetracht des Übereinkommens vom 19. Juni 1995³ zwischen den Vertrags­staaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen (PfP-Trup­penstatut) und des Zusatzprotokolls vom 19. Juni 1995⁴ zum Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen, von Italien ratifiziert am 23. September 1998, in Kraft getreten am 23. Oktober 1998, von der Schweiz ratifiziert am 9. April 2003, in Kraft getreten am 9. Mai 2003,
unter Hinweis auf die strategische Bedeutung des Luftraums für die Sicherheit jedes Staates und seiner Umgebung,
im Wunsch, einen geeigneten Rahmen für die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums festzulegen,
haben Folgendes vereinbart:
³ SR 0.510.1 ⁴ SR 0.510.11
Art. 1 Begriffsbestimmungen
In diesem Abkommen gelten folgende Begriffe:
1.   Gegenseitiges Interessengebiet : bezeichnet den Luftraum über den Gebieten der Parteien;
2.   Nichtmilitärische Bedrohung aus der Luft : bezeichnet ein Luftfahrzeug, das unter feindliche Kontrolle geraten ist, oder ein zu feindlichen Zwecken genutztes ziviles Luftfahrzeug;
3.   Allgemeine Massnahmen zur Sicherung des Luftraums : bezeichnen die Identi­fizierung mit Hilfe von technischen Mitteln und die Klassifizierung;
4.   Aktive Massnahmen zur Sicherung des Luftraums bezeichnet:
a) die Überwachung,
b) die Befragung,
c) die Identifikation,
d) den Begleitschutz,
e) die Abschreckung durch Massnahmen in Übereinstimmung mit den Vor­gaben der ICAO, die in einer Ausführungsvereinbarung näher zu definieren sind,
f) die Intervention (die Erzwingung der Einhaltung der Flugroute und die Erzwingung der Landung);
5.  Aufnahmepartei: bezeichnet die Partei, in deren nationalem Luftraum die Ausführungsmassnahmen dieses Abkommens zum Tragen kommen;
6.   Entsendepartei : bezeichnet die Partei, der das im Rahmen dieses Abkommens eingesetzte militärische Luftfahrzeug gehört.
Art. 2 Gegenstand
1.  Dieses Abkommen hat zum Ziel, den Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen den Parteien im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft festzulegen. Diese Zusammenarbeit dient dazu:
– den systematischen Austausch von Auskünften zu fördern, die zu einer Erweiterung der Kenntnisse jeder Partei insbesondere über die allgemeinen Luftlagesituation beitragen;
– die Interventionskapazitäten der Parteien gegenüber einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft zu erhöhen.
2.  Im Rahmen dieses Abkommens bemüht sich jede Partei:
a) die Luftannäherungen an das gegenseitige Interessengebiet der Parteien zu überwachen und die in Artikel 1 Absätze 3 und 4 festgelegten Massnahmen zu ergreifen;
b) die Bedrohung auszumachen und zu evaluieren;
c) den Regierungsbehörden und dem Militärkommando der anderen Partei die Elemente der Luftlagesituation zu liefern, dank denen sie die ihnen obliegenden Entscheidungen treffen können;
d) einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft im gegenseitigen Interessengebiet vorzubeugen und darauf zu reagieren, dies unter Ergreifung der in Artikel 1 Absätze 3 und 4 festgelegten Massnahmen zur Sicherung des Luftraums.
Art. 3 Souveränität
Die in diesem Abkommen vorgesehene Zusammenarbeit erfolgt unter gegenseitiger Beachtung der nationalen Souveränität jeder Partei.
Art. 4 Zusammenarbeit
1.  Die im Rahmen dieses Abkommens getroffenen Anordnungen betreffen:
a) sämtliche militärischen Mittel der Parteien, die zur Sicherung des Luftraums beitragen;
b) sämtliche Massnahmen, die eine illegale Nutzung des gegenseitigen Interessengebietes im Zusammenhang mit einer nichtmilitärischen Bedrohung aus der Luft verhindern. Sie umfassen: – den Transit und den Warteraum eines jeden Luftfahrzeuges einer der Parteien im nationalen Luftraum der anderen Partei,
– die Kursänderung und den erneuten Einsatz eines jeden Luftfahrzeuges einer der Parteien auf einem Flughafen der anderen Partei,
– die Luftbetankung von Luftfahrzeugen der beiden Parteien im Luftraum einer Partei,
– die Kontrolle von Luftfahrzeugen der beiden Parteien durch ein Organ zur Luftraumkontrolle der anderen Partei,
– das Verladen von Personal oder Ausrüstungen der Parteien an Bord eines Luftfahrzeuges der anderen Partei, sobald deren Anwesenheit durch einen operationellen Grund gerechtfertigt ist,
– die in Artikel 1 Absätze 3 und 4 festgelegten Massnahmen zur Sicherung des Luftraums.
2.  Die Parteien legen die Massnahmen zur Ausführung und Umsetzung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Luftraum in gemeinsamer Absprache mittels Abschluss von nachgeordneten Ausführungsvereinbarungen fest.
Art. 5 Einsatz
1.  Der Entscheid zum Einsatz eines Luftfahrzeuges einer der Parteien im Luftraum der anderen Partei ist der Bewilligung der zuständigen Behörde der Entsendepartei des Luftfahrzeuges unterstellt. Wird diese Bewilligung erteilt, so werden auf Anordnung der zuständigen Behörde der Aufnahmepartei sämtliche in Artikel 1 Absatz 4 festgelegten aktiven Massnahmen zur Sicherung des Luftraumes ergriffen.
Die Ergreifung von grenzüberschreitenden Massnahmen zur Sicherung des Luftraumes erfordert eine Koordination zwischen den taktischen Kommandos (TACOM) und einen Transfer der taktischen Kontrolle (TACON) der Luftverkehrsmittel der Parteien.
2.  Der Warnschuss, der die Anwendung von Waffen beinhaltet, und der Zerstörungsschuss werden von diesem Abkommen nicht erfasst und fallen (als Elemente der nationalen Hoheit und Sicherheit) ausschliesslich in den Zuständigkeitsbereich und die Kompetenz jeder Partei; sie können somit nur mit einem nationalen Interventionsmittel über nationalem Hoheitsgebiet unter nationalen Kontroll- und Ein­satzketten und nach nationaler Authentifizierung in Betracht gezogen werden.
3.  Die militärischen Mittel einer Partei können im Rahmen dieses Abkommens bei Aufbewahrung von Waffen und Munition auf dem Gebiet der anderen Partei zirkulieren.
4.  Die Parteien verpflichten sich, regelmässig grenzüberschreitende Übungen zur Sicherung des Luftraums durchzuführen.
Art. 6 Sicherung und Sicherheit von Personen und Sachen
1.  Die Sicherheit von Material, Waffen, Munition, Fahrzeugen und Luftfahrzeugen, die sich im Rahmen einer in diesem Abkommen vorgesehenen Mission im nationalen Luftraum der Aufnahmepartei befinden, wird durch die Entsendepartei gewährleistet.
2.  Die Sicherung obliegt der Aufnahmepartei. Die Streitkräfte der Entsendepartei arbeiten bei ihrem Sicherungsauftrag mit der Aufnahmepartei zusammen.
Art. 7 Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften
Die Parteien beachten die geltenden Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften und die Sicherheitsvorschriften für Material, Waffen, Munition, Fahrzeuge und Luftfahrzeuge.
Art. 8 Austausch von Informationen
Der Austausch von Informationen zur allgemeinen Luftlagesituation jeder Partei wird in einer nachgeordneten Ausführungsvereinbarung festgelegt. Die Parteien tauschen die Auskünfte und Informationen operationeller Art aus, die zu einer Erweiterung der Kenntnisse jeder Partei beitragen könnten.
Art. 9 Ausgaben
Jede Partei trägt die ihr aus der Umsetzung dieses Abkommens entstehenden Kosten.
Art. 10 Rechtsstellung der Streitkräfte
Während des Einsatzes der Streitkräfte der Parteien im Zusammenhang mit diesem Abkommen sind die Bestimmungen des Übereinkommens vom 19. Juni 1995 zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen und des Zusatzprotokolls vom 19. Juni 1995 zum Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages und den anderen an der Partnerschaft für den Frieden teilnehmenden Staaten über die Rechtsstellung ihrer Truppen anwendbar.
Art. 11 Untersuchung von Flugunfällen oder -zwischenfällen
Im Falle eines Flugunfalls oder eines Zwischenfalls im Luftraum der Aufnahmepartei, in den ein Luftfahrzeug der Entsendepartei verwickelt ist, setzt die Aufnahmepartei eine Untersuchungskommission ein, an der auch Personal der Entsendepartei teilnimmt.
Art. 12 Medizinische Unterstützung
1.  Die Mitglieder der Streitkräfte und der zivilen Elemente der Entsendepartei haben bei den militärischen oder zivilen Gesundheitsstellen der Aufnahmepartei Zugang zur erforderlichen medizinischen Pflege, und zwar zu den gleichen Bedingungen wie die Mitglieder der Streitkräfte und der zivilen Elemente der Aufnahmepartei.
2.  Die medizinischen Leistungen nach Absatz 1 gehen bis zu dem Augenblick, da der Patient heimgeschafft werden kann, zu Lasten der Aufnahmepartei; alle zusätz­lichen Pflegeleistungen gehen zu Lasten der Entsendepartei.
Art. 13 Konflikt
Jede Partei kann dieses Abkommen im Falle eines Krieges, eines Belagerungs­zustandes, einer Krise oder aus einem beliebigen anderen Grund von nationalem Interesse durch Notifizierung an die andere Partei suspendieren. Die Suspendierung kann mit sofortiger Wirkung erfolgen.
Art. 14 Beilegung von Streitigkeiten
Streitigkeiten, die sich bei der Umsetzung oder der Auslegung dieses Abkommens zwischen den Parteien ergeben könnten, werden auf dem Verhandlungsweg, ohne Beizug eines Gerichts oder internationalen Schiedsgerichts, beigelegt.
Art. 15 Schlussbestimmungen
1.  Dieses Abkommen wird von den beiden Parteien nach den jeweiligen Verfahren ratifiziert oder angenommen. Es tritt mit dem Datum des Erhalts der letzten der zwei Notifikationen in Kraft, durch welche die Parteien einander offiziell über die Erfüllung der erforderlichen innerstaatlichen Ratifikationsverfahren informieren.
2.  Das Abkommen kann im gegenseitigen Einverständnis zwischen den Parteien jederzeit geändert werden.
3.  Das Abkommen gilt für eine unbestimmte Dauer. Jede Partei kann es unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten jederzeit durch schriftliche Notifikation an die andere Partei kündigen. Die Kündigung stellt die aus der Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens entstandenen Rechte und Pflichten der beiden Parteien nicht in Frage.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten Vertreter, gebührend ermächtigt durch ihre Regierungen, das vorliegende Abkommen unterzeichnet.
Geschehen zu Rom, am 31. Januar 2006, in zwei Urschriften in italienischer Sprache die gleichermassen verbindlich sind.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die
Regierung der Italienischen Republik:

Bruno Max Spinner

Leonardo Tricarico

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