Übereinkunft (0.721.809.349.2)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkunft

mit Frankreich betreffend die Gewinnung der Wasserkräfte der Rhone zwischen dem projektierten Kraftwerk von La Plaine und einem noch zu bestimmenden Punkt oberhalb der Brücke von Pougny‑Chancy Abgeschlossen am 4. Oktober 1913 Von der Bundesversammlung genehmigt am 19. Juni 1914² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 14. Juni 1915 In Kraft getreten am 14. Juni 1915 ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ² AS 31 237
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Französischen Republik
haben infolge eines von der Stadt Genf in der Schweiz und den Herren Janin und Emile Crepel in Frankreich gleichzeitig eingereichten Konzessionsgesuches für die Benutzung der verfügbaren Wasserkraft in der Strecke, wo der Fluss die Grenze zwischen beiden Ländern bildet, sowie in der oberhalb befindlichen Strecke bis zur Einmündung des Unterwasserkanales des projektierten Kraftwerkes von La Plaine anerkannt, dass der französische Staat und der Kanton Genf gleiche Rechte über das Wasser und das Gefälle des Flusses auf der ersten Strecke besitzen und dass der Kanton Genf über diese Rechte auf der zweiten Strecke ausschliesslich verfüge, dass aber die Gewinnung dieser Wasserkraft und ihre Benutzung in einer einzigen Kraftanlage den Gegenstand einer den Unterschieden in der Gesetzgebung der beiden Staaten Rücksicht tragenden internationalen Übereinkunft bilden solle.
Infolgedessen ist vereinbart worden, dass beide Regierungen dafür besorgt sein sollen, gemeinsam die zur Schaffung des Staues nötigen Bauten auszuführen oder ausführen zu lassen und die verfügbare Wasserkraft unter sich zu verteilen und es nachher jedem Teil zu überlassen, die ihm zufallende Kraft nach seinem Ermessen und gestützt auf die Grundsätze seiner eigenen Gesetzgebung zu verwenden.
Zu diesem Zwecke sind folgende Anordnungen getroffen worden:
Art. 1
Die Konzessionsbewerber beider Staaten werden in der Rhone an einer noch zu bestimmenden Stelle, oberhalb der Brücke von Pougny‑Chancy, ein bewegliches Stauwehr errichten, mit dem ein Stau erzeugt werden kann, der sich nicht weiter als bis zur Einmündung des Unterwasserkanales des projektierten Kraftwerkes von La Plaine erstreckt.
Art. 2
Das Wehr ist so weit flussabwärts zu erstellen, als es die geologische Beschaffenheit des Bodens gestatten wird; es soll so gebaut werden, dass es den für die hydro-elektrische Kraftanlage vorteilhaftesten Bedingungen entspricht.
Die Durchflussöffnung soll genügend gross sein, um den ungehinderten Abfluss der grössten Hochwasser zu ermöglichen, ohne irgendeine Erhebung des Wasserspiegels oberhalb des im vorgehenden Artikel bestimmten Punktes zu veranlassen.
Die Wehrsohle ist ungefähr auf der Höhe der mittleren Flusssohle in der Art anzubringen, dass der Abtrieb der Geschiebe gesichert und allfällige Ablagerungen vermieden werden.
Das Wehr soll auf einer seiner Seiten so eingerichtet sein, dass später, wenn nötig, ohne Schwierigkeiten eine den Anforderungen der Schiffahrt entsprechende Schleuse eingebaut werden kann.
Art. 3
Das Ausführungsprojekt der Kraftwerke ist von den Konzessionsbewerbern aufzustellen; dasselbe ist mit der erforderlichen Begründung der Genehmigung der beiden Regierungen zu unterbreiten, die sich ausdrücklich die Aufsicht über die Bauten sowie das Recht vorbehalten, wenn es sich als nötig erweisen sollte, jegliche Abänderung an dem schon genehmigten Projekte gemeinschaftlich anzuordnen.
Art. 4
Das Wehr ist von den Konzessionären zu unterhalten und zu bedienen.
Die Bedienung der Schleusen hat nach den von beiden Regierungen vereinbarten Vorschriften in der Weise zu erfolgen, dass oberhalb des Wehres alle Überschwemmungsgefahren und allfällige Schädigungen des oberen Kraftwerkes vermieden und unterhalb die aus den Schwankungen des Wasserstandes entstehenden Nachteile soviel als möglich abgeschwächt werden.
Art. 5
Jeder der Uferstaaten erhält seinen Anteil der so geschaffenen Wasserkraft im Verhältnis des Nutzgefälles auf den ihnen gehörenden Strecken; d. h., der Kanton Genf wird berechtigt sein, über das ganze Nutzgefälle auf der Strecke, wo beide Ufer ihm gehören, zu verfügen, und jeder der beiden Uferstaaten hat das Recht auf die Hälfte der Kraft, die auf der Strecke gewonnen wird, wo das linke Ufer schweizerisch und das rechte Ufer französisch ist.
Jeder der beiden Staaten kann über die ihm zufallende Kraft verfügen, sei es, indem er sie selbst verwendet, sei es, indem er sie einem Dritten in irgendeiner Weise und unter den ihm zusagenden Bedingungen überträgt oder verpachtet.
In dem Falle, wo ein Teil der einem der beiden Staaten zufallenden Energie während einer gewissen Zeit auf seinem Gebiete keine Verwendung finden könnte, kann die derart verfügbar gewordene Kraft auf dem Gebiete des andern Staates verwendet werden, unter Vorbehalt der Möglichkeit, die abgeschlossenen Verträge nach einer Voranzeigefrist von wenigstens fünf Jahren zu kündigen.
Zur Überwachung der Kraftverteilung werden die beiden Regierungen sich gegenseitig alle statistischen Angaben über die Erzeugung und die Ausnützung der Kraft zustellen.
Art. 6
Beide Regierungen werden einander von ihren Massnahmen betreffend die Konzessionserteilung Kenntnis geben, welche nur in Kraft tritt, wenn beide Staaten über die aufzustellenden Bedingungen einig sind.
Die spätere Beschränkung, oder die Aufhebung der Konzession, kann nur infolge eines beiderseitigen Übereinkommens erfolgen.
Art. 7
Nach dem Erlöschen der Konzession werden zwischen beiden Regierungen neue Unterhandlungen stattfinden, um die neuen Betriebsbedingungen festzusetzen.
Art. 8
Im Falle der Nichtbeendigung der Bauten, der Unterbrechung des Betriebes oder anderer zur Aufhebung der Konzession führender und in derselben vorgesehenen Vorgänge, werden beide Regierungen gemeinschaftlich die Massnahmen treffen, die sie im gegebenen Falle für die richtigsten erachten und die allfällig für die Erteilung einer neuen Konzession erforderlich sind.
Art. 9
Beide Regierungen werden sich über die Vorkehren einigen, die für den Schutz der Fischerei sowie für die Ausübung der Schiffahrt und der Flösserei auf der Rhone zu ergreifen sind.
Die freie Entschliessung für die im Interesse der Landesverteidigung und des Zolldienstes zu treffenden Massnahmen wird ausdrücklich vorbehalten.
Art. 10
Vorliegende Übereinkunft tritt nur nach erfolgter Genehmigung beider Regierungen in Kraft.
Bern, den 4. Oktober 1913

Müller

A. Gilbert

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