Zusatzprotokoll Nr. I zum Abkommen über die europäische wirtschaftliche Zusammenarb... (0.970.44)
CH - Schweizer Bundesrecht

Zusatzprotokoll Nr. I zum Abkommen über die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, über die Rechtsfähigkeit, die Privilegien und Immunitäten der Organisation 1

Unterzeichnet in Paris am 16. April 1948 In Kraft getreten für die Schweiz am 26. November 1948 (Stand am 26. November 1948) ¹ In Anwendung von Bst. a des Zusatzprotokolls Nr. 2 zum Übereink. vom 14. Dez. 1960 über die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( SR 0.970.4 ) bleibt dieses Zusatzprotokoll im Verhältnis mit folgenden Staaten anwendbar: Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Türkei und Vereinigtes Königreich.
Die Regierungen und Behörden, die das Abkommen über die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit ² unterzeichnet haben,
in Erwägung, dass gemäss den Bestimmungen des Artikels 22 des Abkommens die europäische Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet jedes ihrer Mitglieder die Rechtsfähigkeit geniesst, die sie benötigt, um ihre Tätigkeit zu entfalten und ihre Ziele zu erreichen, und dass die Organisation, ihre Beamten sowie die Vertreter ihrer Mitglieder die in einem Zusatzprotokoll umschriebenen Privilegien und Immunitäten geniessen;
haben sich über folgende Bestimmungen geeinigt:
² [ AS 1949 26 . AS 1961 870 Zusatzprotokoll Nr. 2]

Teil I: Juristische Persönlichkeit, Rechtsfähigkeit

Art. 1
Die Organisation ist eine juristische Person. Sie kann Verträge schliessen, unbewegliches und bewegliches Eigentum erwerben und darüber verfügen und vor Gericht auftreten.

Teil II: Eigentum, Fonds und Vermögenswerte

Art. 2
Die Organisation, ihr Eigentum und ihre Vermögenswerte, gleichgültig, wo sie sich befinden und wer sie besitzt, geniessen gerichtliche Immunität, es sei denn, dass die Organisation in einem besonderen Fall ausdrücklich darauf verzichtet hat. Es versteht sich aber, dass ein Verzicht auf die Immunität sich nicht auch auf Voll­streckungsmassnahmen ausdehnen kann.
Art. 3
Die Räumlichkeiten der Organisation sind unverletzlich. Das Eigentum und die Vermögenswerte der Organisation, gleichgültig, so sie sich befinden und wer sie besitzt, dürfen nicht durchsucht, requiriert, beschlagnahmt, enteignet oder irgend­einem anderen Eingriffe durch Vollzugs-, Verwaltungs-, Gerichts- oder Gesetz­gebungsmassnahmen unterworfen werden.
Art. 4
Das Archiv der Organisation und im Allgemeinen alle ihr gehörigen oder von ihr verwahrten Dokumente sind unverletzlich, wo immer sie sich befinden.
Art. 5
Ohne irgendwelchen Kontrollen, Reglementierungen oder Moratorien finanzieller Art unterworfen zu sein:
a. kann die Organisation Zahlungsmittel jeder Art besitzen und Konten in jeder Währung unterhalten;
b. steht es der Organisation frei, ihre Fonds von einem Land in ein anderes oder innerhalb irgendeines Landes zu überweisen und alle in ihrem Besitz befindlichen Zahlungsmittel in irgendeine andere Währung umzuwechseln.
Art. 6
Die Organisation, ihre Vermögenswerte, Einkünfte und anderes Eigentum sind:
a. befreit von allen direkten Steuern. Es versteht sich jedoch, dass die Organisation keine Befreiung von Steuern beansprucht, die tatsächlich nur ein Entgelt für öffentliche Dienstleistungen sind;
b. befreit von Zollgebühren sowie von Verboten und Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr für ihren amtlichen Gebrauch. Es versteht sich jedoch, dass auf Grund einer solchen Befreiung eingeführte Gegenstände in dem Land, in das sie eingeführt wurden, nicht verkauft werden, es sei denn unter Bedingungen, mit denen die Regierung dieses Landes sich einverstanden erklärt hat;
c. befreit von Zollgebühren sowie von Verboten und Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr, was ihre Veröffentlichungen betrifft.
Art. 7
Obwohl die Organisation grundsätzlich keine Befreiung von den Verbrauchs- und Umsatzsteuern auf dem Preis von beweglichem und unbeweglichem Eigentum beansprucht, werden die Mitglieder, wo dies möglich ist, geeignete Anordnungen treffen, um den Gebühren- oder Steuerbetrag zu erlassen oder rückzuerstatten, wenn die Organisation bedeutende gebühren- oder steuerpflichtige Erwerbungen von Eigentum für ihren amtlichen Gebrauch vornimmt.

Teil III: Erleichterungen für Nachrichtenübermittlung

Art. 8
Die Organisation geniesst im Gebiet jedes Mitgliedes für ihre amtlichen Nachrichten mindestens eine ebenso günstige Behandlung, wie sie die Regierung dieses Mitgliedes irgendeiner anderen Regierung, einschliesslich deren diplomatischer Vertretung, gewährt, und zwar für Prioritäten, Tarife und Gebühren von Post, Kabeln, Telegrammen, Radiotelegrammen, Telephotographien, Telephon und anderen Nachrichtenmitteln, wie für Pressetarife für Informationen an Presse und Rundfunk. Die amtliche Korrespondenz und sonstigen amtlichen Nachrichten der Organisation dürfen nicht zensuriert werden.

Teil IV: Die Vertreter der Mitglieder

Art. 9
Die Vertreter der Mitglieder bei den Haupt- und Hilfsorganen der Organisation geniessen während ihrer Tätigkeit und auf der Reise zum oder vom Ort der Sitzung Privilegien, Immunitäten und Erleichterungen wie diplomatische Vertreter von entsprechendem Rang.
Art. 10
Die Privilegien, Immunitäten und Erleichterungen werden den Vertretern der Mitglieder nicht für ihren persönlichen Vorteil gewährt, sondern um zu gewährleisten, dass sie ihre Aufgaben gegenüber der Organisation unabhängig ausüben können. Infolgedessen hat ein Mitglied nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, auf die Immunität seines Vertreters in jedem Fall zu verzichten, wo es findet, dass sie das Recht hindern würde, und wo die Immunität ohne Nachteil für ihren Zweck verzichtet werden kann.
Art. 11
Die Bestimmungen des Artikels 9 finden keine Anwendung zwischen einem Vertreter und den Behörden des Staates, dessen Staatsangehöriger er ist oder dessen Vertreter er ist oder war.
Art. 12
Der Ausdruck «Vertreter» im Teil IV umfasst alle Delegierten, stellvertretenden Delegierten, Berater, Fachexperten und Sekretäre der Delegationen.

Teil V: Beamte

Art. 13
Der Generalsekretär bestimmt im Einzelnen die Kategorien von Beamten, auf welche die Bestimmungen dieses Teiles Anwendung finden. Er legt dem Rat ein Verzeichnis dieser Kategorien vor und gibt es hernach allen Mitgliedern bekannt. Die Namen der in diese Kategorien aufgenommenen Beamten werden von Zeit zu Zeit den Mitgliedern mitgeteilt.
Art. 14
Die Beamten der Organisation:
a. geniessen gerichtliche Immunität für alle ihre Amtshandlungen; diese Immunität bleibt auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bestehen;
b. geniessen die gleiche Steuerfreiheit für ihre Gehälter und Bezüge wie die Beamten der bedeutendsten internationalen Organisationen und unter den gleichen Bedingungen;
c. sind mit ihren Ehefrauen und den von ihnen unterhaltenen Familienangehörigen von Einwanderungsbeschränkungen und von der Registrierung für Ausländer befreit;
d. geniessen für die Erleichterungen im Geldwechsel die gleichen Privilegien wie die Beamten ähnlichen Ranges, die den diplomatischen Vertretungen bei der Regierung angehören;
e. geniessen mit ihren Ehefrauen und den von ihnen abhängigen Familienangehörigen die gleichen Erleichterungen für die Heimreise in Zeiten internationaler Krisen wie die diplomatischen Vertreter;
f. haben das Recht, zur Zeit ihres ersten Dienstantrittes ihre Wohnungseinrichtung und Gebrauchsgegenstände zollfrei in das betreffende Land einzuführen.
Art. 15
Zusätzlich zu den in Artikel 14 angeführten Privilegien, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen geniesst der Generalsekretär für sich selber, seine Ehefrau und minderjährigen Kinder die Privilegien und Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die gemäss dem Völkerrecht den Chefs einer diplomatischen Vertretung gewährt werden.
Die stellvertretenden Generalsekretäre geniessen die Privilegien, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die diplomatischen Vertretern ähnlichen Ranges gewährt werden.
Art. 16
Die Privilegien, Immunitäten und Erleichterungen werden den Beamten im Interesse der Organisation und nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt. Der Generalsekretär kann und muss auf die Immunität eines Beamten in jedem Fall verzichten, wo er findet, dass sie das Recht hindern würde, und wo auf sie ohne Nachteil für die Interessen der Organisation verzichtet werden kann. Im Falle des Generalsekretärs und der stellvertretenden Generalsekretäre ist der Rat zuständig, auf die Immunität zu verzichten.
Art. 17
Die Organisation arbeitet jederzeit mit den zuständigen Behörden der Mitglieder zusammen, um den ordnungsgemässen Gang der Justiz zu erleichtern, die Beobachtung der Polizeivorschriften zu gewährleisten und Missbräuche zu verhindern, zu denen die in diesem Teil V erwähnten Privilegien, Immunitäten und Erleichterungen Anlass geben könnten.

Teil VI: Experten auf Missionen für die Organisation

Art. 18
Experten (ausser dem im Teil V erwähnten Beamten), die Aufträge für die Organisation durchführen, geniessen während ihres Auftrages einschliesslich der Reisezeit die Privilegien und Immunitäten, die zur unabhängigen Ausübung ihrer Aufgaben notwendig sind. Insbesondere werden ihnen gewährt:
a. Immunität von persönlicher Verhaftung und von der Beschlagnahme ihres Gepäcks;
b. gerichtliche Immunität für ihre während des Auftrages vorgenommenen Handlungen;
c. Unverletzlichkeit aller Schriftstücke und Dokumente.
Art. 19
Die Privilegien und Immunitäten werden den Experten im Interesse der Organisation und nicht für ihren persönlichen Vorteil gewährt. Der Generalsekretär kann und muss auf die Immunität eines Experten in jedem Fall verzichten, wo er findet, dass sie das Recht hindern würde, und wo auf sie ohne Nachteil für die Interessen der Organisation verzichtet werden kann.

Teil VII: Ergänzende Verträge

Art. 20
Die Organisation kann mit einem oder mehreren Mitgliedern ergänzende Verträge abschliessen, welche die Bestimmungen des vorliegenden Protokolls ändern, soweit das Mitglied oder die Mitglieder betroffen sind.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die unterfertigten und geführend beauftragten Bevollmächtigten das vorliegende Protokoll unterzeichnet.
Geschehen in Paris, am 16. April 1948, in französischer und englischer Sprache, wobei beide Texte gleichermassen authentisch sind, in einer einzigen Ausfertigung, verwahrt in den Archiven der Regierung der Französischen Republik, die allen anderen Signatarstaaten beglaubigte Abschriften übermitteln wird.
(Es folgen die Unterschriften)
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