Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienisch... (0.748.125.194.54)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über die Koordinierung der Einsätze zur Suche und Rettung von Luftfahrzeugen

Abgeschlossen am 27. Oktober 1986 Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 1. Juli 1994 In Kraft getreten am 1. Juli 1994 (Stand am 1. Oktober 1996) ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der italienischen Ausgabe die­ser Sammlung.
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Italienischen Republik,
vom Wunsche geleitet, bei der Suche und Rettung von Luftfahrzeugen zwischen den beiden Vertragsparteien enger zusammenzuarbeiten im Rahmen des An­hangs 12 des am 7. Dezember 1944² in Chicago abgeschlossenen Übereinkommens über die internationale Zivilluftfahrt,
haben folgendes vereinbart:
² SR 0.748.0
Art. 1
Unter Such- und Rettungseinsatz (SAR) ist die Suche und Rettung mit Luftfahrzeu­gen von in Gefahr geratenen Luftfahrzeugen sowie ihrer Passagiere und Besatzung gemäss den allgemeinen Bestimmungen und Ausführungsanordnungen des Über­einkommens von Chicago und seiner Anhänge zu verstehen.
Art. 2
1.  Die von den zuständigen Verwaltungen der beiden Vertragsparteien angenomme­nen regionalen SAR-Pläne stellen die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen SAR-Diensten dar.
2.  Diese Pläne enthalten folgende Angaben:
a) Grenzen der SAR-Gebiete;
b) Bezeichnung der SAR-Leitstellen (RCC);
c) Bezeichnung der Luft- und Bodeneinsatzmittel;
d) gegenseitig empfohlene Erleichterungen.
3.  Die zuständigen Behörden sind besorgt, jedem SAR-Dienst alle nützlichen Informationen über die Erneuerung oder Änderung der SAR-Ausrüstung und der SAR-Mittel der anderen Vertragspartei zu liefern.
Art. 3
Das gemeinsame Vorgehen und alle technischen Einzelheiten sowie Verbesserun­gen aufgrund der Erfahrungen sind in einem Dokument mit dem Titel «SAR-Ein­satz­handbuch» verzeichnet, das von den zuständigen Behörden beider Parteien im gegenseitigen Einvernehmen verfasst und auf den neuesten Stand gebracht wird.
Art. 4
1.  Auf dem Gebiet einer jeden Vertragspartei leiten die Verkehrsdienste der Flug­­sicherung den Alarm unverzüglich an das RCC weiter, wobei die im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation angenommenen Standards und Empfeh­lungen zu beachten sind.
2.  Jedes RCC unternimmt auf nationaler Ebene geeignete Massnahmen, um unver­züglich und unter Inanspruchnahme aller direkten und indirekten Quellen über gefährliche Situationen unterrichtet zu werden, die einen SAR-Einsatz erfordern kön­nen.
Art. 5
1.  Soweit erforderlich, muss die Verbindung zwischen dem RCC Bern und dem RCC Montevenda (Padua) dauernd gesichert sein, um die schnellstmögliche Ver­breitung eines Alarms von einem RCC zum anderen und die Zusammenarbeit der beiden Leitstellen bei einem SAR-Einsatz zu garantieren.
2.  Es sind folgende Verbindungen zu verwenden:
a) die öffentlichen und staatlichen Fernmeldenetze;
b) das Feste Flugfernmeldenetz (AFTN).
Art. 6
1.  Jedes RCC, das durch die Flugverkehrsleitdienste, durch eine andere Stelle oder auf irgend eine andere Art alarmiert wurde, verlangt alle Informationen, die es für nötig hält, und leitet diese weiter. Im Rahmen seiner Befugnisse trifft es die mit der geographischen Lage und den verfügbaren Mitteln vereinbarten ersten Massnahmen für den Einsatz. Erfährt es, dass andere RCCs alarmiert worden sind und seine eige­nen Mittel ungenügend oder nicht einsatzbereit sind, kann es die Mitarbeit des RCCs der anderen Vertragspartei anfordern.
2.  Kommen mehrere RCC zum Einsatz, wird dasjenige zur führenden Leitstelle bestimmt, in dessen Such- und Rettungsgebiet der Unfall vermutlich stattgefunden hat.
3.  Das andere am Einsatz interessierte RCC beteiligt sich weiterhin an der Zusam­menarbeit als teilnehmendes RCC.
4.  Wenn es die Umstände im Verlauf des Einsatzes erfordern, muss die Verantwor­tung für die Führung vom leitenden an das teilnehmende RCC übertragen werden.
Art. 7
Die Aufgaben des leitenden RCC sind:
a) die Mitarbeit aller fachlich dazu vorgesehenen und zusätzlichen Mittel zu sichern und dazu die jeweiligen Suchzonen und Aufträge festzulegen;
b) ihnen alle für die Ausführung ihrer Aufträge nötigen Angaben zu machen;
c) die Ersetzung dieser Mittel vorzusehen und zu organisieren, um den Fort­bestand der Suchaktionen zu sichern;
d) die Koordinierung der Sucheinsätze in der Luft und am Boden zu sichern; zu diesem Zweck kann es, soweit dies als zweckmässig erachtet wird, von den teilnehmenden RCCs den Einsatz der bei ihnen verfügbaren Mittel fordern;
e) dem teilnehmenden RCC nach Rücksprache mit den zuständigen nationalen Behörden den Unterbruch des Einsatzes vorzuschlagen.
Art. 8
Müssen Personen, die von einer Vertragspartei mit der Ausführung eines SAR-Dienstes beauftragt wurden, im Verlauf eines gemeinsamen SAR-Einsatzes oder ‑Auftrages das Gebiet oder den Luftraum der anderen Vertragspartei benutzen, haben sie die Gesetze, Verordnungen und sonstigen Verwaltungsvorschriften dieses Staa­tes zu beachten, soweit im vorliegenden Abkommen nicht Erleichterungen vorgese­hen sind.
Art. 9
1.  Um die Durchführung der SAR-Einsätze zu erleichtern und zu beschleunigen, dürfen die Luftfahrzeuge eines am jeweiligen Einsatz beteiligten Staates (SAR-Luft­fahrzeuge) die Grenze überfliegen und ohne Vorwarnung innerhalb der Beschrän­kungen, die im «SAR-Einsatzhandbuch» festgelegt werden, auf einer gewissen Zahl vom jeweiligen Staat bezeichneter Flugplätze landen. Dabei sind die zuständigen RCCs zu informieren. Zudem dürfen die SAR-Luftfahrzeuge eines Staates auf Anfrage und im Einverständnis des zuständigen RCC des anderen Staates direkt jen­seits der Grenze bei einem verunfallten Luftfahrzeug landen.
2.  Die zuständigen Behörden der beiden Vertragsparteien regeln im «SAR-Einsatz­handbuch» die Bezahlung der Ausgaben für Treibstoff und verschiedene Materia­lien, die auf einem der oben genannten Flugplätzen einem SAR-Luftfahrzeug der anderen Vertragspartei geliefert werden. Dasselbe Vorgehen ist auf die Taxen und Gebühren für den Gebrauch der radioelektrischen und technischen Einrichtungen sowie der gewerbsmässigen Einrichtungen dieser Flugplätze anwendbar.
Art. 10
Die zuständigen RCCs teilen sich gegenseitig die nötigen Angaben über die an einem bestimmten SAR-Einsatz beteiligten Luftfahrzeuge und ihrer Besatzungen mit. Die in diesem Abkommen vorgesehenen Erleichterungen sind auf diese Luftfahr­zeuge und Besatzungen anwendbar.
Art. 11
Für die Piloten und allfälligen Hilfspersonen, die an einem SAR-Einsatz teilnehmen, ist kein besonderer Auftragsbefehl erforderlich. Sie haben sich einzig auszuweisen.
Art. 12
1.  SAR-Luftfahrzeuge sind nach vorheriger, über die RCC erfolgter Benachrichti­gung der benachbarten Zollämter und Grenzpolizeibehörden, denen für die allfällige Ausübung ihrer Obliegenheiten ein Namensverzeichnis mit Angaben zur Identifizie­rung der Besatzung und der beförderten Personen zu übermitteln ist, auch ermäch­tigt, von Nichtzollflugplätzen der beiden Vertragsparteien zu starten und zu landen.
2.  Dasselbe Vorgehen gilt für Aussenlandungen.
Art. 13
SAR-Luftfahrzeuge und alle anderen SAR-Mittel, die zur Durchführung eines SAR-Einsatzes notwendig sind, gelten im Bestimmungsland als vorübergehende Einfuhr, ohne dass dafür ein besonderes Dokument erforderlich ist.
Art. 14
1.  An Bord der SAR-Luftfahrzeuge dürfen sich nur das zur Durchführung des SAR-Einsatzes nötige Material sowie die notwendigen Lebensmittel und Medikamente befinden; sie sind zu denselben Bedingungen wie das Luftfahrzeug als vorüberge­hende Einfuhr im Bestimmungsland zugelassen.
2.  Material, Lebensmittel und Medikamente, die im Verlauf der SAR-Einsätze benutzt werden, sind von Einfuhrgebühren und -steuern befreit, sie müssen jedoch in den Bordpapieren aufgeführt sein. Überreste an Material, Lebensmitteln und Medi­kamenten müssen wiederum ausgeführt werden, andernfalls unterliegen sie den Ein­fuhrbestimmungen.
3.  Wenn Waren aus zwingenden Gründen zurückgelassen werden, ist dies unver­züglich dem RCC des Bestimmungslandes zu melden, unter Angabe der Art und Menge der Waren und der Stelle, wo sie zurückgelassen wurden. Solche Waren müs­sen möglichst schnell dem zuständigen Zollamt abgegeben werden. Für zer­störte oder verlorengegangene Waren werden keine Einfuhrgebühren oder -steuern erhoben.
Art. 15
1.  Die nach Artikel 1 dieses Abkommens geretteten Personen werden in erster Linie in dem Vertragsstaat in Sicherheit gebracht, aus dem sie stammen, oder, wenn sie aus einem Drittstaat stammen, in dem sich der Unfall ereignet hat. In Notfällen kön­nen die geretteten Personen auch im anderen Staat in Sicherheit gebracht werden, wenn sie nicht im Besitz eines amtlichen Ausweises sind.
2.  Das Überschreiten der Grenze im Rahmen eines Rettungseinsatzes gilt nach die­sem Abkommen nicht als Verlassen des Landes. Jede Vertragspartei ist verpflichtet, Personen (Helfer und Evakuierte) ohne Rücksicht auf ihre Nationalität, die von ihrem Gebiet ins Gebiet der anderen Vertragspartei gebracht wurden, wiederum zurückzunehmen, auch wenn sie nicht im Besitz eines amtlichen Ausweises sind. Handelt es sich um Ausländer, unterstehen sie denselben Aufenthalts- und Nieder­lassungsbestimmungen wie vor dem Überschreiten der Grenze.
Art. 16
1.  Besondere Radioverbindungen (Radiotelefonie) werden eingerichtet für die Zusammenarbeit:
a) der RCC mit den Luft- und Bodenmitteln;
b) der Luftfahrzeuge untereinander;
c) der Luftfahrzeuge mit den Bodenmitteln.
2.  Nach Möglichkeit sind die im Anhang 10 des Übereinkommens über die inter­nationale Zivilluftfahrt vorgesehenen Frequenzen zu verwenden.
Art. 17
1.  Nach vorheriger Benachrichtigung des benachbarten Zollamtes und der Grenz­­polizeibehörden, denen ein Namensverzeichnis mit Angaben zur Identifizierung der Mannschaft zu übermitteln ist, dürfen die Bodenrettungsmannschaften einer Ver­tragspartei im Rahmen eines SAR-Einsatzes mit Einverständnis der RCC der ande­ren Vertragspartei die gemeinsame Grenze überschreiten, ohne dafür eine Grenz­strasse benützen zu müssen.
2.  Die Bodenrettungsmannschaften dürfen das gesamte für ihre Aufgabe benötigte Such- und Rettungsmaterial mit sich führen.
3.  Die zuständigen Behörden beider Vertragsparteien erlassen geeignete Bestim­mungen, die es uniformierten, jedoch unbewaffneten Militärpatrouillen auf Antrag der zuständigen RCC ermöglichen, zu denselben Bedingungen die Grenze zu über­schreiten, wie sie in den vorhergehenden Absätzen vorgesehen sind, um ihren SAR-Auftrag zu erfüllen.
4.  Die Artikel 11, 13, 14 Absätze 2 und 3, sowie Artikel 15 dieses Abkommens gelten sinngemäss für die SAR-Einsätze von Bodenrettungsmannschaften.
Art. 18
Die für die SAR-Dienste verantwortlichen Behörden der beiden Staaten können eine begrenzte Zahl gemeinsamer Übungen und jährlicher Zusammenkünfte zum Infor­mationsaustausch organisieren. Zu diesem Zweck können sie direkt miteinander verkehren.
Art. 19
Jede Vertragspartei kann aus zwingenden Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die Anwendung dieses Abkommens vorübergehend aufheben. Ein sol­cher Entscheid ist der anderen Vertragspartei unverzüglich auf diplomatischem Weg bekanntzugeben.
Art. 20
1.  Dieses Abkommen tritt an dem Tage in Kraft, an welchem die Vertragsparteien die Ratifikationsurkunden gegenseitig austauschen.
2.  Dieses Abkommen kann mit der Zustimmung der Vertragsparteien geändert wer­den; es kann jederzeit von jeder Vertragspartei unter Wahrung einer sechsmonatigen Frist gekündigt werden.
Geschehen zu Rom, am 27. Oktober 1986, in zwei Urschriften in italienischer Spra­che.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Für die Regierung
der Italienischen Republik:

Gaspard Bodmer

Giacomo Attolico

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