Verordnung des Obergerichts über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf
1 Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf
215.11 Verordnung des Obergerichts über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf (vom 21. Juni 2006)
1 Das Obergericht des Kantons Zürich, gestützt auf §
48 lit. a und b des Anwaltsgesetzes
2 , verordnet: A. Allgemeines
Gegenstand
§ 1.
Diese Verordnung regelt Inha lt und Durchführung der An waltsprüfung, die Abnahme der Eignungsprüfung gemäss Art.
31 des Bundesgesetzes über die Freizügigk eit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (BGFA)
3 und die Führung des Gesprächs zur Prü fung der beruflichen Fähigk eiten gemäss Art. 32 BGFA
3 .
Zusammen
-
setzung der
Prüfungs
-
kommission
§ 2.
Das Obergericht wählt die Prüfungskommission für seine Amtsdauer von sechs Jahren, und es bezeichnet eines se iner Mitglieder als Präsidentin oder als Präsidente n. Wählbar sind die Mitglieder der zürcherischen Gerichte oder des B undesgerichts, Re chtslehrerinnen und Rechtslehrer an schweizerisc hen Universitäten sowie Anwältin nen und Anwälte mit Geschäftsadress e im Kanton, die in einem kan tonalen Anwaltsregister oder im An waltsverzeichnis eingetragen sind.
Entscheide
der Prüfungs
-
kommission
§ 3.
1 Die Entscheide der Kommission ergehen in kollegialer Kom petenz, soweit nicht die präsid iale Zuständigkeit gegeben ist.
2 Für die Abnahme der Prüfungen wird die Kommission in der Regel mit vier oder fünf Mitglieder n besetzt. Sie ist bei mündlichen Prüfungen mit drei Mitg liedern beschlussfähig.
4
3 In den mündlichen Prüfungen führ t in der Regel der Präsident oder die Präsidentin der Kommis sion oder ein der Kommission ange hörendes Mitglied des Ob ergerichts den Vorsitz.
4 Die Prüfungsentscheide ergehen nach mündlicher, nicht öffent licher Beratung in offener Abstimmu ng. Die Mitglieder sind zur Stimm abgabe verpflichtet. Bei Stimmengle ichheit gilt das für den Bewerber oder die Bewerberin günstigere Ergebnis.
5 Bei Einstimmigkeit können Beschlüsse auf dem Zirkularweg gefasst werden.
2
215.11 Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf Präsidiale Kompetenzen
§ 4.
1 Die Präsidentin oder der Präs ident leitet die Geschäfte.
2 Sie oder er a. entscheidet über die Zulassung zur ordentli chen Anwaltsprüfung sowie zur Eignungsprüfung nach Art. 31 BGFA
3 und zum Gespräch zur Prüfung der beruflichen Fä higkeiten nach Art. 32 BGFA
3
, b. unterbreitet Anträge auf Nichtz ulassung der Kommission zum Entscheid, c. vertritt die Prüfungskommission nach aussen, d. entscheidet über die Anrechnung ju ristischer Tätigkeit ausserhalb der Rechtspflege an das Praktikum, e. erstellt die Abrechnungen über die ordentlichen Entschädigungen der Kommissionsmitglieder für die Abnahme und Mitbeurteilung der Prüfungen.
3 Gegen Entscheide de r Präsidentin oder de s Präsidenten kann Einsprache an die Kommission erhoben werden. B. Anwaltsprüfung Zulassung
§ 5.
Zur Prüfung wird zugelassen, wer a. über ein juristisches Studium ve rfügt, das mit einem Doktorat, Lizenziat oder Master einer schwei zerischen Hochschule abgeschlos
- sen wurde (Art. 7 Abs. 1 lit. a BGFA
3 und §
3 lit. a Anwaltsgesetz
2
), oder b. über ein gleichwertiges Hochschul diplom eines Staates verfügt, mit dem die Schweiz die gegenseitige Anerkennung vereinbart hat (Art. 7 Abs. 1 lit. a BGFA
3 und §
3 lit. a Anwaltsgesetz
2 ), oder c. über eine Ausnahmebewi lligung im Sinne von §
3 Abs.
2 lit.
a des Anwaltsgesetzes
2 verfügt und d. handlungsfähig ist (Art.
8 Abs.
1 lit. a BGFA
3 und §
3 Abs.
1 lit.
a Anwaltsgesetz
2 ), e. keine strafrechtliche Verurteil ung aufweist wegen Handlungen, die mit dem Anwaltsberuf nicht vereinb ar sind und deren Eintrag nicht gelöscht ist (Art. 8 Abs. 1 lit. b BGFA
3 und §
3 Abs. 1 lit. a Anwalts
- gesetz
2 ), f. keine Verlustscheine aufweist (Art.
8 Abs.
1 lit. c BGFA
3 und §
3 Abs. 1 lit. a Anwaltsgesetz
2 ), g. sich im Zeitpunkt der Anmeldung über ein juristisches Praktikum
- monaten ausweist (Art.
7 Abs.
1 lit. b BGFA
3 und §
3 Abs.
1 lit.
b Anwaltsgesetz
2 ),
3 Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf
215.11 h. Wohnsitz im Kanton Zürich oder anrechenbare Beru fstätigkeit im Kanton Zürich im Zeitpunkt de r Anmeldung und mindestens wäh rend eines Jahres vorher hat.
Teilweiser
Erlass der
Anwaltsprüfung
§ 6.
Die Verwaltungskommission de s Obergerichts kann Bewer berinnen und Bewerbern, die sich übe r eine langjährige erfolgreiche Berufstätigkeit bei zürc herischen Gerichten ode r in der Verwaltung ausweisen, einen Teil der Anwaltsprüfung erlassen.
Anforderungen
an das
Praktikum
§ 7.
1 Als anrechenbares Pr aktikum gilt nament lich die Tätigkeit bei einem zürcherischen Gericht, bei einer Anwältin oder einem Anwalt, die oder der im Bereich de s Anwaltsmonopols tätig sein darf und mit Geschäftsadresse im Kanton Zürich im Anwaltsregister oder im Anwaltsverzeichnis eingetragen ist, bei der Oberstaatsanwaltschaft oder Staatsanwaltschaft.
2 Bei Nachweis einer de r Rechtspflege entsprechenden Tätigkeit in der zürcherischen Verwaltung kann eine teilweise Anrechnung an das Praktikum erfolgen, jedoch höchstens im Umfang von sechs Monaten.
Nachweis der
Zulassungs
-
voraussetzungen
§ 8.
Die Erfüllung der Zulassungsv oraussetzungen ist durch Prü fungs- und Arbeitsbescheinigungen und durch amtliche Zeugnisse zu erbringen. Ferner ist der Anmeldung eine Le bensbeschreibung bei zulegen sowie die Erklärung abzu geben, dass Behörden und Privat personen gegenüber der Prüfungskommi ssion von der Pflicht zur Wah rung des Amts- oder Be rufsgeheimnisses entbunden werden und dass die Zulassungsbehörde zum Beizug von Akten zur Person berechtigt ist, soweit dies zur Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen erforder lich ist.
Widerruf der
Zulassung
§ 9.
Entfallen nach der Zulassung zur Prüfung die Voraussetzun gen nach §
5 lit. d, e oder f dieser Veror dnung oder werden ander weitige Tatsachen bekannt, welche die Zutrauenswürdigkeit des Be werbers oder der Bewerberin widerl egen, so wird die Zulassung zur Prüfung widerrufen.
Ziel, Ausgestal
-
tung und Fächer
der Prüfung
§ 10.
1 Die Prüfung besteht aus eine m schriftlichen und einem mündlichen Teil.
2 Sie soll ergeben, ob die Bewerb erin oder der Bewerber die zur Berufsausübung erforderlichen Kennt nisse und Fähigkeiten besitzt.
3 Prüfungsfächer sind: a. Staats- und Verwaltungsrecht, b. Obligationenrecht, c. übriges Zivilrecht (einschliesslich internationales Privatrecht), d. Zivilprozessrecht,
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215.11 Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf e. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, f. Anwaltsrecht, g. Strafrecht, h. Strafprozessrecht.
4 Die Kommission kann über den Pr üfungsstoff innerhalb der ein
- zelnen Fächer Merkblätter erlassen. Schriftliche Prüfung
§ 11.
1 In der schriftlichen Prüfung sind ein oder mehrere Rechts
- fälle aus den in §
10 genannten Fächern, ausgenommen Staats- und Verwaltungsrecht sowie Straf- und Strafprozess recht, zu bearbeiten. Sie wird in Klausur abgelegt. Ihre Dauer darf zehn Stunden nicht über
- steigen. Sie wird mit den Qualifikationen «sehr gut», «gut bis sehr gut», «gut», «genügend bis gut», «genüge nd» oder «ungenügend» bewertet.
2 Der Entscheid über das Ergebnis de r schriftlichen Prüfung soll in der Regel innerhalb v on zwei bis drei Monaten eröffnet werden.
4 Wiederholung der schriftlichen Prüfung
§ 12.
Wird die schriftliche Prüfung nicht bestanden, so kann sie innerhalb von sechs Monaten ab sc hriftlicher Mitteil ung des Ergebnis
- ses wiederholt werden. Genügt auch diese Arbeit nicht, so kann nach einer Wartefrist von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten eine dritte Prüfung abgelegt werden . Fällt auch diese ungenügend aus, so weist die Kommissi on die Bewerberin ode r den Bewerber ab. Mündliche Prüfung
§ 13.
1 Die mündliche Prüfung ist in der Regel innerhalb von sechs Monaten ab schriftlicher Mitte ilung des Resultates der schrift
- lichen Prüfung abzulegen. Sie daue rt in der Regel drei Stunden. Es dürfen nicht mehr als zwei Bewe rberinnen oder Bewerber gemeinsam geprüft werden.
2 Die Anmeldung zur mündlichen Prüfung kann erst nach der schriftlichen Mitteilung eines positiven Ergebnis ses der schriftlichen Prüfung erfolgen. Wiederholung der mündlichen Prüfung
§ 14.
1 Fällt die mündliche Prüfung ung enügend aus, so bestimmt die Kommission aufgrund des Gesamt ergebnisses der schriftlichen und mündlichen Prüfung, ob die mündliche Prüfung ganz oder in einzelnen Fächern zu wiederholen sei.
2 Wird Teilwiederholung angeordnet, so sind di e Leistungen in den einzelnen Fächern nach der Beurte ilungsskala der sc hriftlichen Prü
- fungen zu bewerten, und es sind die Qualifikationen zu protokollieren.
3 Die Wiederholung findet in der Re gel frühestens drei und höchs
- tens neun Monate nach der ersten Prüfung statt. Fällt das Gesamt
- ergebnis unter Berücksichtigung de r früher bestandenen Teilprüfungen wiederum ungenügend aus, so weis t die Kommission die Bewerberin
5 Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf
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Teilerlass im
Fach Zivilrecht
§ 15.
Wer das juristische Doktor-, Lizenziats- oder Masterexamen an einer schweizerischen Hochschule mindestens mit der Note «sehr gut» bestanden hat, ist von der m ündlichen Prüfung in den Fächern Obligationenrecht und übriges Zivilrecht befreit, sofern auch die erste Klausurarbeit sehr gut ausfällt.
Erteilung des
Fähigkeits
-
ausweises
§ 16.
Die Verwaltungskommission des Obergerichts stellt das Fähigkeitszeugnis auf An trag der Prüfungskommission aus. Es wird der Anwältin oder dem Anwalt von der Obergerichts präsidentin oder vom Obergerichtspräsidenten übergeben. Sie oder er ermahnt dabei zu gewissenhafter Erfüll ung der Berufspflichten.
Neuanmeldung
zur Prüfung
§ 17.
1 We r n a c h §
12 oder §
14 abgewiesen worden ist, kann sich frühestens zwei Jahre nach der le tzten Teilprüfung zu einer neuen vollständig abzulegenden Prüfung anmelden.
2 Die gleiche Wartefrist gilt au ch, wenn die Anmeldung nach dem Beginn der Prüfung zu rückgezogen wird. C. Eignungsprüfung
Zulassung
§ 18.
Zur Eignungsprüfung zugela ssen werden Anwälte und An wältinnen aus Mitgliedstaaten der EU oder der EFTA, wenn sie a. ein mindestens dreijähriges Studi um an einer Hochschule absol viert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen haben (Art.
31 Abs.
1 lit. a BGFA
3 ), b. zumindest sämtliche im Herkun ftsstaat zum Erwerb eines zur Aus übung des Anwaltsberufes in einem Mitgliedstaat der EU bzw. der EFTA berechtigenden Diploms notwendigen Prüfungen und all fälligen weiteren Ausbildung sschritte bestanden haben.
Nachweis der
Zulassungs
-
voraussetzungen
§ 19.
Das Zulassungsgesuch hat eine Lebensbeschreibung mit genauer Angabe der bisherigen juri stischen Betätigungen zu enthal ten. Die Diplome bzw. Prüfung s- und Ausbildungsbescheinigungen sowie Zeugnisse über die bisherige berufliche oder wi ssenschaftliche juristische Tätigkeit sind dem Zulassungsgesuch beizulegen.
Prüfungsgebiete
§ 20.
1 Die Sachgebiete der Eignungsp rüfung werden im Rahmen der Prüfungsfächer nach §
10 durch die Prüfungskommission mit Schwergewicht auf die Gebiete festgel egt, die sich wesentlich von den im Herkunftsland geprüften Fächern unterscheiden. In der Regel werden Staats- und Verw altungsrecht, Zivil- und Strafprozessrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrec ht sowie Anwaltsrecht geprüft.
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215.11 Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf
2 Die Prüfungsfächer werden spätestens drei Monate vor der Abnahme der Prüfung bekannt gegeben. Prüfungsart
§ 21.
1 In der Regel wird mündlich geprüft. §
13 gilt sinngemäss. Es sind zwei Wiederholungen möglich.
2 Bei fremdsprachigen Bewerberinnen oder Be werbern kann die Kommission eine schriftliche und eine mündliche Teilprüfung anord
- nen. Jede Teilprüfung kann zw eimal wiederholt werden. Die §§
11, 12,
13 und 14 gelten sinngemäss. Neuanmeldung zur Eignungs prüfung
§ 22.
Für die Neuanmeldung nach Ab weisung oder Rückzug der Anmeldung gilt §
17 sinngemäss. D. Gespräch zur Prüfung de r beruflichen Fähigkeiten Zulassungs voraussetzungen
§ 23.
Zum Gespräch zur Prüfung de r beruflichen Fähigkeiten werden Angehörige von Mitgliedst aaten der EU oder der EFTA zuge
- lassen, wenn sie a. berechtigt sind, den Anwaltsber uf in ihrem Herkunftsstaat aus
- zuüben und sie unter ihrer ursprü nglichen Berufsbezeichnung seit mindestens drei Jahren in der ö ffentlichen Liste der Aufsichtskom
- mission über die Rechtsanwälte des Kantons Zürich nach Art.
28 BGFA
3 eingetragen sind (Art. 30 Abs. 1 lit. b BGFA
3 ), b. seit der Eintragung mindestens während eines Jahr es im schweize
- rischen Recht tätig gewesen sind und in der Schweiz praktiziert haben (Art. 30 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 BGFA
3 ). Nachweis der Zulassungs voraussetzungen
§ 24.
Das Zulassungsgesuch hat nebs t der Bescheinigung über die Eintragung in der öffentlich en Liste nach Art. 28 BGFA
3 , der Lebens
- beschreibung nach §
19 eine detaillierte Über sicht über die in der Schweiz ausgeübte praktische jurist ische Tätigkeit im schweizerischen Recht zu enthalten. Themen
§ 25.
Die Themen des Gesprächs werden im Rahmen des Prü
- fungsstoffes nach §
10 dieser Verordnung dur ch die Prüfungskommis
- sion in der Regel mit Schwergewicht in den Gebieten Staats- und Ver
- waltungsrecht, Zivil- und Strafpro zessrecht sowie Schuldbetreibungs- und Konkursrecht festgelegt. Sie werd en spätestens zwei Monate vor dem Gesprächstermin bekannt gegeben. Wiederholung
§ 26.
Zeigt das Gespräch zur Prüf ung der beruflichen Fähig
- keiten ein unbefriedigendes Ergebni s, ordnet die Kommission die ein
- malige vollständige oder te ilweise Wiederholung an.
7 Verordnung über die Fähigkeitsprüfung für den Anwaltsberuf
215.11 E. Schluss- und Über gangsbestimmungen
Inkrafttreten
§ 27.
Die Verordnung tritt am 1. Januar 2007 in Kraft. Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung wi rd die Verordnung über die Fähig keitsprüfung für den Rech tsanwaltsberuf vom 26. Juni 1974 aufgeho ben.
Zulassungen
nach bisherigem
Recht
§ 28.
Unter bisherigem Recht verfüg te Zulassungen behalten ihre Gültigkeit.
1 OS 61, 340 .
2 LS 215.1 .
3 SR 935.61 .
4 Fassung gemäss B vom 26. Juni 2013 ( OS 68, 309 ; ABl 2013-07-05 ). In Kraft seit 1. September 2013.
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