Bundesgesetz zum Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Versc... (150.2)
CH - Schweizer Bundesrecht

Bundesgesetz zum Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen

vom 18. Dezember 2015 (Stand am 1. Januar 2017)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf die Artikel 54 Absatz 1, 121 Absatz 1, 122 Absatz 1 und 123 Absatz 1 der Bundesverfassung¹, in Ausführung des Internationalen Übereinkommens vom 20. Dezember 2006² zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrats vom 29. November 2013³,
beschliesst:
¹ SR 101 ² SR 0.103.3 ³ BBl 2014 453
Art. 1 Gegenstand
Dieses Gesetz regelt die Umsetzung des Internationalen Übereinkommens vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (Übereinkommen).
Art. 2 Begriff
Als verschwunden im Sinne dieses Gesetzes gilt jede Person, der im Auftrag oder mit Billigung des Staates die Freiheit entzogen wurde, über deren Schicksal oder Verbleib die Auskunft verweigert wird und die dadurch dem Schutz des Gesetzes entzogen ist.
Art. 3 Aktenführungspflicht
¹ Behörden, die Freiheitsentzüge vollziehen, stellen sicher, dass amtliche Akten ge­führt werden, in denen die in Artikel 17 Absatz 3 des Übereinkommens genannten Daten erfasst sind.
² Sie leiten diese Daten auf Anfrage unverzüglich an die zuständige Koordinations­stelle weiter.
Art. 4 Netzwerk
¹ Der Bund errichtet in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen ein Netzwerk, das dem Informationsaustausch bei der Suche nach mutmasslich verschwundenen Personen dient.
² Der Bund und jeder Kanton setzen zu diesem Zweck eine Koordinationsstelle ein.
³ Der Bundesrat regelt unter Einbezug der Kantone die Funktionsweise des Netz­werks und die Bearbeitungsfristen.
Art. 5 Informationsgesuch
¹ Personen, die eine nahestehende Person vermissen und befürchten, dass diese verschwunden ist, können bei der Koordinationsstelle des Bundes ein schriftliches Informationsgesuch einreichen.
² Das Gesuch ist zu begründen. In der Begründung ist namentlich darzulegen, in welchem Verhältnis die gesuchstellende Person zur gesuchten Person steht und woraus sich der Verdacht ergibt, dass die gesuchte Person verschwunden ist.
Art. 6 Suche im Netzwerk
¹ Die Koordinationsstelle des Bundes löst eine Suche im Netzwerk und, falls nötig, bei den für den Vollzug von Freiheitsentzügen zuständigen Bundesstellen aus, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die gesuchte Person in einem Freiheits­entzug befindet.
² Die Koordinationsstellen der Kantone und die für den Vollzug von Freiheitsentzügen zuständigen Bundesstellen teilen der Koordinationsstelle des Bundes unverzüglich mit, ob sich die gesuchte Person in einem Freiheitsentzug befindet.
³ Befindet sich die gesuchte Person in einem Freiheitsentzug, so teilt die Koordina­tionsstelle des zuständigen Kantons oder die für den Vollzug von Freiheitsentzügen zuständige Bundesstelle zudem mit, wo sich die Person im Freiheitsentzug befindet, welche Behörde diesen angeordnet hat und in welchem Gesundheitszustand sich die Person befindet.
⁴ Die Koordinationsstelle des Bundes entscheidet unverzüglich über die Auslösung einer Suche im Netzwerk. Sie kann ihren Entscheid der gesuchstellenden Person formlos mitteilen. Wird die Suche im Netzwerk verweigert, kann die gesuchstellen­de Person eine Verfügung verlangen.
Art. 7 Benachrichtigung
¹ Kann der Aufenthaltsort der gesuchten Person mit der Suche im Netzwerk nicht ermittelt werden, so benachrichtigt die Koordinationsstelle des Bundes die gesuch­stellende Person darüber.
² Ergibt die Suche im Netzwerk, dass sich die gesuchte Person in einem Freiheits­entzug befindet, so benachrichtigt die Koordinationsstelle des Bundes die gesuch­stellende Person über den Aufenthaltsort und die Kontaktdaten; hierzu holt die Koordinationsstelle des Bundes vorgängig die ausdrückliche Einwilligung der ge­suchten Person ein.
³ Willigt die gesuchte Person nicht ausdrücklich in die Benachrichtigung ein oder hat die zuständige Strafbehörde gemäss Artikel 214 Absatz 2 der Strafprozess­ordnung⁴ entschieden, dass der Untersuchungszweck die Benachrichtigung verbie­tet, so teilt die Koordinationsstelle des Bundes mit Verfügung mit, dass die Person nicht verschwunden ist und dass keine weiteren Angaben gemacht werden können.
⁴ SR 312.0
Art. 8 Rechtsschutz
Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.
Art. 9 Informationssystem der Koordinationsstelle des Bundes
¹ Die Koordinationsstelle des Bundes betreibt ein Informationssystem zur Erfassung der Suchen im Netzwerk und der Benachrichtigungen.
² Das System enthält die in Artikel 18 Absatz 1 des Übereinkommens aufgeführten Daten.
³ Der Bundesrat regelt den Datenkatalog, die Aufbewahrungsdauer der Daten und die Datensicherheit.
Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 2017⁵
⁵ BRB vom 2. Nov. 2016 ( AS 2016 4687 ).
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