Verordnung zum schweizerisch-britischen Doppelbesteuerungsabkommen
vom 15. Oktober 2008 (Stand am 1. Januar 2022)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf Artikel 35 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2021¹ über die Durchführung von internationalen Abkommen im Steuerbereich, in Ausführung des Abkommens vom 8. Dezember 1977² zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (Abkommen),³
verordnet:
¹ SR 672.2 ² SR 0.672.936.712 ³ Fassung gemäss Ziff. II 11 der V vom 10. Nov. 2021 über Anpassungen des Bundesrechts im Bereich der Durchführung von internationalen Abkommen im Steuerbereich, in Kraft seit 1. Jan. 2022 ( AS 2021 704 ).
1. Abschnitt: Allgemeiner Informationsaustausch
Art. 1
¹ Für die Erteilung der in Artikel 25 Absatz 1 Buchstaben a und b des Abkommens vorgesehenen Auskünfte an die Behörden des Vereinigten Königreichs ist auf schweizerischer Seite die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) zuständig. Britische Auskunftsbegehren, die bei anderen Behörden eingehen, sind an die ESTV weiterzuleiten.
² Über Anstände, die sich wegen der Erteilung solcher Auskünfte ergeben, entscheidet die ESTV.
³ Der Entscheid der ESTV unterliegt der Beschwerde nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.
2. Abschnitt: Informationsaustausch bei Steuerbetrug oder dergleichen
Art. 2 Vorprüfung britischer Ersuchen
¹ Ersuchen der zuständigen Behörde des Vereinigten Königreichs um Informationsaustausch bei Steuerbetrug oder dergleichen nach Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe c des Abkommens werden von der ESTV vorgeprüft.
² Kann einem Ersuchen nicht entsprochen werden, so teilt die ESTV dies der zuständigen britischen Behörde mit. Diese kann ihr Ersuchen ergänzen.
³ Zeigt die Vorprüfung, dass die Voraussetzungen nach Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe c des Abkommens und nach den entsprechenden Bestimmungen des Notenwechsels vom 26. Juni 2007 erfüllt sind, so informiert die ESTV diejenige Person, die in der Schweiz über die einschlägigen Informationen verfügt (Informationsinhaber), über den Eingang des Ersuchens und über die darin verlangten Informationen. Der übrige Inhalt des Ersuchens darf dem Informationsinhaber nicht mitgeteilt werden.
⁴ Die ESTV ersucht den Informationsinhaber gleichzeitig, ihr die Informationen zuzustellen und die betroffene Person aufzufordern, in der Schweiz einen Zustellungsbevollmächtigten zu bezeichnen.
Art. 3 Beschaffung der Informationen
¹ Übergibt der Informationsinhaber die verlangten Informationen der ESTV, so prüft diese die Informationen und erlässt eine Schlussverfügung.
² Stimmt der Informationsinhaber oder die betroffene Person oder ihr Zustellungsbevollmächtigter der Übergabe der verlangten Informationen nicht zu, so erlässt die ESTV gegenüber dem Informationsinhaber eine Verfügung, mit der sie die Herausgabe der im britischen Ersuchen bezeichneten Informationen so rasch wie möglich, jedenfalls aber innert einer Frist von drei Monaten verlangt.
Art. 4 Rechte der betroffenen Person
¹ Die ESTV eröffnet die an den Informationsinhaber gerichtete Verfügung und eine Kopie des Ersuchens der zuständigen britischen Behörde auch der betroffenen Person, soweit im Ersuchen nicht ausdrücklich die Geheimhaltung verlangt wird.
² Hat die betroffene Person keinen Zustellungsbevollmächtigten bezeichnet, so ist die Eröffnung von der zuständigen britischen Behörde nach dem Recht des Vereinigten Königreichs vorzunehmen. Gleichzeitig setzt die ESTV der Person eine Frist, während der diese dem Informationsaustausch zustimmen oder einen Zustellungsbevollmächtigten bezeichnen kann.
³ Die betroffene Person kann sich am Verfahren beteiligen und Einsicht in die Akten nehmen. Die Akteneinsicht darf nur verweigert werden für Aktenstücke und Verfahrenshandlungen, für die Geheimhaltungsgründe bestehen, oder wenn Artikel 25 des Abkommens dies erfordert.
⁴ Gegenstände, Dokumente und Unterlagen, die der ESTV ausgehändigt oder von ihr beschafft wurden, dürfen für die Anwendung der schweizerischen Steuergesetzgebung erst nach Rechtskraft der Schlussverfügung verwendet werden. Artikel 9 Absatz 4 dieser Verordnung bleibt vorbehalten.
Art. 5 Zwangsmassnahmen
¹ Werden die in der Verfügung verlangten Informationen nicht innert der verfügten Frist der ESTV übergeben, so kann diese Massnahmen unter Anwendung von Zwang durchführen. Dabei kann sie Gegenstände, Dokumente oder Unterlagen in Schriftform oder auf elektronischen Datenträgern beschlagnahmen sowie Hausdurchsuchungen vornehmen.
² Zwangsmassnahmen sind von der Direktorin oder vom Direktor der ESTV oder von der Stellvertreterin oder vom Stellvertreter anzuordnen. Sie sind von besonders ausgebildeten Amtspersonen durchzuführen, und es dürfen nur Gegenstände, Dokumente und Unterlagen beschlagnahmt werden, die für die Beschaffung der verlangten Auskünfte von Bedeutung sein könnten.
³ Ist Gefahr im Verzug und kann eine Massnahme nicht rechtzeitig angeordnet werden, so darf eine besonders ausgebildete Amtsperson von sich aus eine Zwangsmassnahme durchführen. Diese Massnahme ist innert drei Tagen von der Direktorin oder vom Direktor der ESTV oder von der Stellvertreterin oder dem Stellvertreter zu genehmigen.
⁴ Die Polizeibehörden der Kantone und Gemeinden unterstützen die ESTV bei der Durchführung der Zwangsmassnahmen.
Art. 6 Durchsuchung von Räumen
¹ Räume dürfen nur durchsucht werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich darin die im Zusammenhang mit dem Ersuchen um Austausch von Auskünften stehenden Gegenstände, Dokumente oder Unterlagen befinden.
² Die Durchführung richtet sich nach Artikel 49 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974⁴ über das Verwaltungsstrafrecht.
⁴ SR 313.0
Art. 7 Beschlagnahme von Gegenständen, Dokumenten und Unterlagen
¹ Gegenstände, Dokumente oder Unterlagen sind mit grösster Schonung der Privatsphäre zu durchsuchen.
² Dem Inhaber der Gegenstände, Dokumente und Unterlagen oder dem Informationsinhaber ist Gelegenheit zu geben, sich vor der Beschlagnahme über den Inhalt der Gegenstände, Dokumente oder Unterlagen auszusprechen. Der Informationsinhaber muss bei der Lokalisierung und Identifizierung der Gegenstände, Dokumente und Unterlagen mitwirken.
³ Kosten, die dem Inhaber der Gegenstände, Dokumente oder Unterlagen oder dem Informationsinhaber aus den Zwangsmassnahmen entstehen, sind von diesem selber zu tragen.
Art. 8 Vereinfachte Ausführung
¹ Stimmt die betroffene Person der Aushändigung der Informationen an die zuständige britische Behörde zu, so informiert sie die ESTV schriftlich darüber. Die Zustimmung ist unwiderruflich.
² Die ESTV hält die Zustimmung schriftlich fest und schliesst das Verfahren durch Übermittlung der Informationen an die zuständige britische Behörde.
³ Betrifft die Zustimmung nur einen Teil der Informationen, so werden die restlichen Gegenstände, Dokumente oder Unterlagen nach den Artikeln 5–7 beschafft und gestützt auf eine Schlussverfügung übermittelt.
Art. 9 Abschluss des Verfahrens
¹ Die ESTV erlässt eine begründete Schlussverfügung; darin äussert sie sich zur Frage, ob ein Steuerbetrug oder dergleichen vorliegt, und entscheidet über die Übermittlung von Gegenständen, Dokumenten und Unterlagen an die zuständige britische Behörde.
² Die Verfügung wird der betroffenen Person über den Zustellungsbevollmächtigten eröffnet.
³ Ist kein Zustellungsbevollmächtigter bezeichnet worden, so erfolgt die Eröffnung durch Publikation im Bundesblatt.
⁴ Nach Eintritt der Rechtskraft der Schlussverfügung kann die ESTV die der zuständigen britischen Behörde übermittelten Informationen von der ESTV verwenden.
Art. 10 Rechtsmittel
¹ Die Schlussverfügung der ESTV über die Übermittlung von Informationen unterliegt der Beschwerde nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.
² Zur Beschwerde ist auch der Informationsinhaber befugt, soweit er eigene Interessen geltend macht.
³ Jede der Schlussverfügung vorangehende Verfügung, einschliesslich einer Verfügung über Zwangsmassnahmen, ist sofort vollstreckbar und kann nur zusammen mit der Schlussverfügung angefochten werden.
3. Abschnitt: Schlussbestimmungen
Art. 11 Aufhebung bisherigen Rechts
Die Verordnung vom 23. April 1975⁵ zum schweizerisch-britischen Doppelbesteuerungsabkommen wird aufgehoben.
⁵ [ AS 1975 851 ; 1978 1554 ; 2006 4705 Ziff. II 54]
Art. 12 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 22. Dezember 2008 in Kraft.
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