Reglement betreffend die Heranziehung schweizerischer Staatsangehöriger zur ita... (0.642.045.41)
CH - Schweizer Bundesrecht

Reglement betreffend die Heranziehung schweizerischer Staatsangehöriger zur italienischen ausserordentlichen Vermögensabgabe

Erlassen am 11. Dezember 1956 durch die ständige schweizerisch‑italienische Vergleichskommission. In Kraft getreten am 10. Januar 1957 (Stand am 10. Januar 1957)
Die ständige schweizerisch‑italienische Vergleichskommission schlägt der italienischen und der schweizerischen Regierung zwecks Erledigung des zwischen ihnen entstandenen Streitfalles über die Heranziehung schweizerischer Staatsangehöriger zur italienischen ausserordentlichen Vermögensabgabe nachstehendes Reglement vor:
Art. I
Den in den Artikeln II–V genannten Vergünstigungen werden schweizerische Steuerpflichtige teilhaftig, die am 28. März 1947 folgende Voraussetzungen erfüllten:
a. natürliche Personen schweizerischer Staatsangehörigkeit, ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz oder Aufenthalt, die nicht gleichzeitig die italienische Staatsangehörigkeit besassen;
b. in der Schweiz und nach schweizerischem Recht errichtete Personengesellschaften;
c. nach schweizerischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften und andere juristische Personen mit Sitz in der Schweiz.
Art. II
(1)  Den in Artikel I aufgeführten schweizerischen Steuerpflichtigen wird eine vom Tage des Inkrafttretens dieses Reglements an laufende ausserordentliche Frist von 90 Tagen eingeräumt¹,
um eine Steuererklärung über ihre sämtlichen im Sinne des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, steuerbaren Vermögenswerte einzureichen, oder
um eine bereits eingereichte Steuererklärung zu bestätigen oder zu vervollständigen.
(2)  Die in der vorstehenden Ziffer erwähnten Steuererklärungen sind bei den auf Grund von Artikel 45 des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, zuständigen italienischen Amtsstellen einzureichen. Diese Amtsstellen nehmen die Veranlagungen gemäss dem italienischen Gesetz Nr. 203, vom 9. Mai 1950, und den Bestimmungen dieses Reglements vor; kann mit dem schweizerischen Steuerpflichtigen keine Einigung erzielt werden, so übermitteln sie die Akten dem Finanzministerium, Generaldirektion für ausserordentliche Finanzen, in Rom, das den streitigen Fall prüft und nötigenfalls den schweizerischen Steuerpflichtigen anhört.
(3)  Schweizerische Steuerpflichtige, deren Veranlagung für die italienische ausserordentliche Vermögensabgabe schon vor dem Inkrafttreten dieses Reglements rechtskräftig geworden ist, haben trotzdem die Möglichkeit, die in Ziffer (1) dieses Artikels erwähnte ausserordentliche Frist zu benützen. Sollte die neue, auf diesem Reglement beruhende Veranlagung günstiger sein als die frühere, so werden ihnen die zu viel bezahlten Beträge zurückvergütet.
(4)  Die in Artikel I aufgeführten schweizerischen Steuerpflichtigen, die Steuererklärungen gemäss Ziffer (1) dieses Artikels einreichen, sind für ihr diesen Erklärungen vorangehendes Verhalten von sämtlichen in der italienischen Steuergesetzgebung vorgesehenen Sanktionen oder Strafen, mit Einschluss von Verzugszinsen, befreit.
¹ Ablauf der Frist: 10. April 1957.
Art. III
(1)  Die in Artikel I Buchstabe a aufgeführten Personen bleiben grundsätzlich der italienischen ausserordentlichen progressiven Vermögensabgabe unterworfen; sie geniessen jedoch die in den nachstehenden Ziffern dieses Artikels erwähnten Vergünstigungen.
(2)  Die italienische Verwaltung wird die Bewertung und Veranlagung der Vermögenswerte natürlicher Personen auf Grund der Steuererklärungen, die gemäss den in Artikel II genannten Bedingungen eingereicht wurden, vornehmen. Die Verwaltung ist jedoch befugt, die Bewertung der deklarierten Vermögenswerte durch Erhöhung ihres Wertes innerhalb folgender Grenzen zu berichtigen:
a. für Grundstücke, Gebäude und Unternehmungen jeder Art des Handels, der Industrie und der Landwirtschaft: bis zum Wert, der 1947 im Register der ordentlichen Vermögenssteuer für das Jahr 1947 eingetragen wurde oder hätte eingetragen werden sollen, wobei dieser Wert bedeutet: für Grundstücke und Unternehmungen: der für die ordentliche Vermögenssteuer des Jahres 1946 massgebende Wert, multipliziert mit dem Koeffizienten 10;
für Gebäude: der für die ordentliche Vermögenssteuer des Jahres 1946 massgebende Wert, multipliziert mit dem Koeffizienten 5;
b. für den «Goodwill» («avviamento» im Sinne von Artikel 17 Absatz 2 des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950): bis zum doppelten Betrag des für die betreffenden Unternehmungen im Hinblick auf die «imposta di ricchezza mobile» des Jahres 1947 festgesetzten steuerbaren Einkommens;
c. für nicht an der Börse kotierte Titel und andere bewegliche Vermögenswerte: bis zum niedrigeren der beiden folgenden Werte: entweder bis zu dem für die «tassa di negoziazione» des Jahres 1946 massgebenden Wert (der nach italienischem Gesetz auf dem für 1945 festgesetzten Steuerwert beruhte);
oder bis zum Wert, der 1947 im Register der ordentlichen Vermögenssteuer für das Jahr 1947 eingetragen wurde oder hätte eingetragen werden sollen;
d. für Aktien und andere an der Börse kotierte Titel: bis zu dem durch Artikel 18 des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, festgesetzten Wert, mit einem Pauschalabzug von 50 Prozent dieses Wertes.
(3)  Im einzelnen gilt:
a. die in Artikel 6, Nr. 9, des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, erwähnten immateriellen Güterrechte sind nur im Rahmen des Vermögens einer Person steuerbar, die sie auf italienischem Gebiet auswertet, und nicht im Rahmen des Vermögens einer solchen, die diese Vermögenswerte oder das Gebrauchsrecht daran abgetreten hat;
b. Guthaben in Italien von in der Schweiz wohnhaften Personen, welche aus dem Erlös von Warenverkäufen, aus Lizenzgebühren, Zinsen oder Dividenden herrühren, und die vor dem 28. März 1947 hätten überwiesen werden sollen, aber infolge von Clearingeinschränkungen nicht transferiert werden konnten, unterliegen der italienischen Besteuerung nicht;
c. die unter dem Titel «denaro, depositi e titoli di credito al portatore» (Art. 26 des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950) erhobene Zuschlagsteuer findet auf Steuerpflichtige, die nicht in Italien wohnhaft sind, keine Anwendung;
d. ist eine natürliche Person als unbeschränkt haftender Teilhaber an einer in Italien errichteten Personengesellschaft beteiligt, so ist zum Zwecke der Veranlagung des Teilhabers die Bewertung der verschiedenen Bestandteile des Gesellschaftsvermögens unter Beachtung der in Ziffer (2) dieses Artikels vorgesehenen Bewertungsregeln vorzunehmen;
e. besitzt eine natürliche Person eine Kommanditeinlage in einer in Italien errichteten Kommanditgesellschaft, so ist die Kommandite gemäss den Bestimmungen von Ziffer (2) Buchstabe c dieses Artikels zu bewerten.
Art. IV
(1)  Die in Artikel I Buchstaben b und c aufgeführten schweizerischen Gesellschaften und juristischen Personen bleiben grundsätzlich der italienischen ausserordentlichen progressiven Vermögensabgabe unterworfen, wobei diese Abgabe im Sinne der Artikel 2 und 31 letzter Absatz des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, auf einen Drittel herabgesetzt wird, bei einem Maximalsatz von 15 Prozent; sie geniessen indessen in bezug auf die Bewertung ihrer steuerbaren Vermögenswerte die gleichen Vergünstigungen, wie sie durch Artikel III Ziffer (2) den natürlichen Personen eingeräumt werden.
(2)  Die in Ziffer (1) dieses Artikels genannten schweizerischen Steuerpflichtigen können verlangen, an Stelle der gemäss Ziffer (1) dieses Artikels berechneten progressiven Vermögensabgabe zu der in Titel II des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, vorgesehenen proportionalen Vermögensabgabe herangezogen zu werden. In diesem Falle wird die italienische Verwaltung die steuerbaren Vermögenswerte neu einschätzen und den betreffenden schweizerischen Steuerpflichtigen eine angemessene Frist für die Erklärung, ob sie der progressiven oder der proportionalen Abgabe unterworfen zu werden wünschen, einräumen.
(3)  Unabhängig davon, ob die progressive oder die proportionale Abgabe Anwendung findet, gilt im einzelnen folgendes:
a. die in Artikel 6, Nr. 9, des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, erwähnten immateriellen Güterrechte sind nur im Rahmen des Vermögens einer Person steuerbar, die sie auf italienischem Gebiet auswertet, und nicht im Rahmen des Vermögens des schweizerischen Steuerpflichtigen, der die Vermögenswerte oder das Gebrauchsrecht daran abgetreten hat;
b. Guthaben in Italien von in Ziffer (1) dieses Artikels erwähnten schweizerischen Steuerpflichtigen, welche aus dem Erlös von Warenverkäufen, aus Lizenzgebühren, Zinsen oder Dividenden herrühren, und die vor dem 28. März 1947 hätten überwiesen werden sollen, aber infolge von Clearingeinschränkungen nicht transferiert werden konnten, unterliegen der italienischen Besteuerung nicht;
c. von den in Ziffer (1) dieses Artikels genannten schweizerischen Steuerpflichtigen wird keine der in Artikel 26 des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, vorgesehenen Zuschlagsteuern erhoben;
d. der «Goodwill» «(avviamento» im Sinne von Artikel 17 Absatz 2 des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950) wird, sofern er überhaupt steuerbar ist, nur zu dem in Artikel 111 Ziffer (2) Buchstabe b umschriebenen Wert in Rechnung gestellt;
e. die technischen Reserven der in Italien gelegenen Betriebsstätten schweizerischer Versicherungsgesellschaften sind der ausserordentlichen Vermögensabgabe nicht unterworfen; der Betrag dieser Reserven ist infolgedessen von den Aktiven der Betriebsstätte in Abzug zu bringen, wenn der Besteuerung die einzelnen Aktiven zu Grunde gelegt werden;
f. die Bestimmungen von Artikel III Ziffer (3) Buchstaben d und e sind auf schweizerische Gesellschaften und juristische Personen ebenfalls anwendbar.
Art. V
(1)  Die in Artikel 1 aufgeführten Steuerpflichtigen können die auf Grund des italienischen Gesetzes Nr. 203, vom 9. Mai 1950, sowie der Artikel III und IV dieses Reglementes geschuldete ausserordentliche Vermögensabgabe innert einer Frist von zwei Jahren in zwölf zweimonatlichen Raten entrichten. Diese Frist beginnt am Tage, an dem die geschuldete Steuer nach Eintritt der Rechtskraft für die ganze oder einen Teil der Veranlagung im Steuerregister eingetragen wird.
(2)  Der im schweizerisch‑italienischen Verhandlungsprotokoll vom 15. Dezember 1951 vorgesehene und durch Rundschreiben des italienischen Finanzministeriums vom 18. Februar 1952 bestätigte Aufschub der Steuervollstreckungsmassnahmen bleibt bis zur Durchführung dieses Reglementes in Kraft.
Art. VI
(1)  Eine gemischte Kommission von Vertretern, die von der italienischen und der schweizerischen Regierung bezeichnet werden, ist zuständig für die gütliche Regelung von Streitfällen, die sich aus der Anwendung oder Auslegung des vorliegenden Reglementes ergeben.
(2)  Diese gemischte Kommission soll, so oft es eine der beiden Regierungen verlangt, abwechslungsweise in Italien oder in der Schweiz zusammentreten. Sie wird von einem ihrer Mitglieder präsidiert, das dem Staate angehört, auf dessen Gebiet die Zusammenkunft stattfindet.
Art. VII
Dieses Reglement tritt am dreissigsten Tage nach dem Zeitpunkt in Kraft, in welchem die Ständige schweizerisch‑italienische Vergleichskommission von der Annahme des Reglementes durch die italienische und die schweizerische Regierung Kenntnis genommen hat.

Gilbert Gidel, Präsident,
J. Yanguas,
F. de Visscher,
Carry,
Roberto Ago.

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