Sechstes Zusatzprotokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immuni... (0.192.110.36)
CH - Schweizer Bundesrecht

Sechstes Zusatzprotokoll zum Allgemeinen Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates

Abgeschlossen in Strassburg am 5. März 1996 Von der Schweiz unterzeichnet am 27. August 1998¹ In Kraft getreten für die Schweiz am 1. November 1998 (Stand am 16. März 2022) ¹ Ohne Ratifikationsvorbehalt.
Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Protokoll unter ­zeichnen,
im Hinblick auf die am 4. November 1950² in Rom unterzeichnete Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden als «Konvention» bezeichnet);
im Hinblick auf das am 11. Mai 1994³ in Strassburg unterzeichnete Protokoll Nr. 11 zur Konvention über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus (im Folgenden als «Protokoll Nr. 11 zur Konvention» bezeichnet), mit dem ein ständiger Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden, als «Gerichtshof» bezeichnet) errichtet wird, der die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ersetzt;
ferner im Hinblick auf Artikel 51 der Konvention, der vorsieht, dass die Richter bei der Ausübung ihres Amtes die Vorrechte und Immunitäten geniessen, die in Arti­kel 40 der Satzung des Europarats und den auf Grund jenes Artikels geschlossenen Übereinkünften vorgesehen sind;
eingedenk des am 2. September 1949 in Paris unterzeichneten Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Immunitäten des Europarates⁴ (im Folgenden als «Allgemeines Abkommen» bezeichnet) und des Zweiten⁵, Vierten⁶ und Fünften⁷ Protokolls dazu;
in der Erwägung, dass ein neues Protokoll zum Allgemeinen Abkom­men angebracht ist, um den Richtern des Gerichtshofs Vorrechte und Immunitäten zu gewähren,
haben Folgendes vereinbart:
² SR 0.101 ³ SR 0.101.09 ⁴ SR 0.192.110.3 ⁵ SR 0.192.110.32 ⁶ SR 0.192.110.34 ⁷ SR 0.192.110.35
Art. 1
Ausser den in Artikel 18 des Allgemeinen Abkommens vorgesehenen Vorrechten und Immunitäten geniessen die Richter für sich selbst, ihre Ehegatten und minder­jährigen Kinder die Vorrechte, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die nach dem Völkerrecht diplomatischen Vertretern gewährt werden.
Art. 2
Im Sinne dieses Protokolls bezeichnet der Ausdruck «Richter» sowohl die nach Artikel 22 der Konvention gewählten Richter als auch jeden nach Artikel 27 Absatz 2 der Konvention von einem beteiligten Staat bestellten Richter ad hoc.
Art. 3
Um den Richtern bei der Ausübung ihres Amtes volle Redefreiheit und Unabhän­gigkeit zu sichern, wird ihnen auch nach Ablauf ihrer Amtszeit Immunität von der Gerichtsbarkeit in Bezug auf ihre mündlichen und schriftlichen Äusserungen sowie die von ihnen in Ausübung ihres Amtes vorgenommenen Handlungen gewährt.
Art. 4
Die Vorrechte und Immunitäten werden den Richtern nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt, sondern um die unabhängige Ausübung ihres Amtes zu gewährleis­ten. Nur das Plenum des Gerichtshofs ist befugt, die Immunität von Richtern aufzu­heben; es hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Immunität eines Richters in allen Fällen aufzuheben, in denen sie nach Auffassung des Plenums ver­hindern würde, dass der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Beeinträchtigung des Zwecks, für den sie gewährt wird, aufgehoben werden kann.
Art. 5
(1)  Die Artikel 1, 3 und 4 finden Anwendung auf den Kanzler des Gerichtshofs und auf einen stellvertretenden Kanzler, der den Vertragsstaaten der Konvention förm­lich als amtierender Kanzler notifiziert worden ist.
(2)  Artikel 3 dieses Protokolls und Artikel 18 des Allgemeinen Abkommens finden auf einen stellvertretenden Kanzler des Ge­richtshofs Anwendung.
(3)  Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Vorrechte und Immunitäten werden dem Kanzler und einem stellvertretenden Kanzler nicht zu ihrem persönlichen Vorteil gewährt, sondern um ihnen die Ausübung ihres Amtes zu erleichtern. Nur das Ple­num des Gerichtshofs ist befugt, die Immunität seines Kanzlers und eines stellver­tretenden Kanzlers aufzuheben; es hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, diese Immunität in allen Fällen aufzuheben, in denen sie nach Auffassung des Ple­nums verhindern würde, dass der Gerechtigkeit Genüge geschieht, und in denen sie ohne Beeinträchtigung des Zwecks, für den sie gewährt wird, aufgehoben werden kann.
(4)  Der Generalsekretär des Europarats ist befugt, mit Zustimmung des Präsidenten des Gerichtshofs die Immunität anderer Mitarbeiter der Kanzlei nach Artikel 19 des Allgemeinen Abkommens und unter gebührender Berücksichtigung der in Absatz 3 genannten Erwägungen aufzuheben.
Art. 6
(1)  Schriftstücke und Papiere des Gerichtshofs, der Richter und der Kanzlei sind, soweit sie sich auf die Tätigkeit des Gerichtshofs beziehen, unverletzlich.
(2)  Der amtliche Schriftwechsel und die sonstigen amtlichen Mitteilungen des Gerichtshofs, der Richter und der Kanzlei dürfen nicht zurückgehalten oder der Zen­sur unterworfen werden.
Art. 7
Dieses Protokoll liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, die das Allgemeine Abkommen unterzeichnet haben, zur Unterzeichnung auf; sie können ihre Zustim­mung, gebunden zu sein, ausdrücken,
a) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder
b) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen.
Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim General­sekretär des Europarats hinterlegt.
Art. 8
(1)  Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeit­abschnitt von einem Monat nach dem Tag folgt, an dem drei Vertragsparteien des All­gemeinen Abkommens nach Artikel 7 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein, beziehungsweise an dem Tag, an dem das Protokoll Nr. 11 zur Konvention in Kraft tritt, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.
(2)  Für jeden Vertragsstaat des Allgemeinen Abkommens, der dieses Protokoll spä­ter ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnet oder es ratifiziert, annimmt oder genehmigt, tritt es einen Monat nach dem Tag der Unterzeichnung beziehungsweise nach dem Tag der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde in Kraft.
Art. 9
(1)  Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung ohne Vorbehalt der Ratifikation, bei der Ratifikation oder jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation erklären, dass dieses Protokoll auf alle oder einzelne Hoheitsgebiete Anwendung findet, für deren internationale Bezie­hungen er verant­wortlich ist und in denen die Konvention und die Protokolle dazu Anwendung fin­den.
(2)  Das Protokoll findet ab dem dreissigsten Tag nach Eingang der genannten Noti­fikation beim Generalsekretär des Europarats auf das oder die in der Erklärung bezeichneten Hoheitsgebiete Anwendung.
(3)  Jede nach Absatz 1 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifikation zurückgenommen oder geändert werden. Die Rücknahme oder Änderung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von einem Monat nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
Art. 10
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitglied­staaten des Rates
a) jede Unterzeichnung;
b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Ge­nehmigungs­­urkunde;
c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 8 und 9;
d) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zu­sammenhang mit diesem Protokoll.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Proto­koll unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 5. März 1996 in englischer und fran­zösischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbind­lich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hin­terlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats über­mit­telt allen Mitgliedstaaten des Europarats beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 16. März 2022 ⁸

⁸ AS 2000 1650 ; 2003 2416 ; 2006 2019 ; 2009 2495 ; 2015 1285 ; 2022 248 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereichs dieser Übereinkommen und Protokolle ist auf der Publikationsplattform des Bundesrechts «Fedlex» unter folgender Adresse veröffentlicht: www.fedlex.admin.ch/de/treaty.

Vertragsstaaten

Ratifikation
Unterschrift ohne
Ratifikationsvorbehalt (U)

Inkrafttreten

Albanien

  4. Juni

1998 U

  1. November

1998

Andorra

24. November

1998

25. Dezember

1998

Armenien

18. Juni

2002

19. Juli

2002

Aserbeidschan

22. Juni

2003

11. April

2015

Belgien

29. Juni

2000

30. Juli

2000

Bosnien und Herzegowina

30. Juni

2008

31. Juli

2008

Bulgarien

31. Mai

2001

  1. Juli

2001

Dänemark

28. August

1998

  1. November

1998

Deutschland

  2. Oktober

2001

  3. November

2001

Estland

16. Dezember

1998

17. Januar

1999

Finnland

19. Juni

1998

  1. November

1998

Frankreich*

17. November

1998

18. Dezember

1998

Georgien

20. Juni

2000

21. Juli

2000

Griechenland

19. März

2001

20. April

2001

Irland

28. Oktober

1998

  1. November

1998

Island

  4. November

1998

  5. Dezember

1998

Italien

  3. November

1997

  1. November

1998

Kroatien

11. Oktober

1997

  1. November

1998

Lettland

15. Januar

1998 U

  1. November

1998

Liechtenstein

20. Dezember

1999

21. Januar

2000

Litauen

22. Juni

1999

  1. Oktober

1999

Luxemburg

  5. August

1998

  1. November

1998

Malta

  3. Juli

2002

  4. August

2002

Moldau*

27. Juni

2001

28. Juli

2001

Monaco

30. November

2005

31. Dezember

2005

Montenegro

17. September

2008 U

18. Oktober

2008

Niederlande*

  2. Mai

1996

  1. November

1998

    Aruba

21. Januar

1997

  1. November

1998

    Curaçao

21. Januar

1997

  1. November

1998

    Karibische Gebiete (Bonaire,
    Sint Eustatius und Saba)

21. Januar

1997

  1. November

1998

    Sint Maarten

21. Januar

1997

  1. November

1998

Nordmazedonien

29. November

2002

30. Dezember

2002

Norwegen

30. Oktober

1998 U

  1. November

1998

Österreich

15. Juli

1998

  1. November

1998

Polen

24. Januar

2003

25. Februar

2003

Portugal

13. April

2015

14. Mai

2015

Rumänien

9. April

1999

10. Mai

1999

San Marino

19. September

2014

20. Oktober

2014

Schweden

  2. Juli

1998

  1. November

1998

Schweiz

27. August

1998 U

  1. November

1998

Serbien

26. April

2005

27. Mai

2005

Slowakei

24. November

1999

25. Dezember

1999

Slowenien

29. November

2001

30. Dezember

2001

Spanien

21. Januar

1999

22. Februar

1999

Tschechische Republik

24. Juni

1998

  1. November

1998

Türkei

17. September

2003

18. Oktober

2003

Ukraine

17. September

2003

18. Oktober

2003

Ungarn

  1. April

1998

  1. November

1998

Vereinigtes Königreich

  9. November

2001

10. Dezember

2001

Insel Man

  2. Oktober

2003

  1. November

2003

Zypern

  9. Februar

2000

10. März

2000

* Vorbehalte und Erklärungen
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht.
Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite des Europarates: www.coe.int > Deutsch > Mehr > Vertragsbüro > Gesamtverzeichnis eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.
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