Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (0.101.07)
CH - Schweizer Bundesrecht

Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Abgeschlossen in Strassburg am 22. November 1984 Von der Bundesversammlung genehmigt am 20. März 1987¹ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 24. Februar 1988 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. November 1988 Geändert durch das Protokoll Nr. 11 vom 11. Mai 1994² (Stand am 20. September 2019) ¹ AS 1988 1596 ² Siehe SR 0.101.09 Art. 2 Ziff. 7
Die Mitgliedstaaten des Europarats, die dieses Protokoll unterzeichnen –
entschlossen, weitere Massnahmen zur kollektiven Gewährleistung gewisser Rechte und Frei­heiten durch die am 4. November 1950³ in Rom unterzeichnete Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im folgenden als «Kon­ven­tion» bezeichnet) zu treffen –
haben folgendes vereinbart:
³ SR 0.101
Art. 1 Verfahrensrechtliche Schutzvorschriften in Bezug auf die Ausweisung ausländischer Personen
(1)  Eine ausländische Person, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, darf aus diesem nur aufgrund einer rechtmässig ergangenen Entscheidung ausgewiesen werden; ihr muss gestattet werden,
a) Gründe vorzubringen, die gegen ihre Ausweisung sprechen,
b) ihren Fall prüfen zu lassen und
c) sich zu diesem Zweck vor der zuständigen Behörde oder einer oder mehreren von dieser Behörde bestimmten Personen vertreten zu lassen.
(2)  Eine ausländische Person kann ausgewiesen werden, bevor sie ihre Rechte nach Absatz 1 Buchstaben a, b und c ausgeübt hat, wenn eine solche Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ord­nung erforderlich ist oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt.
Art. 2 Rechtsmittel in Strafsachen
(1)  Wer von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil von einem übergeordneten Gericht nachprüfen zu lassen. Die Ausübung dieses Rechts und die Gründe, aus denen es ausgeübt werden kann, richten sich nach dem Gesetz.
(2)  Ausnahmen von diesem Recht sind für Straftaten geringfügiger Art, wie sie durch Gesetz näher bestimmt sind, oder in Fällen möglich, in denen das Verfahren gegen eine Person in erster Instanz vor dem obersten Gericht stattgefunden hat oder in de­nen eine Person nach einem gegen ihren Freispruch eingelegten Rechtsmittel verur­teilt worden ist.
Art. 3 Recht auf Entschädigung bei Fehlurteilen
Ist eine Person wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt und ist das Urteil später aufgeho­ben oder die Person begnadigt worden, weil eine neue oder eine neu bekannt gewordene Tat­sache schlüssig beweist, dass ein Fehlurteil vorlag, so muss sie, wenn sie aufgrund eines solchen Urteils eine Strafe verbüsst hat, entsprechend dem Gesetz oder der Übung des betreffenden Staates entschädigt werden, sofern nicht nachge­wiesen wird, dass das nicht rechtzeitige Bekannt werden der betreffenden Tatsache ganz oder teilweise ihr zuzuschreiben ist.
Art. 4 Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden
(1)  Niemand darf wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Straf­verfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden.
(2)  Absatz 1 schliesst die Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Gesetz und dem Strafver­fahrensrecht des betreffenden Staates nicht aus, falls neue oder neu bekannt gewordene Tat­sachen vorliegen oder das vorausgegangene Verfahren schwere, den Ausgang des Verfahrens berührende Mängel aufweist.
(3)  Von diesem Artikel darf nicht nach Artikel 15 der Konvention abgewichen wer­den.
Art. 5 Gleichberechtigung der Ehegatten
Hinsichtlich der Eheschliessung, während der Ehe und bei Auf­lösung der Ehe haben Ehegatten untereinander und in ihren Beziehungen zu ihren Kindern gleiche Rechte und Pflichten privat­rechtlicher Art. Dieser Artikel verwehrt es den Staaten nicht, die im Interesse der Kinder not­wendigen Massnahmen zu treffen.
Art. 6 Räumlicher Geltungsbereich
(1)  Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifi­kations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde einzelne oder mehrere Hoheits­gebiete bezeichnen, auf die dieses Protokoll Anwendung findet, und erklären, in wel­chem Umfang er sich verpflichtet, dieses Protokoll auf diese Hoheitsgebiete anzu­wenden.
(2)  Jeder Staat kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europa­rats gerich­tete Erklärung die Anwendung dieses Protokolls auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Das Protokoll tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von zwei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.
(3)  Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär gerichtete Notifi­kation zurückge­nommen oder geändert werden. Die Rücknahme oder Änderung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von zwei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
(4)  Eine nach diesem Artikel abgegebene Erklärung gilt als eine Erklärung im Sinne des Arti­kels 56 Absatz 1 der Konvention.
(5)  Das Hoheitsgebiet eines Staates, auf das dieses Protokoll aufgrund der Ratifika­tion, Annahme oder Genehmigung durch diesen Staat Anwendung findet, und jedes Hoheitsgebiet, auf welches das Protokoll aufgrund einer von diesem Staat nach die­sem Artikel abgegebenen Erklärung Anwendung findet, können als getrennte Hoheitsgebiete betrachtet werden, soweit Artikel 1 auf das Hoheitsgebiet eines Staates Bezug nimmt.
(6)  Jeder Staat, der eine Erklärung nach Absatz 1 oder 2 abgegeben hat, kann jeder­zeit danach für eines oder mehrere der in der Erklärung bezeichneten Hoheitsgebiete erklären, dass er die Zuständigkeit des Gerichtshofs, Beschwerden von natürlichen Personen, nichtstaatlichen Organisationen oder Personengruppen nach Artikel 34 der Konvention entgegenzunehmen, für die Artikel 1 bis 5 dieses Protokolls annimmt.
Art. 7 Verhältnis zur Konvention
Die Vertragsstaaten betrachten die Artikel 1 bis 6 dieses Protokolls als Zusatzartikel zur Kon­vention; alle Bestimmungen der Konvention sind dementsprechend anzu­wenden.
Art. 8 Unterzeichnung und Ratifikation
Dieses Protokoll liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats, welche die Konvention unter­zeichnet haben, zur Unterzeichnung auf. Es bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmi­gung. Ein Mitgliedstaat des Europarats kann dieses Protokoll nur rati­fizieren, annehmen oder genehmigen, wenn er die Konvention gleichzeitig ratifiziert oder sie früher ratifiziert hat. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungs­urkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinter­legt.
Art. 9 Inkrafttreten
(1)  Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitab­schnitt von zwei Monaten nach dem Tag folgt, an dem sieben Mitgliedstaaten des Europarats nach Arti­kel 8 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein.
(2)  Für jeden Mitgliedstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch das Pro­tokoll gebunden zu sein, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von zwei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde folgt.
Art. 10 Aufgaben des Verwahrers
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert allen Mitgliedstaaten des Europarats
a) jede Unterzeichnung;
b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde;
c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 6 und 9;
d) jede andere Handlung, Notifikation oder Erklärung im Zusammenhang mit die­sem Protokoll.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Proto­koll unter­schrieben.
Geschehen zu Strassburg am 22. November 1984 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Euro­parats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats über­mittelt allen Mitgliedstaa­ten des Europarats beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 20. September 2019 ⁴

⁴ AS 2004 2007 , 2006 3249 , 2011 805 , 2015 587 , 2019 3077 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Nachfolge­erklärung (N)

Inkrafttreten

Albanien a

  2. Oktober

1996

  1. Januar

1997

Andorra

  6. Mai

2008

  1. August

2008

Armenien

26. April

2002

  1. Juli

2002

Aserbaidschan*

15. April

2002

  1. Juli

2002

Belgien

13. April

2012

  1. Juli

2012

Bosnien und Herzegowina

12. Juli

2002

  1. Oktober

2002

Bulgarien

  4. November

2000

  1. Februar

2001

Dänemark* a

18. August

1988

  1. November

1988

    Färöer* a

  2. September

1994

  2. September

1994

Estland a

16. April

1996

  1. Juli

1996

Finnland a

10. Mai

1990

  1. August

1990

Frankreich* a

17. Februar

1986

  1. November

1988

Georgien

13. April

2000

  1. Juli

2000

Griechenland

29. Oktober

1987

  1. November

1988

Irland

  3. August

2001

  1. November

2001

Island a

22. Mai

1987

  1. November

1988

Italien* a

  7. November

1991

  1. Februar

1992

Kroatien a

  5. November

1997

  1. Februar

1998

Lettland a

27. Juni

1997

  1. September

1997

Liechtenstein*

  8. Februar

2005

  1. Mai

2005

Litauen a

20. Juni

1995

  1. September

1995

Luxemburg* a

19. April

1989

  1. Juli

1989

Malta

15. Januar

2003

  1. April

2003

Moldau a

12. September

1997

  1. Dezember

1997

Monaco*

30. November

2005

  1. Februar

2006

Montenegro

  6. Juni

2006 N

  6. Juni

2006

Nordmazedonien a

10. April

1997

  1. Juli

1997

Norwegen a

25. Oktober

1988

  1. Januar

1989

Österreich*

14. Mai

1986

  1. November

1988

Polen

  4. Dezember

2002

  1. März

2003

Portugal*

20. Dezember

2004

  1. März

2005

Rumänien a

20. Juni

1994

  1. September

1994

Russland

  5. Mai

1998

  1. August

1998

San Marino* a

22. März

1989

  1. Juni

1989

Schweden* a

  8. November

1985

  1. November

1988

Schweiz* a

24. Februar

1988

  1. November

1988

Serbien

  3. März

2004

  1. Juni

2004

Slowakei a b

18. März

1992

  1. Januar

1993

Slowenien a

28. Juni

1994

  1. September

1994

Spanien*

16. September

2009

  1. Dezember

2009

Tschechische Republik a b

18. März

1992

  1. Januar

1993

Türkei

  2. Mai

2016

  1. August

2016

Ukraine a

11. September

1997

  1. Dezember

1997

Ungarn a

  5. November

1992

  1. Februar

1993

Zypern

15. September

2000

  1. Dezember

2000

* Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite des Europarates: www.coe.int > Deutsch > Mehr > Vertragsbüro > Gesamtverzeichnis eingesehen oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern bezogen werden.
a
Bis zum Inkrafttreten des Prot. Nr. 11 (SR 0.101.09) am 1. Nov. 1998 dehnt dieser Staat die Anerkennung der Individualbeschwerde und der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes (Art. 34 und 46 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – SR 0.101) auf die Art. 1–5 des Prot. Nr. 7 aus.
b
18.03.1992: Datum der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch die Tschechische und Slowakische Föderative Republik.

Vorbehalte und Erklärungen

Schweiz ⁵

⁵ Art. 1 Abs. 1 des BB vom 20. März 1987 ( AS 1988 1596 ).
Vorbehalt zu Art. 1:
Erfolgte die Ausweisung durch Beschluss des Bundesrates gestützt auf Artikel 70 der Bundesverfassung⁶ wegen Gefährdung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz, so werden den Betroffenen auch nach vollzogener Ausweisung keine Rechte nach Absatz 1 eingeräumt.
Vorbehalt zu Art. 5:
Die Anwendung der Bestimmungen des Artikels 5 des 7. Zusatzprotokolls nach Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen des Zivilgesetzbuches vom 5. Oktober 1984⁷ erfolgt unter Vorbehalt einerseits der Regelung betreffend den Familiennamen (Art. 160 ZGB⁸ und Art. 8 a SchlT ZGB) und anderseits der Regelung des Erwerbs des Bürgerrechtes (Art. 161, 134 Abs. 1, 149 Abs. 1 ZGB und Art. 8 b SchlT ZGB). Artikel 5 findet weiter Anwendung unter Vorbehalt gewisser Übergangsbestimmungen des Ehegüterrechts (Art. 9, 9 a , 9 c , 9 d , 9 e , 10 und 10 a SchlT ZGB).
⁶ SR 101
⁷ AS 1986 122
⁸ SR 210
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