Abkommen (0.814.592.2)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat, der Regierung der Französischen Republik, und der Europäischen Organisation für Kernforschung über den Schutz vor ionisierender Strahlung und die Sicherheit der Anlagen der Europäischen Organisation für Kernforschung Abgeschlossen am 15. November 2010 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 16. September 2011 (Stand am 16. September 2011) ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung.
Der Schweizerische Bundesrat
(nachfolgend «Schweizerischer Bundesrat» genannt)
und die Regierung der Französischen Republik
(nachfolgend «Französische Regierung» genannt)
und die Europäische Organisation für Kernforschung
(nachfolgend «Organisation» bzw. «CERN» genannt),
nachfolgend gemeinsam «Parteien» genannt,
eingedenk des Übereinkommens vom 1. Juli 1953² zur Errichtung einer Europäischen Organisation für Kernforschung in der abgeänderten Fassung vom 17. Januar 1971;
eingedenk des Abkommens vom 11. Juni 1955³ zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Organisation zur Festlegung des rechtlichen Statuts der Organi­sation in der Schweiz (nachfolgend «Sitzabkommen» genannt) und insbesondere des Artikels 26;
eingedenk des Abkommens vom 13. September 1965 in der revidierten Fassung vom 16. Juni 1972 zwischen der Französischen Regierung und der Organisation zur Festlegung des rechtlichen Statuts der Organisation in Frankreich (nachfolgend «Statutabkommen» genannt) und insbesondere des Artikels XXII;
eingedenk des Abkommens vom 13. September 1965⁴ zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Französischen Regierung betreffend die Ausdehnung des Geländes der Organisation auf französisches Hoheitsgebiet und insbesondere des Artikels II;
in Erwägung, dass die Schweiz und Frankreich als Sitzstaaten der Organisation mit dieser zur Erleichterung ihrer Aufgaben zusammenarbeiten;
in Erwägung, dass die Organisation mit ihren Sitzstaaten zusammenarbeitet, um jeden Nachteil, der sich aus ihrer Tätigkeit für die Sicherheit der Sitzstaaten ergeben könnte, zu vermeiden;
in Erwägung, dass die primäre Verantwortung für den Betrieb und die Sicherheit ihrer Anlagen der Organisation obliegt;
eingedenk des Übereinkommens vom 28. April 1972 zwischen der Französischen Regierung und der Organisation über den Schutz vor ionisierender Strahlung und des Übereinkommens vom 11. Juli 2000 zwischen der Französischen Regierung und der Organisation über die Sicherheit der Anlagen in Verbindung mit dem Large Hadron Collider (LHC) und dem Super Proton Synchrotron (SPS);
eingedenk des Abkommens vom 8. September 1993 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Organisation zur Sicherstellung der Zusammenarbeit im Bereich des Strahlenschutzes;
in Erwägung, dass einerseits die Übereinkommen vom 28. April 1972 und vom 11. Juli 2000 und andererseits das Abkommen vom 8. September 1993 zwei unterschiedliche bilaterale Zusammenarbeitsformen im Bereich des Schutzes vor ionisierender Strahlung und der Sicherheit der Anlagen der Organisation geschaffen haben;
in Erwägung, dass die technische Einzigartigkeit der Anlagen der Organisation eine einheitliche und transparente Regelung erfordert und demzufolge eine trilaterale Zusammenarbeit im Bereich des Schutzes vor ionisierender Strahlung und der Sicherheit der Anlagen der Organisation vorzusehen ist,
sind wie folgt übereingekommen:
² SR 0.424.091 ³ SR 0.192.122.42 ⁴ SR 0.192.122.423
Art. 1 Zweck
Mit diesem Abkommen soll sichergestellt werden, dass unter Berücksichtigung der Rechtsvorschriften und Regelungen jedes Sitzstaates, der einschlägigen Rechtsakte der Europäischen Union, jener der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) sowie der internationalen Empfehlungen und Normen, darunter jene der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP), die bewährten Verfahren zum Schutz vor ionisierender Strahlung und zur Sicherheit Anwendung finden auf die Anlagen der Organisation, in denen ionisierende Strahlen genutzt werden. Anhang 1 enthält eine als Anhalt dienende Liste der massgeblichen Rechtsakte der Europäischen Atomgemeinschaft sowie der zu berücksichtigenden internationalen Normen und Empfehlungen.
Zu diesem Zweck werden in diesem Abkommen die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zwischen den Parteien sowie deren diesbezüglichen Pflichten festgelegt.
Art. 2 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Abkommens bezeichnet der Ausdruck:
a) «radioaktive Abfälle»: nicht weiterverwendete radioaktive Materialien, einschliesslich solcher, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens auf dem Gelände der Organisation befinden;
b) «radioaktive Abgaben»: flüssige und gasförmige Stoffe, die infolge des Betriebs der Anlagen aktiviert oder kontaminiert sind und an die Umwelt abgegeben werden;
c) «CERN-Experimente»: durch das CERN genehmigte oder anerkannte physikalische Experimente;
d) «Bestätigung»: schriftliche Anerkennung durch die Behörden, dass die Regelung des CERN gleichwertige Garantien hinsichtlich Schutz vor ionisierender Strahlung und Sicherheit wie die Anwendung ihrer innerstaat­lichen Regelungen bietet. Die Behörden tragen dabei den betrieblichen Bedürfnissen des CERN und dem Schutz seiner Interessen Rechnung;
e) «Anlage(n)»: sämtliche Räumlichkeiten und technischen Infrastrukturen sowie Ausrüstungen, die für den Betrieb der Beschleuniger und die Durchführung der CERN-Experimente notwendig sind bzw. waren;
f) «aktivierte Materialien»: aufgrund des Betriebs der Anlagen aktivierte oder kontaminierte Materialien, einschliesslich solcher, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens auf dem Gelände der Organisation befinden;
g) «radioaktive Materialien»: aktivierte Materialien, geschlossene Strahlenquellen und offene Strahlenquellen;
h) «Behörden»: die für den Strahlenschutz und die Sicherheit von Forschungseinrichtungen zuständigen schweizerischen und französischen Behörden;
i) «Schutz vor ionisierender Strahlung»: sämtliche technischen und organisatorischen Vorkehrungen, dank derer sich die Exposition der Arbeitnehmenden und anderer Personen gegenüber ionisierender Strahlung beim Normal­betrieb einer Anlage begrenzen und rückverfolgen lässt.
j) «induzierte Radioaktivität»: Aktivierung von Materialien und Ausrüstungen aufgrund der Strahlzirkulation in den Anlagen;
k) «Streustrahlung»: die durch den Betrieb der Anlagen im Umfeld induzierte Strahlung;
l) «Direktstrahlung»: die aufgrund der Strahlzirkulation in den Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt induzierte Strahlung;
m) «CERN-Regeln»: die Regeln (einschliesslich der technischen Vorschriften), die das CERN kraft seines internationalen Status und gemäss Artikel 4.1 erlassen hat;
n) «geschlossene Strahlenquelle»: eine Quelle ionisierender Strahlung, deren Bauart unter üblicher Beanspruchung ein Austreten radioaktiver Stoffe vollständig verhindert und dadurch die Möglichkeit einer Kontamination ausschliesst. Die Umhüllung der geschlossenen Strahlenquelle muss je nach vorgesehener Anwendung den einschlägigen ISO-Normen genügen und entsprechend klassifiziert sein;
o) «offene Strahlenquelle»: eine Quelle ionisierender Strahlung, welche die Gefahr birgt, dass sich radioaktive Stoffe ausbreiten und eine Kontamination verursachen können;
p) «Sicherheit»: sämtliche technischen und organisatorischen Vorkehrungen, die bei Auslegung, Bau, Betrieb und Abbruch einer Anlage getroffen werden, um: – unter normalen Bedingungen einen für Arbeitnehmende, andere Personen und für die Umwelt gefahrenfreien Betrieb und Zustand der Anlage sicherzustellen, und
– Unfallsituationen vorzubeugen sowie deren Auswirkungen einzudämmen.
Art. 3 Organisation der Zusammenarbeit zwischen den Parteien
3.1 Dreiertreffen
Die Parteien halten mindestens zwei Mal jährlich Treffen (nachfolgend «Dreiertreffen» genannt) ab. Das Dreiertreffen findet zudem auf Verlangen einer der Parteien statt.
3.1.1 Vertretungen
An den Dreiertreffen werden die Französische Regierung und der Schweizerische Bundesrat durch die Behörden vertreten. Die Organisation wird durch die für den Sicherheits- und Strahlenschutzbereich zuständige Organisationseinheit vertreten.
Die Behörden und die zuständige Organisationseinheit des CERN benennen die Personen, gegebenenfalls einschliesslich von Sachverständigen und Beratern, die an den Dreiertreffen teilnehmen. Jede Partei setzt die anderen Parteien über die entsprechend benannten Personen in Kenntnis.
3.1.2 Auftrag
An den Dreiertreffen:
a) unterbreitet die Organisation zur Bestätigung durch die Behörden: – die CERN-Regeln sowie jede wesentliche Änderung dieser Regeln,
– die in Anhang 2 bezeichneten Unterlagen mit Ausnahme des Jahresinventars der radioaktiven Abfälle und der Jahresbilanz über die Betriebssicherheit und den Schutz vor ionisierenden Strahlen der Anlagen;
b) unterbreitet die Organisation zur Zulassung durch die Behörden: – die Methoden zur Beurteilung der Auswirkungen der Streustrahlung und der radioaktiven Abgaben auf Umwelt und Menschen (vgl. Art. 4.2),
– die Methoden zur Beurteilung der Auswirkungen der Direktstrahlung und der induzierten Radioaktivität auf die Arbeitnehmenden (vgl. Art. 4.3);
c) regeln die Parteien: – das Verfahren zur Akkreditierung der Dosimetriestelle des CERN (vgl. Art. 5),
– das Verfahren zur Einstufung und Meldung bedeutsamer Ereignisse (vgl. Art. 9),
– das Verfahren zur Umsetzung dieses Abkommens, insbesondere die Modalitäten der Informationsübermittlung und die Richtlinien hinsichtlich der Form und der Gliederung der gemäss diesem Abkommen vorzulegenden Unterlagen sowie das Verfahren zur Überprüfung dieser Unterlagen (vgl. Art. 4.4);
d) genehmigen die Parteien die Wahl der Abfallentsorgungswege (vgl. Art. 7);
e) beschliessen die Parteien mögliche Änderungen eines Anhangs zu diesem Abkommen (vgl. Art. 13);
f) einigen sich die Parteien über die Daten und das Jahresprogramm der Besichtigungen (vgl. Art. 3.3);
g) informieren die Behörden die Organisation über wesentliche Änderungen der Rechtsvorschriften in den Sitzstaaten.
Das genehmigte Protokoll ist für die an den Dreiertreffen gefassten Beschlüsse massgebend.
Die Organisation kommt den gegebenenfalls an den Dreiertreffen formulierten Bemerkungen und Forderungen der Behörden nach.
3.1.3 Sekretariat
Die Organisation ist für die Führung des Sekretariats der Dreiertreffen, deren Ein­berufung sowie deren Vor- und Nachbereitung zuständig. Sie unterbreitet die Pro­tokollentwürfe zur Genehmigung durch die anderen Teilnehmenden. Sie überweist ausserdem die gemäss diesem Abkommen von ihr erarbeiteten Unterlagen an die Parteien.
3.2 Antrag auf Beratung
Die Behörden können der Organisation auf deren Antrag hin Beratung in konkreten Fragen des Schutzes vor ionisierender Strahlung und der Sicherheit nach gemeinsam festgelegten Verfahren leisten.
Die von den Behörden geleistete Beratung lässt ihr Recht, Bemerkungen und Forderungen im Rahmen der Dreiertreffen zu formulieren, unberührt.
3.3 Besichtigungen
Zur Erreichung der in Artikel 1 dieses Abkommens genannten Zielsetzung führen die Behörden auf dem Gelände der Organisation Besichtigungen durch, die gemeinsam erfolgen können.
Die Behörden verständigen sich über die jährlich geplanten Besichtigungen und schlagen der Organisation Daten und ein Besichtigungsprogramm mit den zu prüfenden Themen vor. Die Parteien einigen sich an einem Dreiertreffen über die Besichtigungsdaten und das Besichtigungsprogramm.
Zusätzliche Besichtigungen können vorgenommen werden, wenn die Umstände es erfordern.
Von den Behörden benannte Sachverständige können diese bei den Besichtigungen begleiten.
Zu jeder Besichtigung wird ein Folgeschreiben erstellt. Die im Laufe der Besichtigungen gemachten Feststellungen können zu Bemerkungen und Forderungen seitens der Behörden Anlass geben. Die Organisation kommt diesen Bemerkungen und Forderungen nach.
Art. 4 Pflichten des CERN im Bereich Schutz vor ionisierender Strahlung und Sicherheit
4.1 Allgemeine Pflichten
Die Organisation legt Regeln fest und trifft die notwendigen Vorkehrungen, damit während der gesamten Lebensdauer ihrer Anlagen (Auslegung, Bau, Betrieb, Still­legung und Abbruch) der Schutz vor ionisierender Strahlung und die Sicherheit nach den in diesem Abkommen festgelegten Verfahren gewährleistet sind.
4.2 Auswirkungen der Streustrahlung und der radioaktiven Abgaben auf Umwelt und Menschen
Die Organisation beurteilt mittels an Dreiertreffen zugelassenen Methoden die Auswirkungen der Streustrahlung und der radioaktiven Abgaben auf Umwelt und Menschen. Die Organisation trifft die notwendigen Vorkehrungen, um diese Auswirkungen so gering wie vernünftigerweise erreichbar zu halten.
4.3 Auswirkungen der Direktstrahlung und der induzierten Radioaktivität auf die Arbeitnehmenden
Die Organisation beurteilt mittels an Dreiertreffen zugelassenen Methoden die Auswirkungen der Exposition durch Direktstrahlung und induzierte Radioaktivität auf die Arbeitnehmenden. Die Organisation trifft die notwendigen Vorkehrungen, um diese Auswirkungen so gering wie vernünftigerweise erreichbar zu halten.
4.4 Dokumentation zur Sicherheit und zum Schutz vor ionisierender Strahlung
Die Organisation erarbeitet eine Dokumentation zur Sicherheit und zum Schutz vor ionisierender Strahlung nach Anhang 2 und hält diese auf dem neusten Stand.
Mögliche Änderungen der in Anhang 2 genannten Unterlagen sowie die Modalitäten der Übermittlung dieser Dokumentation an die anderen Parteien werden im Rahmen eines Dreiertreffens festgelegt. Vor der Überprüfung an einem Dreiertreffen werden die Unterlagen durch die Behörden und die ihnen technische Unterstützung leistenden Institutionen beurteilt.
Art. 5 Dosimetriestelle des CERN
Die Personendosimetriestelle des CERN (nachfolgend «Dosimetriestelle» genannt) erhebt mithilfe persönlicher Dosimeter die externe Exposition aller Arbeitnehmenden auf dem Gelände der Organisation, die ionisierender Strahlung ausgesetzt sein könnten. Sie führt Dosimetriemessungen zur internen Exposition durch, wenn die Umstände es erfordern.
Die Dosimetriestelle wird nach dem von den Parteien an einem Dreiertreffen fest­gelegten Verfahren durch die Behörden akkreditiert.
Die Dosimetriestelle übermittelt den beiden Sitzstaaten regelmässig die Ergebnisse der Überwachung der Personendosen zur Eintragung in die nationalen Register.
Art. 6 Radioaktive Materialien
Die Einfuhr und die Ausfuhr von radioaktiven Materialien müssen durch die Behörden in Übereinstimmung mit den jeweiligen innerstaatlichen Rechtsvorschriften bewilligt worden sein, wobei die durch die Behörden erteilten Bewilligungen gegenseitig zu berücksichtigen sind. Die Bewilligungen umfassen unter Berücksichtigung der technischen Erfordernisse Vorschriften über den Besitz und den Umgang mit radioaktiven Stoffen entsprechend der Ausbreitungs- und Kontaminationsgefahr.
Die Organisation entscheidet auf ihrem Gelände frei und in eigener Verantwortung über die Bewegungen von radioaktiven Materialien.
Sie führt ein Inventar der geschlossenen Strahlenquellen unter Angabe deren Standortes. Sie übermittelt den anderen Parteien jährlich eine Zusammenfassung des Inventars.
Art. 7 Radioaktive Abfälle
Die radioaktiven Abfälle aus den Anlagen werden durch die Sitzstaaten auf den hierfür vorgesehenen Wegen in Übereinstimmung mit den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften entsorgt.
Für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle verfasst die Organisation eine «Abfallstudie» zu allen Anlagen des Standortes und übermittelt diese den Parteien.
Die Studie enthält für jede Abfallart die vorgesehenen Entsorgungswege. Sie wird bei Bedarf aktualisiert. Die Abfallstudie berücksichtigt, dass die Abfälle hinsichtlich der Menge, der Aktivität und der Toxizität auf die Sitzstaaten gerecht zu verteilen sind, und stellt eine Entsorgung auf den technisch und wirtschaftlich günstigsten Wegen sicher.
Die Wahl der Entsorgungswege wird nach Prüfung an einem Dreiertreffen durch die Parteien genehmigt.
Die Organisation führt ein Inventar der durch die Sitzstaaten entsorgten und an ihrem Standort vorhandenen radioaktiven Abfälle.
Art. 8 Beförderung
Die Beförderung von radioaktiven Materialien und radioaktiven Abfällen zwischen den einzelnen Standorten des CERN erfolgt nach den in den Sitzstaaten anzu­wendenden europäischen Rechtsvorschriften über den Gefahrguttransport auf der Strasse, wobei die Behörden dem CERN die in dieser Regelung vorgesehenen Ausnahmen gewähren, um seinen Betriebsbedürfnissen und seinen technischen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Die Transportbedingungen für radioaktive Materialien und radioaktive Abfälle werden unter Berücksichtigung der genannten Rechtsvorschriften und Ausnahmen in einer von den Behörden bestätigten CERN-Regel festgelegt.
Bis eine entsprechende CERN-Regel festgelegt ist, bleiben die bisherigen Ausnahmeregelungen in Kraft, wobei die von einer Behörde erteilte Ausnahme von den anderen Behörden anzuerkennen ist.
Beförderungen innerhalb des CERN-Geländes auf nicht öffentlichen Strassen erfolgen nach Verfahren, welche die Organisation ohne Unterbreitung an die Behörden frei festlegt.
Art. 9 Ereignismeldung
Die Organisation meldet den Behörden unverzüglich jedes Ereignis, das gemäss der von der IAEO und der Kernenergieagentur (NEA) der Organisation für wirtschaft­liche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gemeinsam erarbeiteten Interna­tionalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) als bedeutsam einzustufen ist. Das Melde- und Einstufungsverfahren wird an einem Dreiertreffen bestimmt.
Art. 10 Sicherheit der Schweiz und Frankreichs
Das Recht des Schweizerischen Bundesrates und der Französischen Regierung, nach den Bestimmungen von Artikel 26 des Sitzabkommens bzw. von Artikel XXII des Statutabkommens im Interesse der Sicherheit der Schweiz oder Frankreichs zweckdienliche Massnahmen zu treffen, die eine Aufforderung an das CERN um Einstellung des Betriebs seiner Anlagen umfassen können, wird durch dieses Abkommen nicht berührt.
Art. 11 Vollzug des Abkommens durch die Parteien
Die Parteien vollziehen dieses Abkommen in Treu und Glauben, im Geiste der gegenseitigen Zusammenarbeit und Information unter Berücksichtigung ihrer aus dem Sitzabkommen oder dem Statutabkommen erwachsenden Rechte und Pflichten sowie nach einem den Risiken für die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung angemessenen Vorgehen.
Art. 12 Streitbeilegung
Die Parteien bemühen sich um eine gütliche Beilegung von Streitigkeiten.
Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieses Abkommens, die nicht gütlich beigelegt werden konnten, sind dem Präsidenten des CERN-Rates zur Kenntnis zu bringen, der sich um die Herbeiführung einer gütlichen Beilegung bemühen oder die Frage dem Rat unterbreiten kann.
Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieses Abkommens, die nicht nach dem vorstehenden Absatz beigelegt werden konnten, werden gemäss den freiwilligen Schiedsverfahrensregeln des Ständigen Schiedshofs für internationale Organisationen und Staaten einem einzigen Schiedsrichter überwiesen.
Art. 13 Änderungen
Dieses Abkommen kann auf Verlangen einer der Parteien nach dem für seine Verabschiedung befolgten Verfahren abgeändert werden. Die drei Parteien verständigen sich über die vorzunehmenden Änderungen der Bestimmungen dieses Abkommens.
Mögliche Änderungen eines Anhangs zu diesem Abkommen werden hingegen an einem Dreiertreffen beschlossen.
Art. 14 Aufhebung früherer Übereinkommen und Abkommen
Es werden aufgehoben:
1. das Übereinkommen vom 28. April 1972 zwischen der Französischen Regierung und der Organisation über den Schutz vor ionisierender Strahlung;
2. das Übereinkommen vom 11. Juli 2000 zwischen der Französischen Regierung und der Organisation über die Sicherheit der Anlagen in Verbindung mit dem Large Hadron Collider (LHC) und dem Super Proton Synchrotron (SPS);
3. das Abkommen vom 8. September 1993 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Organisation zur Sicherstellung der Zusammenarbeit im Bereich des Strahlenschutzes.
Art. 15 Kündigung
Dieses Abkommen kann von einer Vertragspartei unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Jahren gekündigt werden.
Art. 16 Inkrafttreten
Jede Vertragspartei notifiziert den anderen beiden Parteien den Vollzug der nach ihrem innerstaatlichen Recht für das Inkrafttreten dieses Abkommens erforderlichen Formalitäten. Das Abkommen tritt drei Monate nach Eingang der letzten dieser Notifikationen in Kraft.
Ausgefertigt in Genf, den 15. November 2010, in französischer Sprache, in drei Exemplaren.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Pascal Strupler

Für die
Französische Regierung:

André-Claude Lacoste

Für die Organisation:

Rolf Heuer

Anhang 1

Indikative Liste der massgeblichen Rechtsakte der Europäischen Atomgemeinschaft sowie der internationalen Normen und Empfehlungen

– Richtlinie 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen
– Richtlinie 2003/122/Euratom des Rates vom 22. Dezember 2003 zur Kontrolle hoch radioaktiver umschlossener Strahlenquellen und herrenloser Strahlenquellen
– Richtlinie 2006/117/Euratom des Rates vom 20. November 2006 über die Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente
– Gemeinsames Übereinkommen vom 5. September 1997⁵ über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle
– Internationale Sicherheitsgrundnormen für den Schutz vor ionisierender Strahlung und für die Sicherheit von Strahlenquellen ( Basic Safety Sta n dards Nr. 115 – AIEA, 1997), die im Rahmen der NEA/OECD, der IAEO, der FAO, der ILO, der WHO und der PAHO aufgestellt wurden
– Empfehlung Nr. 103 der Internationalen Kommission für Strahlenschutz (ICRP, 2007)
– Europäisches Übereinkommen vom 30. September 1957⁶ über die interna­tionale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR)
⁵ SR 0.732.11
⁶ SR 0.741.621

Anhang 2

Dokumentation über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung, die für den Vollzug des Abkommens zwischen der Regierung der Französischen Republik, dem Schweizerischen Bundesrat und der Europäischen Organisation für Kernforschung hinsichtlich der Sicherheit der Anlagen der Organisation vorgesehen ist.

1. Unterlagen über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung bei bestehenden Anlagen.
Für die sich in Betrieb befindenden Anlagen aktualisiert die Organisation die folgenden bestehenden Unterlagen über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung: – für das gesamte Gelände der Organisation: – CERN-Abfallstudie,
– Jahresinventar der radioaktiven Abfälle,
– CERN-Notfallplan (ehemals interner Notfallplan),
– Jahresbilanz über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierenden Strahlungen der Anlagen;
– für sämtliche Anlagen der Organisation: – Sicherheitsdokumentationen zu den einzelnen Anlagen,
– CERN-Regeln in Zusammenhang mit dem Betrieb der einzelnen Anlagen.
Diese Unterlagen werden auf Verlangen den anderen Parteien neben der Jahresbilanz über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung und dem jährlich vorzulegenden Jahresinventar der radioaktiven Abfälle übermittelt.
2. Unterlagen über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung bei Anlagenänderungen.
Im Falle von Änderungen einer bestehenden Anlage mit bedeutenden Auswirkungen auf die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung: a) Vor der Änderung teilt die Organisation den anderen Parteien die aktualisierte Sicherheitsdokumentation der betreffenden Anlage sowie die gegebenenfalls abgeänderten CERN-Regeln mit.
b) Nach der Änderung der Anlage teilt die Organisation den anderen Parteien einen Nachtrag oder eine Aktualisierung der betreffenden Dokumentation mit.
3. Unterlagen über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung bei neuen Anlagen.
Für jede neue vom CERN anerkannte und genehmigte Anlage übermittelt die Organisation die folgenden Unterlagen: – für die neue Anlage: – in der Auslegungsphase: – eine Umweltverträglichkeitsprüfung,
– eine vorläufige Sicherheitsdokumentation,
– vor der Inbetriebnahme: – eine Sicherheitsdokumentation,
– CERN-Regeln in Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage,
– infolge von Bemerkungen und Forderungen der Behörden, denen das CERN zu entsprechen hat, und nach der Inbetriebnahme: – eine endgültige Sicherheitsdokumentation,
– aktualisierte CERN-Regeln in Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage;
– für das gesamte Gelände der Organisation: – einen Nachtrag oder eine Aktualisierung der CERN-Abfallstudie,
– einen Nachtrag oder eine Aktualisierung des CERN-Notfallplans,
– einen Nachtrag oder eine Aktualisierung der Jahresbilanz über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierenden Strahlungen der Anlagen.
4. Unterlagen über die Sicherheit und den Schutz vor ionisierender Strahlung bei Abbruch einer Anlage.
Im Falle des Abbruchs einer Anlage übermittelt die Organisation den anderen Parteien vor dem Abbruch die folgenden Unterlagen:
– für die vom Abbruch betroffene Anlage der Organisation: – eine Umweltverträglichkeitsprüfung der Abbrucharbeiten,
– eine vorläufige Sicherheitsdokumentation zu den Stilllegungs- und Abbrucharbeiten,
– die CERN-Überwachungs- und -Instandhaltungsregeln, die vom Beginn der Stilllegung bis zum Abschluss den Abbrucharbeiten einzuhalten sind;
– für das gesamte Gelände der Organisation: – einen Nachtrag oder eine Aktualisierung des CERN-Notfallplans.
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