Gesetz über die Archivierung (108.1)
CH - BE

Gesetz über die Archivierung

1 108.1 Gesetz über die Archivierung (ArchG) vom 31.03.2009 (Stand 01.07.2021) Der Grosse Rat des Kantons Bern, auf Antrag des Regierungsrates, beschliesst:
1 Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Gegenstand
1 Dieses Gesetz regelt die Sicherung, Ordnung und dauerhafte Aufbewahrung von Unterlagen.

Art. 2

Wirkungsziele
1 Die Archivierung von Unterlagen hat zum Ziel, a die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns dauerhaft sicherzustellen, b die Erforschung des kulturellen Erbes des Kantons Bern in Schrift, Ton und Bild zugunsten zukünftiger Generationen zu ermöglichen und den Schutz dieses Erbes sicherzustellen.

Art. 3

Begriffe
1 Unterlagen sind aufgezeichnete Informationen, unabhängig vom Datenträger, sowie alle Hilfsmittel und ergänzenden Daten, die für das Verständnis der In formationen und deren Nutzung nötig sind.
2 Archivwürdig sind Unterlagen, die für die Wirkungsziele der Archivierung ge mäss Artikel 2 einen grossen und dauernden Informationswert besitzen.
3 Als Archivgut gelten Unterlagen, die ein Archiv nach den Vorschriften dieses Gesetzes zur Aufbewahrung übernommen hat.
4 Als Behörden im Sinne dieses Gesetzes gelten a Organe des Kantons, seiner Anstalten und seiner Körperschaften, b Organe der Gemeinden, ihrer Anstalten und von Körperschaften, die dem Gemeindegesetz vom 16. März 1998 (GG) 1 ) unterstellt sind,
1) BSG 170.11 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
09-146
108.1 2 c Private, soweit sie ihnen übertragene öffentlich-rechtliche Aufgaben erfül len.

Art. 4

Geltungsbereich
1 Dieses Gesetz gilt für die Archivierung der Unterlagen von Behörden im Sinn von Artikel 3 Absatz 4.
2 Es gilt auch für die Archivierung der Unterlagen von Behörden gemäss Absatz
1, die aufgelöst worden sind.

Art. 5

Grundsätze der Archivierung 1. Sicherung und Bewertung
1 Die Unterlagen der Behörden werden soweit gesammelt, geordnet und aufbe wahrt, dass die wesentlichen Abläufe und die Ergebnisse des staatlichen Han delns nachvollzogen werden können.
2 Sie werden nach ihrer Bedeutung und ihrem Informationsgehalt bewertet. Die Aufbewahrungsdauer richtet sich nach dieser Bewertung.

Art. 6

2. Ordnung und Erschliessung
1 Die Unterlagen werden mit den erforderlichen Archivplänen und Findmitteln geordnet und erschlossen.
2 Archivpläne und Regelungen über die Aufbewahrungsdauer und die Vernich tung von Unterlagen sind schriftlich festzuhalten.

Art. 7

Elektronische Unterlagen
1 Elektronische Unterlagen sind den Unterlagen auf Papier gleichgestellt.
2 Die Hilfsmittel für die Unterlagenverwaltung, namentlich Dokumentenverwal tungssysteme und Geschäftskontrollen, berücksichtigen die Anforderungen der Archivierung.
2 Sicherung der Unterlagen

Art. 8

Archivierungspflicht
1 Die Behörden sorgen für eine geordnete Archivierung ihrer Unterlagen (Ar chivführung) nach den Vorschriften dieses Gesetzes.
2 Sie können dafür die Dienstleistungen geeigneter Unternehmen in Anspruch nehmen.
3 108.1

Art. 9

Anbietepflicht an das Staatsarchiv
1 Die folgenden Behörden bieten ihre Unterlagen, die sie nicht mehr ständig be nötigen, dem Staatsarchiv zur dauernden Archivierung an: a der Grosse Rat und seine Organe, b der Regierungsrat und die von ihm eingesetzten Kommissionen, c die Direktionen und die Staatskanzlei, die Ämter und Dienststellen der Zentralverwaltung mit Ausnahme der kantonalen Institutionen der Psychiatrieversorgung, d das Obergericht, das Verwaltungsgericht, die Staatsanwaltschaft und die kantonalen verwaltungsunabhängigen Justizbehörden, e die Universität Bern, die Pädagogische Hochschule Bern und die Berner Fachhochschule, f die Behörden, die aufgelöst werden.
2 Der Regierungsrat regelt die Organisation, Verwaltung und Aufbewahrung der Unterlagen und Findmittel der Direktionen und der Staatskanzlei durch Verord nung. Er kann diese Befugnis ganz oder teilweise den Direktionen und der Staatskanzlei übertragen.

Art. 10

Archivführung der Hochschulen
1 Die Universität, die Pädagogische Hochschule Bern und die Berner Fach hochschule regeln die Archivführung in ihren Reglementen.
2 Sie sorgen für die Betreuung ihrer Unterlagen im vorarchivischen Bereich.

Art. 11

Archivführung der dezentralen kantonalen Verwaltung und der Gemeinden
1 Der Regierungsrat regelt durch Verordnung die Archivführung a der dezentralen kantonalen Verwaltung, b der Gemeinden, ihrer Anstalten und von Körperschaften, die dem Gemeindegesetz unterstellt sind.
2 Er kann diese Befugnis ganz oder teilweise der Direktion für Inneres und Jus tiz übertragen. *

Art. 12

Archivführung der Gerichte
1 Das Obergericht erlässt im Einvernehmen mit dem Staatsarchiv ein Regle ment über die Archivführung der erst- und oberinstanzlichen Zivil- und Strafge richte.
108.1 4
2 Das Verwaltungsgericht erlässt im Einvernehmen mit dem Staatsarchiv ein Reglement über die Archivführung des Verwaltungsgerichts und der verwal tungsunabhängigen Justizbehörden.
3 Die Generalstaatsanwaltschaft erlässt im Einvernehmen mit dem Staatsarchiv ein Reglement über die Archivführung der Staatsanwaltschaft.

Art. 13

Vernichtung von Unterlagen
1 Unterlagen, die unter die Anbietepflicht fallen, dürfen nicht ohne Zustimmung des zuständigen Archivs vernichtet werden.
2 Die Archive vernichten keine Unterlagen ohne Zustimmung der abliefernden Stelle.

Art. 14

Archivierung von Personendaten
1 Im Sinne von Artikel 19 des Datenschutzgesetzes vom 19. Februar 1986 (KDSG) 1 ) nicht mehr benötigte Personendaten dürfen dem Archiv überlassen werden, soweit eine Archivierung nach diesem Gesetz angezeigt ist.
2 Die abliefernde Stelle darf auf Personendaten zugreifen, die nach Artikel 19 KDSG zu Sicherungs- und Beweiszwecken aufbewahrt werden.
3 Auf die übrigen Personendaten darf die abliefernde Stelle nur noch zugreifen a für die Wahrung der Interessen der betroffenen Person, wenn diese zu stimmt oder ihre Zustimmung nach den Umständen vorausgesetzt werden darf, oder b für die Bearbeitung der Daten zu nicht personenbezogenen Zwecken nach Artikel 20.
4 Bestreitet eine betroffene Person die Richtigkeit von Personendaten nach Ab satz 1, kann sie den Unterlagen eine Gegendarstellung beilegen lassen. Das Archivgut selbst darf nicht verändert werden.

Art. 15

Aufgaben des Staatsarchivs
1 Das Staatsarchiv erfüllt namentlich folgende Aufgaben: a es übernimmt, ordnet und bewahrt alle archivwürdigen Unterlagen der an bietepflichtigen Behörden auf und restauriert sie bei Bedarf, b es trägt zur Vermittlung historischen Wissens und zur historischen For schung für die Bedürfnisse des Kantons, der Wissenschaft und der Kultur bei, c es führt ein Restaurierungsatelier, eine Bibliothek und einen Lesesaal,
1) BSG 152.04
5 108.1 d es bewertet die Unterlagen der anbietepflichtigen Behörden auf ihre Ar chivwürdigkeit, e es berät die anbietepflichtigen Behörden und erlässt zuhanden dieser Or gane Weisungen über die Ablieferung der Unterlagen und der Findmittel, f es ist befugt, Registraturen oder Informationsverwaltungsstellen der an bietepflichtigen Behörden zu besichtigen und Erhebungen über den Zu stand der dort verwahrten Unterlagen zu machen, g es kann die anderen Behörden und Private in Fragen der Archivierung be raten, h es kann archivwürdige Unterlagen anderer Herkunft übernehmen und auf bewahren, wenn es sich um Unterlagen handelt, die für die Geschichte des Kantons Bern von Bedeutung sind.
2 Der Regierungsrat regelt das Nähere betreffend Aufgaben und Organisation des Staatsarchivs durch Verordnung.
3 Zugänglichkeit des Archivguts

Art. 16

Grundsatz
1 Das Archivgut der Behörden gemäss Artikel 3 Absatz 4 steht der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 2. November 1993 über die In formation der Bevölkerung (Informationsgesetz, IG) 1 ) und des Datenschutzge setzes zur Einsichtnahme zur Verfügung.
2 Der Zugang der Öffentlichkeit zu Archivgut anderer Herkunft richtet sich nach den entsprechenden Übernahmeverträgen oder, wenn kein Übernahmevertrag vorhanden ist, sinngemäss nach Absatz 1.

Art. 17

Unterlagen ohne Personendaten
1 Unterlagen, die nach Artikel 16 Absatz 1 nicht zur Einsichtnahme durch die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, sind nach Ablauf von 30 Jahren frei zu gänglich, sofern keine Personendaten betroffen sind.
2 Die Frist von 30 Jahren beginnt mit dem Datum der jüngsten Unterlage eines Dossiers zu laufen.
1) BSG 107.1
108.1 6

Art. 18

Unterlagen mit Personendaten
1 Unterlagen, deren Zugänglichkeit beschränkt oder ausgeschlossen ist, weil sie Personendaten enthalten, stehen der Öffentlichkeit nach Ablauf dreier Jahre nach dem Tod der Person zur Einsichtnahme zur Verfügung, sofern die Frist von 30 Jahren nach Artikel 17 abgelaufen ist.
2 Ist das Todesdatum einer Person nicht bekannt, stehen die Unterlagen der Öf fentlichkeit ab dem 110. Altersjahr der betroffenen Person zur Einsichtnahme zur Verfügung, sofern die Frist von 30 Jahren nach Artikel 17 abgelaufen ist.
3 Archivgut, das älter als 110 Jahre ist, ist frei zugänglich.
4 Die Zugänglichkeit zu Unterlagen nach den Absätzen 1 bis 3 bleibt einge schränkt oder ausgeschlossen, soweit eine besondere Geheimhaltungspflicht des Bundesrechts oder des kantonalen Rechts dies verlangt.
5 Die Frist von 110 Jahren beginnt mit dem Datum der jüngsten Unterlage eines Dossiers zu laufen.

Art. 19

Benützung durch die abliefernden Stellen
1 Die abliefernde Stelle darf Archivgut, das sie einem Archiv abgeliefert hat, weiterhin benützen. Vorbehalten bleibt Artikel 14 Absatz 3.

Art. 20

Einsichtnahme zu wissenschaftlichen oder andern nicht personen bezogenen Zwecken
1 Ein Archiv kann Personendaten für einen nicht personenbezogenen Zweck, namentlich für Forschung, Praxisbildung, Statistik oder Planung, bekannt ge ben, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 15 KDSG erfüllt sind. Vorbehalten bleiben besondere Geheimhaltungspflichten des Bundesrechts und des kanto nalen Rechts.

Art. 21

Beschränkung der Einsichtnahme
1 Die Einsichtnahme in bestimmte Kategorien von Archivgut kann aus konser vatorischen Gründen oder wegen unverhältnismässigen Aufwands beschränkt werden.

Art. 22

Unentgeltlichkeit
1 Die Einsichtnahme in Archivgut ist grundsätzlich unentgeltlich.
2 Für besondere Dienstleistungen kann eine Gebühr erhoben werden.
3 Vorbehalten bleiben abweichende Regelungen des Bundesrechts.
7 108.1

Art. 23

Unveräusserlichkeit und Unersitzbarkeit
1 Das Archivgut der Behörden gemäss Artikel 3 Absatz 4 ist unveräusserlich.
2 Es kann weder ersessen noch gutgläubig erworben werden. Der Anspruch auf Herausgabe verjährt nicht.

Art. 24

Gewerbliche Nutzung
1 Die Nutzung des Archivguts der Behörden gemäss Artikel 3 Absatz 4 zu gewerblichen Zwecken bedarf einer Bewilligung des zuständigen Archivs.
2 Die Bewilligung kann von einer vertraglichen Regelung des Nutzungsumfangs und der allfälligen Gewinnbeteiligung abhängig gemacht werden.

Art. 25

Belegexemplare
1 Das zuständige Archiv hat Anspruch auf die unentgeltliche Abgabe eines Be legexemplars von Werken oder Veröffentlichungen, die in wesentlichen Teilen auf der Benützung seines Archivguts beruhen.
4 Strafbestimmungen

Art. 26

1 Wer vorsätzlich eine als archivwürdig bewertete Unterlage beschädigt, ver heimlicht, veräussert, vernichtet oder auf andere Weise der geordneten Ar chivierung entzieht, wird mit Busse bestraft.
2 Wer vorsätzlich Personendaten aus Archivgut offenbart, das nach Artikel 18 nicht öffentlich zugänglich ist und in das sie oder er zu nicht personenbezoge nen Zwecken Einsicht nehmen durfte, wird mit Busse bestraft.
5 Vollzug

Art. 27

1 Der Regierungsrat erlässt die notwendigen Ausführungsbestimmungen, ins besondere über a die Archivierung von Unterlagen, b den Umgang mit elektronischen Unterlagen, c die Aufgaben und die Organisation des Staatsarchivs, d die Archivführung der kantonalen Verwaltung, e die Archivierung von Unterlagen durch Private, soweit ihnen öffentlich- rechtliche Aufgaben übertragen sind, f die Zugangsbeschränkungen zu Archivgut im Sinne von Artikel 21,
108.1 8 g die Gebühren für besondere Dienstleistungen.
6 Schlussbestimmungen

Art. 28

Änderung von Erlassen
1 Folgende Erlasse werden geändert:
1. Gesetz vom 2. November 1993 über die Information der Bevölkerung (In formationsgesetz, IG) 1 )
2. Datenschutzgesetz vom 19. Februar 1986 (KDSG) 2 )
3. Gemeindegesetz vom 16. März 1998 (GG) 3 )

Art. 29

Inkrafttreten
1 Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Bern, 31. März 2009 Im Namen des Grossen Rates Die Präsidentin: Loosli-Amstutz Der Vizestaatsschreiber: Krähenbühl RRB Nr.1898 vom 4. November 2009: Inkraftsetzung auf den 1. Januar 2010
1) BSG 107.1
2) BSG 152.04
3) BSG 170.11
9 108.1 Änderungstabelle - nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung BAG-Fundstelle 31.03.2009 01.01.2010 Erlass Erstfassung 09-146 07.04.2021 01.07.2021

Art. 11 Abs. 2

geändert 21-033
108.1 10 Änderungstabelle - nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung BAG-Fundstelle Erlass 31.03.2009 01.01.2010 Erstfassung 09-146

Art. 11 Abs. 2

07.04.2021 01.07.2021 geändert 21-033
Markierungen
Leseansicht