Zusatzprotokoll zu dem Strafrechtsübereinkommen über Korruption (0.311.551)
CH - Schweizer Bundesrecht

Zusatzprotokoll zu dem Strafrechtsübereinkommen über Korruption

Abgeschlossen in Strassburg am 15. Mai 2003 Von der Bundesversammlung genehmigt am 7. Oktober 2005¹ Ratifikationsurkunde von der Schweiz hinterlegt am 31. März 2006 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juli 2006 (Stand am 6. Juli 2020) ¹ Art. 1 Abs. 2 des BB vom 7. Okt. 2005 ( AS 2006 2371 ).
Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Unterzeichnerstaaten
dieses Protokolls,
in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, das Strafrechtsübereinkommen über Korruption² (SEV Nr. 173, im Folgenden als «das Übereinkommen» bezeichnet) zwecks Verhütung und Bekämpfung der Korruption zu ergänzen;
in der Erwägung gleichfalls, dass dieses Protokoll zu einer grösseren Umsetzung des Aktionsprogramms von 1996 gegen Korruption beiträgt;
sind wie folgt übereingekommen:
² SR 0.311.55

Kapitel I: Begriffsbestimmungen

Art. 1 Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Protokolls:
1.  Wird der Ausdruck «Schiedsrichter» entsprechend dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien dieses Protokolls ausgelegt, wobei er aber in jedem Fall eine Person umfasst, die auf Grund einer Schiedsvereinbarung angerufen wird, eine rechtlich bindende Entscheidung in einer ihr von den Parteien dieser Vereinbarung vorgelegten Rechtsstreitigkeit zu treffen.
2.  Gilt als «Schiedsvereinbarung» eine nach dem innerstaatlichen Recht anerkannte Vereinbarung, mit der die Parteien übereinkommen, eine Rechtsstreitigkeit einem Schiedsrichter zwecks Entscheidung vorzulegen.
3.  Wird der Ausdruck «Schöffe»³ entsprechend dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien dieses Protokolls ausgelegt, wobei er aber in jedem Fall einen Laien umfasst, der als Angehöriger eines Kollegialorgans tätig ist, welches dafür verantwortlich ist, im Rahmen eines Gerichtsverfahrens über die Schuld eines Angeklagten zu entscheiden.
4.  Im Falle von Verfahren unter Mitwirkung eines ausländischen Schiedsrichters oder Schöffen kann der verfolgende Staat die Bestimmung des Begriffs Schiedsrichter oder Schöffe nur insoweit anwenden, als sie mit seinem innerstaatlichen Recht vereinbar ist.
³ CH: Geschworener.

Kapitel II: Innerstaatlich zu treffende Massnahmen

Art. 2 Aktive Bestechung inländischer Schiedsrichter
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Massnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: das unmittelbare oder mittelbare Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines unbilligen Vorteils an einen Schiedsrichter, der seine Aufgaben nach Massgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts dieser Partei wahrnimmt, für diesen selbst oder für einen Dritten, damit er in Ausübung seiner Funktion eine Handlung vornimmt oder unterlässt.
Art. 3 Passive Bestechung inländischer Schiedsrichter
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Massnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: das unmittelbare oder mittelbare Fordern oder Annehmen eines unbilligen Vorteils oder das Annehmen des Angebots oder Versprechens eines solchen Vorteils durch einen Schiedsrichter, der seine Aufgaben nach Massgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts dieser Partei wahrnimmt, für diesen selbst oder für einen Dritten, damit er in Ausübung seiner Funk­tion eine Handlung vornimmt oder unterlässt.
Art. 4 Bestechung ausländischer Schiedsrichter
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Massnahmen, um die in den Artikeln 2 und 3 genannten Handlungen, wenn ein Schiedsrichter beteiligt ist, der seine Aufgaben nach Massgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts eines anderen Staates wahrnimmt, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.
Art. 5 Bestechung inländischer Schöffen
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Massnahmen, um die in den Artikeln 2 und 3 genannten Handlungen, wenn eine Person beteiligt ist, welche ihre Aufgabe als Schöffe im Gerichtswesen wahrnimmt, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.
Art. 6 Bestechung ausländischer Schöffen
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Massnahmen, um die in den Artikeln 2 und 3 genannten Handlungen, wenn eine Person beteiligt ist, welche ihre Aufgabe als Schöffe im Gerichtswesen eines anderen Staates wahrnimmt, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.

Kapitel III: Überwachung der Durchführung und Schlussbestimmungen

Art. 7 Überwachung der Durchführung
Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) überwacht die Durchführung dieses Protokolls durch die Vertragsparteien.
Art. 8 Verhältnis zu dem Übereinkommen
1.  Die Vertragsparteien erachten die Artikel 2–6 dieses Protokolls als Zusatzartikel zu dem Übereinkommen.
2.  Die Bestimmungen des Übereinkommens sind anwendbar, insoweit sie mit den Bestimmungen dieses Protokolls vereinbar sind.
Art. 9 Erklärungen und Vorbehalte
1.  Hat eine Vertragspartei eine Erklärung gemäss Artikel 36 des Übereinkommens abgegeben, kann sie bei der Unterzeichnung oder Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde eine gleichartige Erklärung zu den Artikeln 4 und 6 dieses Protokolls abgeben.
2.  Hat eine Vertragspartei einen Vorbehalt gemäss Artikel 37 Ziffer 1 des Übereinkommens abgegeben, mit dem die Anwendung der in Artikel 5 des Übereinkommens bezeichneten Straftaten der passiven Bestechung begrenzt wird, kann sie bei der Unterzeichnung oder Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einen gleichartigen Vorbehalt zu den Artikeln 4 und 6 dieses Protokolls abgeben. Jeder andere von einer Vertragspartei gemäss Artikel 37 des Übereinkommens abgegebene Vorbehalt ist ebenfalls auf dieses Protokoll anwendbar, sofern diese Partei bei der Unterzeichnung oder Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde nichts Gegenteiliges erklärt.
3.  Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.
Art. 10 Unterzeichnung und Inkrafttreten
1.  Dieses Protokoll liegt für die Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens zur Unterzeichnung auf. Diese können ihre Zustimmung, gebunden zu sein, ausdrücken:
a. indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen; oder
b. indem sie es unter Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen.
2.  Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarates hinterlegt.
3.  Dieses Protokoll tritt, am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem fünf Staaten ihre Zustimmung nach den Ziffern 1 und 2 ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein, und frühestens nach Inkrafttreten des Übereinkommens.
4.  Für jeden Unterzeichnerstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch das Protokoll gebunden zu sein, tritt dieses am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem er nach den Ziffern 1 und 2 seine Zustimmung ausgedrückt hat, durch das Protokoll gebunden zu sein.
5.  Ein Unterzeichnerstaat kann dieses Protokoll nicht ratifizieren, annehmen oder genehmigen, ohne gleichzeitig oder vorher seine Zustimmung auszudrücken, durch das Übereinkommen gebunden zu sein.
Art. 11 Beitritt zum Protokoll
1.  Jeder Staat oder die Europäischen Gemeinschaft, die dem Übereinkommen beigetreten ist, kann diesem Protokoll nach dessen Inkrafttreten beitreten.
2.  Für die Europäischen Gemeinschaft und jeden dem Protokoll beigetretenen Staat tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem die an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Beitrittsurkunde hinterlegt worden ist.
Art. 12 Räumlicher Geltungsbereich
1.  Jeder Staat oder die Europäische Gemeinschaft kann bei der Unterzeichnung oder Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Protokoll Anwendung findet.
2.  Jede Vertragspartei kann danach jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Protokolls auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken, für dessen internationale Beziehungen die Partei verantwortlich ist oder zu Gunsten dessen sie befugt ist, Vereinbarungen zu treffen. Das Protokoll tritt bezüglich dieses Hoheitsgebiets am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem diese Erklärung bei Generalsekretär eingegangen ist.
3.  Jede nach den Ziffern 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär des Europarates folgt.
Art. 13 Kündigung
1.  Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll jederzeit durch eine an den General­sekretär des Europarates gerichtete Notifikation kündigen.
2.  Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
3.  Jede Kündigung des Übereinkommens bewirkt automatisch die Kündigung dieses Protokolls.
Art. 14 Notifikation
Der Generalsekretär des Europarates notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarates und jedem Staat oder der Europäischen Gemeinschaft, die diesem Protokoll beigetreten sind:
a. jede Unterzeichnung dieses Protokolls;
b. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
c. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 10, 11 und 12;
d. jede Erklärung oder jeden Vorbehalt nach den Artikeln 9 und 12;
e. jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Strassburg am 15. Mai 2003 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarates hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarates übermittelt allen Unterzeichnerstaaten sowie allen dem Protokoll beitretenden Staaten beglaubigte Abschriften.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 6. Juli 2020 ⁴

⁴ AS 2006 2393 , 2008 4061 , 2012 467 , 2013 2079 , 2015 5949 , 2018 2071 , 2020 3385 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Inkrafttreten

Albanien

15. November

2004

  1. März

2005

Andorra

20. Februar

2015

  1. Juni

2015

Armenien

  9. Januar

2006

  1. Mai

2006

Aserbaidschan*

  3. April

2013

  1. August

2013

Belarus

  5. Februar

2015

  1. Juni

2015

Belgien

26. Februar

2009

  1. Juni

2009

Bosnien und Herzegowina

  7. September

2011

  1. Januar

2012

Bulgarien

  4. Februar

2004

  1. Februar

2005

Dänemark a

16. November

2005

  1. März

2006

Deutschland

10. Mai

2017

  1. September

2017

Finnland

24. Juni

2011

  1. Oktober

2011

Frankreich

25. April

2008

  1. August

2008

Georgien

10. Januar

2014

  1. Mai

2014

Griechenland*

10. Juli

2007

  1. November

2007

Irland

11. Juli

2005

  1. November

2005

Island

  6. März

2013

  1. Juli

2013

Kroatien

10. Mai

2005

  1. September

2005

Lettland

27. Juli

2006

  1. November

2006

Litauen

26. Juli

2012

  1. November

2012

Luxemburg

13. Juli

2005

  1. November

2005

Malta

  1. Juli

2014

  1. November

2014

Moldau

22. August

2007

  1. Dezember

2007

Monaco

10. Juli

2013

  1. November

2013

Montenegro

17. März

2008

  1. Juli

2008

Niederlande*

16. November

2005

  1. März

2006

Karibische Gebiete (Bonaire, Sint Eustatius und Saba)

10. Oktober

2010

10. Oktober

2010

Nordmazedonien

14. November

2005

  1. März

2006

Norwegen

  2. März

2004

  1. Februar

2005

Österreich

13. Dezember

2013

  1. April

2014

Polen

30. April

2014

  1. August

2014

Portugal*

12. März

2015

  1. Juli

2015

Rumänien

29. November

2004

  1. März

2005

San Marino

30. August

2016

  1. Dezember

2016

Schweden*

25. Juni

2004

  1. Februar

2005

Schweiz* b

31. März

2006

  1. Juli

2006

Serbien

  9. Januar

2008

  1. Mai

2008

Slowakei

  7. April

2005

  1. August

2005

Slowenien

11. Oktober

2004

  1. Februar

2005

Spanien*

17. Januar

2011

  1. Mai

2011

Tschechische Republik

11. September

2018

1. Januar

2019

Türkei

16. Dezember

2014

  1. April

2015

Ukraine*

27. November

2009

  1. März

2010

Ungarn

27. Februar

2015

  1. Juni

2015

Vereinigtes Königreich

  9. Dezember

2003

  1. Februar

2005

Zypern

21. November

2006

  1. März

2007

* Vorbehalte und Erklärungen.
Die Vorbehalte und Erklärungen werden in der AS nicht veröffentlicht, mit Ausnahme jener der Schweiz. Die französischen und englischen Texte können auf der Internetseite des Europarates: www.coe.int > Deutsch > Mehr > Vertragsbüro > Gesamtverzeichnis eingesehen
oder bei der Direktion für Völkerrecht, Sektion Staatsverträge, 3003 Bern, bezogen werden.
a
Das Zusatzprotokoll gilt nicht für Grönland und die Färöer.
b
Mittels Schreiben vom 8. März 2018 hat die Schweiz dem Depositar mitgeteilt, dass sie die Erklärung gemäss Art. 36 und die Vorbehalte gemäss Art. 37 in Anwendung des Artikels 38 des Übereinkommens für weitere drei Jahre in ihrer Gesamtheit aufrechterhält und dies vom 1. Juli 2018 bis zum 1. Juli 2021 und dies gilt auch in Anwendung des Artikels 9 des Zusatzprotokolls.

Erklärungen

Schweiz ⁵

⁵ Art. 1 Abs. 2 des BB vom 7. Okt. 2005 ( AS 2006 2371 ).
Die Schweiz erklärt, dass sie die Taten im Sinne der Artikel 4 und 6 nur insoweit bestraft, als das Verhalten der bestochenen Person eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung bildet.
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