Abkommen (0.725.151)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über den Bau und den Betrieb eines Strassentunnels unter dem Grossen St. Bernhard Abgeschlossen am 23. Mai 1958 Von der Bundesversammlung genehmigt am 17. Dezember 1958² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 13. Juni 1959 In Kraft getreten am 13. Juni 1959 ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ² AS 1959 1331
Der Schweizerische Bundesrat und der Präsident der Italienischen Republik
in der Erkenntnis, dass die Errichtung eines Strassentunnels, der durch das Massiv des Grossen St. Bernhard hindurch die beiden Ortschaften Bourg‑Saint‑Pierre und Saint‑Rhémy miteinander verbindet, geeignet ist, die Verkehrswege zwischen den beiden Ländern zu verbessern, sind übereingekommen, zu diesem Zweck ein Abkommen abzuschliessen und haben demzufolge ihre Bevollmächtigten ernannt, nämlich
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die, nach Austausch ihrer Vollmachten, folgende Bestimmungen vereinbart haben:
Art. 1
Die Hohen Vertragsparteien kommen überein, die Erstellung einer Strassenverbindung zwischen dem schweizerischen und dem italienischen Hoheitsgebiet durch den Bau eines Tunnels unter dem Grossen St. Bernhard zu gestatten. Zu diesem Zweck verpflichten sie sich zu veranlassen, dass von den zuständigen Behörden, und zwar jede innerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit, den beiden in Absatz 1 des folgenden Artikels vorgesehenen Gesellschaften die Ausführung der Arbeiten für die Errichtung des Tunnels durch den Grossen St. Bernhard auf der Grundlage des von den zuständigen Behörden der beiden Staaten zu genehmigenden technischen Projekts bewilligt wird. Sie verpflichten sich ferner zu veranlassen, dass dem in Absatz 2 des folgenden Artikels vorgesehenen einzigen Unternehmen die Bewilligung zum Betrieb des Tunnels erteilt wird.
Art. 2
Der Bau des in Artikel 1 bezeichneten Werkes wird einer schweizerischen Gesellschaft und einer italienischen Gesellschaft übertragen, die beide je die Hälfte der Gesamtlänge des Tunnels gemäss den von den genannten Gesellschaften festgelegten Bedingungen ausführen, während der Bau der beiden zuführenden Strassenstücke von den beiden Gesellschaften je auf dem betreffenden Hoheitsgebiet übernommen wird.
Den Betrieb des in Artikel 1 bezeichneten Werkes besorgt ein einziges Unternehmen, das in Form einer Aktiengesellschaft von den beiden in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehenen Gesellschaften gebildet wird, die beide je die Hälfte des Aktienkapitals zeichnen.
Die in Absatz 2 dieses Artikels genannte Aktiengesellschaft hat ihren gesetzlichen Sitz in der Schweiz. Der Verwaltungsrat, die anderen Verwaltungsorgane und die Direktion der Gesellschaft setzen sich je zur Hälfte aus in der Schweiz wohnhaften schweizerischen Staatsangehörigen und aus italienischen Staatsangehörigen zusammen.
Präsident des Verwaltungsrates ist, auf die Dauer von fünf Jahren, abwechselnd ein Schweizer und ein Italiener.
Seine Stimme gibt den Ausschlag.
Das Betriebs‑ und Unterhaltspersonal umfasst grundsätzlich für jede Kategorie gleich viele Schweizer wie Italiener.
In Abweichung davon kann das mit der Lüftung betraute Personal spezialisiertes Personal sein, bei dessen Anstellung die Gesellschaft nicht an die Vorschrift des vorangehenden Absatzes gebunden ist.
Art. 3
Die schweizerische Regierung und die italienische Regierung werden sich über die Bestimmungen der von den zuständigen Behörden der beiden Staaten zu erteilenden Konzession und des dazugehörigen Pflichtenheftes sowie über jede Änderung der Konzessionen verständigen.
Sie werden sich bemühen, beidseitig möglichst gleichartige Bestimmungen festzulegen und sie in der Folge nur nach Übereinkunft zu ändern.
Die Konzessionen endigen siebzig Jahre von dem zwischen der schweizerischen und der italienischen Regierung nach Abnahme der Arbeiten vereinbarten Datum an gerechnet.
Art. 4
Bei Ablauf der Konzessionen wird der Tunnel gemeinsames und unteilbares Eigentum der beiden Staaten oder der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die jeder Staat auf Grund seiner internen Gesetzgebung bezeichnen kann; der Tunnel wird bei gleichen Rechten und Pflichten gemeinsam betrieben.
Die Modalitäten der gemeinsamen Verwaltung sollen Gegenstand einer vorgängigen Vereinbarung zwischen den beiden Vertragsparteien bilden.
Art. 5
Die im Laufe der Errichtung des Werkes gefundenen verwertbaren Gewässer und Mineralien sollen gemäss den gesetzlichen Bestimmungen des Staates zugeteilt werden, auf dessen Gebiet die Entdeckung erfolgte, und ohne Rücksicht darauf, welche Gesellschaft sie entdeckt hat.
Art. 6
In den von den zuständigen Behörden der beiden Staaten zu errichtenden Konzes­sionsurkunden soll für die Durchfahrt durch den Tunnel die Erhebung von Strassenzöllen durch die konzessionierte Gesellschaft vorgesehen werden.
Art. 7
Die italienisch‑schweizerische Grenze im Innern des Tunnels wird bestimmt durch den Schnittpunkt der Tunnelachse mit der Senkrechten, die von einem Punkt der Grenzlinie an der Oberfläche aus gefällt wird.
Die ständige Kommission für den Unterhalt der schweizerisch‑italienischen Grenze wird von den beiden Regierungen mit der Durchführung der Vorkehrungen betraut, die zur Festlegung und Vermarkung der Grenze im Innern des Tunnels erforderlich sind.
Art. 8
Die durch den Bau und den Betrieb des Tunnels aufgeworfenen Fragen hinsichtlich Zoll und Polizei sowie in monetären, fiskalischen und sozialen Angelegenheiten sollen Gegenstand besonderer Abmachungen zwischen der schweizerischen Regierung und der italienischen Regierung bilden.
Art. 9
Die Hohen Vertragsparteien werden, sobald dieses Abkommen in Kraft getreten ist, eine gemischte Kommission bestellen, die sich aus vier schweizerischen und vier italienischen Mitgliedern zusammensetzt, die Sachverständige beiziehen können. Der Vorsitzende soll abwechselnd den schweizerischen und den italienischen Mitgliedern entnommen und von der Kommission selbst bezeichnet werden; er hat nicht ausschlaggebende Stimme. Die gemischte Kommission sorgt für die richtige Durchführung dieses Abkommens und behebt alle Schwierigkeiten, die sich aus seiner Anwendung ergeben können.
Im Falle von Streitigkeiten zwischen der schweizerischen und italienischen Delegation in der gemischten Kommission ist der Entscheid der beiden Regierungen anzurufen.
Die gemischte Kommission erstattet den beiden Regierungen jährlich einen mit Belegen versehenen Tätigkeitsbericht.
Art. 10
Alle Streitigkeiten zwischen den beiden Regierungen über die Auslegung oder die Anwendung dieses Abkommens werden gemäss den Bestimmungen des am 20. September 1924³ zwischen der Schweiz und Italien in Rom abgeschlossenen Vertrages zur Erledigung von Streitigkeiten im Vergleichs‑ und Gerichtsverfahren erledigt.
³ SR 0.193.414.54
Art. 11
Dieses Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen in Rom ausgetauscht werden.
Es tritt am Tag des Austausches der Ratifikationsurkunden in Kraft.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet und mit ihrem Siegel versehen.
Geschehen zu Bern am 23. Mai 1958 in zwei Urschriften in französischer Sprache.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für die
Italienische Regierung:

J. de Rham

Maurilio Coppini

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