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DE - Landesrecht Saarland

Saarländisches Gnadengesetz Vom 16. März 1994

Saarländisches Gnadengesetz Vom 16. März 1994
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Zum 16.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: §§ 7 und 13 geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (Amtsbl. I S. 187)
Fußnoten
*)
Verkündet als Artikel 1 des Gesetzes Nr. 1330 zur Neuordnung des Saarländischen Gnadenrechts.

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Saarländisches Gnadengesetz vom 16. März 199401.01.2002
§ 122.12.2005
§ 201.01.2002
§ 307.04.2006
§ 407.04.2006
§ 501.01.2002
§ 601.01.2002
§ 701.05.2015
§ 801.01.2002
§ 901.01.2002
§ 1001.01.2002
§ 1101.01.2002
§ 1201.01.2002
§ 1301.05.2015
§ 1401.01.2002
§ 1501.01.2002

§ 1

(1) Der Befugnis des Landes zur Begnadigung im Einzelfall unterliegen:
1.
Rechtsfolgen, die wegen einer Straftat oder einer rechtswidrigen Tat im Sinne von § 11
Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuchs durch ein Gericht des Saarlandes ausgesprochen worden sind oder die aufgrund dieser gerichtlichen Entscheidung kraft Gesetzes eingetreten sind; das gilt für Gesamtstrafen auch dann, wenn in die gerichtliche Entscheidung Einzelstrafen aus Urteilen von Gerichten des Bundes oder eines anderen Landes einbezogen worden sind;
2.
Rechtsfolgen, die wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer mit Geldbuße bedrohten Handlung im Sinne von § 1
Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten durch Gerichte oder Behörden des Saarlandes, einschließlich der unter der Aufsicht des Landes stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgesprochen worden sind oder die aufgrund dieser Entscheidungen kraft Gesetzes eingetreten sind;
3.
gerichtlich oder behördlich verhängte Disziplinarmaßnahmen in Verfahren gegen Personen im Sinne des § 1
des Saarländischen Disziplinargesetzes, § 43 Nr. 1
und § 68 des Saarländischen Richtergesetzes in Verbindung mit § 4
Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Rechnungshof des Saarlandes oder nach § 96
Satz 1 der Bundesnotarordnung sowie diesen vergleichbare Maßnahmen gegen saarländische Amtsträger im Sinne von § 11
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c des Strafgesetzbuchs zur Ahndung von Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Berufspflichten;
4.
Disziplinarmaßnahmen nach Nummer 3 gleichstehende Maßnahmen im Rahmen der Disziplinarhoheit eines saarländischen Dienstherrn, die aufgrund einer Entscheidung eines nicht saarländischen Gerichts kraft Gesetzes eingetreten sind;
5.
ehrengerichtliche Maßnahmen im Rahmen der Justizhoheit des Saarlandes;
6.
berufsgerichtliche Maßnahmen im Rahmen der Justizhoheit des Saarlandes sowie diesen vergleichbare berufsrechtliche Maßnahmen und
7.
Ordnungsmittel (Ordnungsgeld, Ordnungshaft), mit Ausnahme derjenigen nach §§ 73, 79 oder 80
Abs. 2 des Gesetzes über den Landtag des Saarlandes, die als Sanktion für vorangegangenes rechtswidriges Verhalten durch Entscheidung eines Gerichts, einer Behörde oder sonst in Ausübung hoheitlicher Gewalt des Saarlandes, einschließlich der unter der Aufsicht des Landes stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, verhängt worden sind.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 kommt ein Gnadenerweis nur in Betracht, wenn Rechtsmittel oder andere förmliche Rechtsbehelfe gegen die Ausgangsentscheidung nicht oder nicht mehr eingelegt werden können.
(3) Auf die Kosten eines Verfahrens ist dieses Gesetz nur dann anzuwenden, wenn zugleich über einen Gnadenerweis in der Hauptsache zu befinden ist.

§ 2

(1) Das Begnadigungsrecht verleiht insbesondere die Befugnis, die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Rechtsfolgen je nach ihrer Eigenart zu beseitigen oder zu erlassen, zu ermäßigen oder sonst zu mildern, umzuwandeln, ihre Vollstreckung oder ihre Rechtswirksamkeit aufzuschieben, zu unterbrechen oder auf Dauer auszusetzen.
(2) Ein Recht auf einen Gnadenerweis besteht nicht.

§ 3

(1) Die Landesregierung übt das Begnadigungsrecht aus
1.
bei lebenslangen Freiheitsstrafen und unbefristeter Sicherungsverwahrung,
2.
bei den Disziplinarmaßnahmen der Entfernung aus dem Beamten- oder Richterverhältnis oder der Aberkennung des Ruhegehalts,
3.
bei Verlust der Rechte aus dem Beamten- oder Richterverhältnis infolge strafgerichtlicher Verurteilung oder aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verwirkung von Grundrechten nach Artikel 18
des Grundgesetzes.
(2) Die Vorbereitung und Durchführung einer Gnadenentscheidung der Landesregierung obliegt
1.
im Fall des Absatzes 1 Nummer 1 dem Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nummern 2 und 3 bei Landesbediensteten
a)
dem Ministerium, das oberste Dienstbehörde ist,
b)
in allen anderen Fällen der Staatskanzlei,
3.
bei Bediensteten sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts der obersten Landesbehörde, welche die Aufsicht über die jeweilige juristische Person führt.

§ 4

(1) In allen anderen Fällen übt das Begnadigungsrecht aus
1.
soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt wird, das Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales;
2.
bei Rechtsfolgen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2, die durch behördliche Entscheidung ausgesprochen worden oder aufgrund einer solchen kraft Gesetzes eingetreten sind, die oberste Landesbehörde, die den Bescheid erlassen hat, die Dienstaufsicht oder die Aufsicht über die erlassende Behörde führt oder in sonstiger Weise dieser gegenüber weisungsbefugt ist;
3.
bei Maßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4
a)
die oberste Dienstbehörde gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3
des Saarländischen Beamtengesetzes;
b)
der Präsident des Landtages bei Maßnahmen gegen Mitglieder oder Bedienstete des Rechnungshofes;
c)
die zuständige oberste Dienstaufsichtsbehörde bei Maßnahmen gegen Berufsrichterinnen/Berufsrichter der Arbeitsgerichtsbarkeit;
d)
die zuständige oberste Aufsichtsbehörde bei Maßnahmen gegen Bedienstete der Gemeinden, Gemeindeverbände und der sonstigen unter der Aufsicht des Landes stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie bei Verstößen gegen sonstige öffentlich-rechtliche Berufspflichten;
4.
bei Maßnahmen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 das Ministerium, das die Aufsicht über die Körperschaft des öffentlichen Rechts führt, der die Betroffenen angehören;
5.
bei Ordnungsmitteln die oberste Landesbehörde, die das Ordnungsmittel verhängt hat, die Dienstaufsicht oder die Aufsicht über die entscheidende Stelle oder deren oberste Dienstbehörde führt, in sonstiger Weise dieser gegenüber weisungsbefugt ist oder in deren Geschäftsbereich die entscheidende Stelle errichtet ist.
(2) Die nach Absatz 1 begründeten Zuständigkeiten können durch Rechtsverordnung
[2]
der zuständigen obersten Landesbehörde auf nachgeordnete Behörden übertragen werden. Dabei ist für den Fall, dass einem Gnadengesuch nicht voll entsprochen wird, der Beschwerdeweg zur zuständigen obersten Landesbehörde zu eröffnen. Diese entscheidet endgültig.
Fußnoten
[2])
RVO vgl. BS- Nr. 313- 1- 1.

§ 5

(1) Ein Gnadenverfahren wird auf ein entsprechendes Gesuch, das von jedermann eingereicht werden kann, oder von Amts wegen eingeleitet.
(2) Der Betroffene ist zu befragen, ob er sich dem Gesuch anschließt, wenn es nicht von ihm selbst oder einem anderen von ihm nachweisbar Bevollmächtigten gestellt ist. Tritt der Betroffene dem Gesuch nicht bei, ist das Gnadengesuch als erledigt anzusehen und die Gesuchstellerin/der Gesuchsteller hiervon zu unterrichten.
(3) Ein Gnadenverfahren wird erst dann eingeleitet, wenn zuvor alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, die einem Gnadenerweis vergleichbare Vergünstigungen bewirken können.

§ 6

(1) Ein Gnadengesuch oder eine Beschwerde gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 hemmen die Vollstreckung der Rechtsfolgen nach § 1 Abs. 1 grundsätzlich nicht.
(2) Bis zur Entscheidung über das Gnadengesuch kann die zuständige Behörde die Vollstreckung einer Rechtsfolge oder die Folgen ihrer Rechtswirksamkeit je nach ihrer Eigenart einstweilen aufschieben oder vorläufig unterbrechen, wenn
1.
ohne eine solche Maßnahme schwerwiegende, nicht zumutbare und auf andere Weise nicht behebbare Nachteile drohen,
2.
erhebliche Gnadengründe vorgebracht werden und
3.
überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen.

§ 7

(1) Wird eine Freiheitsstrafe oder Geldstrafe im Gnadenweg ausgesetzt, ist von der zuständigen Behörde eine Bewährungszeit zu bestimmen. Sie soll bei Freiheitsstrafen fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten. Bei Geldstrafen soll sie zwei Jahre nicht überschreiten.
(2) Für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit können Auflagen oder Weisungen erteilt werden; insbesondere kann eine Unterstellung unter Bewährungshilfe angeordnet werden. Für die Wahrnehmung dieser Aufgabe gilt § 8
des Gesetzes zur ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe entsprechend.
(3) Auch in den übrigen Fällen des § 1 Abs. 1 können einem Gnadenerweis Nebenbestimmungen beigefügt werden, insbesondere solche, die ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreiben (Auflagen).

§ 8

(1) Ein Gnadenerweis kann widerrufen werden
1.
bei Strafaussetzung nach § 7 Abs. 1, wenn die oder der Verurteilte in der Bewährungszeit
a)
erneut straffällig geworden ist oder
b)
gröblich oder beharrlich gegen Auflagen oder Weisungen verstoßen, insbesondere sich der Bewährungshilfe entzogen hat;
2.
in anderen Fällen, wenn
a)
die einem Gnadenerweis beigefügten Auflagen nach § 7 Abs. 3 beharrlich nicht erfüllt worden sind oder
b)
die Voraussetzungen eines vorbehaltenen Widerrufs eingetreten sind.
(2) Statt eines Widerrufs können weitere Auflagen oder Weisungen erteilt werden, sofern dies ausreichend erscheint. Bei Strafaussetzung kann auch die Bewährungszeit verlängert werden.
(3) Wird eine Strafaussetzung widerrufen, gilt § 56f
Abs. 3 des Strafgesetzbuchs entsprechend. Wird sie nicht widerrufen, ist die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit endgültig zu erlassen.

§ 9

(1) Ein Gnadenerweis kann zurückgenommen werden, wenn nachträglich Tatsachen oder Umstände bekannt werden, die bei Würdigung des Wesens eines Gnadenerweises zu seiner Versagung geführt hätten.
(2) § 8 Abs. 2 gilt entsprechend.

§ 10

(1) Die zuständige Behörde ist befugt, die für eine Gnadenentscheidung erforderlichen Ermittlungen und die notwendigen Maßnahmen zur Überwachung der Erfüllung der mit ihr verbundenen Anordnungen durchzuführen oder durch nachgeordnete oder von ihr oder der nachgeordneten Behörde beauftragte Behörden durchführen zu lassen. Eine Beauftragung soll nur erfolgen, wenn die beauftragte Behörde im Rahmen des jeweiligen Zwecks über die größere Sach- oder Ortsnähe verfügt oder sonst einzelne Maßnahmen wirksamer oder schneller erledigen kann. Einem solchen Ersuchen ist von der beauftragten Behörde Folge zu leisten.
(2) Im Rahmen der Ermittlungen oder der Überwachung können Auskünfte oder Stellungnahmen eingeholt und an die zuständige Behörde weitergeleitet werden.
(3) Personenbezogene Daten dürfen dabei nur insoweit erhoben, gespeichert, verändert, übermittelt, gesperrt, gelöscht sowie genutzt werden, als dies für die Entscheidung oder deren Überwachung unerlässlich ist.
(4) Soweit dieses Gesetz keine besonderen Regelungen enthält, gelten die Vorschriften des Saarländischen Datenschutzgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung.
(5) Die im Gnadenverfahren erhobenen Informationen dürfen nur für die zu treffende Gnadenentscheidung verwendet werden.

§ 11

(1) Die einer Gnadenentscheidung zugrundeliegenden Erwägungen werden nicht bekannt gegeben.
(2) Bevor eine Gnadenentscheidung getroffen ist, können die der zuständigen Behörde vorliegenden Akten von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer sonst zur berufs- oder geschäftsmäßigen Vertretung in Rechtsangelegenheiten zugelassenen Person im Rahmen ihrer gesetzlich festgelegten Befugnisse eingesehen werden. Von der Akteneinsicht ausgenommen sind Informationen über noch nicht abgeschlossene andere Verfahren und die unmittelbar der Vorbereitung der Entscheidung dienenden Erwägungen der zuständigen Behörde.

§ 12

(1) Die Gnadenentscheidung wird unverzüglich der Gesuchstellerin/dem Gesuchsteller oder der Stelle mitgeteilt, die das Gnadenverfahren von Amts wegen angeregt hat. Hat der Betroffene nicht selbst das Gesuch gestellt, ist er ebenfalls über den Ausgang des Verfahrens zu informieren.
(2) Ein Gnadenerweis wird auch der für die Vollstreckung einer in § 1 Abs. 1 bezeichneten Rechtsfolge zuständigen Behörde und/oder der obersten Dienst- oder Aufsichtsbehörde der oder des Betroffenen, dem zuständigen Organ derjenigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, deren Mitglied die oder der Betroffene ist, sowie sonstigen öffentlichen Stellen mitgeteilt, deren dienstliche Belange durch eine positive Gnadenentscheidung betroffen sind.

§ 13

(1) Im Fall eines Gnadenerweises sind die Gnadenakten zu vernichten
1.
wenn auf Grund dieser Entscheidung die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Rechtsfolgen beseitigt sind, nach der Bekanntgabe des Gnadenerweises;
2.
wenn die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Rechtsfolgen nicht vollständig beseitigt sind, mit ihrer Beseitigung.
Entsprechendes gilt für die Löschung personenbezogener Daten, die aus Anlass des Gnadenverfahrens erfasst worden sind.
(2) Wird ein Gnadenerweis abgelehnt, sind zwei Jahre nach dieser Entscheidung
1.
die Gnadenakten zu vernichten,
2.
personenbezogene Daten zu löschen, die aus Anlass des Gnadenverfahrens erfasst worden sind.
(3) § 32 des Gesetzes zur ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe bleibt unberührt.

§ 14

Das Gnadenverfahren ist kostenfrei. Notwendige Auslagen, insbesondere die Gebühren und Auslagen einer Rechtsanwältin/eines Rechtsanwalts oder einer sonst zur berufs- oder geschäftsmäßigen Vertretung in Rechtsangelegenheiten befugten Person, werden nicht erstattet.

§ 15

Die näheren Einzelheiten des Gnadenverfahrens können durch Rechtsverordnung der Landesregierung (Gnadenordnung) geregelt werden.
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