Verordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen Vom 4. Mai 2001
Verordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen Vom 4. Mai 2001
Zum 16.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: | letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 138 des Gesetzes vom 8. Dezember 2021 (Amtsbl. I S. 2629) |
Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis
Titel | Gültig ab |
---|---|
Verordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen vom 4. Mai 2001 | 01.01.2002 |
Eingangsformel | 14.09.2018 |
§ 1 - Erlaubnis | 14.09.2018 |
§ 2 - Betriebszweck | 01.01.2002 |
§ 3 - Ausstattung | 14.09.2018 |
§ 4 - Notfallversorgung | 14.09.2018 |
§ 5 - Medizinische Beratung und Hilfe | 14.09.2018 |
§ 6 - Vermittlung von Angeboten | 14.09.2018 |
§ 7 - Hausordnung | 14.09.2018 |
§ 8 - Verhinderung von Straftaten in der Einrichtung | 01.01.2002 |
§ 9 - Straftaten im Umfeld der Einrichtung | 17.12.2021 |
§ 10 - Benutzerinnen und Benutzer | 14.09.2018 |
§ 11 - Konsum | 14.09.2018 |
§ 12 - Dokumentation, Evaluation | 14.09.2018 |
§ 13 - Anwesenheitspflicht von Personal | 01.01.2002 |
§ 14 - Verantwortliche Person | 14.09.2018 |
§ 15 - Erlaubnisverfahren | 01.01.2002 |
§ 16 - In-Kraft-Treten | 01.01.2002 |
Auf Grund des § 10a Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 16. Juni 2017 (BGBl. I S. 1670), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 27. September 2000 (BGBl. I S. 1414), verordnet die Landesregierung:
§ 1 Erlaubnis
Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie kann eine Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraums erteilen, wenn ein Bedarf besteht, der Betriebszweck des § 2 verfolgt wird und die Mindeststandards nach den §§ 3 bis 14 eingehalten werden.
§ 2 Betriebszweck
(1) Der Drogenkonsumraum muss der Gesundheits-, Überlebens- und Ausstiegshilfe für Drogenabhängige dienen und in das Gesamtkonzept des Drogenhilfesystems eingebunden sein.
(2) Der Betrieb des Drogenkonsumraums muss darauf gerichtet sein,
1.
die durch Drogenkonsum bedingten Gesundheitsgefahren zu senken, um damit insbesondere das Überleben des Abhängigen/der Abhängigen zu sichern,
2.
die Behandlungsbereitschaft des Abhängigen/der Abhängigen zu wecken und dadurch den Einstieg in den Ausstieg aus der Sucht einzuleiten,
3.
die Inanspruchnahme weiterführender, insbesondere suchttherapeutischer Hilfen einschließlich der vertragsärztlichen Versorgung zu fördern und
4.
die Belastungen der Öffentlichkeit durch konsumbezogene Verhaltensweisen zu reduzieren.
(3) Der Betrieb muss darauf gerichtet sein, einen beratenden und helfenden Kontakt insbesondere mit solchen Personen aufzunehmen, die für Drogenhilfemaßnahmen nur schwer erreichbar sind, um sie in weiterführende und ausstiegsorientierte Angebote der Beratung und Therapie zu vermitteln.
(4) Träger und Personal dürfen für den Besuch des Drogenkonsumraums nicht werben.
§ 3 Ausstattung
(1) Der Drogenkonsumraum muss in einer anerkannten Drogenhilfeeinrichtung betrieben werden und von dieser räumlich abgegrenzt sein.
(2) Er muss die hygienischen Voraussetzungen zur Drogenapplikation für einen ständig wechselnden Personenkreis erfüllen. Sämtliche Flächen müssen aus glatten, abwaschbaren und desinfizierbaren Materialien bestehen.
(3) Im Drogenkonsumraum müssen ausreichend sterile Einmalspritzen und Kanülen, Tupfer, Ascorbinsäure, Injektionszubehör, geeignete Folien zum inhalativen Konsum, Desinfektionsmittel sowie durchstichsichere Entsorgungsbehälter bereitgestellt werden.
(4) Rettungsdiensten muss jederzeit ein ungehinderter Zugang möglich sein.
§ 4 Notfallversorgung
(1) Während des Betriebs des Drogenkonsumraums ist eine ständige Sichtkontrolle der Applikationsvorgänge durch in der Notfallversorgung geschultes Personal so sicherzustellen, dass im Notfall sofortige Beatmungs- und Reanimationsmaßnahmen und eine akute Wundversorgung möglich sind. Es sind ständig technische Notfall-Vorrichtungen bereitzuhalten.
(2) Die Einzelheiten der Notfallversorgung sind in einem Notfallplan festzuhalten, der jederzeit umgesetzt werden kann, dem Personal zur Verfügung stehen muss und ständig zu aktualisieren ist. Der Notfallplan beinhaltet auch die Unfallschutzprävention und Maßnahmen bei Verletzungen des Personals.
(3) Der Notfallplan ist dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie vorzulegen.
§ 5 Medizinische Beratung und Hilfe
(1) Den Benutzerinnen und Benutzern des Drogenkonsumraums ist medizinische Beratung und Hilfe zu gewähren. Diese beziehen sich insbesondere auf Infektionsrisiken und Toxizität der verwendeten Betäubungsmittel, Maßnahmen zur Wundversorgung sowie risikoärmere Konsumformen. Medizinische Beratung und Hilfe müssen unverzüglich erfolgen können.
(2) Im Drogenkonsumraum muss mindestens eine Krankenpflegekraft beschäftigt sein. Diese ist auch für die Kontrolle des Notfallplanes und die Schulung des Aufsichtspersonals zuständig.
§ 6 Vermittlung von Angeboten
(1) Es muss sichergestellt sein, dass über eine suchtspezifische Erstberatung hinaus weiterführende und ausstiegsorientierte Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen aufgezeigt und vermittelt werden. Hierbei ist insbesondere auf Risiken des Drogenkonsums bei gleichzeitiger Substitutionsbehandlung und die Notwendigkeit des Konsumverzichts hinzuweisen und auf die Inanspruchnahme der im Einzelfall notwendigen Hilfen hinzuwirken.
(2) Personen, die einen Entgiftungswunsch äußern, ist Hilfestellung zum Kontakt mit geeigneten Einrichtungen zu leisten.
§ 7 Hausordnung
(1) Der Träger des Drogenkonsumraums hat eine Hausordnung zu erlassen. Diese ist mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie abzustimmen.
(2) Die Hausordnung ist in der Einrichtung gut sichtbar auszuhängen. Ihre Einhaltung wird vom Personal ständig überwacht.
§ 8 Verhinderung von Straftaten in der Einrichtung
(1) Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, abgesehen vom Besitz von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Betäubungsmittelgesetzes zum Eigenverbrauch in geringer Menge, dürfen innerhalb der Einrichtung nicht geduldet werden. Darauf ist durch einen Aushang hinzuweisen.
(2) Das Personal hat dafür zu sorgen, dass bei der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat im Sinne von Absatz 1 die betreffende Handlung unverzüglich unterbunden wird.
(3) Näheres regelt die Hausordnung.
§ 9 Straftaten im Umfeld der Einrichtung
Der Träger des Drogenkonsumraums hat mit den zuständigen Gesundheits-, Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden eng und kontinuierlich zusammenzuarbeiten. Die Grundzüge der Zusammenarbeit sind verbindlich und schriftlich oder elektronisch festzulegen. Der Träger hat insbesondere mit den zuständigen Polizeidienststellen regelmäßig Kontakt zu halten, um frühzeitig Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Umfeld der Drogenkonsumräume zu verhindern. Die Leitung der Einrichtung hat einrichtungsbedingte Auswirkungen auf das Umfeld zu beobachten und besondere Vorkommnisse zu dokumentieren.
§ 10 Benutzerinnen und Benutzer
(1) Die Benutzung des Drogenkonsumraums darf grundsätzlich nur volljährigen Personen angeboten werden. Die Benutzerinnen oder Benutzer müssen auf Grund bestehender Betäubungsmittelabhängigkeit einen Konsumentschluss gefasst haben. Jugendlichen darf der Zugang nur dann gestattet werden, wenn die Einwilligung der Erziehungsberechtigten vorliegt oder auf Grund besonderer Umstände nicht vorgelegt werden kann und sich das Personal im Einzelfall nach besonderer Prüfung anderer Hilfemöglichkeiten vom gefestigten Konsumentschluss überzeugt hat.
(2) Von der Benutzung des Drogenkonsumraums sind auszuschließen:
1.
offensichtlich konsumunerfahrene Personen,
2.
erkennbar durch Alkohol oder durch andere Suchtmittel in ihrem Verhalten beeinträchtigte Personen,
3.
Personen, denen erkennbar die Einsichtsfähigkeit in die durch die Applikation erfolgende Gesundheitsschädigung fehlt.
§ 11 Konsum
(1) Die von den Benutzerinnen und Benutzern mitgeführten Betäubungsmittel sind einer Sichtkontrolle zu unterziehen. Von einer näheren Substanzanalyse zu Menge, Art und Zusammensetzung des Stoffes ist abzusehen.
(2) Der Konsum von Betäubungsmitteln im Drogenkonsumraum kann Opiate, Kokain, Amphetamin oder deren Derivate sowie Benzodiazepine betreffen und intravenös, oral, nasal oder inhalativ erfolgen.
(3) Näheres regelt die Hausordnung.
§ 12 Dokumentation, Evaluation
(1) Es muss eine Dokumentation über den Betrieb des Drogenkonsumraums erfolgen. Hierbei sind unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen folgende Aspekte zu berücksichtigen: Altersangaben, Geschlechtszugehörigkeit, Nationalität, Konsumverhalten, Drogenpräferenz, Nutzungszahl und Nutzungsfrequenz, Gesundheitsschäden, AIDS und Hepatitis, Notfallsituationen, Wundversorgungen, Ausstiegsvermittlungen, weitergehender Beratungsbedarf für substituierte Suchtkranke nach Maßgabe des § 6 Absatz 1 und die Sicherheitsproblematik.
(2) Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie erhält hierzu einmal jährlich einen Bericht.
§ 13 Anwesenheitspflicht von Personal
Während der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums muss persönlich zuverlässiges und fachlich ausgebildetes Personal für die Erfüllung der in den §§ 3 bis 11 genannten Anforderungen in ausreichender Zahl anwesend sein.
§ 14 Verantwortliche Person
Der Träger des Drogenkonsumraums hat eine sachkundige Person und ihre Vertretung zu benennen, die für die Einhaltung der in den §§ 4 bis 13 genannten Anforderungen und der Auflagen sowie Anordnungen des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie verantwortlich sind und die ihr obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen können.
§ 15 Erlaubnisverfahren
Für das Erlaubnisverfahren gelten gemäß § 10a Abs. 3, § 7 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 bis 4 und 8, § 8, § 9 Abs. 2 und § 10 des Betäubungsmittelgesetzes entsprechend. Danach sind bei der Antragstellung (§ 7 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 4 und 8 des Betäubungsmittelgesetzes) die Angaben und Unterlagen beizufügen, aus denen sich die Einhaltung der in den §§ 2 bis 14 genannten Anforderungen ergibt.
§ 16 In-Kraft-Treten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
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