PsychKG M-V
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Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten (Psychischkrankengesetz- PsychKG M-V) Vom 14. Juli 2016

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten (Psychischkrankengesetz- PsychKG M-V) Vom 14. Juli 2016
Zum 15.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 9. Dezember 2022 (GVOBl. M-V S. 587, 588)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten (Psychischkrankengesetz - PsychKG M-V) vom 14. Juli 201630.07.2016
Eingangsformel30.07.2016
Inhaltsverzeichnis30.07.2016
Erster Abschnitt - Allgemeines30.07.2016
§ 1 - Anwendungsbereich30.07.2016
§ 2 - Grundsatz30.07.2016
Zweiter Abschnitt - Allgemeine Bestimmungen30.07.2016
§ 3 - Ziel und Art der Hilfen30.07.2016
§ 4 - Anspruch auf Hilfen30.07.2016
§ 5 - Träger der Hilfen01.01.2019
§ 6 - Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination30.07.2016
Dritter Abschnitt - Vorsorgende Hilfe und Maßnahmen30.07.2016
§ 7 - Gewährung und Durchführung der vorsorgenden Hilfe30.07.2016
§ 8 - Maßnahmen gegenüber Menschen mit psychischen Krankheiten30.07.2016
Vierter Abschnitt - Unterbringung30.07.2016
Erster Unterabschnitt - Voraussetzungen, Zweck und Einrichtungen30.07.2016
§ 9 - Begriff der Unterbringung30.07.2016
§ 10 - Voraussetzungen der Unterbringung30.07.2016
§ 11 - Zweck und Ziel der Unterbringung30.07.2016
§ 12 - Einrichtungen01.01.2019
Zweiter Unterabschnitt - Verfahren der Unterbringung30.07.2016
§ 13 - Unterbringungsverfahren01.01.2019
§ 14 - Vollzug der Unterbringung30.07.2016
§ 15 - Sofortige Unterbringung01.01.2019
Dritter Unterabschnitt - Durchführung der Unterbringung30.07.2016
§ 16 - Eingangsuntersuchung30.07.2016
§ 17 - Behandlungsplan30.07.2016
§ 18 - Gestaltung der Unterbringung, Ergänzende Hilfen30.07.2016
§ 19 - Finanzielle Regelungen01.01.2019
§ 20 - Rechtliche Stellung und Belehrung30.07.2016
§ 21 - Besondere Sicherungsmaßnahmen01.01.2019
§ 22 - Unmittelbarer Zwang und Festnahme30.07.2016
§ 23 - Durchsuchung und Untersuchung30.07.2016
§ 24 - Bekanntgabe von Entscheidungen30.07.2016
§ 25 - Behandlung30.07.2016
§ 26 - Ärztliche Zwangsmaßnahme01.01.2019
§ 27 - Persönliche Habe30.07.2016
§ 28 - Religionsausübung30.07.2016
§ 29 - Besuchsrecht und Telefongespräche30.07.2016
§ 30 - Recht auf Schriftwechsel30.07.2016
§ 31 - Verwertung von Erkenntnissen30.07.2016
§ 32 - Urlaub, Ausgang und Ausführung30.07.2016
§ 33 - Hausordnung01.01.2019
§ 34 - Offene Unterbringung30.07.2016
Vierter Unterabschnitt - Beendigung der Unterbringung30.07.2016
§ 35 - Entlassung30.07.2016
§ 36 - Aussetzung und Entlassungsvorbereitung30.07.2016
Fünfter Abschnitt - Nachgehende Hilfe30.07.2016
§ 37 - Nachgehende Hilfe30.07.2016
Sechster Abschnitt - Durchführung freiheitsentziehender Maßregeln30.07.2016
§ 38 - Unterbringung aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung01.01.2019
§ 39 - Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Ausbildung und Weiterbildung30.07.2016
§ 40 - Gewährung von Arbeitstherapieentgelt und Zuwendungen bei Eingliederungsmaßnahmen01.01.2019
§ 41 - Erkennungsdienstliche Maßnahmen25.05.2018
§ 42 - Besondere Einschränkungen30.07.2016
Siebenter Abschnitt - Forensisch-psychiatrische Ambulanzen30.07.2016
§ 43 - Forensisch-psychiatrische Ambulanzen30.07.2016
Achter Abschnitt - Kosten30.07.2016
§ 44 - Kosten01.01.2019
§ 45 - Kostenbeitrag für die Unterbringung01.01.2019
Neunter Abschnitt - Besuchskommission30.07.2016
§ 46 - Besuchskommission01.01.2019
Zehnter Abschnitt - Übergangs- und Schlussvorschriften30.07.2016
§ 47 - Datenschutzrechtliche Bestimmungen01.01.2023
§ 48 - Datenverarbeitung mit optisch-elektronischen Vorrichtungen in Einrichtungen des Maßregelvollzuges30.07.2016
§ 49 - Einschränkung von Grundrechten30.07.2016
§ 50 - Übergangsregelungen30.07.2016
§ 51 - Inkrafttreten, Außerkrafttreten30.07.2016
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Inhaltsübersicht
Erster Abschnitt Allgemeines
§ 1Anwendungsbereich
§ 2 Grundsatz
Zweiter Abschnitt Allgemeine Bestimmungen
§ 3Ziel und Art der Hilfen
§ 4Anspruch auf Hilfen
§ 5Träger der Hilfen
§ 6Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination
Dritter Abschnitt Vorsorgende Hilfe und Maßnahmen
§ 7Gewährung und Durchführung der vorsorgenden Hilfe
§ 8Maßnahmen gegenüber Menschen mit psychischen Krankheiten
Vierter Abschnitt Unterbringung
Erster Unterabschnitt Voraussetzungen, Zweck und Einrichtungen
§ 9Begriff der Unterbringung
§ 10Voraussetzungen der Unterbringung
§ 11Zweck und Ziel der Unterbringung
§ 12Einrichtungen
Zweiter Unterabschnitt Verfahren der Unterbringung
§ 13Unterbringungsverfahren
§ 14Vollzug der Unterbringung
§ 15Sofortige Unterbringung
Dritter Unterabschnitt Durchführung der Unterbringung
§ 16Eingangsuntersuchung
§ 17Behandlungsplan
§ 18Gestaltung der Unterbringung, Ergänzende Hilfen
§ 19Finanzielle Regelungen
§ 20Rechtliche Stellung und Belehrung
§ 21Besondere Sicherungsmaßnahmen
§ 22Unmittelbarer Zwang
§ 23Durchsuchung und Untersuchung
§ 24Bekanntgabe von Entscheidungen
§ 25Behandlung
§ 26Ärztliche Zwangsmaßnahme
§ 27Persönliche Habe
§ 28Religionsausübung
§ 29Besuchsrecht und Telefongespräche
§ 30Recht auf Schriftwechsel
§ 31Verwertung von Erkenntnissen
§ 32Urlaub, Ausgang und Ausführung
§ 33Hausordnung
§ 34Offene Unterbringung
Vierter Unterabschnitt Beendigung der Unterbringung
§ 35Entlassung
§ 36Aussetzung und Entlassungsvorbereitung
Fünfter Abschnitt Nachgehende Hilfe
§ 37Nachgehende Hilfe
Sechster Abschnitt Durchführung freiheitsentziehender Maßregeln
§ 38Unterbringung aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung
§ 39Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Ausbildung und Weiterbildung
§ 40Gewährung von Arbeitstherapieentgelt und Zuwendungen bei Eingliederungsmaßnahmen
§ 41Erkennungsdienstliche Maßnahmen
§ 42Besondere Einschränkungen
Siebenter Abschnitt Forensisch-psychiatrische Ambulanzen
§ 43Forensisch-psychiatrische Ambulanzen
Achter Abschnitt Kosten
§ 44Kosten
§ 45Kostenbeitrag für die Unterbringung
Neunter Abschnitt Besuchskommission
§ 46Besuchskommission
Zehnter Abschnitt Übergangs- und Schlussvorschriften
§ 47Datenschutzrechtliche Bestimmungen
§ 48Datenverarbeitung mit optisch-elektronischen Vorrichtungen in Einrichtungen des Maßregelvollzuges
§ 49Einschränkung von Grundrechten
§ 50Übergangsregelungen
§ 51Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Erster Abschnitt Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt
1.
die Hilfen für Menschen mit psychischen Krankheiten,
2.
die Maßnahmen gegenüber Menschen mit psychischen Krankheiten,
3.
a)
die Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten nach diesem Gesetz, soweit das Verfahren nicht in dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt ist,
b)
den Vollzug der als Maßregel der Besserung und Sicherung angeordneten Unterbringung nach § 61 Nummer 1 und 2 des Strafgesetzbuches (Maßregelvollzug), insbesondere auch auf der Grundlage der §§ 7 und 73 des Jugendgerichtsgesetzes und der §§ 81 und 126a der Strafprozessordnung.
(2) Menschen mit psychischen Krankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, bei denen eine geistige oder seelische Krankheit oder Störung von erheblichem Ausmaß vorliegt oder die an einer mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehenden Abhängigkeit von Suchtstoffen leiden oder bei denen Anzeichen einer solchen Krankheit oder Störung vorliegen.

§ 2 Grundsatz

Bei allen Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf das Befinden der Menschen mit psychischen Krankheiten besondere Rücksicht zu nehmen. Ihre Würde ist zu achten und ihr Persönlichkeitsrecht zu wahren.

Zweiter Abschnitt Allgemeine Bestimmungen

§ 3 Ziel und Art der Hilfen

(1) Ziel der Hilfen ist es, durch rechtzeitige und der Art der Erkrankung angemessene medizinische (psychiatrische oder sonstige ärztliche oder psychotherapeutische oder psychologische) Behandlung oder sozialpsychiatrische Beratung und persönliche Betreuung sowie durch Vermittlung oder Durchführung geeigneter Maßnahmen
1.
die selbstständige Lebensführung und Teilhabe beeinträchtigende Maßnahmen, insbesondere eine Unterbringung, entbehrlich zu machen (vorsorgende Hilfe),
2.
während einer Unterbringung zu versuchen, diese zu verkürzen und die Wiedereingliederung vorzubereiten (ergänzende Hilfe) oder
3.
nach einer Unterbringung die Wiedereingliederung in die Gemeinschaft zu erleichtern, zu fördern und eine erneute Unterbringung zu verhindern (nachgehende Hilfe).
Die vorsorgende und nachgehende Hilfe werden nach Möglichkeit so gewährt, dass die Menschen mit psychischen Krankheiten sie in Anspruch nehmen können, ohne ihren gewohnten Lebensbereich aufzugeben. Befinden sich die Menschen mit psychischen Krankheiten in medizinischer Behandlung oder Beratung, werden die Hilfen zusätzlich gewährt.
(2) Die Hilfen sollen nach Möglichkeit ferner bei Personen, die mit Menschen mit psychischen Krankheiten in Beziehung stehen, Verständnis für die besondere Lage der Menschen mit psychischen Krankheiten wecken und insbesondere die Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Behebung von Schwierigkeiten der Menschen mit psychischen Krankheiten erhalten und fördern.
(3) Art, Ausmaß und Dauer der Hilfen richten sich, soweit dieses Gesetz nicht bestimmte Maßnahmen vorschreibt, nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Hilfen nach diesem Gesetz werden nur geleistet, wenn sie freiwillig angenommen werden.

§ 4 Anspruch auf Hilfen

Auf die Hilfen nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 3 besteht ein Rechtsanspruch. Sie sind von dem Träger dieser Hilfen zu gewähren, sobald bekannt wird, dass die in § 1 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen.

§ 5 Träger der Hilfen

Für die Gewährung der Hilfen sind die Landräte der Landkreise und Oberbürgermeister der kreisfreien Städte sachlich zuständig. Örtlich zuständig ist der Landrat des Landkreises oder der Oberbürgermeister der kreisfreien Stadt, in dem oder in der die Hilfesuchenden ihren Wohnsitz haben. Die Landkreise und kreisfreien Städte nehmen die in den Sätzen 1 und 2 genannten Aufgaben im übertragenden Wirkungskreis wahr. Die Fachaufsicht übt das für Gesundheit zuständige Ministerium aus.

§ 6 Sozialpsychiatrischer Dienst und Psychiatriekoordination

(1) Zur Gewährung der Hilfen richten die Landkreise und kreisfreien Städte einen Sozialpsychiatrischen Dienst ein. Die Leitung des Sozialpsychiatrischen Dienstes soll einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie oder für Psychiatrie und Psychotherapie übertragen werden. Der Sozialpsychiatrische Dienst ist mit dem für die Aufgabenstellung angemessenen und bedarfsgerechten medizinischen, psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychologischen, sozialpädagogischen und sozialpsychiatrischen Fachpersonal auszustatten.
(2) Der Sozialpsychiatrische Dienst soll mit den psychiatrischen Krankenhäusern und sonstigen psychiatrischen Einrichtungen, den niedergelassenen Ärztinnen oder Ärzten, den niedergelassenen Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten, den niedergelassenen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, Selbsthilfegruppen, mit den mit Menschen mit psychischen Krankheiten in Beziehung stehenden Personen, anderen in Betracht kommenden Organisationen, Einrichtungen und Behörden zur Unterstützung und Ergänzung der eigenen Maßnahmen zusammenarbeiten.
(3) Die Landkreise und kreisfreien Städte bestellen Psychiatriekoordinatorinnen oder Psychiatriekoordinatoren, die diese Funktion hauptamtlich ausüben. Sie koordinieren in Zusammenarbeit mit den in Absatz 2 genannten Stellen die Betreuung der Menschen mit psychischen Krankheiten in ihrem Zuständigkeitsbereich. § 5 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

Dritter Abschnitt Vorsorgende Hilfe und Maßnahmen

§ 7 Gewährung und Durchführung der vorsorgenden Hilfe

(1) Die vorsorgende Hilfe ist in Zusammenarbeit mit den in § 6 Absatz 2 genannten Stellen zu gewähren und durchzuführen. Zur vorsorgenden Hilfe gehören insbesondere:
1.
das Abhalten von regelmäßigen Sprechstunden unter der Leitung einer Fachärztin oder eines Facharztes für Psychiatrie oder für Psychiatrie und Psychotherapie, ausnahmsweise einer in der Psychiatrie erfahrenen Ärztin oder eines Arztes,
2.
die Vornahme von Hausbesuchen, wenn dies zur Gewährung oder zur Durchführung der Hilfe angezeigt ist,
3.
die Vermittlung von Hilfe und Leistungen für Menschen mit psychischen Krankheiten, die von anderen Anbietern und Trägern erbracht werden,
4.
die Kooperation mit Anbietern und Trägern von Hilfe und Leistungen für Menschen mit psychischen Krankheiten,
5.
die Beteiligung an der Koordination der Hilfs- und Leistungsangebote für Menschen mit psychischen Krankheiten.
(2) Die vorsorgende Hilfe ist nur insoweit anzubieten, wie Menschen mit psychischen Krankheiten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch nicht nutzen können oder von diesen keinen oder nur geringen Nutzen haben. Die vorsorgende Hilfe ist so auszugestalten, dass sie den Bedürfnissen der Menschen mit psychischen Krankheiten und den Besonderheiten ihrer Störungen gerecht wird. Eine stationäre Behandlung soll nur dann vermittelt werden, wenn das Ziel der vorsorgenden Hilfe nicht auf anderem Wege erreicht werden kann.
(3) Ehrenamtliche Hilfe und Selbsthilfe sind zu fördern und in die Versorgung von Menschen mit psychischen Krankheiten einzubeziehen.

§ 8 Maßnahmen gegenüber Menschen mit psychischen Krankheiten

(1) Wenn eine Sachlage besteht, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im konkreten Einzelfall in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (bevorstehende Gefahr), Menschen mit psychischen Krankheiten ihre Gesundheit, ihr Leben oder andere eigene bedeutende Rechtsgüter oder bedeutende Rechtsgüter Dritter schädigen, hat der Sozialpsychiatrische Dienst
1.
diese zunächst aufzufordern, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist beraten und bei einer Ärztin oder einem Arzt ihrer Wahl untersuchen zu lassen und diese zu ermächtigen, den Sozialpsychiatrischen Dienst von der Übernahme der Behandlung zu unterrichten,
2.
wenn diese der Aufforderung nicht folgen, einen Hausbesuch vorzunehmen und
3.
wenn angezeigt, eine ärztliche Untersuchung durchzuführen.
Im begründeten Ausnahmefall kann von der vorstehenden Reihenfolge abgewichen werden.
(2) Die vom Sozialpsychiatrischen Dienst beauftragten Personen sind befugt, die Wohnung der Menschen mit psychischen Krankheiten zu betreten und diese ärztlich zu untersuchen, wenn dies zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für Gesundheit, Leben oder andere bedeutende Rechtsgüter der Menschen mit psychischen Krankheiten oder Dritter aufgrund ihrer psychischen Erkrankung erforderlich ist.
(3) Eine gegenwärtige Gefahr ist eine Sachlage, bei der das schädigende Ereignis bereits eingetreten ist oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht.
(4) Der Sozialpsychiatrische Dienst teilt das Ergebnis der Untersuchung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 den Menschen mit psychischen Krankheiten in geeigneter Weise mit, sofern eine Verständigung mit ihnen wegen ihres Gesundheitszustandes möglich ist. Ist bei einer vollständigen Auskunft mit schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteilen bei den Menschen mit psychischen Krankheiten zu rechnen, sollen die entsprechenden Inhalte unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes an die Menschen mit psychischen Krankheiten vermittelt werden. Die Art und der Umfang der Auskunftserteilung sind mit einer Begründung in den Akten zu vermerken. Begeben sich die Menschen mit psychischen Krankheiten nach der Untersuchung wegen ihrer psychischen Erkrankung in medizinische Behandlung, so teilt der Sozialpsychiatrische Dienst das Untersuchungsergebnis der behandelnden Ärztin oder dem Arzt oder der behandelnden Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten oder der behandelnden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder dem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit.

Vierter Abschnitt Unterbringung

Erster Unterabschnitt Voraussetzungen, Zweck und Einrichtungen

§ 9 Begriff der Unterbringung

(1) Eine Unterbringung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a liegt vor, wenn Menschen mit psychischen Krankheiten gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit in eine Einrichtung gemäß § 12 Absatz 1 eingewiesen worden sind und dort zurückgehalten werden.
(2) Eine Unterbringung im Sinne dieses Gesetzes liegt auch dann vor, wenn die Einweisung oder das Zurückhalten ohne Einwilligung des oder der Personensorgeberechtigten oder, soweit die Menschen mit psychischen Krankheiten nicht einwilligungsfähig sind, ohne Zustimmung einer anderen gesetzlichen Vertreterin oder eines anderen gesetzlichen Vertreters erfolgt, deren oder dessen Aufgabenkreis das Recht zur Aufenthaltsbestimmung oder die Sorge für die Gesundheit umfasst.

§ 10 Voraussetzungen der Unterbringung

(1) Eine Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a kommt nur in Betracht, wenn andere Hilfen und Maßnahmen nach diesem Gesetz erfolglos waren, nicht durchgeführt werden konnten oder nicht möglich sind und die Voraussetzungen nach Absatz 2 vorliegen.
(2) Die Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für Gesundheit, Leben oder andere bedeutende Rechtsgüter der Menschen mit psychischen Krankheiten oder Dritter aufgrund ihrer psychischen Erkrankung erforderlich ist.
(3) Die fehlende Bereitschaft, sich einer notwendigen medizinischen Behandlung zu unterziehen, rechtfertigt für sich allein keine Unterbringung.

§ 11 Zweck und Ziel der Unterbringung

Zweck der Unterbringung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a ist es, die in § 10 Absatz 2 genannten Gefahren abzuwenden und die Menschen mit psychischen Krankheiten nach Maßgabe dieses Gesetzes mit dem Ziel zu behandeln, die in § 10 Absatz 2 genannten Gefahren zu beseitigen, um dadurch die Dauer der Unterbringung zu verkürzen und die Wiedereingliederung vorzubereiten.

§ 12 Einrichtungen

(1) Die Unterbringung erfolgt in psychiatrischen Krankenhäusern oder psychiatrischen Abteilungen in einem Krankenhaus (Einrichtungen).
(2) Die Unterbringung wird in Einrichtungen durchgeführt, die durch geeignete Maßnahmen gegen Entweichen der Menschen mit psychischen Krankheiten gesichert sind. Eine geeignete Maßnahme kann auch darin bestehen, den Menschen mit psychischen Krankheiten zu untersagen, die Einrichtung zu verlassen. Die Einrichtungen müssen so gegliedert und ausgestattet sein, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen abgestimmte Behandlung ermöglicht und die Wiedereingliederung der Menschen mit psychischen Krankheiten gefördert wird. Insbesondere müssen die Voraussetzungen für eine offene und geschlossene Unterbringung sowie für die gesonderte Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden gegeben sein.
(3) Die Befugnis zur Durchführung der Unterbringung in eigenem Namen und in Handlungsformen des öffentlichen Rechts kann geeigneten juristischen Personen des privaten Rechts mit deren Zustimmung widerruflich verliehen (Beleihung) oder Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft übertragen werden. Das für Gesundheit zuständige Ministerium überträgt die Aufgaben nach Satz 1 durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag.
(4) Mit dem Verwaltungsakt oder in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag sind alle wesentlichen Rechte und Pflichten der Beteiligten oder Vertragspartner zu regeln. Darin sind insbesondere aufzunehmen, dass
1.
in den Einrichtungen jederzeit die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Unterbringung erforderlichen personellen, medizinischen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind,
2.
das eingesetzte Personal über die dafür notwendige Fachkunde und persönliche Eignung verfügt und arbeitsvertraglich an das vorliegende Gesetz sowie umfassend an die Weisungen der in den Absätzen 6 und 7 genannten Behörden gebunden wird,
3.
die juristischen Personen des privaten Rechts sowie das Personal von erwerbswirtschaftlichen Motiven und Zwängen freigestellt sind und bei der Durchführung der nach Satz 1 übertragenen hoheitlichen Aufgaben keinen Gewinn aufgrund der Anzahl der untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten und deren Unterbringungsdauer erzielen,
4.
die Besetzung der Stellen der ärztlichen Leitung, der Pflegedienstleitung und der oder des für die Sicherheit Verantwortlichen sowie deren jeweilige Stellvertretung sowie die Ausgestaltung von deren Verträgen im Einvernehmen mit dem für Gesundheit zuständigen Ministerium erfolgt,
5.
die Einstellung von an der Durchführung der Unterbringung beteiligtem Personal von einem auf die persönliche und fachliche Eignung bezogenen Einwilligungsvorbehalt der ärztlichen Leitung der Einrichtung abhängig ist,
6.
die Aufnahme- und Behandlungspflichten sowie die Ausgestaltung und Organisation der Durchführung der Unterbringung einschließlich Maßnahmen zum Qualitätsmanagement geregelt sind,
7.
Weisungen durch die Geschäftsführung der juristischen Personen des privaten Rechts im Zuständigkeitsbereich der ärztlichen Leitung, der Pflegedienstleitung und der oder des für die Sicherheit Verantwortlichen und deren Stellvertretung im Hinblick auf die Durchführung der Unterbringung ausgeschlossen sind,
8.
im Fall eines Streiks die gebotene Vermeidung unverhältnismäßiger Gemeinwohlschädigungen oder unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen Dritter durch Notdienste sichergestellt wird,
9.
eine Aufgabenübertragung auf Dritte oder der Abschluss eines Beherrschungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) nicht ohne vorherige Zustimmung des für Gesundheit zuständigen Ministeriums möglich sind.
(5) Die ärztliche Leitung, die Pflegedienstleitung und der oder die für die Sicherheit Verantwortliche sowie deren jeweilige Stellvertretung werden durch das für Gesundheit zuständige Ministerium widerruflich durch Verwaltungsakt ermächtigt, die ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben im Auftrag der nach Absatz 2 beliehenen Einrichtungen und in Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen. Sie treffen die Ermessensentscheidungen, die in Grundrechte der Menschen mit psychischen Krankheiten eingreifen. Die Ermächtigung nach Satz 1 setzt die persönliche und fachliche Eignung für die Wahrnehmung der Aufgaben voraus.
(6) Die an der Unterbringung beteiligten Einrichtungen und Personen unterliegen der Fachaufsicht des zuständigen Landrates oder Oberbürgermeisters. Diese haben zu diesem Zweck ein unbeschränktes Weisungsrecht gegenüber den an der Unterbringung beteiligten Einrichtungen und Personen. Die §§ 16 und 17 des Landesorganisationsgesetzes finden entsprechende Anwendung.
(7) Im Rahmen der Fachaufsicht ist dem zuständigen Landrat oder Oberbürgermeister insbesondere Auskunft zu erteilen und Einsicht in Akten und sonstige Schriftstücke zu gewähren, soweit dies für die konkrete Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Ihm ist jederzeit Zutritt zu den Räumlichkeiten, in dem die Unterbringung durchgeführt wird, zu gewähren.
(8) Die regionalen Versorgungsbereiche der Einrichtungen werden durch das für Gesundheit zuständige Ministerium im Benehmen mit den kommunalen Landesverbänden festgelegt.

Zweiter Unterabschnitt Verfahren der Unterbringung

§ 13 Unterbringungsverfahren

(1) Die Anordnung einer freiheitsentziehenden Unterbringung durch das Gericht kann nur auf Antrag des örtlich zuständigen Landrates oder Oberbürgermeisters erfolgen. Örtlich zuständig ist der Landrat oder Oberbürgermeister der kreisfreien Stadt, in dessen Gebiet der Anlass für die Unterbringung festgestellt wird. Der Antrag ist zu begründen und das Ermittlungsergebnis sowie ein Zeugnis einer Ärztin oder eines Arztes mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie oder bei Minderjährigen ein Zeugnis einer Ärztin oder eines Arztes mit Erfahrung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind beizufügen. Aus dem Zeugnis muss hervorgehen, aus welchen Tatsachen und ärztlichen Beurteilungen sich ergibt, dass die Unterbringung geboten ist. Das Zeugnis muss auf einer persönlichen Untersuchung beruhen, die bei Antragstellung höchstens eine Woche zurückliegt.
(2) Vor Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme kann das Gericht neben den nach § 315 Absatz 1 Nummer 2 und 3, Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligten Personen und Stellen, insbesondere
1.
dem Sozialpsychiatrischen Dienst,
2.
der niedergelassenen behandelnden Ärztin oder dem Arzt oder der niedergelassenen behandelnden Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten oder der niedergelassenen behandelnden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder dem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und
3.
der behandelnden Ärztin oder dem Arzt oder der behandelnden Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten oder der behandelnden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder dem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder der behandelnden Psychologin oder dem Psychologen der Einrichtungen, sofern eine sofortige Unterbringung vorgenommen worden ist oder die Menschen mit psychischen Krankheiten sich schon in der Einrichtung befinden,
Gelegenheit zur Äußerung geben.

§ 14 Vollzug der Unterbringung

(1) Die Zuführung zu den Einrichtungen wird von dem Landrat oder dem Oberbürgermeister vollzogen. Die Verfahrenspflegerin oder der Verfahrenspfleger und der Sozialpsychiatrische Dienst sind zu unterrichten. Haben die Menschen mit psychischen Krankheiten eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt beauftragt, ist auch diese oder dieser zu unterrichten.
(2) Der Vollzug durch den Landrat oder den Oberbürgermeister endet mit der Aufnahme in der zuständigen Einrichtung. Der weitere Vollzug erfolgt durch die Einrichtung.

§ 15 Sofortige Unterbringung

(1) Eine Unterbringung ohne vorherige gerichtliche Entscheidung (sofortige Unterbringung) kann durch den nach § 13 Absatz 1 Satz 2 örtlich zuständigen Landrat oder Oberbürgermeister vorgenommen werden, wenn
1.
eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann,
2.
die sofortige Unterbringung das einzige Mittel ist, um die von den Menschen mit psychischen Krankheiten aufgrund ihres krankheitsbedingten Verhaltens ausgehende gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 10 abzuwenden und
3.
ein ärztliches Zeugnis über den Gesundheitszustand der Menschen mit psychischen Krankheiten aufgrund einer frühestens am Vortage durchgeführten Untersuchung vorliegt.
Vor der Entscheidung über die sofortige Unterbringung durch den Landrat oder den Oberbürgermeister bedarf es durch diese grundsätzlich einer persönlichen Inaugenscheinnahme der Menschen mit psychischen Krankheiten. Abweichungen hiervon sind besonders zu begründen und zu dokumentieren. Die persönliche Inaugenscheinnahme kann auch in der Einrichtung erfolgen. Bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die sofortige Unterbringung kann der Landrat oder der Oberbürgermeister freiheitsentziehende Maßnahmen anordnen.
(2) Die aufnehmende Ärztin oder der Arzt in der Einrichtung hat bei der Aufnahme unverzüglich zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung vorliegen. Liegen diese nicht vor, sind die Menschen mit psychischen Krankheiten unverzüglich zu entlassen und der Landrat oder der Oberbürgermeister zu informieren.
(3) Der Landrat oder Oberbürgermeister hat unverzüglich beim Gericht einen Antrag auf Anordnung der Unterbringung nach Absatz 1 zu stellen. Die Menschen mit psychischen Krankheiten sind in geeigneter Weise zu unterrichten. Ihnen ist Gelegenheit zu geben, Angehörige oder eine sonstige Vertrauensperson zu benachrichtigen. Bei Minderjährigen sind die Personensorgeberechtigten zu unterrichten. Entsprechend ist bei Menschen mit psychischen Krankheiten zu verfahren, für die eine gesetzliche Vertreterin oder ein gesetzlicher Vertreter bestellt ist, deren Aufgabenkreis das Recht zur Aufenthaltsbestimmung oder die Sorge für die Gesundheit umfasst. Haben die Menschen mit psychischen Krankheiten eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt beauftragt, ist auch diese oder dieser zu unterrichten.
(4) Wird eine Unterbringung nicht bis zum Ablauf des auf den Beginn der sofortigen Unterbringung folgenden Tages durch das Gericht angeordnet, sind die Menschen mit psychischen Krankheiten unverzüglich zu entlassen, es sei denn, sie verbleiben aufgrund einer rechtswirksamen Einwilligung in der Einrichtung. Von der Entlassung sind das Gericht, die in § 13 Absatz 2 genannten und die nach § 315 Absatz 1 Nummer 2 und 3, Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligten Personen und Stellen zu informieren.
(5) Personenbezogene Daten der Menschen mit psychischen Krankheiten oder Dritter, die den in Absatz 1 genannten Behörden bei der sofortigen Unterbringung bekannt werden, dürfen nur zum Vollzug dieses Gesetzes und des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verwendet, insbesondere übermittelt oder offenbart werden.

Dritter Unterabschnitt Durchführung der Unterbringung

§ 16 Eingangsuntersuchung

(1) Die ärztliche Leitung der Einrichtung veranlasst, dass die Menschen mit psychischen Krankheiten sofort nach der Einweisung ärztlich untersucht werden. Hierbei soll die Art der vorzunehmenden Heilbehandlung festgelegt und dokumentiert werden.
(2) Ergibt die ärztliche Untersuchung, dass die Voraussetzungen der Unterbringung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a nicht mehr vorliegen, hat die ärztliche Leitung der Einrichtung
1.
den Landrat oder den Oberbürgermeister,
2.
die in § 13 Absatz 2 genannten und die nach § 315 Absatz 1 Nummer 2 und 3, Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligten Personen und Stellen und
3.
das Gericht
unverzüglich zu unterrichten sowie die Menschen mit psychischen Krankheiten unverzüglich zu entlassen, wenn nicht zum gleichen Zeitpunkt eine weitere Unterbringungsanordnung wirksam wird oder die Menschen mit psychischen Krankheiten aufgrund einer rechtswirksamen Einwilligung in der Einrichtung verbleiben.

§ 17 Behandlungsplan

(1) Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan, der nach der Aufnahme zu erstellen ist. Der Behandlungsplan ist mit den Menschen mit psychischen Krankheiten und der oder dem Personensorgeberechtigten zu erörtern und unter Berücksichtigung des Behandlungsfortschritts regelmäßig zu überprüfen und fortzuschreiben.
(2) Der Behandlungsplan hat die Persönlichkeit, das Alter, den Entwicklungsstand und die Lebensverhältnisse der Menschen mit psychischen Krankheiten zu berücksichtigen. Er umfasst auch die erforderlichen Maßnahmen, die den Menschen mit psychischen Krankheiten nach der Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft ermöglichen sollen. Der Behandlungsplan enthält Angaben insbesondere über:
1.
die medizinische Behandlung und soziotherapeutische Beratung einschließlich der ihr zugrundeliegenden Anamnese,
2.
die Einbeziehung von nahestehenden Personen in Behandlungsmaßnahmen,
3.
Maßnahmen zur Freizeitgestaltung und
4.
die in §§ 32 und 34 genannten Maßnahmen.
(3) Bei einer Unterbringung im Maßregelvollzug finden ergänzend die §§ 7 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3, 4 und 6 sowie 8 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 und 4 des Strafvollzugsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern entsprechende Anwendung.

§ 18 Gestaltung der Unterbringung, Ergänzende Hilfen

(1) Die Unterbringung wird unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen. Dabei sind erforderlichenfalls Sicherheitsinteressen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Ein regelmäßiger Aufenthalt im Freien ist zu gewährleisten. Die Bereitschaft der Menschen mit psychischen Krankheiten an der Erreichung des Unterbringungsziels mitzuwirken, soll geweckt und das Verantwortungsbewusstsein für ein geordnetes Zusammenleben gefördert werden.
(2) Während der Unterbringung fördert die Einrichtung die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer sozialer Kontakte der Menschen mit psychischen Krankheiten, soweit sie der Wiedereingliederung dienen.
(3) Der Sozialpsychiatrische Dienst kann den Menschen mit psychischen Krankheiten während der Unterbringung ergänzende Hilfen leisten, sofern dies der Behandlung in der Einrichtung nicht entgegensteht und die Einrichtung dieser Hilfe zugestimmt hat.

§ 19 Finanzielle Regelungen

(1) Während der Unterbringung erhalten die Menschen mit psychischen Krankheiten einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung und Bekleidungsbeihilfe nach den Grundsätzen und Maßstäben des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Die Verfügung über sonstige Geldbeträge kann eingeschränkt werden, falls dadurch der Zweck der Unterbringung gefährdet oder das Zusammenleben in der Einrichtung beeinträchtigt wird.
(2) Geldbeträge, die von den Menschen mit psychischen Krankheiten in die Einrichtung eingebracht werden und für das tägliche Leben in der Einrichtung nicht benötigt werden, sind, soweit sie nicht von den gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertretern oder Betreuerinnen oder Betreuern verwaltet werden, von der Einrichtung zu verwahren.

§ 20 Rechtliche Stellung und Belehrung

(1) Die Menschen mit psychischen Krankheiten unterliegen nur den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen. Ihnen dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Einrichtung und zum Schutz von anderen Betroffenen unerlässlich sind.
(2) Die Menschen mit psychischen Krankheiten und die oder der Personensorgeberechtigte und, soweit die Menschen mit psychischen Krankheiten nicht einwilligungsfähig sind, die gesetzliche Vertreterin oder der gesetzliche Vertreter, deren oder dessen Aufgabenkreis das Recht zur Aufenthaltsbestimmung oder die Sorge für die Gesundheit umfasst, sind über die Rechte und Pflichten der Menschen mit psychischen Krankheiten während der Unterbringung unverzüglich nach der Aufnahme aufzuklären; dies betrifft auch das Beschwerderecht. Diese Informationen sind ihnen in schriftlicher Form auszuhändigen. Die Aufklärung der Menschen mit psychischen Krankheiten hat entsprechend ihrer Verständnismöglichkeiten zu erfolgen.

§ 21 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn dies zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für Gesundheit, Leben oder andere bedeutende Rechtsgüter der Menschen mit psychischen Krankheiten oder Dritter erforderlich ist oder absehbar ist, dass diese die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen werden (entweichen) und wenn diesen Gefahren nicht anders begegnet werden kann.
(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:
1.
die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
2.
die Wegnahme von Gegenständen,
3.
die Absonderung in einen besonderen Raum,
4.
die Fesselung und
5.
die Fixierung als
a)
kurzfristige Fixierung mit einer absehbaren Gesamtdauer von weniger als einer halben Stunde, oder
b)
längerfristige Fixierung gemäß der Absätze 6 bis 8.
(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur von einer Ärztin oder einem Arzt der Einrichtung aufgrund eigener Untersuchung befristet angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug dürfen besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahmen auch von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung angeordnet werden; die Entscheidung der Ärztin oder des Arztes ist unverzüglich nachzuholen.
(4) Jede besondere Sicherungsmaßnahme ist ärztlich zu überwachen und unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Anordnung, Durchführung und Aufhebung der besonderen Sicherungsmaßnahmen sind schriftlich zu dokumentieren. Satz 1 findet auf die Fesselung keine Anwendung, sofern diese außerhalb der Einrichtung vorgenommen oder aufrechterhalten werden.
(5) Während der Absonderung in einem besonderen Raum sind die Menschen mit psychischen Krankheiten besonders zu betreuen.
(6) Eine längerfristige Fixierung gemäß Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe b bedarf grundsätzlich der vorherigen richterlichen Anordnung und ist nur zulässig, wenn
a)
eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die in Absatz 1 genannten Rechtsgüter vorliegt, und
b)
die Fixierung mit der in der Unterbringung stattfindenden psychiatrischen Behandlung der Grunderkrankung in einem engen Zusammenhang steht und mildere Mittel nicht in Betracht kommen.
Ausnahmsweise kann zur Abwehr einer von dem Menschen mit psychischen Krankheiten ausgehenden akuten Selbst- oder Fremdgefährdung von einer vorherigen richterlichen Anordnung abgesehen werden; sie ist in diesem Fall unverzüglich nachträglich einzuholen. Eine richterliche Anordnung ist nicht erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass sie erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird oder die Fixierung vorher tatsächlich beendet sein wird und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Zuständig ist das Betreuungsgericht sowie bei im Maßregelvollzug untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten die Strafvollstreckungskammer oder die Jugendkammer oder bei vorläufig untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten das Haftgericht oder das Gericht der Hauptsache. Für die örtliche und sachliche Zuständigkeit gelten die jeweiligen Prozessordnungen. Auf das übrige Verfahren finden die Vorschriften des Verfahrens in Unterbringungssachen gemäß Buch 3 Abschnitt 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung.
(7) Während der Durchführung der Fixierung ist grundsätzlich eine Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu gewährleisten und die Erforderlichkeit der Fortdauer der Fixierung in jeweils kurzen Abständen regelmäßig neu einzuschätzen.
(8) Nach Beendigung einer jeden Fixierung sind die Menschen mit psychischen Krankheiten auf die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung hinzuweisen. § 24 findet entsprechende Anwendung.

§ 22 Unmittelbarer Zwang und Festnahme

(1) Soweit es die Durchführung der Maßnahmen nach diesem Gesetz gebietet, sind die Ärztinnen und Ärzte der Einrichtungen befugt, unmittelbaren Zwang anzuwenden. Soweit es erforderlich ist, können sie diese Befugnis im Einzelfall auf andere Bedienstete der Einrichtung übertragen.
(2) Gegenüber anderen Personen als den Menschen mit psychischen Krankheiten darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Menschen mit psychischen Krankheiten zu befreien, oder wenn sie unbefugt in den Bereich der Einrichtung eindringen oder sich unbefugt dort aufhalten.
(3) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwanges aufgrund anderer Vorschriften bleibt unberührt.
(4) Unmittelbarer Zwang im Sinne dieses Gesetzes ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel, wobei unter körperlicher Gewalt jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen und unter Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt insbesondere Fesseln und Reizstoffe zu verstehen sind.
(5) Menschen mit psychischen Krankheiten, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtungen aufhalten, können durch die Einrichtungen oder auf deren Veranlassung verfolgt, festgenommen und zurückgebracht werden. Führt die Verfolgung oder die von der Einrichtung veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen den Strafverfolgungsbehörden zu überlassen.

§ 23 Durchsuchung und Untersuchung

(1) Die Menschen mit psychischen Krankheiten oder ihre Sachen oder die Räume der Einrichtung dürfen mit technischen Mitteln und sonstigen Hilfsmitteln durchsucht werden, sofern der Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit der Einrichtung gefährdet ist.
(2) Eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung ist nur bei begründetem Verdacht zulässig, dass die Menschen mit psychischen Krankheiten Waffen, andere gefährliche Gegenstände oder Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, am Körper führen. Diese Durchsuchung muss in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden; andere Patientinnen oder Patienten dürfen nicht anwesend sein. Frauen sollen nur durch weibliches Personal, Männer nur durch männliches Personal durchsucht werden. Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen.
(3) Begründen Tatsachen den Verdacht, dass sich in Körperhöhlen oder im Körper der Menschen mit psychischen Krankheiten Waffen, andere gefährliche Gegenstände oder Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, befinden, kann durch eine Ärztin oder einen Arzt eine Untersuchung der Menschen mit psychischen Krankheiten vorgenommen werden.
(4) Die Entscheidungen über eine Durchsuchung oder Untersuchung dürfen nur von einer Ärztin oder einem Arzt der Einrichtung angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug dürfen die Entscheidungen über eine Durchsuchung oder Untersuchung auch von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung angeordnet und durchgeführt werden; die Entscheidung der Ärztin oder des Arztes ist unverzüglich nachzuholen. In den Fällen der Absätze 2 und 3 kann die ärztliche Leitung der Einrichtung auch allgemein anordnen, dass Menschen mit psychischen Krankheiten bei der Aufnahme, vor und nach jedem Urlaub, Ausgang, jeder Ausführung und nach jedem Besuch zu durchsuchen oder zu untersuchen sind.
(5) Bei suchtgefährdeten Menschen mit psychischen Krankheiten können die Untersuchungen durchgeführt werden, die zum Nachweis von im Körper befindlichen Stoffen notwendig sind.
(6) Über die Durchsuchung und die Untersuchung ist ein Protokoll zu fertigen, das den Menschen mit psychischen Krankheiten zur Kenntnis zu geben ist.

§ 24 Bekanntgabe von Entscheidungen

Entscheidungen und Anordnungen im Rahmen der Unterbringung sind den Menschen mit psychischen Krankheiten unverzüglich bekannt zu geben und den Verständnismöglichkeiten der Menschen mit psychischen Krankheiten entsprechend zu erläutern. Sie sind in den jeweiligen Krankenakten zu vermerken und zu begründen.

§ 25 Behandlung

Behandlungsmaßnahmen bedürfen der Einwilligung der Menschen mit psychischen Krankheiten oder bei Minderjährigen der Personensorgeberechtigten.

§ 26 Ärztliche Zwangsmaßnahme

(1) Eine medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen der Menschen mit psychischen Krankheiten (ärztliche Zwangsmaßnahme) darf nur durchgeführt werden
1.
mit dem Ziel, die fortdauernde Notwendigkeit einer Unterbringung nach den Abschnitten 4 und 6 zu beseitigen oder
2.
soweit die Maßnahme erforderlich ist, um eine gegenwärtige Lebensgefahr oder schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der Menschen mit psychischen Krankheiten oder eine von ihnen infolge ihrer Krankheit ausgehende gegenwärtige Lebensgefahr oder erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Menschen, die sich in der Einrichtung aufhalten, abzuwenden oder
3.
soweit die Maßnahme dazu dient, eine sonst erforderliche besondere Sicherungsmaßnahme nach § 21 Absatz 2 Nummer 3 bis 5 zu vermeiden oder zu beenden und
4.
wenn die Menschen mit psychischen Krankheiten aufgrund dieser Krankheiten die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können und wenn
5.
die Maßnahme im Hinblick auf das Behandlungsziel Erfolg verspricht,
6.
es aussichtslos erscheint, mit einem milderen Mittel, insbesondere einer weniger eingreifende Behandlung, das mit der Maßnahme verfolgte Ziel zu erreichen und
7.
der zu erwartende Nutzen der Behandlung die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt.
(2) Eine ärztliche Zwangsmaßnahme setzt voraus, dass durch die behandelnde Ärztin oder den Arzt
1.
vor Beginn der Behandlung ernsthaft versucht wurde, eine auf Vertrauen gegründete, freiwillige Einwilligung der Menschen mit psychischen Krankheiten zu erreichen,
2.
eine den Verständnismöglichkeiten der Menschen mit psychischen Krankheiten entsprechende Information über die beabsichtigte Behandlung, ihre Wirkungen und Ziele vorausgegangen ist, und
3.
den Menschen mit psychischen Krankheiten nach Scheitern des Gespräches nach Nummer 1 die Beantragung der gerichtlichen Anordnung nebst der Möglichkeit der Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme angekündigt worden ist.
Die behandelnde Ärztin oder der Arzt muss die Durchführung der Gespräche und deren Ergebnis dokumentieren.
(3) Die Behandlung muss von einer Ärztin oder einem Arzt angeordnet, überwacht und dokumentiert werden.
(4) Eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist nur mit vorheriger Zustimmung des Betreuungsgerichts auf Antrag der Einrichtung, bei im Maßregelvollzug untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten der Strafvollstreckungskammer oder der Jugendkammer oder bei vorläufig untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten des Haftgerichtes oder des Gerichtes der Hauptsache auf Antrag der Einrichtung des Maßregelvollzuges zulässig. Dies gilt nicht in den Fällen, in denen eine ärztliche Zwangsmaßnahme dazu dient, eine gegenwärtige Lebensgefahr oder eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der Menschen mit psychischen Krankheiten abzuwenden, wenn hierdurch die Behandlung verzögert würde und sich hieraus Nachteile für das Leben oder die Gesundheit der Menschen mit psychischen Krankheiten ergeben würden. Die Zustimmung ist unverzüglich nachträglich einzuholen. Für die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungs- und der Jugendkammern oder der Haftgerichte oder der Gerichte der Hauptsache gelten ihre jeweiligen Prozessordnungen. Auf das übrige Verfahren finden die Vorschriften des Verfahrens in Unterbringungssachen gemäß Buch 3 Abschnitt 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung. In den Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer oder der Jugendkammer oder bei vorläufig untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten vor dem Haftgericht oder dem Gericht der Hauptsache ist den Menschen mit psychischen Krankheiten eine Verteidigerin oder ein Verteidiger als notwendige Verteidigung beizuordnen.

§ 27 Persönliche Habe

(1) Die Menschen mit psychischen Krankheiten haben das Recht, ihre persönliche Kleidung zu tragen.
(2) Die Menschen mit psychischen Krankheiten haben das Recht, persönliche Gegenstände in ihrem Zimmer aufzubewahren. Dieses Recht kann eingeschränkt werden, wenn gesundheitliche Nachteile für die Menschen mit psychischen Krankheiten oder Dritte zu befürchten sind oder die Sicherheit der Einrichtung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung erheblich gefährdet wird.

§ 28 Religionsausübung

Die Menschen mit psychischen Krankheiten sind berechtigt, innerhalb der Einrichtung an Gottesdiensten und sonstigen religiösen Veranstaltungen ihrer Religionsgemeinschaft teilzunehmen, soweit diese angeboten werden. An Veranstaltungen anderer Religionsgemeinschaften innerhalb der Einrichtung können sie teilnehmen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmt und der Zweck der Unterbringung oder die Sicherheit der Einrichtung hierdurch nicht gefährdet wird.

§ 29 Besuchsrecht und Telefongespräche

(1) Das Recht der Menschen mit psychischen Krankheiten, Besuch zu empfangen, darf nur eingeschränkt werden, wenn ihre Gesundheit oder die Sicherheit der Einrichtung durch den Besuch erheblich gefährdet ist.
(2) Ein Besuch kann durch die zuständige Ärztin oder den Arzt der Einrichtung überwacht und abgebrochen oder die Übergabe von Gegenständen untersagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte erkennbar sind, dass anderenfalls gesundheitliche Nachteile für Menschen mit psychischen Krankheiten oder Dritte zu befürchten oder die Sicherheit der Einrichtung gefährdet wären. Die Unterhaltung darf nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus diesen Gründen erforderlich ist.
(3) Absatz 2 Satz 1 gilt für Besuche der anwaltlichen oder notariellen Vertretung in einer die Menschen mit psychischen Krankheiten betreffenden Rechtssache mit der Maßgabe, dass eine inhaltliche Überprüfung der von ihnen mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen unzulässig ist; die Übergabe dieser Schriftstücke oder Unterlagen an die Menschen mit psychischen Krankheiten darf nicht untersagt werden. Für Besuche von Verteidigerinnen oder Verteidigern bleiben die §§ 148 und 148a der Strafprozessordnung unberührt.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten für das Führen von Telefongesprächen entsprechend.
(5) Die beabsichtigte Überwachung eines Telefongespräches oder eines Besuches oder deren Unterhaltung ist den Gesprächspartnern vor dem Gespräch oder dem Beginn des Besuches mitzuteilen.

§ 30 Recht auf Schriftwechsel

(1) Der Schriftwechsel der Menschen mit psychischen Krankheiten mit Gerichten, ihrer anwaltlichen oder notariellen Vertretung und der Besuchskommission nach § 46 unterliegt keiner Einschränkung. Dies gilt auch für Schreiben an Volksvertretungen des Bundes und der Länder, an kommunale Vertretungen sowie an deren Mitglieder, an die Aufsichtsorgane der Einrichtung, an die oder den Beauftragten für den Datenschutz des Bundes oder der Länder, an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, an die Europäische Kommission für Menschenrechte, an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, an den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, an den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, an den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und an die entsprechenden Nationalen Präventionsmechanismen sowie bei ausländischen Staatsangehörigen für Schreiben an die konsularische oder diplomatische Vertretung des Heimatlandes.
(2) Der übrige Schriftverkehr darf nur durch die behandelnde Ärztin oder den Arzt eingesehen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Weiterleitung den Menschen mit psychischen Krankheiten gesundheitliche Schäden oder sonstige erhebliche Nachteile zufügen, den Zweck der Unterbringung gefährden oder die Sicherheit der Einrichtung oder anderer Personen beeinträchtigen könnte.
(3) Schreiben dürfen wegen ihres Inhalts nur angehalten werden, wenn ihre Weiterleitung den Menschen mit psychischen Krankheiten gesundheitliche Schäden oder sonstige erhebliche Nachteile zufügen oder die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung oder die Eingliederung der Menschen mit psychischen Krankheiten oder anderer nach der Entlassung gefährden würde.
(4) Nach Absatz 3 angehaltene Schreiben sind den gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertretern der Menschen mit psychischen Krankheiten zu übergeben. Ist für den Aufgabenkreis des § 1896 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt, sind sie dieser oder diesem zu übergeben. Anderenfalls sind die Schreiben an die Absenderin oder den Absender zurückzugeben oder, wenn dies nicht möglich oder wegen einer zu erwartenden Besserung des Gesundheitszustandes der Menschen mit psychischen Krankheiten nicht zweckmäßig ist, für diese zu verwahren. Die Verwahrung ist der Absenderin oder dem Absender und den Menschen mit psychischen Krankheiten mitzuteilen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten für andere Arten der Nachrichtenübermittlung, Päckchen, Pakete und bildliche Darstellungen entsprechend.

§ 31 Verwertung von Erkenntnissen

Erkenntnisse aus einer Überwachung der Besuche, des Schriftverkehrs, der Telefongespräche, der Pakete oder der sonstigen Nachrichtenübermittlung dürfen außer für den mit der Überwachung verfolgten Zweck nur für die Behandlung der Menschen mit psychischen Krankheiten und zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung verwendet werden.

§ 32 Urlaub, Ausgang und Ausführung

(1) Die Menschen mit psychischen Krankheiten können durch die ärztliche Leitung der Einrichtungen bis zu zwei Wochen beurlaubt werden, wenn es ihr Gesundheitszustand und die persönlichen Verhältnisse rechtfertigen und ein Missbrauch des Urlaubsrechts nicht zu befürchten ist. Die Beurlaubung kann mit Auflagen, insbesondere der Verpflichtung zur Weiterführung der medizinischen Behandlung, verbunden werden.
(2) Eine Beurlaubung von mehr als zwei Wochen bedarf
1.
bei einer Unterbringung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a der vorherigen Anhörung des Landrates oder des Oberbürgermeisters,
2.
bei einer Unterbringung im Maßregelvollzug der vorherigen Anhörung der Vollstreckungsbehörde.
Im Fall der Nummer 1 ist die Beurlaubung dem Gericht mitzuteilen.
(3) Die Beurlaubung soll widerrufen werden, wenn die Menschen mit psychischen Krankheiten eine Auflage nicht oder nicht vollständig erfüllt haben oder der Gesundheitszustand sich wesentlich verschlechtert hat oder ein Missbrauch des Urlaubsrechts zu befürchten ist.
(4) Von der bevorstehenden Beurlaubung und dem Widerruf der Beurlaubung sind der Landrat oder der Oberbürgermeister oder die Vollstreckungsbehörde und der oder die Personensorgeberechtigte oder die Personensorgeberechtigten oder, soweit die Menschen mit psychischen Krankheiten nicht einwilligungsfähig sind, die gesetzliche Vertreterin oder gesetzlichen Vertreterinnen oder der gesetzliche oder die gesetzlichen Vertreter, deren Aufgabenkreis das Recht zur Aufenthaltsbestimmung oder die Sorge für die Gesundheit umfasst, rechtzeitig zu unterrichten.
(5) Absatz 1 Satz 1 findet auf stundenweise Beurlaubung (Ausgang) entsprechende Anwendung.
(6) Die Menschen mit psychischen Krankheiten können mit Zustimmung der ärztlichen Leitung unter Aufsicht mindestens einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters der Einrichtungen das Gelände der Einrichtungen verlassen (Ausführung).

§ 33 Hausordnung

Die Einrichtungen erlassen mit Zustimmung des für Gesundheit zuständigen Ministeriums Hausordnungen. Die Hausordnungen können insbesondere Regelungen enthalten über die Einteilung des Tages in Beschäftigungs- und Behandlungszeiten, Freizeit und Ruhezeit, die Ausstattung der Räume mit persönlichen Gegenständen, den Umgang mit den Sachen der Einrichtungen, Besuchsregelungen, das Verfahren bei Absendung und Empfang von Schreiben und Paketen, die Telefonnutzung und die Nutzung von elektronischen Geräten und Medien, die Freizeitgestaltung, über den Umgang mit Alkohol, Tabakwaren, legalen und illegalen Drogen sowie die Verfügung über Geld. Dem Personal der Einrichtungen und den Menschen mit psychischen Krankheiten ist Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben.

§ 34 Offene Unterbringung

(1) Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, soll die Unterbringung nach Möglichkeit aufgelockert und weitgehend in freien Formen durchgeführt werden, sobald der Zweck der Unterbringung es zulässt.
(2) Die Menschen mit psychischen Krankheiten sollen offen untergebracht werden, wenn dies ihrer Behandlung dient, sie den damit verbundenen Anforderungen genügen und nicht zu befürchten ist, dass sie die Möglichkeit der offenen Unterbringung missbrauchen. § 32 Absatz 2 ist entsprechend anzuwenden.

Vierter Unterabschnitt Beendigung der Unterbringung

§ 35 Entlassung

Die Menschen mit psychischen Krankheiten sind bei Aufhebung der Unterbringung durch das Gericht oder nach Ablauf der vom Gericht bestimmten Dauer für die Unterbringungsmaßnahme zu entlassen, wenn nicht zum gleichen Zeitpunkt eine weitere Unterbringungsanordnung wirksam wird oder die Menschen mit psychischen Krankheiten aufgrund einer rechtswirksamen Einwilligung in den Einrichtungen verbleiben.

§ 36 Aussetzung und Entlassungsvorbereitung

(1) Die Vollziehung einer Unterbringungsmaßnahme kann nach § 328 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Entlassungsvorbereitung ausgesetzt werden, wenn dies nach dem Gesundheitszustand und den persönlichen Verhältnissen der Menschen mit psychischen Krankheiten gerechtfertigt erscheint. Je nach Betreuungs- und Behandlungsbedarf kann die Anordnung des Gerichtes mit der Auflage, den Sozialpsychiatrischen Dienst im Rahmen der nachgehenden Hilfen in Anspruch zu nehmen, sich in medizinische Behandlung zu begeben und die medizinischen Anordnungen zu befolgen, verbunden werden. Name und Anschrift der medizinisch behandelnden Personen sind den Einrichtungen durch die Menschen mit psychischen Krankheiten oder die Personensorgeberechtigte oder den oder die Personensorgeberechtigten oder, soweit die Menschen mit psychischen Krankheiten nicht einwilligungsfähig sind, durch die gesetzliche Vertreterin oder gesetzlichen Vertreterinnen beziehungsweise den oder die gesetzlichen Vertreter, dessen oder deren Aufgabenkreis das Recht zur Aufenthaltsbestimmung oder die Sorge für die Gesundheit umfasst, unverzüglich mitzuteilen.
(2) Die Einrichtungen benachrichtigen den Sozialpsychiatrischen Dienst, den Landrat oder den Oberbürgermeister und die Personensorgeberechtigte oder den oder die Personensorgeberechtigten oder, soweit die Menschen mit psychischen Krankheiten nicht einwilligungsfähig sind, die gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertreter, deren Aufgabenkreis das Recht zur Aufenthaltsbestimmung oder die Sorge für die Gesundheit umfasst, rechtzeitig von der bevorstehenden Entlassung. Die Einrichtungen teilen dem Sozialpsychiatrischen Dienst die bereits eingeleiteten Maßnahmen mit und ersuchen diesen, unverzüglich für die ambulante Betreuung zu sorgen und nachgehende Hilfen in die Wege zu leiten.
(3) Die Einrichtungen übersenden den in Absatz 1 genannten medizinisch behandelnden Personen und dem Sozialpsychiatrischen Dienst umgehend einen ärztlichen Entlassungsbericht.

Fünfter Abschnitt Nachgehende Hilfe

§ 37 Nachgehende Hilfe

(1) Die nachgehende Hilfe hat neben den in § 7 beschriebenen Maßnahmen zusätzlich mit anderen Trägern sozialer Hilfen und Behörden zusammenzuarbeiten, um den Menschen mit psychischen Krankheiten bei der Beschaffung einer Unterkunft und einer Arbeitsstelle zu helfen. § 7 Absatz 2 findet entsprechende Anwendung.
(2) Ist die Aussetzung der Vollziehung einer Unterbringung nach § 328 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Auflagen über eine medizinische Behandlung oder psychosoziale Beratung verbunden, gehört es zur Aufgabe der nachgehenden Hilfe, auf die Einhaltung dieser Auflagen hinzuwirken und insbesondere die Menschen mit psychischen Krankheiten über die Folgen einer Unterbrechung der notwendigen Behandlung und Beratung hinzuweisen.

Sechster Abschnitt Durchführung freiheitsentziehender Maßregeln

§ 38 Unterbringung aufgrund strafgerichtlicher Entscheidung

(1) Die Maßregeln werden in psychiatrischen Krankenhäusern, psychiatrischen Abteilungen von Krankenhäusern, Suchtfachabteilungen oder Suchtfachkliniken (Einrichtungen des Maßregelvollzuges) öffentlich-rechtlicher Träger, die vom für Gesundheit zuständigen Ministerium im Einvernehmen mit dem für Justiz zuständigen Ministerium bestimmt werden, vollzogen. Die in Satz 1 genannten Aufsichtsbehörden regeln die örtliche und sachliche Zuständigkeit einvernehmlich in einem Vollstreckungsplan.
(2) Die Befugnis zum Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln in eigenem Namen und in Handlungsformen des öffentlichen Rechts kann geeigneten juristischen Personen des privaten Rechts mit deren Zustimmung widerruflich verliehen werden (Beleihung). Das für Gesundheit zuständige Ministerium überträgt im Einvernehmen mit dem für Justiz zuständigen Ministerium die Aufgaben nach Satz 1 durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag.
(3) Mit dem Verwaltungsakt oder in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag sind alle wesentlichen Rechte und Pflichten der Beteiligten oder Vertragspartner zu regeln. Darin sind insbesondere aufzunehmen, dass
1.
in den Einrichtungen des Maßregelvollzuges jederzeit die zur ordnungsgemäßen Durchführung des Vollzugs der Unterbringung erforderlichen personellen, medizinischen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind,
2.
das eingesetzte Personal über die dafür notwendige Fachkunde und persönliche Eignung verfügt und arbeitsvertraglich an das vorliegende Gesetz sowie umfassend an die Weisungen der in Absatz 7 genannten Behörden gebunden wird,
3.
die juristischen Personen des privaten Rechts sowie das Personal von erwerbswirtschaftlichen Motiven und Zwängen freigestellt sind und bei der Durchführung der nach Satz 1 übertragenen hoheitlichen Aufgaben keinen Gewinn aufgrund der Anzahl der untergebrachten Menschen mit psychischen Krankheiten und deren Unterbringungsdauer erzielen,
4.
die Besetzung der Stellen der ärztlichen Leitung, der Pflegedienstleitung sowie deren jeweilige Stellvertretung sowie die Ausgestaltung deren Verträge im Einvernehmen mit dem für Gesundheit zuständigen Ministerium sowie bei der Besetzung der Stellen der oder des für die Sicherheit Verantwortlichen sowie deren jeweilige Stellvertretung sowie die Ausgestaltung von deren Verträgen im Einvernehmen mit dem für Gesundheit zuständigen Ministerium und des für Justiz zuständigen Ministeriums erfolgt,
5.
die Einstellung von am Vollzug der Unterbringung beteiligtem Personal von einem auf die persönliche und fachliche Eignung bezogenen Einwilligungsvorbehalt der ärztlichen Leitung der Einrichtungen abhängig ist,
6.
die Aufnahme- und Behandlungspflichten sowie die Ausgestaltung und Organisation des Vollzugs der Unterbringung einschließlich Maßnahmen zum Qualitätsmanagement geregelt sind,
7.
Weisungen durch die Geschäftsführung der juristischen Personen des privaten Rechts im Zuständigkeitsbereich der ärztlichen Leitung, der Pflegedienstleitung und der oder des für die Sicherheit Verantwortlichen und deren Stellvertretung im Hinblick auf den Vollzug der Unterbringung ausgeschlossen sind,
8.
im Fall eines Streiks die gebotene Vermeidung unverhältnismäßiger Gemeinwohlschädigungen oder unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen Dritter durch Notdienste sichergestellt wird,
9.
eine Aufgabenübertragung auf Dritte oder der Abschluss eines Beherrschungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) nicht ohne vorherige Zustimmung des für Gesundheit zuständigen Ministeriums möglich sind.
(4) Die ärztliche Leitung, die Pflegedienstleitung und der oder die für die Sicherheit Verantwortliche sowie deren jeweilige Stellvertretung werden durch das für Gesundheit zuständige Ministerium widerruflich durch Verwaltungsakt ermächtigt, die ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben im Auftrag der nach Absatz 2 beliehenen Einrichtungen und in Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen. Sie treffen die Entscheidungen, die in Grundrechte der Menschen mit psychischen Krankheiten eingreifen. Die Ermächtigung nach Satz 1 setzt die persönliche und fachliche Eignung für die Wahrnehmung der Aufgaben voraus.
(5) Der Zweck der Unterbringung im Maßregelvollzug ist die Heilung oder Besserung des Zustandes im Sinne der §§ 136 und 137 des Strafvollzugsgesetzes insbesondere durch medizinische Behandlung und sozialtherapeutische oder heilpädagogische Maßnahmen sowie die soziale und berufliche Eingliederung. Zur Umsetzung der in Satz 1 genannten Behandlung und Maßnahmen sind diese durch die Einrichtungen des Maßregelvollzuges in jeweils einem Therapiekonzept zusammenzufassen und vorzuhalten, welches der Zustimmung des für Gesundheit zuständigen Ministeriums bedarf. Das jeweilige Therapiekonzept ist alle drei Jahre zu aktualisieren.
(6) Die Einrichtungen des Maßregelvollzuges sind durch geeignete Maßnahmen gegen ein Entweichen der Menschen mit psychischen Krankheiten zu sichern. Sie müssen so gegliedert oder ausgestattet sein, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen abgestimmte Behandlung ermöglicht wird und dass der Zweck der Unterbringung nach Absatz 5 erreicht werden kann.
(7) Das für Justiz zuständige Ministerium überwacht die Einrichtungen des Maßregelvollzuges daraufhin, dass die Anforderungen des Absatzes 6 Satz 1 eingehalten werden, und erlässt im Benehmen mit dem für Gesundheit zuständigen Ministerium allgemeine Sicherheitsbestimmungen. Im Übrigen werden die Einrichtungen des Maßregelvollzuges durch das für Gesundheit zuständige Ministerium überwacht. Für die Aufsicht nach den Sätzen 1 und 2 findet § 12 Absatz 6 und 7 entsprechende Anwendung.
(8) Für die Unterbringung im Maßregelvollzug gelten die §§ 16 Absatz 1 und 17 bis 34, 35 Alternative 1 bis 3 und 37 sowie die Vorschriften dieses und der folgenden Abschnitte. Abweichend von § 33 wird die Zustimmung zur Hausordnung vom für Gesundheit zuständigen Ministerium im Einvernehmen mit dem für Justiz zuständigen Ministerium erteilt.

§ 39 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Ausbildung und Weiterbildung

(1) Die Menschen mit psychischen Krankheiten erhalten im Rahmen des Behandlungsplans beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Angebote. Arbeitstherapeutische Angebote dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern. Bundesgesetzliche Regelungen bleiben unberührt.
(2) Im Rahmen des Maßregelvollzuges soll Menschen mit psychischen Krankheiten, die den Abschluss der Haupt- oder Realschule nicht erreicht haben, aber diese anstreben, Unterricht in den zum jeweiligen Schulabschluss führenden Fächern erteilt oder Gelegenheit gegeben werden, an einem der Art und dem Grunde der Behinderung entsprechenden Unterricht teilzunehmen. Bei der beruflichen Ausbildung oder Umschulung ist berufsbildender Unterricht zu ermöglichen. Absatz 3 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(3) Im Rahmen des Maßregelvollzuges kann den Menschen mit psychischen Krankheiten Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden. Es kann den Menschen mit psychischen Krankheiten auch gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung oder Umschulung außerhalb der Einrichtungen des Maßregelvollzugs nachzugehen oder an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen teilzunehmen.

§ 40 Gewährung von Arbeitstherapieentgelt und Zuwendungen bei Eingliederungsmaßnahmen

(1) Für Arbeitsleistungen im Rahmen einer Arbeitstherapie ist den Menschen mit psychischen Krankheiten durch die Einrichtungen des Maßregelvollzuges ein Arbeitstherapieentgelt zu gewähren. Bei Teilnahme am Unterricht, an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung oder Umschulung kann den Menschen mit psychischen Krankheiten durch die Einrichtungen des Maßregelvollzuges eine Zuwendung gewährt werden.
(2) Das für Gesundheit zuständige Ministerium regelt im Einzelnen das für die Höhe des Arbeitsentgelts und der Zuwendung maßgebliche Verfahren. Es regelt auch, dass von der Gewährung des Entgelts oder der Zuwendung aus Gründen des therapeutischen Konzepts ganz oder teilweise abgesehen werden kann.

§ 41 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Zur Sicherung des Vollzugs der Maßregel und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung des Maßregelvollzuges, insbesondere zur Identitätsfeststellung, dürfen mit Kenntnis der Menschen mit psychischen Krankheiten erkennungsdienstliche Maßnahmen angeordnet werden. Zum Zweck der eindeutigen Identifizierung dürfen die Einrichtungen des Maßregelvollzuges von den biometrischen Daten nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung; ABl. L EU 119 vom 4.5.2016, S. 1, L 314, S. 72) nur äußerliche körperliche Merkmale verarbeiten.
(2) Die biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung der betroffenen Person dürfen unbeschadet von § 47 Absatz 6 und 7 nur zur Identitätsfeststellung in den Einrichtungen des Maßregelvollzuges verarbeitet werden. Sie sind getrennt von den Krankenakten aufzubewahren.

§ 42 Besondere Einschränkungen

(1) Abweichend von § 21 Absatz 1 sind besondere Sicherungsmaßnahmen zulässig, sobald die Gefahr besteht, dass die Menschen mit psychischen Krankheiten die Gesundheit, das Leben oder andere bedeutende Rechtsgüter von sich selbst oder Dritten beeinträchtigen oder ernsthaft zu befürchten ist, dass die Menschen mit psychischen Krankheiten entweichen und wenn dieser Gefahr nicht anders begegnet werden kann.
(2) Abweichend von § 23 Absatz 1 bis 3 dürfen Durchsuchungen und Untersuchungen nicht von Bediensteten der Einrichtung des Maßregelvollzuges allein durchgeführt werden und nur in Gegenwart von Bediensteten der Einrichtung des Maßregelvollzuges, die nicht zu den diese Menschen mit psychischen Krankheiten regelmäßig betreuenden Bediensteten der Einrichtung des Maßregelvollzuges gehören. Abweichend von § 23 Absatz 1 dürfen die Durchsuchungen verdachtsunabhängig erfolgen.
(3) Abweichend von § 29 kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass die Besucherin oder der Besucher sich und seine beziehungsweise ihre Sachen mit technischen Mitteln und sonstigen Hilfsmitteln durchsuchen lässt und Gegenstände, die den Zweck der Unterbringung oder das geordnete Zusammenleben in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs gefährden können, für die Dauer des Besuchs abgibt. § 23 Absatz 2 gilt entsprechend. Besuche und Telefongespräche dürfen dahingehend überwacht werden, dass durch sie der Zweck der Unterbringung und das geordnete Zusammenleben in den Einrichtungen nicht gefährdet werden. Die Unterhaltung darf nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus diesen Gründen erforderlich ist. Wird eine Gefährdung erkennbar, so können Besuche und Telefongespräche untersagt oder abgebrochen werden. Die beabsichtigte Überwachung eines Telefongespräches oder eines Besuches oder deren Unterhaltung ist den Gesprächspartnern vor dem Gespräch oder dem Beginn des Besuches mitzuteilen.
(4) Gegenstände und Stoffe, die den Zweck der Unterbringung oder das geordnete Zusammenleben in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs gefährden können, dürfen den Menschen mit psychischen Krankheiten für die Dauer der Unterbringung weggenommen und verwahrt werden.
(5) Abweichend von § 30 Absatz 2 bis 5 dürfen Päckchen und Pakete in Anwesenheit der Menschen mit psychischen Krankheiten auch mit technischen Mitteln und sonstigen Hilfsmitteln stets daraufhin kontrolliert werden, ob sie Gegenstände enthalten, die den Zweck der Unterbringung oder das geordnete Zusammenleben in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs gefährden können. Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden.
(6) Der Besitz und die Benutzung von Geräten zur funkbasierten Übertragung von Informationen sind auf dem Gelände der Einrichtung des Maßregelvollzuges verboten, soweit diese nicht dienstlich zugelassen sind. Die ärztliche Leitung kann abweichende Regelungen treffen. Die Einrichtung des Maßregelvollzuges darf technische Geräte betreiben, die
1.
das Auffinden von Geräten zur Funkübertragung ermöglichen,
2.
Geräte zur Funkübertragung zum Zwecke des Auffindens aktivieren können oder
3.
Frequenzen stören oder unterdrücken, die der Herstellung oder Aufrechterhaltung unerlaubter Funkverbindungen auf dem Gelände der Einrichtung des Maßregelvollzuges dienen.
Sie hat dabei die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Absatz 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes festgelegten Rahmenbedingungen zu beachten. Frequenznutzungen außerhalb des Geländes der Einrichtung des Maßregelvollzuges dürfen nicht erheblich gestört werden.

Siebenter Abschnitt Forensisch-psychiatrische Ambulanzen

§ 43 Forensisch-psychiatrische Ambulanzen

(1) Die Träger der Einrichtungen des Maßregelvollzuges können bei diesen Forensisch-psychiatrische Ambulanzen einrichten.
(2) Die Forensisch-psychiatrischen Ambulanzen haben die Aufgabe, die aus den Einrichtungen des Maßregelvollzuges entlassenen oder beurlaubten Menschen mit psychischen Krankheiten zu behandeln und durch geeignete medizinische Maßnahmen, die in den nach § 38 Absatz 5 Satz 2 vorzuhaltenden Therapiekonzepten enthalten sein müssen, vor Rückfällen zu bewahren, problematische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren. Sie sind auch zuständig für Menschen mit psychischen Krankheiten, gegenüber denen das Gericht eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nummer 1 und 2 des Strafgesetzbuches angeordnet und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt sowie eine entsprechende Weisung erteilt hat (§ 67b in Verbindung mit § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 11 und Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches).

Achter Abschnitt Kosten

§ 44 Kosten

(1) Die Kosten der Unterbringung nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a und der nach diesem Gesetz erforderlichen Untersuchungen tragen die Menschen mit psychischen Krankheiten, soweit nicht ein Träger von Sozialleistungen oder sonstige Dritte, insbesondere Unterhaltspflichtige, zur Kostentragung verpflichtet sind.
(2) Die Kosten einer sofortigen Unterbringung nach § 15 trägt das Land, wenn der Antrag auf Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme abgelehnt oder zurückgenommen wird oder aus anderen Gründen seine Erledigung findet und die Voraussetzungen für eine Unterbringungsmaßnahme von Anfang an nicht vorgelegen haben.
(3) Die Kosten einer Unterbringung im Maßregelvollzug trägt das Land, soweit nicht die Menschen mit psychischen Krankheiten gemäß § 45 zu den Kosten beizutragen haben. Zu diesen Kosten gehören auch die notwendigen Aufwendungen zur ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung sowie für medizinische Hilfsmittel einschließlich Zahnersatz, die in den Einrichtungen des Maßregelvollzuges oder außerhalb in entsprechender Anwendung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch entstehen (interkurrente Leistungen), sowie das Arbeitstherapieentgelt. Abweichend von Satz 2 kann das Land ganz oder teilweise auch die Kosten für interkurrente Leistungen außerhalb des Leistungsumfanges des Fünften Buches Sozialgesetzbuch übernehmen, wenn dies zur Erreichung des Zwecks der Unterbringung im Maßregelvollzug erforderlich ist. Hierzu kann das für Gesundheit zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für Finanzen zuständigen Ministerium allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, die auch Regelungen zum Kostenbeitrag nach § 45 Absatz 3 enthalten können.
(4) Die Kosten der Behandlung und Betreuung der Forensisch-psychiatrischen Ambulanzen trägt das Land, soweit nicht ein Träger von Sozialleistungen zur Kostentragung verpflichtet ist.
(5) Das Land kann mit dem Träger einer Einrichtung des Maßregelvollzuges für die nach den Absätzen 3 und 4 zu erstattenden Kosten Pflegesätze vereinbaren (Pflegesatzvereinbarung). Pflegesätze sind Entgelte für die Leistungen, die zu Gunsten der Menschen mit psychischen Krankheiten erbracht werden.
(6) Die Pflegesätze müssen medizinisch leistungsgerecht sein und dem Träger der Einrichtung des Maßregelvollzuges eine wirtschaftliche Betriebsführung ermöglichen. Die Maßstäbe und Grundsätze zur Ermittlung des durch die Pflegesätze zu deckenden finanziellen Aufwandes haben dem unterschiedlichen Behandlungs- und Sicherungsbedarf der Menschen mit psychischen Krankheiten unter Beachtung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Rechnung zu tragen.
(7) Die Pflegesatzvereinbarungen sind für einen bestimmten Zeitraum (Pflegesatzzeitraum) abzuschließen. Die Pflegesätze sind im Voraus zu bemessen. Sie können darüber hinaus auch rückwirkend für die Zeit ab der schriftlichen Aufforderung einer Vertragspartei zu Pflegesatzverhandlungen vereinbart werden.
(8) Nach Ablauf des Pflegesatzzeitraums gelten die vereinbarten Pflegesätze bis zum Abschluss einer neuen Pflegesatzvereinbarung weiter.
(9) Bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Festsetzung der Pflegesätze zu Grunde lagen, sind die Pflegesätze auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Pflegesatzzeitraum neu zu verhandeln.
(10) Das für Gesundheit zuständige Ministerium kann im Einvernehmen mit dem Finanzministerium durch Rechtsverordnung das Nähere bestimmen über
1.
die Ermittlung der Pflegesätze der Einrichtungen des Maßregelvollzugs,
2.
die Maßstäbe und Grundsätze des Personalbedarfs,
3.
die Rechnungs- und Buchführungspflichten der Einrichtungen,
4.
die Bemessungsgrundlage für den pauschalen Aufwendungsersatz,
5.
die Bemessung und Erhebung anteiliger Erstattungsleistungen für die Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten aus anderen Ländern.
(11) Kommt eine Pflegesatzvereinbarung innerhalb von sechs Wochen nicht zu Stande, nachdem der Träger einer Einrichtung des Maßregelvollzuges oder das Land schriftlich zu Pflegesatzverhandlungen aufgefordert hat, kann das für Gesundheit zuständige Ministerium die Pflegesätze für einen Pflegesatzzeitraum durch Verwaltungsakt bestimmen. Absatz 8 gilt entsprechend. Gegen den Verwaltungsakt ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Ein Vorverfahren findet nicht statt; die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.

§ 45 Kostenbeitrag für die Unterbringung

(1) Soweit Menschen mit psychischen Krankheiten über Einkommen oder Vermögen verfügen, kann von diesen ein Kostenbeitrag als Teil der Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolgen einer Tat (§ 464a Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung) erhoben werden.
(2) Der Kostenbeitrag wird in Höhe des Betrages erhoben, der nach § 17 Absatz 1 Nummer 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Der Durchschnittswert wird durch das für Justiz zuständige Ministerium festgesetzt. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den anrechenbaren Wert der Unterkunft sind die Art der Belegung und das Alter der Menschen mit psychischen Krankheiten maßgebend.
(3) An den Kosten nach § 44 Absatz 3 Satz 2 können die Menschen mit psychischen Krankheiten in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter. Für interkurrente Leistungen, die über den in § 44 Absatz 3 Satz 2 genannten Umfang hinausgehen, können den Menschen mit psychischen Krankheiten die gesamten Kosten auferlegt werden.
(4) Erhalten Menschen mit psychischen Krankheiten interkurrente Leistungen nach § 44 Absatz 3 Satz 2 infolge einer mutwilligen Selbstverletzung, sind sie in angemessenem Umfang an den Kosten zu beteiligen. Die Kostenbeteiligung unterbleibt, wenn hierdurch die Erreichung des Zwecks der Unterbringung im Maßregelvollzug, insbesondere die Eingliederung der Menschen mit psychischen Krankheiten, gefährdet würde.
(5) Die Menschen mit psychischen Krankheiten können an den Betriebskosten der in ihrem Gewahrsam befindlichen Geräte beteiligt werden.
(6) Bei der Erhebung des Kostenbeitrages ist zu gewährleisten, dass den Menschen mit psychischen Krankheiten hinsichtlich ihres Einkommens mindestens ein Betrag in Höhe des Barbetrags verbleibt. Auf das einzusetzende Vermögen finden § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die hierzu ergangene Verordnung entsprechende Anwendung.
(7) Zuständig für die Erhebung des Kostenbeitrags ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales. § 40 Absatz 2 findet entsprechende Anwendung.

Neunter Abschnitt Besuchskommission

§ 46 Besuchskommission

(1) Das für Gesundheit zuständige Ministerium bildet eine Besuchskommission für die Einrichtungen des Maßregelvollzuges und die Landkreise und kreisfreien Städte bilden jeweils Besuchskommissionen für die sonstigen Einrichtungen. Die Besuchskommissionen besuchen und überprüfen in der Regel ohne Anmeldung mindestens einmal jährlich die Einrichtungen oder die Einrichtungen des Maßregelvollzuges, in denen Menschen mit psychischen Krankheiten nach diesem Gesetz untergebracht sind, ob die mit der Unterbringung von verbundenen Aufgaben erfüllt und die Rechte der Menschen mit psychischen Krankheiten gewahrt werden. Dabei ist den Menschen mit psychischen Krankheiten Gelegenheit zu geben, Wünsche oder Beschwerden vorzutragen.
(2) Innerhalb von zwei Monaten nach jedem Besuch fertigt die Besuchskommission einen Bericht an, der auch die Wünsche und Beschwerden der Menschen mit psychischen Krankheiten enthält und zu ihnen Stellung nimmt. Das für Gesundheit zuständige Ministerium übersendet dem Landtag einmal in der Legislaturperiode eine Zusammenfassung dieser Berichte in anonymisierter Form.
(3) Der jeweiligen Besuchskommission gehören an:
1.
eine Fachärztin oder ein Facharzt für Psychiatrie oder eine Fachärztin oder ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eine Richterin oder ein Richter,
3.
eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter des für den Bereich, in dem die besuchte Einrichtung oder die Einrichtung des Maßregelvollzuges liegt, zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienstes,
4.
eine Vertreterin oder ein Vertreter eines Interessenverbandes von Menschen mit psychischen Krankheiten, die oder der von dem Landkreis oder der kreisfreien Stadt benannt wird, in deren Zuständigkeit die besuchte Einrichtung oder die Einrichtung des Maßregelvollzuges liegt,
5.
eine Vertreterin oder ein Vertreter eines Interessenverbandes der Freunde oder Angehörigen von Menschen mit psychischen Krankheiten, die oder der von dem Landkreis oder der kreisfreien Stadt benannt wird, in deren Zuständigkeit die besuchte Einrichtung oder die Einrichtung des Maßregelvollzuges liegt,
6.
eine Bürgerin oder ein Bürger Mecklenburg-Vorpommerns ohne Fachkunde, die oder der von dem für Gesundheit zuständigen Ausschuss des Landtages beziehungsweise der Stadtvertretung oder der Bürgerschaft oder des Kreistages, in deren Zuständigkeit die besuchte Einrichtung oder die Einrichtung des Maßregelvollzuges liegt, benannt wird.
Der Besuchskommission für die Einrichtungen des Maßregelvollzuges gehört zusätzlich eine sachkundige Mitarbeiterin oder ein sachkundiger Mitarbeiter des für Gesundheit zuständigen Ministeriums an. Der zuständigen Amtsärztin oder dem zuständigen Amtsarzt ist Gelegenheit zur Teilnahme an den Besuchen zu geben. Das für Gesundheit zuständige Ministerium kann im Benehmen mit der Besuchskommission weitere Personen zu den Besuchen hinzuziehen, soweit der Zweck des Besuches dadurch besser erfüllt werden kann.
(4) Die Berufung der Mitglieder der Besuchskommissionen und die Einrichtung der Geschäftsstellen erfolgt
1.
durch das für Gesundheit zuständige Ministerium für Besuche von Einrichtungen des Maßregelvollzuges und
2.
durch die Landkreise und kreisfreien Städte für Besuche von sonstigen Einrichtungen.
Für jedes Mitglied ist mindestens eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu berufen. Die Geschäftsstellen der Besuchskommissionen übersenden die in Absatz 2 genannten Berichte an die Geschäftsstelle der Besuchskommission für die Einrichtungen des Maßregelvollzuges. Die Geschäftsstelle der Besuchskommission für die Einrichtungen des Maßregelvollzuges fasst die Berichte aller Besuchskommissionen zusammen und führt mindestens einmal im Berichtszeitraum eine Beratung der Geschäftsführungen aller Besuchskommissionen durch.
(5) Die Mitglieder und ihre Stellvertreterinnen oder Stellvertreter werden für zwei Jahre berufen. Eine erneute Berufung ist zulässig.
(6) Die Mitglieder der Besuchskommission sind nicht an Weisungen gebunden. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ihre Entschädigung richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter.
(7) Die Aufsichtspflichten und -rechte der zuständigen Behörden sowie das Recht der Menschen mit psychischen Krankheiten, andere Überprüfungs- oder Beschwerdeinstanzen anzurufen, bleiben unberührt.

Zehnter Abschnitt Übergangs- und Schlussvorschriften

§ 47 Datenschutzrechtliche Bestimmungen

(1) Für die Verarbeitung personenbezogener Daten der Menschen mit psychischen Krankheiten oder Dritter gelten ergänzend zur Datenschutz-Grundverordnung und den nachfolgenden Regelungen die Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes und des Landeskrankenhausgesetzes. Nehmen nicht öffentliche Stellen Aufgaben nach diesem Gesetz wahr, findet § 22 Absatz 3 des Landesdatenschutzgesetzes keine Anwendung.
(2) Gesundheitsdaten der Menschen mit psychischen Krankheiten dürfen durch die einweisende Behörde, die Gerichte, das für Gesundheit zuständige Ministerium, den Sozialpsychiatrischen Dienst, den Landrat und den Oberbürgermeister sowie die Einrichtungen oder die Einrichtungen des Maßregelvollzuges verarbeitet werden, soweit es für die Gewährung von Hilfen, für die ordnungsgemäße Unterbringung und Behandlung einschließlich der staatlichen Aufsicht und der Abwehr von Gefahren, für die Sicherheit sowie das geordnete Zusammenleben in den Einrichtungen und für die Wiedereingliederung der Menschen mit psychischen Krankheiten nach der Entlassung erforderlich ist. Bei Unterbringungen im Maßregelvollzug gilt dies auch für das für Justiz zuständige Ministerium. Satz 1 findet auf den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe im Rahmen eines Besuches einer Einrichtung oder einer Einrichtung des Maßregelvollzuges entsprechende Anwendung.
(3) Abweichend von den allgemeinen Regelungen über die Berufs- und Amtsverschwiegenheit sind die behandelnde Ärztin oder der Arzt oder die behandelnde Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut oder die behandelnde Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder die behandelnde Psychologin oder der Psychologe sowie Gerichte und Behörden im Rahmen der Unterbringung im Maßregelvollzug befugt, den Einrichtungen des Maßregelvollzuges Strafurteile, staatsanwaltliche Ermittlungssachverhalte, ärztliche, psychiatrische und psychologische Gutachten aus gerichtlichen oder staatsanwaltlichen Verfahren, den Lebenslauf und Angaben über die bisherige Entwicklung sowie Angaben über Krankheiten, Körperschäden und Verhaltensauffälligkeiten der Menschen mit psychischen Krankheiten zu übermitteln.
(4) Im Rahmen der Unterbringung im Maßregelvollzug dürfen die Einrichtungen listenmäßig erfassen, welche Personen zu welchem Zeitpunkt die Einrichtungen betreten oder verlassen haben und bei welcher in der Einrichtung untergebrachten Person der Besuch erfolgte. Zu diesem Zweck dürfen die Einrichtungen von den Personen, die die Einrichtungen betreten, Vor- und Nachnamen, das Datum sowie den Grund des Besuchs und von der untergebrachten Person den Namen verarbeiten.
(5) Der Polizei sind zur Wahrnehmung der ihr obliegenden Aufgaben durch die Einrichtungen des Maßregelvollzuges
1.
die Aufnahme von Menschen mit psychischen Krankheiten in eine Einrichtung des Maßregelvollzuges,
2.
die Verlegung von Menschen mit psychischen Krankheiten in eine Einrichtung des Maßregelvollzuges außerhalb des Landes,
3.
Beginn und Ende gewährter Vollzugslockerungen nach § 32 Absatz 1, 2 und 5 oder Maßnahmen nach § 39 Absatz 2 und 3 außerhalb der Einrichtung des Maßregelvollzuges einschließlich des angegebenen Aufenthaltsortes sowie
4.
rechtzeitig, in der Regel spätestens drei Monate vor dem Entlassungszeitpunkt, jede bevorstehende Entlassung von Menschen mit psychischen Krankheiten einschließlich der Entlassungsadresse
mitzuteilen. Die Mitteilungen sind zu dokumentieren und getrennt von den Krankenakten aufzubewahren.
(6) Die nach § 41 Absatz 1 erhobenen Daten sind an die Polizei spätestens am Tag der Entlassung der Menschen mit psychischen Krankheiten, die nach der Entlassung unter Führungsaufsicht stehen, oder unverzüglich bei Vorliegen eines polizeilichen Ersuchens zu übermitteln. Rechtzeitig vor Beginn gewährter Vollzugslockerungen nach § 32 Absatz 1, 2 und 5 oder Maßnahmen nach § 39 Absatz 2 und 3 außerhalb der Einrichtung ist der Polizei zusätzlich zur Mitteilung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 das aktuelle Lichtbild der Menschen mit psychischen Krankheiten zu übermitteln. Absatz 5 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(7) Nach § 41 Absatz 1 und § 47 Absatz 2 erhobene Daten dürfen den Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, soweit dies zum Zweck der Identifizierung, Fahndung oder Festnahme der entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltende Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich ist. Absatz 5 Satz 2 findet entsprechende Anwendung.
(8) Die beteiligten Stellen dürfen die gemäß Absatz 2 erhobenen und gespeicherten personenbezogenen Daten für die Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens nach dem Betreuungsorganisationsgesetz an die zuständigen Behörden und Gerichte übermitteln, soweit es für das Verfahren erforderlich ist. Insoweit dürfen diese Daten auch für die Erstellung eines ärztlichen, psychiatrischen oder psychologischen Gutachtens verwendet werden.
(9) Außerhalb von Krankenakten gespeicherte Daten sind spätestens zwei Jahre nach Beendigung der Unterbringung zu löschen. Nach Absatz 4 gespeicherte Daten sind unmittelbar nach der Entlassung der Menschen mit psychischen Krankheiten, auf die sie sich beziehen, zu löschen. Soweit ein solcher Bezug nicht besteht, sind diese Daten spätestens ein Jahr nach der Speicherung zu löschen. Die nach § 41 Absatz 1 erhobenen Daten der Menschen mit psychischen Krankheiten sind bei deren Entlassung unverzüglich zu vernichten, sobald die Vollstreckung der richterlichen Entscheidung, die dem Vollzug zu Grunde gelegen hat, abgeschlossen ist und die Übermittlungen nach Absatz 6 Satz 1 erfolgt sind.
(10) Das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung besteht nicht, soweit konkrete Tatsachen den Verdacht begründen, dass die Auskunft zu schwerwiegenden gesundheitlichen Nachteilen bei dem Menschen mit psychischen Krankheiten führt. Anstelle der Auskunft nach Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung vermitteln die behandelnde Ärztin oder der Arzt oder die behandelnde Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut oder die behandelnde Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder die behandelnde Psychologin oder der Psychologe die entsprechenden Inhalte unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes an die Menschen mit psychischen Krankheiten. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist zu informieren, wenn nach Satz 1 keine Auskunft erteilt wird. Die Verweigerung von Auskunft oder Einsicht ist mit einer Begründung in den Akten zu vermerken.
(11) Die Absätze 1 bis 3 und 8 bis 10 finden auf die Forensisch-psychiatrischen Ambulanzen entsprechende Anwendung. Darüber hinaus sind die behandelnde Ärztin oder der Arzt oder die behandelnde Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut oder die behandelnde Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder die behandelnde Psychologin oder der Psychologe befugt, die Einrichtungen des Maßregelvollzugs, das Gericht oder die Strafvollstreckungskammer zu unterrichten, wenn die medizinischen Anordnungen von den Menschen mit psychischen Krankheiten nicht eingehalten werden oder eine medizinische Behandlung nicht mehr erforderlich ist.

§ 48 Datenverarbeitung mit optisch-elektronischen Vorrichtungen in Einrichtungen des Maßregelvollzuges

(1) Die Überwachung von Außenanlagen, Gebäuden und allgemein zugänglichen Räumen der Einrichtungen des Maßregelvollzuges, mit Ausnahme der in Absatz 3 genannten Bereiche, mittels optisch-elektronischer Vorrichtungen ist zulässig, soweit dies zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.
(2) Die bei der Erfüllung der in Absatz 1 genannten Aufgaben erhobenen personenbezogenen Daten dürfen gespeichert werden, wenn dies zur Abwendung einer bevorstehenden Gefahr für Gesundheit, Leben oder andere besondere Rechtsgüter von Menschen mit psychischen Krankheiten oder von Dritten oder die Sicherheit der Einrichtung des Maßregelvollzuges oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung des Maßregelvollzuges oder zu Zwecken der Beweissicherung erforderlich ist. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zum Erreichen des Zwecks, zu dem sie erhoben worden sind, nicht mehr erforderlich sind.
(3) Die Nutzung optisch-elektronischer Vorrichtungen ist in Interventions-, Aufenthalts-, Wohn- und Schlafräumen im begründeten Einzelfall zeitlich befristet erlaubt, soweit dies von der ärztlichen Leitung der Einrichtung des Maßregelvollzuges angeordnet wird und zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung durch die Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich ist. Die Speicherung personenbezogener Daten ist hierbei unzulässig.
(4) Die Datenverarbeitung nach den Absätzen 1 bis 3 darf auch dann erfolgen, wenn bei der Datenerhebung Dritte unvermeidbar betroffen sind.
(5) Auf den Umstand der Nutzung optisch-elektronischer Vorrichtungen ist durch geeignete Maßnahmen hinzuweisen.

§ 49 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes), körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes), Religionsausübungsfreiheit (Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes), Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 des Grundgesetzes), Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes), Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes), Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) und Eigentum (Artikel 14 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 50 Übergangsregelungen

Die Beleihungen nach § 12 Absatz 3 und § 38 Absatz 2 sowie die Ermächtigungen nach § 12 Absatz 5 und § 38 Absatz 4 haben innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erfolgen.

§ 51 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt das Psychischkrankengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2000 (GVOBl. M-V S. 182), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. November 2010 (GVOBl. M-V S. 642, 649) geändert worden ist, außer Kraft.
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