HmbVHMPG
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Hamburgisches Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (Hamburgisches Verhältnismäßigkeitsprüfungsgesetz - HmbVHMPG) Vom 2. Juni 2020

Hamburgisches Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (Hamburgisches Verhältnismäßigkeitsprüfungsgesetz - HmbVHMPG) Vom 2. Juni 2020
Zum 14.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Hamburgisches Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (Hamburgisches Verhältnismäßigkeitsprüfungsgesetz - HmbVHMPG) vom 2. Juni 202030.07.2020
Eingangsformel30.07.2020
§ 1 - Anwendungsbereich30.07.2020
§ 2 - Begriffsbestimmungen30.07.2020
§ 3 - Prüfung der Verhältnismäßigkeit30.07.2020
§ 4 - Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung30.07.2020
§ 5 - Zeitpunkt der Prüfung, Überwachung nach Erlass30.07.2020
§ 6 - Information und Beteiligung der Öffentlichkeit30.07.2020
§ 7 - Eintragung in die Datenbank für reglementierte Berufe, Stellungnahmen30.07.2020
§ 8 - Verhältnismäßigkeitsprüfung bei abgeleiteter Befugnis zur Rechtsetzung30.07.2020
§ 9 - Umsetzung Europäischer Richtlinien30.07.2020
§ 10 - Inkrafttreten30.07.2020
Anlage 130.07.2020
Anlage 230.07.2020
Anlage 330.07.2020
Anlage 430.07.2020
Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz findet Anwendung beim Erlass von Vorschriften, die die Aufnahme oder Ausübung eines in den Geltungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. EU 2005 Nr. L 255 S. 22, 2007 Nr. L 271 S. 18, 2008 Nr. L 93 S. 28, 2009 Nr. L 33 S. 49, 2014 Nr. L 305 S. 115, 2015 Nr. L 177 S. 60, 2015 Nr. L 268 S. 35, 2016 Nr. L 95 S. 20), zuletzt geändert am 16. Januar 2019 (ABl. EU Nr. L 104 S. 1), fallenden Berufs oder einer bestimmten Art seiner Ausübung beschränken, einschließlich des Führens einer Berufsbezeichnung und der im Rahmen dieser Berufsbezeichnung erlaubten beruflichen Tätigkeiten.
(2) Als Vorschriften im Sinne von Absatz 1 gelten Gesetze und Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften und sonstige Rechtsnormen, die von Kammern oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts erlassen werden, welche auf Grund von Landesrecht über die Befugnis zur Rechtsetzung verfügen.
(3) Die Anwendung ist ausgeschlossen, sofern Vorschriften der Umsetzung eines gesonderten Rechtsakts der Europäischen Union dienen, in dem spezifische Anforderungen an einen bestimmten Beruf festgelegt sind und dieser Rechtsakt den Mitgliedstaaten keine Wahl der genauen Art und Weise der Umsetzung dieser Anforderungen lässt.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Für die Zwecke dieses Gesetzes gelten die Begriffsbestimmungen der Richtlinie 2005/36/EG.
(2) Ergänzend gelten die Begriffsbestimmungen des Artikels 3 der Richtlinie (EU) 2018/958 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (ABl. EU Nr. L 173 S. 25).

§ 3 Prüfung der Verhältnismäßigkeit

(1) Vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach den in diesem Gesetz festgelegten Bestimmungen durchzuführen. Der Umfang der Prüfung steht im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift.
(2) Dabei ist jede Vorschrift mit einer Erläuterung zu versehen, die ausführlich genug ist, um eine Bewertung der Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermöglichen.
(3) Die Gründe, aus denen hervorgeht, dass eine Vorschrift geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren.
(4) Vorschriften im Sinne von Absatz 1 dürfen weder direkt noch indirekt eine Diskriminierung auf Grund des Wohnsitzes oder der Staatsangehörigkeit darstellen.
(5) Vorschriften im Sinne von Absatz 1 müssen durch Ziele des Allgemeininteresses im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie (EU) 2018/958 gerechtfertigt sein.

§ 4 Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung

(1) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind sämtliche in der Anlage 1 enthaltenen Kriterien zu berücksichtigen.
(2) Darüber hinaus sind bei der Prüfung die in der Anlage 2 enthaltenen Kriterien zu berücksichtigen, wenn sie für die Art und den Inhalt der neu eingeführten oder geänderten Vorschrift relevant sind.
(3) Für die Zwecke von Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Buchstabe f ist die Auswirkung der neuen oder geänderten Vorschrift zu prüfen, wenn sie mit einer oder mehreren in Anlage 3 enthaltenen Anforderungen kombiniert wird, wobei die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass diese Auswirkungen sowohl positiv als auch negativ sein können.
(4) Es ist sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird, wenn spezifische Anforderungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden oder gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen gemäß Titel II der Richtlinie 2005/36/EG, einschließlich der in der Anlage 4 enthaltenen Anforderungen, neu eingeführt oder geändert werden. Diese Verpflichtung gilt nicht für Maßnahmen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union angewendet werden.
(5) Bei Vorschriften, die die Reglementierung von Gesundheitsberufen betreffen und Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben, ist das Ziel der Sicherstellung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen.

§ 5 Zeitpunkt der Prüfung, Überwachung nach Erlass

(1) Einem Gesetzesentwurf soll eine Prüfung nach § 3 Absatz 1 beigefügt sein. Sie ist spätestes bis zur zweiten Lesung durchzuführen. Bei Gesetzesentwürfen im Volksgesetzgebungsverfahren erfolgt die Prüfung spätestens im Rahmen der Entscheidung nach § 5 Absatz 4 des Volksabstimmungsgesetzes vom 20. Juni 1996 (HmbGVBl. S. 136), zuletzt geändert am 12. Mai 2020 (HmbGVBl. S. 255), in der jeweils geltenden Fassung.
(2) Nach dem Erlass neuer oder geänderter Vorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, ist von der für das jeweilige Berufsrecht zuständigen Stelle deren Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu überwachen und Entwicklungen, die nach dem Erlass der Vorschriften eingetreten sind, Rechnung zu tragen.

§ 6 Information und Beteiligung der Öffentlichkeit

(1) Entwürfe von Gesetzesvorlagen und Rechtsverordnungen, mit denen neue Vorschriften eingeführt oder bestehende Vorschriften geändert werden sollen, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, sind von der für das jeweilige Berufsrecht zuständigen Stelle zur Information der Öffentlichkeit auf der Internetseite der zuständigen Stelle einzustellen.
(2) Die Einstellung in das Internet ist im Hinblick auf den Zeitpunkt und die sonstigen Umstände der Veröffentlichung so auszugestalten, dass alle betroffenen Parteien in geeigneter Weise einbezogen werden und Gelegenheit haben, ihren Standpunkt darzulegen.
(3) Öffentliche Anhörungen sind durchzuführen, soweit dies relevant und angemessen ist.

§ 7 Eintragung in die Datenbank für reglementierte Berufe, Stellungnahmen

(1) Die nach diesem Gesetz als geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne beurteilten Vorschriften sind einschließlich der Beurteilungsgründe gemäß Artikel 59 Absatz 5 der Richtlinie 2005/36/EG der Europäischen Kommission mitzuteilen. Die Beurteilungsgründe sind in die in Artikel 59 Absatz 1 der Richtlinie 2005/36/EG genannte Datenbank für reglementierte Berufe einzugeben. Zuständig für die Pflege dieser Datenbank ist die jeweils berufsfachlich zuständige Behörde.
(2) Zu den Eintragungen vorgebrachte Stellungnahmen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sonstiger Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz sowie interessierter Kreise sind von der berufsfachlich zuständigen Behörde entgegenzunehmen und der Kommission vorzulegen.

§ 8 Verhältnismäßigkeitsprüfung bei abgeleiteter Befugnis zur Rechtsetzung

(1) Auf Entwürfe neuer oder Änderungen bestehender Vorschriften von Kammern oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach § 1 Absatz 2 findet § 6 entsprechend Anwendung.
(2) Kammern oder juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 1 Absatz 2 haben der zuständigen Aufsichtsbehörde unverzüglich das Ergebnis ihrer Prüfung nach den §§ 3 und 4 zuzuleiten.

§ 9 Umsetzung Europäischer Richtlinien

Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958.

§ 10 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 30. Juli 2020 in Kraft.
Ausgefertigt Hamburg, den 2. Juni 2020.
Der Senat

Anlage 1

(zu § 4 Absatz 1)
Nach § 4 Absatz 1 zu berücksichtigende Kriterien:
a)
Die Eigenart der mit den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses verbundenen Risiken, insbesondere der Risiken für Dienstleistungsempfänger, einschließlich Verbraucher, Berufsangehörige und Dritte,
b)
die Frage, ob bestehende Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, etwa die Regelungen in Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Produktsicherheit oder des Verbraucherschutzes, nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen,
c)
die Eignung der Vorschriften hinsichtlich ihrer Angemessenheit zur Erreichung des angestrebten Ziels und ob sie diesem Ziel tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise gerecht werden und somit den Risiken entgegenwirken, die bei vergleichbaren Tätigkeiten in ähnlicher Weise identifiziert wurden,
d)
die Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Union, die Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher und die Qualität der bereitgestellten Dienstleistungen,
e)
die Frage, ob zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels auch auf mildere Mittel zurückgegriffen werden kann; wenn die Vorschrift nur durch den Verbraucherschutz gerechtfertigt ist und sich die identifizierten Risiken auf das Verhältnis zwischen dem Berufsangehörigen und dem Verbraucher beschränken und sich deshalb nicht negativ auf Dritte auswirken, ist insbesondere zu prüfen, ob das Ziel durch Maßnahmen erreicht werden kann, die milder sind als die Maßnahme, die Tätigkeiten zu reglementieren,
f)
die Wirkung der neuen und geänderten Vorschriften, wenn sie mit anderen Vorschriften kombiniert werden, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, und insbesondere, wie die neuen oder geänderten Vorschriften kombiniert werden mit anderen Anforderungen zum Erreichen desselben im Allgemeininteresse liegenden Ziels und ob sie hierfür notwendig sind.

Anlage 2

(zu § 4 Absatz 2)
Nach § 4 Absatz 2 zu berücksichtigende Kriterien:
a)
Den Zusammenhang zwischen dem Umfang der von einem Beruf erfassten oder einem Beruf vorbehaltenen Tätigkeiten und der erforderlichen Berufsqualifikation,
b)
den Zusammenhang zwischen der Komplexität der betreffenden Aufgaben und der Notwendigkeit, dass diejenigen, die sie wahrnehmen, im Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation sind, insbesondere in Bezug auf Niveau, Eigenart und Dauer der erforderlichen Ausbildung oder Erfahrung,
c)
die Möglichkeit, die beruflichen Qualifikationen auf alternativen Wegen zu erlangen,
d)
die Frage, ob und warum die bestimmten Berufen vorbehaltenen Tätigkeiten mit anderen Berufen geteilt oder nicht geteilt werden können,
e)
den Grad an Autonomie bei der Ausübung eines reglementierten Berufs und die Auswirkungen von Organisations- und Überwachungsmodalitäten auf die Erreichung des angestrebten Ziels, insbesondere wenn die mit einem reglementierten Beruf zusammenhängenden Tätigkeiten unter der Kontrolle und Verantwortung einer ordnungsgemäß qualifizierten Fachkraft stehen,
f)
die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die die Informationsasymmetrie zwischen Berufsangehörigen und Verbrauchern tatsächlich abbauen oder verstärken können.

Anlage 3

(zu § 4 Absatz 3)
Nach § 4 Absatz 3 zu berücksichtigende Anforderungen:
a)
Tätigkeitsvorbehalte, geschützte Berufsbezeichnungen oder jede sonstige Form der Reglementierung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG,
b)
Verpflichtungen zur kontinuierlichen beruflichen Weiterbildung,
c)
Vorschriften in Bezug auf Berufsorganisation, Standesregeln und Überwachung,
d)
Pflichtmitgliedschaft in einer Berufsorganisation, Registrierungs- und Genehmigungsregelungen, insbesondere wenn diese Anforderungen den Besitz einer bestimmten Berufsqualifikation implizieren,
e)
quantitative Beschränkungen, insbesondere Anforderungen, die die Zahl der Zulassungen zur Ausübung eines Berufs begrenzen oder eine Mindest- oder Höchstzahl der Arbeitnehmer, Geschäftsführer oder Vertreter festsetzen, die bestimmte Berufsqualifikationen besitzen,
f)
Anforderungen an bestimmte Rechtsformen oder Anforderungen in Bezug auf die Beteiligungsstruktur oder Geschäftsleitung eines Unternehmens, soweit diese Anforderungen unmittelbar mit der Ausübung des reglementierten Berufs zusammenhängen,
g)
geografische Beschränkungen, insbesondere wenn der Beruf in Teilen eines Mitgliedstaates in einer Weise reglementiert ist, die sich von der Reglementierung in anderen Teilen unterscheidet,
h)
Anforderungen, die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung eines reglementierten Berufs beschränken, sowie Unvereinbarkeitsregeln,
i)
Anforderungen an den Versicherungsschutz oder andere Mittel des persönlichen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht,
j)
Anforderungen an Sprachkenntnisse, soweit diese für die Ausübung des Berufs erforderlich sind,
k)
festgelegte Mindest- beziehungsweise Höchstpreisanforderungen,
l)
Anforderungen an die Werbung.

Anlage 4

(zu § 4 Absatz 4)
Nach § 4 Absatz 4 zu berücksichtigende Anforderungen:
a)
Eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-Forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation gemäß Artikel 6 Satz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2005/36/EG,
b)
eine vorherige Meldung gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2005/36/EG, die gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 2005/36/EG erforderlichen Dokumente oder eine sonstige gleichwertige Anforderung,
c)
die Zahlung einer Gebühr oder von Entgelten, die vom Dienstleistungserbringer für die Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung gefordert werden
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