Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs (GRfW) Vom 17. September 2013
Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs (GRfW) Vom 17. September 2013
Zum 14.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis
Titel | Gültig ab |
---|---|
Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs (GRfW) vom 17. September 2013 | 01.12.2013 |
Eingangsformel | 01.12.2013 |
§ 1 - Zielsetzung, Begriffsbestimmung | 01.12.2013 |
§ 2 - Zentrale Informationsstelle, Inhalt des Registers | 01.12.2013 |
§ 3 - Inhalt der Eintragung, automatisierte Datei | 01.12.2013 |
§ 4 - Mitteilungen an die zentrale Informationsstelle | 01.12.2013 |
§ 5 - Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen, Registereintrag, Mitteilung über den Registereintrag | 01.12.2013 |
§ 6 - Wirkung der Eintragung, befristeter Ausschluss von der Auftragsvergabe (Vergabesperre) | 01.12.2013 |
§ 7 - Verpflichtung zur Registerabfrage, freiwillige Registerabfrage | 01.12.2013 |
§ 8 - Registerabfrage durch weitere öffentliche Stellen | 01.12.2013 |
§ 9 - Datenschutz, automatisiertes Abrufverfahren, Registerabruf und -auskunft | 01.12.2013 |
§ 10 - Gemeinsames Register | 01.12.2013 |
§ 11 - Tilgung von Registereinträgen | 01.12.2013 |
§ 12 - Maßnahmen zur Korruptionsvorsorge | 01.12.2013 |
§ 13 - Inkrafttreten | 01.12.2013 |
Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz:
§ 1 Zielsetzung, Begriffsbestimmung
(1) Im Interesse einer effektiveren Korruptionsbekämpfung und -prävention richtet die Freie und Hansestadt Hamburg eine zentrale Informationsstelle ein, die ein Register zum Schutz fairen Wettbewerbs (Register) allein oder mit anderen Ländern zum Zweck der Sammlung und Bereitstellung von Informationen über unzuverlässige natürliche und juristische Personen oder Personenvereinigungen führt, um die öffentlichen Auftraggeber bei der ihnen obliegenden Prüfung der Zuverlässigkeit von Bieterinnen und Bietern, Bewerberinnen und Bewerbern sowie potenziellen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern zu unterstützen, und die Vergabesperren im Sinne dieses Gesetzes aussprechen kann.
(2) Öffentliche Auftraggeber im Sinne dieses Gesetzes sind alle Auftraggeber im Sinne des § 2 des Hamburgischen Vergabegesetzes (HmbVgG) vom 13. Februar 2006 (HmbGVBl. S. 57), zuletzt geändert am 27. April 2010 (HmbGVBl. S. 345), in der jeweils geltenden Fassung. Empfängerinnen und Empfänger von Zuwendungen der Freien und Hansestadt Hamburg, die bei der Vergabe von Aufträgen zur Anwendung des Vergaberechts verpflichtet sind, haben dieses Gesetz wie öffentliche Auftraggeber anzuwenden.
(3) Die Auftraggeber nach Absatz 2 sind verpflichtet, ihre Gesellschafterrechte in juristischen Personen, an denen die Auftraggeber durch mehrheitliche Beteiligung oder in sonstiger Weise direkt oder indirekt bestimmenden Einfluss nehmen können, so auszuüben, dass diese die Bestimmungen dieses Gesetzes ebenfalls erfüllen.
§ 2 Zentrale Informationsstelle, Inhalt des Registers
(1) Die zentrale Informationsstelle wird bei der zuständigen Behörde der Freien und Hansestadt Hamburg eingerichtet. Ihr obliegt die Führung des Registers und die Entscheidung über befristete Ausschlüsse von Vergabeverfahren nach § 6 Absatz 2.
(2) In das Register werden die nachgewiesenen korruptionsrelevanten oder sonstige Rechtsverstöße im Geschäftsverkehr oder mit Bezug zum Geschäftsverkehr (schwere Verfehlungen) eingetragen. Eingetragen werden:
1.
Straftaten nach
a)
§ 108e des Strafgesetzbuches (StGB) (Abgeordnetenbestechung),
b)
§§ 129, 129a, 129b StGB (Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen),
c)
§ 156 StGB (Falsche Versicherung an Eides Statt),
d)
§ 261 StGB (Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte),
e)
§§ 263, 263a, 264, 265b, 266 StGB (Betrug und Untreue),
f)
§ 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt),
g)
§§ 267, 268, 269, 271, 273 StGB (Urkundenfälschungen),
h)
§§ 283, 283b, 283c, 283d StGB (Insolvenzstraftaten),
i)
§§ 298, 299 StGB (Straftaten gegen den Wettbewerb),
j)
§ 319 StGB (Baugefährdung),
k)
§§ 324, 324a, 325, 325a, 326, 327, 328, 329, 330, 330a StGB (Straftaten gegen die Umwelt),
l)
§§ 331, 332, 333, 334 StGB (Korruptionsdelikte),
unabhängig von der Form der Beteiligung (Täterschaft oder Teilnahme im Sinne des Strafgesetzbuches);
2.
Straftaten nach
a)
§ 370 der Abgabenordnung in der Fassung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. 2002 I S. 3869, 2003 I S. 61), zuletzt geändert am 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1566, 1575), in der jeweils geltenden Fassung (Steuerhinterziehung),
b)
§§ 19, 20, 20a, 22 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 22. November 1990 (BGBl. I S. 2507), zuletzt geändert am 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1595, 1597), in der jeweils geltenden Fassung,
c)
§ 34 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) in der Fassung vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1151), zuletzt geändert am 12. Dezember 2012 (BAnz. AT 2012 V1), in der jeweils geltenden Fassung,
d)
§§ 15, 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in der Fassung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 159), zuletzt geändert am 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854, 2923), in der jeweils geltenden Fassung (Ver- und Entleih ausländischer Leiharbeitnehmer ohne Genehmigung),
e)
§§ 9 bis 11 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842), zuletzt geändert am 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1566, 1573), in der jeweils geltenden Fassung,
f)
§ 331 des Handelsgesetzbuchs in der jeweils geltenden Fassung (Unrichtige Darstellung),
g)
§§ 399, 400, 401 des Aktiengesetzes (AktG) vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert am 20. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2751, 2753), in der jeweils geltenden Fassung (Falsche Angaben; unrichtige Darstellung; Pflichtverletzung bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit),
h)
Artikel 2 § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung internationaler Bestechung vom 10. September 1998 (BGBl. II S. 2327) in der jeweils geltenden Fassung (Bestechung ausländischer Abgeordneter im Zusammenhang mit internationalem geschäftlichen Verkehr),
unabhängig von der Form der Beteiligung (Täterschaft oder Teilnahme im Sinne des Strafgesetzbuches);
3.
Ordnungswidrigkeiten nach
a)
§ 33 AWG,
b)
§ 16 AÜG,
c)
§ 8 SchwarzArbG,
d)
§ 23 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799), zuletzt geändert am 25. November 2012 (BGBl. II S. 1381, 1382), in der jeweils geltenden Fassung,
e)
§ 18 des Mindestarbeitsbedingungengesetzes vom 11. Januar 1952 (BGBl. III 802-2), zuletzt geändert am 22. April 2009 (BGBl. I S. 818), in der jeweils geltenden Fassung,
f)
§ 81 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 und Absatz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 15. Juli 2005 (BGBl. 2005 I S. 2115, 2009 I S. 3850), zuletzt geändert am 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2403), in der jeweils geltenden Fassung,
g)
§ 146 Absatz 1 der Gewerbeordnung in der jeweils geltenden Fassung,
h)
§ 404 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert am 20. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2781), in der jeweils geltenden Fassung;
i)
§ 130 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in der Fassung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 603), zuletzt geändert am 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353, 2354), in der jeweils geltenden Fassung, soweit sich die unterlassene Aufsichtsmaßnahme auf eine der in Nummern 1 und 2 genannten Straftaten oder eine der in den Buchstaben a bis h genannten Ordnungswidrigkeiten bezieht;
4.
vergleichbar schwere Verfehlungen, insbesondere vorsätzliche oder grob fahrlässige Falscherklärungen
a)
zum Vorliegen von schweren Verfehlungen und Einträgen im Register nach § 1 Absatz 1 oder vergleichbaren Registern,
b)
zur Einhaltung der Tariftreue und der Bestimmungen über einen gesetzlichen Mindestlohn oder
c)
zur Beachtung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation;
soweit sie dem Unternehmen nach Absatz 4 zuzurechnen sind und soweit die Geschäftstätigkeiten des betroffenen Unternehmens einen Bezug zur Vergabe öffentlicher Aufträge aufweisen. Einem Verstoß gegen diese Vorschriften stehen Verstöße gegen vergleichbare Straf- oder Ordnungswidrigkeitstatbestände anderer Staaten gleich. Die Eintragung umfasst gegebenenfalls auch den infolge der schweren Verfehlung ausgesprochenen Ausschluss des Unternehmens von der Vergabe öffentlicher Aufträge (Einzelausschluss, Vergabesperre) gemäß § 6.
(3) Der für die Eintragung erforderliche Nachweis der jeweiligen schweren Verfehlung gilt als erbracht, wenn
1.
eine rechtskräftige Verurteilung in einem Strafverfahren,
2.
ein bestandskräftiger Bußgeldbescheid oder eine rechtskräftige Entscheidung in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren
vorliegt oder
3.
im Einzelfall nach einer endgültigen Einstellung gemäß § 153a der Strafprozessordnung (StPO) oder bereits während der Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens angesichts der Beweislage kein vernünftiger Zweifel am Vorliegen einer schweren Verfehlung verbleibt oder
4.
in den Fällen von Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 angesichts der Tatsachenlage kein vernünftiger Zweifel am Vorliegen einer schweren Verfehlung verbleibt.
(4) Ein Verhalten ist einem Unternehmen zuzurechnen, wenn eine geschäftsführende, eine in leitender Funktion handelnde oder eine sonstige zur rechtsgeschäftlichen Vertretung des Unternehmens berechtigte Person selbst gehandelt hat oder ein Aufsichts- oder Organisationsverschulden einer solchen Person im Hinblick auf das Verhalten einer anderen für das Unternehmen handelnden Person vorliegt.
(5) Ist die schwere Verfehlung oder der Vergabeausschluss einer selbständigen Zweigniederlassung eines Unternehmens zuzurechnen, so werden nur die Daten dieses Unternehmensteils in das Register eingetragen.
§ 3 Inhalt der Eintragung, automatisierte Datei
(1) In das Register werden folgende Daten eingetragen:
1.
Angaben zum Unternehmen:
a)
Firma beziehungsweise Name des Unternehmens, Rechtsform und Sitz oder Anschrift, betroffene Zweigniederlassung,
b)
bei juristischen Personen oder rechtsfähigen Personenvereinigungen:
aa)
Namen der gesetzlichen Vertreter beziehungsweise vertretungsberechtigten Personen,
bb)
gegebenenfalls Angaben zu Beteiligungsverhältnissen und Konzernstruktur,
c)
soweit vorhanden, Handelsregisternummer und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer beziehungsweise Wirtschafts-Identifikationsnummer,
d)
die im Zusammenhang mit der Eintragung stehende Art der Tätigkeit oder des Gewerbes des Unternehmens (Gewerbezweig, Branche),
2.
Angaben zu der betroffenen eintragungspflichtigen Verfehlung:
a)
Art der Verfehlung nach § 2 Absatz 2 mit Verweis auf den jeweiligen Tatbestand,
b)
Name der natürlichen Person, die die dem Unternehmen zuzurechnenden Tathandlungen der schweren Verfehlung begangen hat,
c)
Geburtsdatum und -ort sowie Anschrift der in Buchstabe b genannten natürlichen Person,
d)
Art des Nachweises nach § 2 Absatz 3,
3.
gegebenenfalls Angaben zum Ausschluss des betroffenen Unternehmens von der Vergabe öffentlicher Aufträge:
a)
Vergabesperre gemäß § 6 Absatz 2 mit
aa)
Datum der Ausschlussentscheidung,
bb)
Ende der Vergabesperre und
cc)
gegebenenfalls Beschränkung der Vergabesperre auf bestimmte Geschäftsbereiche des Unternehmens sowie
dd)
bei vorzeitiger Beendigung der Vergabesperre nach § 6 Absatz 7 mit Angabe des Datums der Entscheidung über die vorzeitige Beendigung und Kurzinformation zu den berücksichtigten Selbstreinigungsmaßnahmen,
b)
Einzelausschlüsse durch Vergabestellen der Auftraggeber nach § 1 Absatz 2 Satz 1 auf Grund der eingetragenen Verfehlung mit Angabe
aa)
der ausschließenden Vergabestelle,
bb)
des betroffenen Vergabeverfahrens (Verfahrensnummer oder Aktenzeichen) und
cc)
des Datums der Ausschlussentscheidung,
4.
soweit bekannt, sachdienliche Angaben zu auf denselben Sachverhalt bezogenen Registereintragungen oder Vergabeausschlüssen durch vergleichbare Informations- oder Registerstellen beziehungsweise öffentliche Auftraggeber außerhalb des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes.
(2) Das Register soll in Form einer automatisierten Datei geführt werden.
§ 4 Mitteilungen an die zentrale Informationsstelle
(1) Die öffentlichen Auftraggeber sind verpflichtet, der zentralen Informationsstelle ihnen im Zusammenhang mit der Durchführung von Auftragsvergaben bekannt gewordene Sachverhalte, die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Vorliegens einer eintragungspflichtigen schweren Verfehlung nach § 2 Absatz 2 geführt haben, in geeigneter Form unverzüglich detailliert mitzuteilen. Schließen die öffentlichen Auftraggeber ein Unternehmen auf Grund einer Verfehlung nach § 2 Absatz 2 von der Teilnahme an einem konkreten Vergabeverfahren aus (Einzelausschluss), haben sie den Einzelausschluss mit den für die Eintragung nach § 3 Absatz 1 erforderlichen Angaben unverzüglich der zentralen Informationsstelle mitzuteilen. Die Vergabestellen sind verpflichtet, der zentralen Informationsstelle auf Nachfrage alle erforderlichen ergänzenden Informationen - soweit erforderlich auch Vergabeakten oder relevante Teile davon - zur Verfügung zu stellen.
(2) Die für die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg sind verpflichtet, der zentralen Informationsstelle eintragungsrelevante Sachverhalte gemäß Absatz 3 beziehungsweise Absatz 4 unverzüglich mitzuteilen, soweit keine vorrangigen gesetzlichen Vorschriften der Mitteilung entgegenstehen und die Ermittlungs- beziehungsweise die für das Bußgeldverfahren zuständige Behörde den Ermittlungszweck nicht gefährdet sieht; die Mitteilung ist unverzüglich nachzuholen, sobald der Hinderungsgrund entfallen ist.
(3) Bei Strafverfahren nach § 2 Absatz 2 teilen die Strafverfolgungsbehörden der zentralen Informationsstelle
1.
die Erhebung der Anklage (durch Übersendung der Anklageschrift) und die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens,
2.
gegebenenfalls einen ergangenen Haftbefehl einschließlich der Begründung sowie seine Aufhebung oder Außervollzugsetzung,
3.
den Abschluss des Verfahrens durch
a)
das die Hauptverhandlung abschließende Urteil einschließlich der Urteilsbegründung oder
b)
eine Einstellung des Verfahrens einschließlich des Einstellungsbeschlusses oder
c)
den Erlass eines Strafbefehls und dessen Inhalte
mit. Werden weitere Rechtsmittel geltend gemacht oder das Verfahren wieder aufgenommen, ist dies sowie anschließend die Entscheidung über das Rechtmittel beziehungsweise das wieder aufgenommene Verfahren mitzuteilen.
(4) Bei Ordnungswidrigkeitsverfahren im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten teilen die zuständigen Verwaltungsbehörden der zentralen Informationsstelle die bestandsbeziehungsweise rechtskräftigen Entscheidungen in Bußgeldverfahren mit.
(5) Die zentrale Informationsstelle ist berechtigt, Mitteilungen von Vergabestellen oder vergleichbaren Register- oder Informationsstellen von Bund, Ländern und Kommunen oder sonstigen öffentlichen Auftraggebern zu Sachverhalten, die eintragungspflichtige Verfehlungen von Unternehmen betreffen, entgegenzunehmen und zur Grundlage eigener Prüfungen und gegebenenfalls eines Registereintrags zu machen. Liegen der zentralen Informationsstelle konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass Vergabestellen oder vergleichbare Register- oder Informationsstellen von Bund, Ländern und Kommunen sachdienliche Mitteilungen machen könnten, ist sie berechtigt, diese um diesbezügliche Mitteilungen zu bitten.
§ 5 Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen, Registereintrag, Mitteilung über den Registereintrag
(1) Die zentrale Informationsstelle prüft und entscheidet auf Grundlage eingegangener Mitteilungen oder auf Grund eigener Erkenntnisse und Ermittlungen, ob ein einzutragender Sachverhalt vorliegt. Sie nimmt bei Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen die Eintragung in das Register vor. Dies gilt entsprechend für wesentliche Änderungen sowie für die Verhängung einer Vergabesperre im Sinne von § 6 Absatz 2 einschließlich einer etwaigen vorzeitigen Beendigung der Vergabesperre nach § 6 Absatz 7. Offensichtlich fehlerhafte Eintragungen berichtigt die zentrale Informationsstelle von Amts wegen. Im Übrigen werden fehlerhafte Eintragungen auf Antrag des betroffenen Unternehmens berichtigt.
(2) Die zentrale Informationsstelle teilt dem betroffenen Unternehmen die Eintragung im Register sowie jede Veränderung einer Eintragung unverzüglich mit.
§ 6 Wirkung der Eintragung, befristeter Ausschluss von der Auftragsvergabe (Vergabesperre)
(1) Die Vergabestellen entscheiden grundsätzlich im Rahmen konkreter Vergabeverfahren in eigener Verantwortung nach Maßgabe der vergaberechtlichen Vorschriften über den Einzelausschluss von Unternehmen.
(2) Die zentrale Informationsstelle kann ein Unternehmen bei nachgewiesener schwerer Verfehlung mit Wirkung für alle Vergabestellen der Freien und Hansestadt Hamburg befristet von der Auftragsvergabe der Freien und Hansestadt Hamburg ausschließen (Vergabesperre). Während der Geltungsdauer der Vergabesperre dürfen Vergabestellen diese Unternehmen nicht zur Angebotsabgabe auffordern, Teilnahmeanträge oder Angebote der Unternehmen nicht berücksichtigen und den gesperrten Unternehmen keinen Zuschlag für einen Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg erteilen. Vergabesperren anderer Auftraggeber oder Länder berücksichtigen die Vergabestellen angemessen bei der Prüfung der Geeignetheit der Bieterinnen und Bieter.
(3) Bei der Entscheidung berücksichtigt die zentrale Informationsstelle neben den spezialgesetzlichen und vergaberechtlichen Vorgaben alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere:
1.
den Umfang des materiellen und immateriellen Schadens für den öffentlichen Auftraggeber und Ersatz des entstandenen Schadens,
2.
Umfang, Dauer und wettbewerbsverzerrende Wirkung des strafbaren beziehungsweise ordnungswidrigen Verhaltens oder der sonstigen schweren Verfehlung,
3.
das Vorliegen wiederholter Verstöße und bestehende Wiederholungsgefahr,
4.
die Mitwirkung des Unternehmens bei der Aufklärung der schweren Verfehlung, insbesondere das Vorliegen eines Geständnisses,
5.
nachgewiesene Maßnahmen der Selbstreinigung des betroffenen Unternehmens, insbesondere nachvollziehbare, zielführende organisatorische und personelle Konsequenzen im Unternehmen, einschließlich Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Verfehlungen,
6.
die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen oder Marktstörungen,
7.
die Mitverantwortung im Bereich des Auftraggebers.
(4) Die Vergabesperre soll in der Regel für eine Dauer von mindestens sechs Monaten und höchstens für eine Dauer von drei Jahren ausgesprochen werden. Soweit im Sinne der Verhältnismäßigkeit erforderlich, kann die Vergabesperre auf bestimmte Unternehmensbereiche beschränkt werden.
(5) Dem betroffenen Unternehmen wird von der zentralen Informationsstelle vor der abschließenden Entscheidung über den Ausspruch einer Vergabesperre Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
(6) Die zentrale Informationsstelle teilt dem betroffenen Unternehmen unverzüglich in Schrift- oder Textform ihre Entscheidung über die Vergabesperre mit und weist auf die Eintragung der Vergabesperre im Register sowie auf die Möglichkeiten der vorzeitigen Beendigung der Vergabesperre nach Absatz 7 hin.
(7) Die zentrale Informationsstelle kann die Vergabesperre vorzeitig aufheben, wenn das Unternehmen die Wiederherstellung seiner Zuverlässigkeit durch neu eingetretene Umstände nach Absatz 3 Nummern 1 und 5 (Schadensersatz und Selbstreinigung) hinreichend darlegt und nachweist.
(8) Bei der zentralen Informationsstelle wird ein Ausschuss eingerichtet, der vor dem Ausspruch einer Vergabesperre oder ihrer vorzeitigen Aufhebung anzuhören ist. Der Ausschuss besteht aus einer Vorsitzenden, die Beamtin auf Lebenszeit mit der Befähigung zum Richteramt sein muss oder aus einem Vorsitzenden, der Beamter auf Lebenszeit mit der Befähigung zum Richteramt sein muss, sowie aus zwei ehrenamtlichen Beisitzerinnen oder Beisitzern, die von der Handelskammer Hamburg und der Handwerkskammer Hamburg für eine Amtszeit von fünf Jahren benannt werden. Die Einzelheiten über die Einrichtung, Organisation und Besetzung des Ausschusses regelt die zentrale Informationsstelle.
§ 7 Verpflichtung zur Registerabfrage, freiwillige Registerabfrage
(1) Die öffentlichen Auftraggeber sind verpflichtet, vor Entscheidungen über die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen sowie von Planungsleistungen ab einem Auftragswert von 25.000 Euro ohne Umsatzsteuer und vor Entscheidungen über die Vergabe von Bauleistungen ab einem Auftragswert von 50.000 Euro ohne Umsatzsteuer bei der zentralen Informationsstelle abzufragen, inwieweit Eintragungen im Register zu den für einen Zuschlag vorgesehenen Bieterinnen und Bietern, deren Geschäftsführungen, Bewerberinnen und Bewerbern sowie potenziellen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern vorliegen, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Bei Bietergemeinschaften ist jedes Einzelunternehmen und deren Geschäftsführung abzufragen.
(2) Die öffentlichen Auftraggeber sind berechtigt, diese Nachfragen auch auf etwaige Nachunternehmerinnen und Nachunternehmer zu erstrecken.
(3) Auch vor Entscheidungen über die Vergabe von Aufträgen mit Auftragswerten unterhalb der in Absatz 1 genannten Wertgrenzen sind die öffentlichen Auftraggeber berechtigt, eine Registerabfrage entsprechend Absatz 1 durchzuführen.
(4) Registerabfrage und Ergebnis sind in der Vergabeakte zu dokumentieren.
§ 8 Registerabfrage durch weitere öffentliche Stellen
(1) Die zentrale Informationsstelle darf über Eintragungen im Register auf Auskunftsersuchen von
1.
Vergabestellen oder vergleichbaren register- oder listenführenden Stellen von Bund, Ländern und Kommunen oder anderen öffentlichen Auftraggebern,
2.
an das Vergaberecht gebundenen Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern oder
3.
mit der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten befassten Behörden und Gerichten des Bundes und der Länder
Auskunft geben, soweit die Auskunft für die Zwecke der Aufgabenerfüllung dieser Stellen erforderlich ist.
(2) Die anfragende Stelle hat insoweit Zweck und Aufgabenbezug in der Anfrage hinreichend darzulegen und
1.
den Zweck des Auskunftsersuchens,
2.
die Kurzbezeichnung des zugrundeliegenden Verfahrens und die Verfahrensnummer beziehungsweise das Aktenzeichen des Verfahrens sowie
3.
Namen und sonstige Identifikationsmerkmale der abzufragenden natürlichen Personen und Unternehmen
im Auskunftsersuchen mitzuteilen.
§ 9 Datenschutz, automatisiertes Abrufverfahren, Registerabruf und -auskunft
(1) Soweit dieses Gesetz keine besondere Regelung enthält, richtet sich die Verarbeitung personenbezogener Daten nach den Bestimmungen des Hamburgischen Datenschutzgesetzes (HmbDSG) vom 5. Juli 1990 (HmbGVBl. S. 133, 165, 226), zuletzt geändert am 14. Juni 2011 (HmbGVBl. S. 255), in der jeweils geltenden Fassung. § 19 Absatz 4 HmbDSG gilt entsprechend.
(2) Bei Datenübermittlungen an oder durch die zentrale Informationsstelle müssen die Daten vor dem unbefugten Zugriff Dritter geschützt sein. Mitteilungen und Anfragen können schriftlich, in Textform oder per Telefax eingereicht und beantwortet werden. Die zentrale Informationsstelle erteilt auf Antrag von natürlichen Personen und Unternehmen Auskunft über die sie betreffende Eintragungen im Register.
(3) Für die öffentlichen Auftraggeber nach § 1 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 kann die zentrale Informationsstelle für die Registerabfrage ein automatisiertes Abrufverfahren einrichten. Zum Abruf dürfen unter den Voraussetzungen des § 7 nur die in § 3 Absatz 1 genannten Daten bereitgestellt werden. Die zentrale Informationsstelle legt die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur datenschutzgerechten Ausgestaltung des Abrufverfahrens fest. Die Verantwortung für die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs trägt die abrufende Stelle, an die die Daten aus dem Register übermittelt werden. Die zentrale Informationsstelle protokolliert zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung und des ordnungsgemäßen Betriebs des Datenverarbeitungsverfahrens jeden Abruf mit abrufender Person, Datum des Abrufs und Inhalt der abgerufenen Daten. Die zentrale Informationsstelle trägt die datenschutzrechtliche Verantwortung gegenüber den Betroffenen.
§ 10 Gemeinsames Register
(1) Das Register kann als gemeinsame automatisierte Datei zusammen mit anderen Ländern geführt werden, sofern die gesetzlichen Bestimmungen der anderen Länder über
1.
die Art der in das Register aufzunehmenden Daten und die Art der aus dem Register abzurufenden Daten,
2.
den Zweck des Datenabrufs,
3.
die Voraussetzungen zur Aufnahme von Einträgen in das Register und zur Löschung aus dem Register sowie zur Auskunftserteilung und zum Abruf von Daten aus dem Register
mit den Bestimmungen dieses Gesetzes übereinstimmen und die gesetzlichen Bestimmungen der anderen Länder ein Register als gemeinsame automatisierte Datei nicht ausschließen.
(2) Zur Einrichtung und zum Betrieb eines gemeinsamen automatisierten Registers ist mit den anderen Ländern ein Verwaltungsabkommen abzuschließen, das mindestens regeln muss,
1.
welche zentrale Informationsstelle die Aufgaben der Fachlichen Leitstelle für die gemeinsame automatisierte Datei übernimmt (Sitzland) und
2.
welche technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Datenschutz und welche Maßnahmen zur Datenschutzkontrolle vorzusehen sind.
(3) Öffentliche Auftraggeber anderer Länder, mit denen das Register gemeinsam geführt wird, sind zum Abruf nach § 9 Absatz 3 befugt. Zentrale Informationsstellen anderer Länder sind zu Eintragungen nach § 3 Absatz 1 befugt; sie erhalten lesenden Zugriff auf den Inhalt des gemeinsamen Registers. Nur diejenige zentrale Informationsstelle, die die Daten eingegeben hat, ist befugt, diese zu ändern, zu berichtigen oder zu löschen.
(4) Die datenschutzrechtliche Verantwortung für die im gemeinsamen Register gespeicherten Daten trägt diejenige zentrale Informationsstelle, die diese Daten eingegeben hat.
(5) Dem Landesdatenschutzbeauftragten oder der Landesdatenschutzbeauftragten des Sitzlandes obliegt die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften über den Datenschutz. Dabei ist das Benehmen mit den Landesdatenschutzbeauftragten der beteiligten Länder herzustellen. Die Zuständigkeit der Landesdatenschutzbeauftragten für die Überwachung der Meldungen an das gemeinsame Register und für die Rechtmäßigkeit der Abfragen durch öffentliche Auftraggeber bleibt unberührt. Die Landesdatenschutzbeauftragten können jederzeit im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Protokolldaten des gemeinsamen Registers einsehen.
§ 11 Tilgung von Registereinträgen
(1) Registereinträge werden nach Ablauf einer bestimmten Frist tilgungsreif. Die Tilgungsreifefrist beträgt:
1.
bei Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße in Höhe von höchstens 1.000 Euro geahndet wurden und für die keine Vergabesperre ausgesprochen worden ist: ein Jahr,
2.
bei Straftaten, die nach § 153a StPO eingestellt oder mit einer Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen beziehungsweise mit einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Monaten bestraft worden sind und für die keine Vergabesperre ausgesprochen worden ist: ein Jahr,
3.
bei sonstigen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, für die keine Vergabesperre ausgesprochen worden ist: zwei Jahre,
4.
bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, für die eine Vergabesperre ausgesprochen worden ist: drei Jahre.
Die Frist beginnt mit dem Datum der Rechtskraft der Entscheidung beziehungsweise der Bestandskraft des Bescheides, in den Fällen nach Satz 2 Nummer 4 erst mit dem Tag der Entscheidung über die Vergabesperre, wenn dies der spätere Zeitpunkt ist. Sind im Register mehrere schwere Verfehlungen zu einem Unternehmen eingetragen, so tritt die Tilgungsreife für alle diese schweren Verfehlungen erst ein, wenn sämtliche Eintragungen tilgungsreif sind.
(2) Ein zu tilgender Registereintrag wird von der zentralen Informationsstelle fünf Jahre nach Eintritt der Tilgungsreife aus dem Register entfernt. Während dieser Zeit darf der Eintrag nicht automatisiert abrufbar sein und über den Eintrag keine Auskunft an Dritte erteilt werden. Die zentrale Informationsstelle kann zu tilgende Einträge im Rahmen weiterer Entscheidungen nach § 6 Absatz 2 (Vergabesperre) berücksichtigen.
(3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 ist ein Registereintrag unverzüglich aus dem Register zu entfernen, falls die Eintragung auf Grundlage eines Nachweises nach § 2 Absatz 3 Nummer 3 vorgenommen worden ist und das Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht mit einer rechtskräftigen Bußgeldentscheidung oder das Strafverfahren durch eine Einstellung aus anderen Gründen als nach § 153a StPO oder durch Freispruch abgeschlossen worden ist.
(4) Die zentrale Informationsstelle prüft in angemessenen Abständen, ob die Voraussetzungen einer Tilgung vorliegen und führt diese gegebenenfalls von Amts wegen durch.
(5) § 5 Absatz 2 gilt entsprechend.
§ 12 Maßnahmen zur Korruptionsvorsorge
(1) Die zentrale Informationsstelle kann Systeme unabhängiger Stellen zulassen, mit denen geeignete Vorsorgemaßnahmen von Unternehmen zur Verhinderung zukünftiger Verfehlungen (Korruptionsprävention) nachgewiesen werden (Compliance-Zertifikate). Bei Vorlage eines Compliance-Zertifikats kann von der Registerabfrage nach § 7 abgesehen werden.
(2) Öffentliche Auftraggeber haben für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich organisatorische Regelungen zu treffen, durch die ordnungsgemäße Vergabeverfahren gewährleistet werden. Hierzu gehört auch die Einhaltung allgemein anerkannter Grundsätze zur Korruptionsprävention.
§ 13 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des zweiten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft.
Ausgefertigt Hamburg, den 17. September 2013.
Der Senat
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